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Faszikel IVb-01-bel-1791
 

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will, unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger. Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition (Leitung: Helmut Pfotenhauer)

Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (11/1998-12/2000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (01/2001-12/2005)
Projektleitung: Michael Will
Gesamtleitung: Helmut Pfotenhauer

Transkriptionsgrundlage: Nachlass Jean Paul. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Fasz. IVb, Band 1

Bearbeitungsschritte:
04.05.2002 ST Beginn der Transkription
25.05.2003 ST Fortsetzung der Transkription (Berlin)
11.04.2010 CMC Korrektur der XML-Struktur
11.04.2010 CMC Zweites Online-Update

 

Exzerpten aus neuen belletristischen Schriften

Erster Band. 1781.

Leipzig.



] Bis S. 50 in Würzburg anhand v. Microfilmkopien transkribiert; weiter in Berlin anhand der Originale. ST, 25.06.2003

 

[Manuskriptseite 50]

[IVb-01-bel-1791-0001]
"Wer kent den morgenden Tag, und doch wil man einen Kalender über Ewigkeiten machen?" S. 196.

 

[IVb-01-bel-1791-0002]
"Was ist es denn, das die künstlich gezogene Wasserschleuse und die daher rauschende Fluten des Redners, die al an seinen Text schlagen, erzeugen? Schaum, und wenn auch eine Venus draus würde, nicht iedem ist mit dieser Schaumgöttin gedient..-" S. 200.

 

[IVb-01-bel-1791-0003]
"One Vorrede las ichs Buch nicht. Es ist nicht gut, daß das Buch allein sei. - Die Vorrede, sagte mein Vater, ist der erste Eingang, wo Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung vorkomt, damit der Autor ein geruhiges und stilles Leben füren möge, in aller Gotseligkeit und Erbarkeit.-" S. 234.

 

[IVb-01-bel-1791-0004]
"One... S. 234."] am linken Rand durch vertikalen Strich markiert. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0005]
"Der Graf sezte einem seiner Paten, der nur sieben Wochen gelebt hatte, selbst eigenhändig die Grabschrift: Aus einem Mutterschos in den andern." S. 239.

 

[IVb-01-bel-1791-0006]
"Das Klügste, was ein unwichtiger Mensch anfangen kan, ist, lustig sein. Das sehen wir an unsern Altagseinfällisten. Die einzige Rolle, die der Mittelmässigkeit angemessen ist, ist frölich und guter Dinge sein." Seite 304-305.

 

[IVb-01-bel-1791-0007]
"Tut nicht so ernsthaft, wo zu lachen ist. Hängt euch nicht eine Reverende von Worten um, wo es auf Sachen ankomt. Ich weis, Kleider machen Leute; allein nicht unter Männern, denen das Denken obliegt. Warum das ermüdende Zeremoniel, das, sobald es aus eurem Tempel in's Freie gebracht wird, lächerlich ist. Gehört denn dazu soviel Kunst,

 

[Manuskriptseite 51]

zu sagen: Wir wissen nichts, und das ist doch das Ende aller eurer Kunst. Warlich eine menschliche Kunst, die aber natürlich vorgetragen werden mus, wenn sie Frucht bringen sol in Geduld. Was ist denn Positiv, so wie ihr's nemt, Hochgelarte Herren? Das Format des Positiven ist Duodez. Warum doch alle die Formalien, wo's auf Ia und Nein ankomt? So sei eure Rede! Was drüber ist, sagt, ist es nicht vom Übel? Wir leben nicht mer im alten Bunde, sondern in der christlichen Freiheit, wo das Zeremonialgesez, Got sei gedankt! abgeschaft ist, warum wolt ihr solch einen Kopfzwang, solche Daumenschrauben einfüren? - Seht! ich vergelte nicht Böses mit Bösem, nicht Kunstwort mit Kunstwort, ich begegne nicht trokkenen Warheiten mit trokkenen Einfällen, obgleich trokkene Warheiten und trokkene Einfälle Gevattersleute sind, und in kanonischer Verbindung stehen. Wie kan ich Euch aber retten, wenn sich dergleichen trokkene Einfällisten würklich fänden, die euch über kurz oder lang darstelten, wie ihr seid? - Um des armen Menschengeschlechts willen bitt' ich euch, last ab vom Ziegelstreichen und von ägyptischer Dienstbarkeit, und vom Morde der geistvollen Knäblein, und wolt und könt ihr nicht? Es wird ein Moses kommen, der uns nach Kanaan fürt, wo Milch und Honig fleust." S. 306-307.

 

[IVb-01-bel-1791-0008]
"One Träume gieb's keine Trunkenheit der Liebe." S. 347.

 

[IVb-01-bel-1791-0009]
"Leibniz war zwar schon im funfzehnten Iare Magister; allein als Magister war er nicht Leibniz, und da er schon Leibniz war, wie oft fiel er in den Magister." S. 428.

 

[Manuskriptseite 52]

[IVb-01-bel-1791-0010]
"Alles ist beim Könige gleich weit vom Trone. Der Bediente des Königs ist ein Bedienter." S. 448.

 

[IVb-01-bel-1791-0011]
VIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0012]
Kleinigkeiten von G. E. Lessing.

 

[IVb-01-bel-1791-0013]
Parva mei mihi sunt cordi monumenta laboris; At populus tumido gaudeat Antimacho. Catullus.

 

[IVb-01-bel-1791-0014]
Vierte Auflage. Stutgart bei J. B. Mezler. 1769.

 

[IVb-01-bel-1791-0015]
1) Die Betrübnis.

 

[IVb-01-bel-1791-0016]
Der Freund.
"Freund! welches Unglük, welche Reue
Plagt dich mit finsterm Schmerz?
Der Dichter.
Ach Freund! sie flieht, die Ungetreue!
Und sie besas mein Herz.
Der Freund.
Um eine Falsche dich betrüben?
Du bist sonst klug genug = =
Der Dichter.
O schweig! das heist nicht lieben,
läst uns die Liebe klug." S. 8.

2) Die Haushaltung.

 

[IVb-01-bel-1791-0017]
"Zankst du schon wieder? sprach Hans Lau
zu seiner lieben Ehefrau.
"Versofner, unverschämter Man ***
Geduld, mein Kind, ich zieh mich an = = =
"Wo nun schon wieder hin?" Zu Weine.
Zank du alleine.

 

[Manuskriptseite 53]

"Du gehst? = = Verdamtes Lasterhaus!
"Ja = = blieb er nur die Nacht nicht aus = =
"Got! ich sol so verlassen sein?
"Wer pocht? Herr Nachbar? = = nur herein!
"Mein böser Teufel ist zu Weine:
"Wir sind allein." S. 14.

3) Lob der Faulheit.

 

[IVb-01-bel-1791-0018]
"Faulheit iezo wil ich dir
Auch ein kleines Loblied schenken.
Käm' es nur gleich auf's Papier,
One lange nachzudenken.
Doch, ich wil mein bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut! wer dich nur hat
Dessen ungestörtes Leben
Wird = = ich gän = = ich werde mat = =
Nu = = So = = magst du mir's vergeben,
Daß ich dich nicht loben kan;
Du verhinderst mich ia dran." S. 27.

4) Der gröste Man.

 

[IVb-01-bel-1791-0019]
"Wie häufig sind die grösten Männer!
Kaum, daß sie zälbar sind;
Weil ieder angemaste Kenner
Sein Muster dazu dienlich findt.
Zuerst lasst uns den Priester fragen:
Wer ist der gröste Man?
Mit stolzen Mienen wird er sagen:
Wer sich zum kleinsten machen kan.
Ist's war? last und den Dichter hören.
Wer ist der gröste Man?

 

[Manuskriptseite 54]

Er wird es uns in Versen schwören;
Ich bin es, weil ich reimen kan.
Wie nun? Last uns den Hofman fragen:
Wer ist der gröste Man?
Er bükt sich, lächelt und wird sagen:
Wer höflich sein und lügen kan.
Wil man's vom Philosophen wissen,
Wer ist der gröste Man?
Aus dunkeln Plaudern wird er schliessen:
Wer mich verstehen und denken kan.
Was brauch' ich ieden Tor zu fragen:
Wer ist der gröste Man?
Ihr seht, die Toren alle sagen:
Wer mir am nächsten kommen kan.
Iedoch den klügsten Tor zu fragen:
Wer ist der klügste Man?
So fraget mich. Ich wil euch sagen:
Wer trunken sie verlachen kan." S. 35-36.

5) Der Irtum.

 

[IVb-01-bel-1791-0020]
" Mit ihrem Hund und blossen Brüsten,
Sah Lotte frech herab.
Wie mancher lies sich nicht gelüsten,
daß er ihr Blikke gab.
Ich kam Gedankenvol gegangen,
Und sah steif heran.
Der, denkt sie, der ist auch gefangen,
Und lacht mich schalkhaft an.
Allein, gesagt zur guten Stunde,
Die Iungfer irt sich hier=

 

[Manuskriptseite 55]

Ich sah nach iherem bunten Hunde.
Es ist ein artig Tier." S. 36.

6) Der philosophische Trinker.

 

[IVb-01-bel-1791-0021]
"Mein Freund, der Nar vom philosoph'schen Orden,
Hat sich bekert, und ist ein Trinker worden.
Er zecht mit mir und meinen Brüdern,
Und fült schon in unsern Liedern
Mer Weisheit, Wiz und Kraft,
Als Iakob Böhm und Newton schaft.
Doch bringt er seine spizgen Fragen,
Die minder als sie sagen, sagen,
Noch dan und wan hervor,
Und plagt mit Schlüssen unser Or.
Iüngst fragt er mich am vollen Tische,
Warum wol in der Welt der Fische,
In Flüssen und im Mer,
Nicht Wein stat Wassers wär?
On' Ursach, sprach er, kan nichts sein.
Die Antwort fiel mir schwer;
Ich dachte hin und her,
Doch endlich fiel mir's ein.
"Die Ursach ist leicht zu erdenken.
Sprach mit aufgestemtem Arm.
Und welche? schrie der ganze Schwarm.
" Damit, wenn Esel davon tränken,
"Die Esel, nur verdamt zu Bürden,
"Nicht klüger als die Menschen würden.
Die Antwort, schrie man, läst sich hören.
Drum trinket eins der Weltweisheit zu Eren!" S. 38.

 

[Manuskriptseite 56]

7) Die schlafende Laura.

 

[IVb-01-bel-1791-0022]
"Nachlässig hingestrekt,
Die Brust mit Flor bedekt,
Der iedem Lüftgen wich,
Das külend ihn durchstrich,
Lies unter ienen Linden
Mein Glück mich Lauren finden.
Sie schlief, und weit und breit
Schlug iede Blum' ihr Haupt zur Erden,
Aus misvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht geseh'n zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschalten keine Nachtigallen,
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht iezt träumte,
Von dem, ich hoff' es, träumte,
Der staunend bei ihr stand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um nah es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich lies mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küste sie,
Ich segnete, und küste wieder,
Und schnel erwachte sie.

 

[Manuskriptseite 57]

Schnel taten sich die Augen auf.
Die Augen? = = Nein, der Himmel tat sich auf." S. 47.Schnel .... S.47.] links neben Text mit senkrechtem Strich markiert. ST

8) Der Schwur.

 

[IVb-01-bel-1791-0023]
"Ich schwör' es, Lauren nicht zu lieben,
Das ungetreue KInd!
Ich schwör' es, nie ein Kind zu lieben,
Weil alle treulos sind!
ch schwör' es, und vor Amors Oren,
Sei, was ich willig schwur, geschworen.
Ich schwör' es, Laura, dich zu hassen!
Den Has schwör' ich dir zu!
Ich schwör' es, iedes Kind zu hassen;
Denn iedes ist wie du.
Ich schwör' dir vor Amors Oren,
Daß ich = = ach! daß ich falsch geschworen!" S. 52.

9) Der Verlust.

 

[IVb-01-bel-1791-0024]
"Alles gieng für mich verloren,
Als ich Sylvien verlor.
Du nur giengst nicht mit verloren,
Liebe, da ich sie verlor." S. 53.

10) Das Leben.

 

[IVb-01-bel-1791-0025]
"Sechs Tage kant' ich sie,
Und liebte sie sechs Tage.
Am siebenden erblaste sie,
Dem ersten meiner ew'gen Klage.
Noch leb' ich? Zauderndes Geschik!
Ein pflanzengleiches Leben,

 

[Manuskriptseite 58]

O Himmel, ist für den kein Glük,
dem du Gefül und Herz gegeben!
O nim dem Körper Wärm' und Blut,
Dem du die Sele schon genommen!
Hier, wo ich wein', und wo sie ruht,
HIer las den Tod auf mich herabgebeten kommen!
Was hilft es, daß er meine Iare
Bis zu des Nestors Alter spare?
Ich habe, troz der grauen Hare,
Womit ich dan zur Grube fare,
Sechs Tage nur geliebt,
Sechs Tage nur gelebt." S. 54.Sechs ... S. 54.] links neben Text senkrechte Anstreichung. ST

11) Der Faule.

 

[IVb-01-bel-1791-0026]
" Rent dem scheuen Glükke nach,
Sorgt und schwizt euch alt und schwach!
Mutet mir es nur nicht zu,
Blinde Räuber eigner Ruh!
Ist auf deiner Liste, Glük,
Auch mein Nam' ein kentbar Stük,
O so kom zu mir in's Haus = = =
Oder = = streich den Namen aus.
Komst du, und ich ruhe gleich,
O so trit den Boden weich!
Ist dein Reichtum soviel wert
daß er meine Träume stört?
Ich wil = = = doch iezt fält mir's ein,
Daß der Mensch mus elend sein.
Wol, ihr Freunde, schwizt und rent,
Daß ihr tod ausruhen könt.

 

[Manuskriptseite 59]

Ich nem' Teil an eurer Müh!
Die Natur gebietet sie.
Ich, damit ich auch was tu,
Seh' euch in dem Lenstul zu!" S. 59.

12) Die Einwoner des Monds.

 

[IVb-01-bel-1791-0027]
"Die Mägdgen, die in sechzehn Iaren,
Noch nicht das lekre Glük erfahren,
Wozu sie ihre Mutter sparen;
Das Stuzzergen, das etwas lernt;
Das Weib, das nie sich aus den Schranken
Der ehligen Pflicht entfernt,
Und um den Man die Welt vergist;
Der Betler, der bei dem Bedanken
So höflich wie beim Bitten ist;
Der Dichter, welcher nie gelogen,
Dem stets der Reim, und niemals er,
Dem lieben Reime nachgezogen;
Der Pfaffe, der stolz auf sein Amt,
Um Kleinigkeiten nicht verdamt,
Und weis durch Taten zu ermanen;
Der Edle, der von seinen Anen,
In ungzertrenter Ordnung stamt,
On' daß ein wakrer Bauerknecht
Nicht auf des Heldenblut geschwächt;
Ein Arzt, der keinen g tod gemacht;
Der Krieger, der mer kämpft als fluchet;
Der Hagestolz, der in der Nacht,
Was er am Tage flieht, nicht suchet;
Das fromme Weib, das nie geschmält,

 

[Manuskriptseite 60]

<>Der reiche Greis, dem nichts gefelt;
Und hundert andre schöne Sachen,
Die unsern Zeiten Ere machen:
Wo trift man die? = = Vielleicht im Mond,
Wo iedes Hirngespinste wont." S. 67.

13) Charlotte.

 

[IVb-01-bel-1791-0028]
"Die iüngst lies ihren guten Man begraben.
Charlotte wünscht stat seiner mich zu haben,
Gewis, Charlott' ist klug.
Wir haben uns vordem schon oft gesehen,
Drum glaub' ich wol, die Sache möchte gehen,
Wär' ich nur dum genug." S. 75.

14) Die Sparsamkeit.

 

[IVb-01-bel-1791-0029]
"Von nun an mus ich sparsam werden?
Warum denn das? Der Wein schlägt auf.
So geht's, das beste dieser Erden
Erhält man nur durch teuren Kauf.
Wer pocht? Ei der verwün verwünschte Schneider
Macht mich fast durch sein Manen tol.
Da seht die Menschenliebe! leider,
daß man doch stets bezalen sol.
"Beliebet morgen einzusprechen.
"Die Wechsel laufen später ein.
Er geht? Geh! geh! nun kan ich zechen.
Seht! seht! so mus man sparsam sein." S. 75.

 

[Manuskriptseite 61]

[IVb-01-bel-1791-0030]
14) Der bescheidne Wunsch.

 

"Der Pfennig, den man Andachtsvol
dem Priester beichtend geben sol,
Gilt mer als im gemeinen Leben
Ein Pfennig, den wir Iro geben.
Die Klügsten müssen durch Dukaten
Den Sin des kleinen Worts erraten.
Man nem' es nicht buchstäblich an,
Der Buchstab bringt Tod und Ban.
"Ach! schenkte mir mein lieber Got
"Nur einst mein liebes Bisgen Brod;
"Ich wolte mich begnügen lassen
"Und keinen Reichen neidisch hassen.
O, das ist Stoxen leicht zu sagen,
Doch, wolt ihr eine Wette wagen,
Stox schliest Fische, Braten, Wein
Mit in den Wunsch des Brodes ein.
O Liebste! machet dir mein Mund
den heissen Wunsch nach Küssen kund,
So wisse, daß ich mer begeret,
Als dir mein scheuer Wunsch Mund erkläret.
Ein Kus bei mir ist = = Sol ich' s sagen?
Doch stil! du wilst mich heimlich fragen.
Kom! iener Lustwald ruft dir zu:
O Mädgen! was du tun wilst, tu!" S. 77.

15) Das Gebet.

 

[IVb-01-bel-1791-0031]
"Sagt nicht, die ihr Dorinden kent,
Daß sie aus Eitelkeit nur in die Kirche rent,

 

[Manuskriptseite 62]

Daß sie nicht bete, und nicht höre,
Und andre nur im Beten störe.
Sie bat. Mein Or ist selber Zeuge.
Denn ihre Schönheit geht almäligt auf die Neige.
Sie bat mit brünstigen Geberden:
Las unser Angesicht, Herr! nicht zu Schanden werden." S. 78.

16) Die schlimste Frau.

 

[IVb-01-bel-1791-0032]
"Die Weiber können nichts als plagen.
Der Saz sagt viel und ist nicht neu.
Doch, Freunde, könt ihr mir nicht sagen,
Welch Weib das schlimste sei?
Ein Weib, das mit dem Manne scherzet
Wie ein gebildter Marmorstein,
Das one Glut und Reiz ihn herzet,
Das kan kein gutes sein.
Ein Weib, das wie ein Drache geizet,
Und gegen Kind und Magd genau,
Den Dieb, mich zu bestelen, reizet,
O eine schlimme Frau!
Ein Weib, das gegen alle lachet,
In Lieesstreichen frech und schlau,
Uns täglich neue Freunde machet,
O eine schlimme Frau!
Ein Weib, das nichts als bet und singet,
Und bei der Kinder Zeitvertreib
Mit Seufzen ihre Hände ringet,
O ein noch schlimmer Weib!
Ein Weib, das stolz auf's Eingebrachte,
(Und welche nimt der Stolz nicht ein?)

 

[Manuskriptseite 63]

Den Man sich gern zum Sklaven machte;
Das mus ein Teufel sein.
Ein Weib, das ihrem Manne fluchet,
Wenn er Geselschaft, Spiel und Wein,
Wie heimlich sie Liebhaber, suchet,
Das mus - - ein Weibsbild sein!" S. 83.

VIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0033]
Dr. Eduard Young's Klagen oder Nachtgedanken über Leben, Tod und Unsterblichkeit. In neun Nächten. Sunt lacrymae rerum, et mentem mortalia tangunt. Virg. Nebst desselben sieben karakteristischen Satiren auf die Rumbegierde, die algemeine Leidenschaft. Aus dem Englischen in's Deutsche übersetzt, durchgehends mit kritischen und erläuternden Anmerkungen begleitet, und mit dem nach der lezten englischen Ausgabe abgedrükten Originale herausgegeben, von J. A. Ebert, Prof. Erster Band. Zweite verbesserte Auflage. Braunschweig, bei sel. L. Schröder's Erben. 1768.

 

[IVb-01-bel-1791-0034]
1) Aus der ersten Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0035]
"Der müden Natur süsses Labsal, balsamischer Schlaf! Ach! er besucht, gleich der Welt, nur dieienigen gern, denen das Glük zulächelt; die Elenden verläst er; fliegt auf seinen weichen Fittigen schnel vom Iammer hinweg, und - senkt sich auf Augenlieder herab, die keine Träne beflekt." S. 7.

 

[IVb-01-bel-1791-0036]
"Got schlug aus der dichten Finsternis ienen Funken, die Sonne, heraus." S. 15.

 

[IVb-01-bel-1791-0037]
"Got ... S. 15.] links neben Exzerpt senkrechter Markierungsstrich. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0038]
" Obgleich meine Sele unterdessen, daß sich die sanfte Herschaft des Schlafs über meine Glieder ausbreitete, mit

 

[Manuskriptseite 64]

phantastischen Tänzen auf Zaubergefilden herumhüpfte; oder durch die Dunkelheit unwegsamer Wälder hintrauerte; oder, von dem schroffen und steilen Felsen herabgestürzt, mit Mühe durch den grünen Sumpf schwam; oder die Klippe hinankletterte; oder mit seltsamen Gestalten, des Gehirns wilden Geburten, auf leichten Winden schwebte: so zeigt doch ihr unaufhörlicher Flug, wenn er sich gleich verirt, daß sie ein feineres Wesen sei, als der betretne Erdklos; daß sie sich feurig, geistig, und frei empor schwinge, und sich durch den Fal ihres schweren Gefärten nicht mit niederreissen lasse. Selbst die stille Nacht verkündigt die Unsterblichkeit meiner Sele: selbst die stille Nacht verkündigt eifnen ewigen Tag. Der Himmel lenkt alle Begebenheiten zum Besten des Menschen; der sinlose Schlaf unterrrichtet, und vergebliche Träume gaukeln nicht umsonst {vergebens}. Seit. 23 - 27.

 

[IVb-01-bel-1791-0039]
"Der Mensch, der törichte Mensch! schart hier alle seine Gedanken ein; und begräbt himlische Hofnungen, on' einen einzigen Seufzer. Ein Gefangener der Erde, und unter dem Monde eingeschlossen, bindet er alle seine Wünsche an das, was hier ist; sie, die doch vom Himmel beflügelt wurden, um sich dem Unendlichen nachzuschwingen; und es dort zu erreichen, wo Seraphim von dem schönen Baume des Lebens, dicht an dem Trone Gottes, Unsterblichkeit sammeln. Welch ein Überflus von goldnen Trauben ambrosialischer Freuden glüht dort in Seinem vollen Strale, und reift für die Gerechten; dort, wo keine minutenlan=

 

[Manuskriptseite 65]

ge Iarhunderte mer sind; wo Zeit, und Schmerz, und Tod und Zufal und Tod sterben. Und ist denn die Flucht von sechzig Iaren vermögend, die Ewigkeit aus menschlichen Gedanken zu verdrängen, und unvergängliche Selen im Staube zu erstikken? Eine unvergängliche Sele, die ihr ganzes Feur, ihre ganze Stärke in einem ämsigen Müssiggange verschwendet; die durch irgend etwas, womit die gegenwärtige Szene sie bedräuen oder vergnügen kan, in einen Tumult hingerissen, entzükt, oder unruhig wird; gleicht dem Ozean, der zum Sturm empört wäre, um eine Feder fortzubringen, oder eine Fliege zu erseufen. Wohin fält dieser Tadel? Er schlägt mich selbst zu Boden. Wie ser war mein Herz mit der Welt, wie mit einer Rinde, überzogen! O wie ser hatte isch meine niedrige Sel' in eigne Fessel verwikkelt! Wie tief war ich, gleich einem Wurme, um und um in weichen Gedanken eingehült, welche die kriechende Einbildung webte, bis die umwölkte Vernunft, in sanften Vorstellungen von unaufhörlicher Lust hienieden, ganz eingewunden lag, und noch nicht ihre Schwingen ausbreitete, um den Himmel zu erreichen." S. 31 - 35.

 

[IVb-01-bel-1791-0040]
"Ieder Augenblik hat seine Sense Sichel, und eifert der ungeheuren Sense der Zeit nach, deren weiter Hieb Königreiche von der Wurzel wegreist; ieder Augenblik schwingt sein kleines Gewer in der engern Sphäre süsser häuslicher Freuden, und haut die schönste Blüte irdischer Seligkeit nieder." S. 39.

 

[IVb-01-bel-1791-0041]
"Dort sind Wesen, welche gleich ihrem hochmütigen Beherscher, unsterblich sind, auf lebenslang an's blutige Ruder ge=

 

[Manuskriptseite 66]

schmiedet; durchpflügen die Winterwellen, und erndten Verzweiflung ein." S. 47.

 

[IVb-01-bel-1791-0042]
"Die Klugheit kan uns nicht beschüzzen, die Tugend kan uns nicht erretten; die keuscheste Mässigkeit wird von der Krankheit, die Unschuld von der Strafe angefallen; und der Lärm der Unruhe verfolgt die Freunde des Friedens durch die diksten Schatten. Des Menschen Vorsichtigkeit wird oft zur Gefar, und sein fallender Hüter zerquescht ihn, Sogar das Glük kan das Versprechen seines Namens nicht erfüllen; selbst unsre Wünsche geben uns nicht unsern Wunsch. Wie entfernt ist oft das, wornach wir uns am brünstigsten senen, von dem, warum wir uns darnach senen, von der Glükseligkeit? Der sanfteste Lauf der natur hat seine Beschwerden; und die treusten Freunde verwunden, aus Versehen, unsre Ruhe. wie viel Ungemach, on' Unglük! Und wie viele Feindseligkeiten, on' einen Feind!" S. 51.

 

[IVb-01-bel-1791-0043]
" Der elende stets aufschiebende Mensch ist lauter Versprechen, und das durch alle Stufen seines Alters. als Iünglinge, ruhen wir freilich zuweilen, mit einer edlen Zufriedenheit, in völligem Vergnügen, für uns selbst unbesorgt; und wünschen nur, als rechtschaffene Söne, daso unsre Väter weiser sein möchten. Im dreissigsten Iare argwont der Mensch, daß er selbst ein Tor sei; weis es im vierzigsten, und verbessert seinen Plan; im funfzigsten schilt er seinen schändlichen Verzug, und treibt seinen klugen Vorsaz zur Entschliessung; entschliest sich, und entschliest sich wieder; und stirbt ebenderselbe." S. 69 - 71.

 

[IVb-01-bel-1791-0044]
2) Aus der zweiten Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0045]
" Bewache nur deine Gedanken wol; unsre Gedanken werden im Himmel gehört." S. 99.

 

[Manuskriptseite 67]

[IVb-01-bel-1791-0046]
"Ihr Zärtlinge! Die ihr, selber höchst unerträglich, nichts ertragen könt! für welche die WinterRose Winterrose blühen, und die Sonne im Löwen einen feurigern Stral annemen mus; die ihr den seide-sanften Zephyr noch sanfter hauchen heist, oder ihn sonst mit Verweisen bestrafet; und denen andre Welten kizzelnde Gerüche, Speisen und Lieder, und von fremden Künstlern gewebte Kleider und Begriffe senden müssen! O ihr Lorenzos unsrer Zeit! Die ihr Einen unbelustigten Augenblick für ein Elend haltet, das für den schwachen Menschen nicht gemacht ist! Die ihr nach iedem Puppenwerke schreit, Einfällen von allerlei Gattungen, nach einer Veränderung von Torheiten, nach immer frischen untergelegten Freuden, um euren Kranken durch die verdrüsliche Länge eines kurzen Winterabends fortzuschleppen, - sprecht, pp." Seit. 119-121.

 

[IVb-01-bel-1791-0047]
"Siehe, so zeichnet der schlaue Angeber hinten in seinem Winkel ieden Feler auf, und erfült sein schrekliches Tagebuch mit Grausen. Nicht allein die grobe sichtbare Tat beschäftigt seine Feder; er belauscht sogar die leichte und geistige Schar der Phantaseien; ein wachsamer Feind! Der fürchterliche Kundschafter behorcht das leise Gemurmel unsers Lagers; er spähet die anbrechenden Vorsäzee unsers Herzens aus, und stielt die Embryonen unsrer Sünden." S. 123.

 

[IVb-01-bel-1791-0048]
" Wer sich selbst verert, verachtet die Welt. Denn, mein fröhlicher Freund! was ist diese Welt, wo uns in Einer ewigen Nacht überal Tod und Leichen begegnen? a) Im Orignial steht also: For what, gay Friend! is this escutcheon'd World, Which hangs out DEATH in one eternal Night? a) ....Night?] Als Fußnote am Ende der Seite, unterhalb eines horizontalen Trennstriches mit a) in das Exzerpt eingefügt. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0049]
in einer Nacht, die unsern Geist im Mittagsstrale verfinstert, und bei Freudenfesten in den Sterbekittel hüllet. Des Lebens enge Büne ist eine kleine Anhöhe,

 

[Manuskriptseite 68]

einen Zol hoch über der Grube; dieser Heimat des Menschen, wo die Menge wont. Wir schauen umher; wir lesen ihre Grabschriften; wir seufzen; und indem wir seufzen, sinken wird; und sind das, was wir beweinten; beklagen, oder beklagt werden, ist unser ganzes Schiksal." S. 133 - 135.

 

[IVb-01-bel-1791-0050]
"Versperte Gedanken müssen Luft haben, oder sie verderben gleich den Warenballen, die der Sonne nicht geöfnet sind. Wären Gedanken Alles gewesen, so wär' uns die süsse Rede versagt worden; die Rede, der Gedanken Kanal! Die Rede, der Gedanken Kenzeichen! Gedanken, die noch in der Grube liegen, können als Gold oder Schlakken, an's Licht kommen; so bald sie in Worten geprägt erscheinen, so kennen wir erst ihren eigentlichen Wert. Sind sie ächt, so verware sie zu deinem künftigen Gebrauche; sie werden dir Vorteil, vielleicht auch Rum, erkaufen. Ia, m ie mer wir unsre Gedanken mitteilen, desto mer besizzen wir sie; lerend, lernen wir; und indem wir sie der Welt geben, behalten wird die Geburten unsers Verstandes; sind sie stum, so werden sie vergessen, Durch die Rede wird das Feuer der Sele angefacht; durch die Rede wird die Rüstkammer des Geistes geschliffen; zur Zierde, geschliffen; und zum Gebrauche, gewezt. O welch eine Menge liegt in der Gelersamkeit, und in erwürdigen Bänden, wie in ihrer Scheide, tief bis an's Heft versenkt und eingerostet; welche mit lebhaften Stralen hätten blizzen, und eine durchdringende Schärfe gewinnen können, wenn sie zur Rede wärn geboren worden; wenn sie nur die halbe Beredsamkeit ihrer Mütter geerbt hätten! Gleich dem wechselnden Stosse kämmpfender Wellen, bricht der Tausch der Gedanken den gelerten Schaum, und läutert den trägen Sumpf des grübelnden Philosophen. Sucht er seine stolze Zuflucht im stillen Tiefsin? O dieser ist ia eben so arm als stolz, wenn er durch den Umgang nicht unter=

 

[Manuskriptseite 69]

halten wird. Der rohe Gedanke rent im Felde der Betrachtung wild umher; des Umgangs Schule bändigt ihn erst, und gewönt ihn, das Gebis des gehörigen Zwangs zu leiden; und der Sporn der Nacheiferung giebt ihm ein anständiges Feuer, welches von Nebenbulern in Zucht gehalten wird. Der Umgang macht uns zur Einsamkeit geschikt; so wie Der Umgang ... so wie] links vor der Zeile senkrechter Markierungsstrich. ST uns die Bewegung zur heilsamen Ruhe vorbereitet. One des Umgangs Unterricht raset der Tiefsin; und der Tor der Natur wird vom Toren der Weisheit verdunkelt." S. 149-153

 

[IVb-01-bel-1791-0051]
"Gleich den Vögeln, deren halb verstekte Schönheiten mat bleiben, bis, wann sie sich aufgeschwungen, ihr ausgespantes Gefieder von Gold, Grün, und Himmelblau glänzt; o wie hel fangen, gleich ihnen, die Glükseligektien an zu stralen, indem sie von dannen fliegen." S. 167. Gleich ... S. 167.] Vor gesamtem Exzerpt links senkrechter Markierungsstrich. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0052]
"Der Neid, der einfältgste Tor unter allen Lastern, quält sich um Dinge, so ihn noch mer quälen würden." S. 189.

 

[IVb-01-bel-1791-0053]
3) Aus der dritten Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0054]
"Gleich wie entselte Körper schwerer werden: also wiegt das Gute, verloren, mer an Gram, als gewonnen, an Freude." S. 207.

 

[IVb-01-bel-1791-0055]
"Mit einem frommen Frevel stal ich ein Grab; mit freveln = der Frömmigkeit beleidigte ich dieses Grab; eilfertri eilfertig in meiner Pflicht; verzagt in meinem Grame! Ich schlich mit leisen schwebenden Tritten, mer ihrem Mörder, als ihrem Freunde gleich; und, in mitternächliche Finsternis tief eingehült, murmelt' ich meinen lezten Seufzer. Ich murmelte, was billig durch ihre Länder wiederhallen solte; und schreib den Namen derienigen nicht auf, deren Grabmal

 

[Manuskriptseite 70]

die Wolken durchdringen müste. Verwägne Furcht! Wie erkünt' ich mich doch, ihre Feinde zu scheuen, indem ich den lautesten Befelen der Natur gehorchte? Verzeih' es der Nowendigkeit, o seliger Schatten! Ich schüttete wechselsweise Ströme von Gram und Unweillen aus; ich vermischte halbe Verwünschungen mit meiner Andacht; ergrimte über den Menschen, indem ich seinen Got anbetete; misgönte dem barbarischen Lande ihren heiligen Staub; stampfte auf den verfluchten Boden; und wünschte, mit einer Menschlichkeit, die meiner Narzissa versagt ward, ihnen allen ein Grab." S. 217-219.

 

[IVb-01-bel-1791-0056]
"Ieder uns geraubte Feind ist eine dem Flügel menschlicher Eitelkeit ausgerisne Feder, wodurch wir gezwungen werden, aus unsrer Wolkenhöhe herabzusteigen, und, mutlos durch Anungen von unserm eignen Bschied, auf den schlaffen Fittigen des sinkenden Ergeizes, nur noch eben an der Oberfläche der Erde hinzustreichen, bis wir sie aufreissen, um über den verwesenden Stolz ein wenig Staub zu scharren, und die Welt mit Pest zu verschonen - -" S. 233.

 

[IVb-01-bel-1791-0057]
"Ehe noch der Mensch die Hälfte seiner ermüdenden Wanderschaft zurükgelegt hat, so haben ihm schon seine Wollüste keine frische Lust, kein unangebrochenes Vergnügen mer übrig gelassen; er lebt nur noch von kalt aufgetragnen Wiederholungen, und kaut in dem unschmakhaften Gegenwärtigen das Vergangene; kaut es mit Ekel, und kan es kaum * niederschlingen. Gleich verschwenderischen Vorfaren, haben seine frühern Iare seine künftigen Stunden enterbt, welche bei übergebliebnen Brosamen verhungern, und auf ihrem

 

[Manuskriptseite 71]

vorigen Felde Nachlese halten. [ Immer hier zu leben, Lorenzo! - Abscheulicher Gedanke! so abscheulich, daß die, die's wünschen, zugleich ihren Wunsch läugnen; aus Scham läugnen, was sie aus Torheit begehen? Was? Immer im Mutterleibe zu leben, und nie das Licht zu sehen? Wozu wolten wir denn immer hier leben? - Um mit mühsamen Schritten in unsre vorigen Fusstapfen zu treten? Um im ewigen Kreise herumzutraben? Um in des Lebens abgenuztem, schwerem Rade, das nichts neues mer heraufzieht, hinanzuklettern? Das befarne Gleis zu befaren, und wieder zu befaren? Ieden elenden Tag über den vorigen spotten zu heissen? An Einerlei sich überdrüssig zu essen, und unsre Freuden zu gänen? oder einem Unglük für eine Veränderung zu danken, so traurig sie auch ist? Zu sehen, was wir gesehen haben? Eben dasselbe alte Gewäsch von Märgen zu hören, bis wir's nicht mer hören? Zu schmekken, was wir geschmekt haben, und was bei ieder Wiederker weniger Geschmak hat? Über unsern Gaumen eine neue Kelter abzuseigen? Durch überladne Gefässe, und schlaffern Nerven ein schla schaleres Iar durchzupressen? Nichts, als baufällige Maschinen, um die verwüsteten Früchte der Erde zu zermalmen! schlecht zu zermalmen, und noch schlechter zu verdauen! Eine Bürde und kein Leben! - -]

 

[IVb-01-bel-1791-0058]
Eben dieselbe eitle Welt zu lieben und zu hassen; diese geschminkte Furie des Lebens, welche sie ieden Augenblik an iedem Tage Toren heist, zu schelten, und sich mit ihr zu vermälen; dem Schlechten zu schmeicheln, aus Furcht vor dem Schlimmern; sich an diese schroffe Klippe anzuschmiegen, welche für sie am Guten unfruchtbar,

 

[Manuskriptseite 72]

um rauh von spizzigen Übeln, stündlich durch über ihr hangende Wetter geschwärzt wird, und schon, wegen scheiternder Hofnungen des Menschen berüchtigt ist, - und auf dieser Klippe vor dem düstern Abgrunde zu erbeben; welcher unten seinen Rachen aufspert. Sieh', das sind ihre Triumphe!" S. 237-245.

 

[IVb-01-bel-1791-0059]
X.

 

[IVb-01-bel-1791-0060]
Dr. Eduard Young's Klagen oder Nachtgedanken über Leben, Tod, und Unsterblichkeit. In neun Nächten. Sunt lacrimae rerum, et mentem mortalia tangunt. Virg. Nebst desselben sieben karakteristischen Satyren auf die Rumbegierde, die algemeine Leidenschaft. Aus dem Englischen in's Deutsche übersezt, pp von J. A. Ebert, Prof. Zweiter Band. Zweite verbesserte Auflage. Braunschweig, bei L. Schröders Erben. 1769.

 

[IVb-01-bel-1791-0061]
1) Aus der fünften Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0062]
" Wir tragen die Fesseln der Wollust und des Stolzes. Diese teilen den Menschen unter sich; und diese zerrütten ihn auch; reissen ihn auf verschiedne Seiten, und wiedersprechen einander in ihren Befelen. Der Stolz bauet, gleich dem Adler, seinen Siz neben den Sternen; die Wollust nistet, gleich der Lerche, nah' an der Erde dem Solze ekkelt vor den Freuden, die er mit der tierischen Schöpfung teilen mus; die Wollust empfängt sie mit ofnen Armen." S. 5-7.

 

[IVb-01-bel-1791-0063]
" Das gegenwärtige Beispiel dringt mit doppelter Gewalt durch unsre Wache durch, und wird von ser wenigen zurükgetrieben. Der Ergeiz entzündet Ergeiz; die Gewinsucht färt, wie eine Pestilenz, von Brust zu Brust; Stolz, Untreue, Üppigkeit hauchen uns blaue Dünst' entgegen; und die Un=

 

[Manuskriptseite 73]

menschlichkeit bekommen wir vom Menschen; vom lächelnden Menschen. Ein einziger, gleichgültiger und ungefärer Blik, hat oft ein plözliches Fieber von Neid, Grol und unreiner Brunst, ins pochende Herz heimgebracht. Wir sehen, wir hören' mit Gefar; die Sicherheit wont fern von der Menge; die Welt ist eine Schule des Bösen, und von welchen geschikten Lerlingen wimmelt es nicht rings um uns her. Wir müssen entweder nachamen oder misbilligen; wir müssen uns entweder für ihre Mitgeschwornen, oder für ihre Feinde erklären; ienes beflekt unsre Unschuld; dieses verwundet unsre Ruhe." S. 29-33.

 

[IVb-01-bel-1791-0064]
" In der Mitternacht sieht die Sele das ungestüme Leben; sieht es, aber fült es nicht; redet mit dem Sturme; beantwortet alle Lügen des Lebens, und denkt seine Zaubereien zu Boden. Welch eine ernste und heilige Wollust! Welche eine Freiheit des Geistes! Ich bin nicht in der Finsternis, wie in einem Kerker verschlossen; nein, last mich sie vielmer (wofern's nicht zu kün ist) last mich sie meine Laube nennen. O anmutige Dunkelheit! Die dicht gehäuften Gedanken schiessen freiwillig ringsumher auf, und blühen im Schatten; welche bei Tag verwelken, und in der Sonne ersterben." S. 39-47

 

[IVb-01-bel-1791-0065]
" Wie elend ist der Mensch, welcher nie traurig war! Ich fare in das Mer der Betrübnis hinab, um darin kostbare Perlen zu suchen: Nicht also der Gedankenlose Mensch, welcher nur trauert; welcher die ganze Qual annim, und den Gewin verwirft, ienen unschäzbaren Gewin! und dem Himmel erlaubt, ihn nur elender, nicht weiser, zu machen." S. 45-47

 

[Manuskriptseite 74]

[IVb-01-bel-1791-0066]
" Die gefrässige Gelersamkeit, welche sich so oft überladet, kan ihr Gemisch von Speisen nicht zu Verstand verdauen. Dieser volgestopfte Bücherkasten mus von dem zusammengeraften Unrat beinahe bersten. Sie lebt nur vom Raube, durchstreift andrer Weisheit, und läst ihr eignes Land, ihre Vernunft, wild und unbesäet liegen. Der geile Boden wird mit allerlei Wust überhäuft; gedüngt, aber nicht gebaut; und reich, um dürftig zu sein. Überal herscht ein unbändiger Pomp von Unkraut. Die verarmte Weisheit trauert über die gesammelten Schäzze ihrer Magd." S. 49-51.

 

[IVb-01-bel-1791-0067]
" Rürt es daher, weil die Freuden des Lebens so dicht gestreut sind, daß wir nicht eine einzige Sorge darzwischen drängen können? Rürt's daher, weil das Leben mit einem solchen Schwarme von Empfindungen angefült ist, daß der Gedanke des Todes vor dem Gewimmel nicht hineinkommen kan? Rürt's daher, weil die Zeit mit leisen Tritten heranschleicht, und die Sorglosigkeit aus ihren goldnen Träumen nicht aufwekt? Der heutige Tag sieht dem gestrigen so gleich, daß er uns betrügt; daß wir den lügenden Bruder für eben denselben halten. Dqs Leben gleitet wie ein Bach, hinweg; es verändert sich immer, und wir nemen doch keine Veränderung war. Niemand hat sich in demselben Bach zweimal gebadet: niemand ist zu demselben Leben zweimal aufgewaht. Wir nennen den Bach eben denselen; wir halten das Leben stets für dasselbe, obgleich sein schneller Flus stets reissender wird; und merken nicht, daß so vieles, so ser vieles bereits unwieder bringlich verflossen, und mit der See vermischt ist. Oder dürfen wir uns durch den Bach noch weiter füren lassen,

 

[Manuskriptseite 75]

und das Leben einem Schif auf dem Strome vergleichen? In's Leben eingeschift, faren wir auf der Flut der Zeit sanft und almälig hinab, aber on' auf die Zeit Achtung zu geben; durch allerlei Vergnügen zerstreut, merken wir nichts von der fortschlüpfenden Welle; bis wir plözlich einen Stos empfinden; wir springen auf, erwachen, sehn hinaus; was erblikken wir da? Unser morscher Kan ist an Charon's Ufer zerscheitert." Seit. 71-75.

 

[IVb-01-bel-1791-0068]
" Wan wir voller Bangigkeit über unsern sterbenden Freunden hangen, den kalten Tau von ihrem Angesichte, wischen, das sinkende Haupt stüzzen, ihre Augenblikke zälen, und uns in iedem Glokkenschlage vor der Stimme eigner Ewigkeit entsezzen; wan wir sehen, wie das betrübte Licht des Lebens nur noch eben einen onmächtigen und ersterbenden Stral emporhebt, um uns anzublikken, dan wiederum niedersinkt, und in den Tod hinabzittert, und uns dadurch mit der rürendsten Beredsamkeit unsern eignen verkündigt; wie erklären wir als dan solche traurige Szenen? pp. Sie werden ihm aus Mitleiden zugesand, um ihn, wie Wachs, niederzuschmelzen, und dan das Bild des Todes seinem Herzen unauslöschlich einzuprägen; seinem Herzen, welches für andre bluten, und für sich selbst beben sol. Wir bluten, wir beben, wir vergessen, wir lachen. Das Gemüt wird wieder ein Tor, noch ehe die Wange trokken ist. Unsre schnel zurükkerende Torheit tilgt alles aus; gleichwie die herrauschende Flut alles, was in den weichenden Sand geschrieben war, wegschwemt und das bezeichnete Ufer glat wäscht." S. 89-91.

 

[Manuskriptseite 76]

[IVb-01-bel-1791-0069]
" Frühe, schimmernd, vergänglich, und rein,gleich dem Morgentau, sah ich sie (die Narzissa) funkeln, verdünsten, und zum Himmel eilen." S. 103. "Frühe ... S. 103.] links neben Exzerpt senkrechter Markierungsstrich. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0070]
" Gleich unsern Schatten, verlängern sich unsre Wünsche, indem sich unsre Sonne zum Untergange neigt. Und dan solle kein Wunsch disseits des Grabes stehen bleiben." S.111.

 

[IVb-01-bel-1791-0071]
" Wie? Mus ich denn nur vorwärts schauen, um den Tod aufzusuchen? Ich kere mein Auge rükwärts, und find' ihn da! Der Mensch überlebt sich selbst mit iedem Iare. Der Mensch fleust, wie ein Strom, beständig fort. Wir sind des Todes tägliche Beute. Meine Iugend, mein mänliches Alter, mein gestriger Tag sind sein; der verwägne Richter Räuber bemächtigt sich der gegenwärtigen Stunde. Ieder Augenblik schliest über den vorigen das Grab zu. Indem der Mensch aufwächst, nimt das Lebe ab; und Wiegen rollen uns näher zur Grube. Unsre Grube Geburt ist nichts, als der Anfang unsers Todes; so wie der Tocht schon verzert wird, sobald er angezündet ist." S. 119-121.

 

[IVb-01-bel-1791-0072]
" Was braucht der Tod für Künste, um unsre Furcht einzuschläfern! Recht tiberische Künste hüllen seine Anschläge in die dunkelste Nacht der tiefen Verstellung ein. Gleich den unbekant reisenden Fürsten, die sih an fremden Häfen aufhalten, nimt der Tod den Namen und ide Geberden des Lebens an, und wont mitten unter uns. Er kleidet sich in alle Gestalten, die seine schwarzen Absichten befördern können. Ob er gleich ein viel weiteres Reich beherscht, als das war, worber der römische Adler flog; so ist er doch oft, wie Nero, ein Saitenspieler, regiert seinen Wagen, oder lenkt in weiblichem Schmukke seinen Phaeton;

 

[Manuskriptseite 77]

one den geringsten Verdacht zu erwekken, bis er unter den Rädern, seinem Opfer den Schmuk abreist und es verschlingt.

 

[IVb-01-bel-1791-0073]
Am allermeisten nimt er solche Bildungen an, die seiner eignen dürren Gestalt am wenigsten gleichen: Daher ist ein fetter Wanst seine gewönliche Tracht, und seine glatte Larve. Er pflegt sich gern hinter der Rosenblüte zu verstekken, oder in einem Lächeln im HInterhalte zu liegen; oder er senkt sich mutwillig scherzend in tiefe Grübgen bulender Wangen; diese gefährlichen Strudel der Liebe, welche unbehutsame Herzen in sich hineinziehn, und in Verzweiflung stürzen." S. 137-139.

 

[IVb-01-bel-1791-0074]
" Der Tod trit in die Fusstapfen des Vergnügens, wenn das Vergnügen die Wege besucht, so die Vernunft meidet. Sobald die Schwelgerei vor der Vernunft die Türe zuschliest, und die frohe Lust die Stelle des Verstandes ersezt, dan ist der Tod bei dem Banquet, und auf dem Balle, der erste, der den Tanz auffürt, oder den tödlichen Würfel hinrolt; und nie versäumt er den mitternächtlichen Becher zu krönen. Indem er unter seinen mutigen Trinkbrüdern mutig mitzecht, so lacht er innerlich, daß er sie über ihn lachen sieht, als wenn er weit entfernt sei; Und wan die Lustbarkeit in ihrer völligen Glut brennt; wan die Furcht verbant ist; wan die iauchzende Einbildung alle Freuden unter dem Modne zusammenruft, und ihm den Eingang verspert; und ihn mit seinen ihren Vorältern schmausen heist: - so läst er die Maske fallen; sein ganzes grimmiges Auge funkelt hervor; sie erbeben, verzweifeln, sterben." S. 143.

 

[Manuskriptseite 78]

[IVb-01-bel-1791-0075]
" O wie oft hab' ich den, der unsers Morgens Neid war, den Seufzer unsers Abends werden sehen! Nicht anders, als wenn des Glüks Woltaten die gegebne Losung, als wenn sie der Blumenkranz wären, um das Opfer zu bezeichnen, und Blumenkranz ... bezeichnen, und] Am linken Textrand durch senkrechte Anstreichung markiert. STdes Todes Pfeile auf seinen bestimten Raub herbeizurufen. -" S. 153.

 

[IVb-01-bel-1791-0076]
" Siehe, hoch in der Luft schwebt die gaukelnde Göttin, (das Glük,) öfnet ihr Kästgen, breitet ihre funkelnde Ware aus, und ruft den leichten Winden, ihre ausgestreuten Woltaten über das ofne Maul des unten wartenden Gedränges "Siehe ... Gedränges] Am linken Textrand durch senkrechte Anstreichung markiert. ST umher zu blasen. So gleich fliegen Alle raubgierig herbei; Freunde über zertretne Freunde; Söne über ihre Väter, Untertanen über ihre Könige, Priester über ihre Götter, und Liebhaber über ihre noch mer angebeteten Schönen, um den goldnen Regen aufzuschnappen. - Das Gold schimmert am meisten, wo die Tugend nicht mer stralt; so wie abwesende Sonnen den Sternen zu stralen erlauben. O welch ein herlicher Strik hungriger Anbeter drängt sich aus den Hölen der Kerker, und aus den unreinen Wonungen der feilen Unzucht hervor, und Alle bellen zum Preis. ihrer Abgöttin! Alle sehen mit brennenden Augen, auf ieden Wurf ihrer Hand, sperren ihren gefrässigen Rachen weit auf, und verschlingen ein Stük nach dem andern ungekäut, ungekostet, aus rasender gefrässigen ... rasender] Am linken Textrand durch senkrechte Anstreichung markiert. STSucht, mer zu haben; bis an die Gurgel volgestopft, und doch immer mager und gierig; Alle schlau, die kleinste Beute auszuspähen, und kün genug, sich der grösten zu bemeistern. Wenn ihnen einmal (o glüklicher Zufal!) der

 

[Manuskriptseite 79]

sanfte Zephyr eines Hofes entgegenhaucht, so schiessen sie fort, so fleigen sie über alles, was gerecht, über alles, was heilig ist, über den Zaun aller Verbote, trunken von dem starken Geruch der Erenstelle oder der Gewalt; abgerichtete Spürhunde, den geringsten Gewinst zu wittern, bis sie sterben.

 

[IVb-01-bel-1791-0077]
Oder, wenn du sie für Menschen hältst, so betrachte nun auch ihre verschiednen Schiksale, wie ich ihre Sitten bemerkt habe. One recht zu zielen, und mit ungestümmer Eile, rennen Einige hin, und schlagen aus Wut, ihn zu besizzen, ihren heissen Wunsch weit von sich weg: Einigen gelingt es, aber sie straucheln, und lassen das ergrifne Kleinod fallen. Andern wird es durch plözliche Wirbelwinde geraubt, und in Busen geworfen, denen nimmer von Gewin geträumt hat. Einigen klebt es fest an; wenn es abgerissen wird, so wird der Mensch zerrissen, und die Wunde ist tödlich. Einige werden aus gar zu heftiger Liebe zu ihren Schäzzen, rasend; seufzen unter Goldsäkken, und weinen doch um Magnel an Brod. Ande (unglükliche Nebenbuler!) greifen mit einander zu, und zerstükken den Überflus zu Armut! Der Rabe bei und zerstücken ... Rabe bei] Am linken Textrand durch senkrechte Anstreichung markiert. STdem Richterstule erhebt ein lautes Krächzen, und lacht." Seit. 157-163.

 

[IVb-01-bel-1791-0078]
2) Aus der sechsten Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0079]
"Wie gros ist es, indem wir noch den verwandten Erdklos betreten, und alle Augenblikke unter den Erdenklos zu sinken fürchten, den wir betreten; und bald unsre Söne betreten werden: wie gros ist es, mitten in dem wilden Wirbel der herumiagenden Wünsche der Zeit inne zu halten,

 

[Manuskriptseite 80]

staunend stil zu stehen, in hohen Andungen vertieft, durch die lange Ban von tausend Iaren unser entferntes Selbst zu betrachten, und es als wie in einem vergrössernden Spiegel erweitert, verherlicht, erhöht, vergöttert zu sehe! unsere eigne Zukunft zu prophezeien! in Gedanken anzuschauen, was alle Gedanken übersteigt! mit unsern Miterben von Freunden zu reden, die eben so weit über unseren Begrif, als über unser Verdienst erhoben sind; erstaunt einander zu erzälen, und selbst die Geschichte zu sein! - - " S. 215.

 

[IVb-01-bel-1791-0080]
"Warum verweben wir, gleich den Spinnen, das Kostbarste, was wir haben, unser Alles, mer, als unser Eingeweide, (wofern wir die grosse Zukunft vergessen,) in lauter künstlichen Hirngespinsten, in lauter dünnen Nezzen von subtilen Gedanken und feinen Entwürfen; um eine Mükke zu fangen? Das minutenlange Summen eines eitlen Nachrums! einen Namen! eine sterbliche Unsterblichkeit." Seit. 229.

 

[IVb-01-bel-1791-0081]
"Sobald als dieser schwache Puls, der fast durch ein Wunderwerk so lange hüpft, von Bewegung ermüdet ist, so fliegen unsre Vorratshäuser gesamleter Kleinigkeiten fort, gleich dem Schutte, den krachende Geschüzze ausspeien; sie fliegen auseinander; fliegen zu Fremden, zu Feinden; suchen neue Herren; und nennen den vorigen einen Toren, weil e sich auf ihr Bleiben verlassen hat. Erst zerstreut sich unser Spielwerk; und dan, unser Staub." S. 279.

 

[IVb-01-bel-1791-0082]
" Der rechtmässige Stolz des Menschen schliest die Demut in sich ein; läst sich zu den Niedrigsten herab; ist zu gros, Geringere zu finden." S. 293.

] ganzes Exzerpt durch senkrechte Anstreichung am linken Textrand markiert. ST

 

[Manuskriptseite 81]

[IVb-01-bel-1791-0083]
XI.

 

[IVb-01-bel-1791-0084]
Dr. Eduard Young's Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod und Unsterblichkeit. In neun Nächten. Sunt lacrymae rerum, et mentem mortalia tangunt. Virg. Nebst. desselben sieben karakteristischen Satyren auf die Rumbegierde, die algemeine Leidenschaft. Aus dem Englischen übersezt, pp von J. A. Ebert, Prof. Dritter Band. Zweite verbesserte Auflage. Braunschweig, bei L. Schröder's Erben. 1774.

 

[IVb-01-bel-1791-0085]
1) Aus der siebenden Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0086]
"Mit solcher Heftigkeit fordert die wütende Begierde etwas Neues; wenn der Mensch nicht steigen kan, so wil er sinken. Neues ... sinken.] Am linken Textrand senkrechte Anstreichung. ST Er verhungert vom Genusse. Daher stürzte sich der Beherscher der Welt von der Spizze des Ergeizes in Kapreä hinunter; und fur noch unter das Vieh hinab. Warum wälzte sich der höchste Son der Macht in dieser stinkenden Pfüzze? Weil er nicht höher fliegen konte! Seine Schwelgerei war ein verzweiflungsvoller Ergeiz." S. 37-39.

 

[IVb-01-bel-1791-0087]
" Ich sehe noch hinter der Wolke des Todes eine Sonne; eine Sonne, wodurch iene schwarze Wolke erleuchtet, und ganz in Gold verwandelt wird." S. 143.

 

[IVb-01-bel-1791-0088]
2) Aus der achten Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0089]
" Siehe, dort stehen die gestälten Reihen alter abgehärteter Streiter, die sich im Dienste der Welt versucht haben, und in blankgeschlifner Falschheit schimmern; die in den verderblichen Kriegslisten des Friedens tief erfaren sind; bei denen alles zarte Gefül, im Gedränge der Welt, hinweg gerieben worden; deren zweischneidige Anschläge alle in Höflichkeit, wie in der Scheide, verstekt sind." S. 333.

 

[Manuskriptseite 82]

[IVb-01-bel-1791-0090]
"Allerdings wird sich ein weiser Man niemals der Schwermut überlassen: aber es wird auch keine rauschende und sprudelnde Lust bei ihm einen seichten Strom von Glükseligkeit verraten; er ist viel zu glüklich, zu hüpfen und zu spielen; er ist ruhig und heiter." S. 411.

 

[IVb-01-bel-1791-0091]
"Es giebt freilich einen Triumpf des wallenden Bluts; einen Tanz von hüpfenden Lebensgeistern, einen blossen Schaum von Freude, den unsre rüttelnde gedankenlose Bewegung zeugt, der in die Höhe braust, und perlet, und dan verdünstet, und die Sele noch schaler und matter zurüklöst, als sie zuvor war." S. 505.

 

[IVb-01-bel-1791-0092]
XII.

 

[IVb-01-bel-1791-0093]
Dr. Eduard Young's Klagen, oder Nachtgedanken über Leben, Tod und Unsterblichkeit. In neun Nächten. Sunt lacrymae rerum, et mentem mortalia tangunt. Virg. Nebst deselben sieben karakteristischen Satyren auf die Rumbegierde pp. Übersezt pp von J. A. Ebert, Prof. Braunschweig, pp. 1769.

 

[IVb-01-bel-1791-0094]
1) Aus der neunten Nacht.

 

[IVb-01-bel-1791-0095]
"Doch was ist's nötig, daß Denkmäler den Gedanken in uns aufwekken? Die frölichsten Szenen des Lebens zeigen uns des Menschen Sterblichkeit, in einer eben so deutlichen, obgleich aufwekken ... obgleich] Am linken Textrand senkrechte Anstreichung. ST anmutigern Schreibart, als Mausoleen, Pyramiden und Grabsteine. Was sind unsre prächtigsten Zierraten anders, als Tode, die auf der schönbemalten Leinwand, oder in dem gebildeten Marmor, des Lebens Schmeichler geworden? Unsre Väter schmükken die Szenen, oder sie erscheinen uns vielmer; die Freude selbst bevölkert ihr Lustschlos mit Toden.

 

[IVb-01-bel-1791-0096]
"Wie? sind die eigentlichsten Lustbarkeiten selbst nicht davon ausgenommen? "Keinesweges: auch diese überreichen

 

[Manuskriptseite 83]

uns ein Sterbekleid; und reden vom Tode, wie Blumenkränze auf einer Leichengruft. Gleichwie oft verwägne Räuber dort begrabne Schäzze suchen: Also plündern wir die Gräber, um Zeitvertreib zu finden; wir rufen den schlafenden Helden aus dem Staub herauf; und heissen ihn zu unsrer Ergözzung den Schauplaz betreten. Wie stolz sizzen wir als Götter da; vergiessen mit Unsterblichkeit umgeben, grosmütige Tränen über Elende, geboren, um zu sterben; und beweinen ihr Ende, um unser eignes zu vergessen. Was ist der ganze Pomp und Triumph unsers Lebens anders als blühende Felder, die uns angestorben sind? Unser magrer Boden ist durch verwesende Freunde, die darunter verschart liegen, feist gemacht, und an wildem Unkraute von Eitelkeiten fruchtbar geworden; eine angestorben ... eine] links am Textrand senkrechte Anstreichung. STteuer erkaufte Fruchtbarkeit! Wir nären uns, gleich andern Würmern von den Toden; wollen wir auch, gleich andern Würmern, immer fortkriechen, on' unsre gegenwärtige Schwachheit, on' unser herannahendes Ende zu kennen? Siehe, das sind die Herlichkeiten der Welt! Was ist die Welt selbst? Deine Welt? Ein Grab! Wo ist der Staub, der nicht lebendig gewesen? Die schafel, der Pflug verstören unsre Vorfaren; und aus Menschenerde wird unser tägliches Brod geerndet. Die ganze Fläche der Erdkugel schüttert, und ist die gewölbte Dekke ihrer schlafenden Kinder. Über der Verwüstung feiern wir blinde und tolle Freudenfeste; ganze begrabne Städte tragen die Ferse des Tänzers. Das Feuchte des menschlichen Körpers verdünstet in der Sonnenglut; das Trokkene wird von den Winden durch das weite Lere zerstreut; die Erde besizt wieder einen Teil von dem, was sie gegeben; und der entfesselte Geist steigt auf feurigen Schwingen empor. Alle Elemente teilen unsern zerrisnen Raub unter sich; so weit, als

 

[Manuskriptseite 84]

die Natur ist, verbreiten sich unsre Trümmer; des Menschen Tod erfüllet alle Dinge, ausser den Gedanken des Menschen. Nicht allein der Mensch, auch sein beselter Marmor stirbt, sein Grabmal ist sterblich; Königreiche sterben." S. 15-28. Nicht allein ... S. 15-28.] Am linken Seitenrand senkrechte Anstreichung. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0097]
"Ein schneller Erzengel wischt, mit seinem goldnen Flügel Sonnen und Sterne weg, als Flekken und Wolken, so die götliche Szene verfinstern und entstellen." S. 31. "Ein ... götliche.] Senkrechte Anstreichung linker Seitenrand. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0098]
"O maiestätische Nacht! Grosser Vorfar der Natur! Eher als der Tag geboren! Und bestimt, die vergängliche Sonne zu überleben! Von Sterblichen und Unsterblichen mit Erfurcht angesehen! Eine Sternenkrone schmükt deine Rabenscheitel, ein saphirner Gürtel deinen Leib; Wolken von tausenderlei Formen und Schatten, welche die götliche Kunst zu einem leichten Gewande gewürkt, bilden deinen weitwallenden Mantel, und rollen deinen prächtigen Schweif über den ganzen Himmel." S. 87-89.

 

[IVb-01-bel-1791-0099]
XIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0100]
Dr. Eduard Young's Klagen oder Nachtgedanken über Leben, Tod und Unsterblichkeit. In neun Nächten. Sunt lacrymae rerum, et mentem mortalia tangunt. Virg. Nebst desselben sieben karakteristischen Satyren auf die Rumbegierde, die algemeine Leidenschaft. Aus dem Englischen in's Deutsche übersezt, pp. von J. A. Ebert, Prof. am Koll. Karol. in Braunschweig. Fünfter Band. Braunschweig, bei sel. L. Schröder's Erben, 1771.

 

[IVb-01-bel-1791-0101]
1) Die erste Satyre.

 

[IVb-01-bel-1791-0102]
"O lerreiche Satyre, du treue Anhängerin der Tugend! Du herliche Ergänzung der Gesezze! Wenn gepriesene Laster eines frechen Zeitalters unser Stilschweigen schelten, und

 

[Manuskriptseite 85]

unsre Wut auffordern; wan erkaufte Torheiten aus allen entfernten Ländern, gleich den Künsten, in Britanniens geschikter Hand sich verschönern; wan das Gesez zwar die Zäne weist, aber nicht Mut genug hat, zu beissen, und ndschäzze nicht an's Licht kommen; wan Geistliche die Schrift mit den klassischen Autoren vertauschen, und aus Liebe zum Geschmak, von Gottes Gnade zum Wizze überlaufen; wan Leute durch die Vergäudung ihres Vermögens vornem werden, und vor den Gerichtsdienern in's Parlament flüchten; wan sterbende Sünder, um ihre Schulden zu tilgen, das, was eine Hure ihnen übrig gelassen, der Kirche vermachen; wan zur Reizung unsrer Galle, solche Materien sich mer und mer häufen: Sol da noch das Lob allein herschen, und der Tadel schweigen? Sol die Dichtkunst, gleich dem Richterstul, Unrecht in Recht verwandeln ? Sollen Dedikazionen einen Moren weis waschen; ieden elenden Dumkopf als eine Ere der Natur aufstellen, an welchem das Lob glänzet, wie Tropheen an einem Pfosten? a) a) Vielleicht hat die sprichwörtliche Redensart "as stupid as a post" (er ist so dum wie ein Pfosten) den Dichter auf d. Gleichnis gebracht. a) Vielleicht ... gebracht.] Als Fußnote am Ende der Seite, durch horizontalen Trennstrich abgeteilt und mit a) in den Text eingefügt. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0103]
Sol die Leichenberedsamkeit alle ihre Farben verschwenden, und die begüterten Toden mit Rosen bestreuen? Sollen Schriftsteller solche vortrefliche Zeiten anlachen, und sie mit keiner Satyre verspotten dürfen, als mit ihrem - Lob?" S. 21-25.

 

[IVb-01-bel-1791-0104]
"Die Liebe zum Rum, so künstlich sie auch verborgen wird, herscht und glüht, mer oder weniger, in iedem Herzen. Der Stolze erträgt, um ihn zu erlangen, tausend Beschwerlichkeiten: der Bescheidne flieht ihn, aber

 

[Manuskriptseite 86]

nur, um ihn sicher zu machen. Bald bläht sich der Ergeiz auf Tronen mit Zepter und Reichsapfel; bald puzt er die mitternächtliche Lampe in Kollegienzellen. Er ist Tory, er ist Whig; er macht Intriguen, betet, predigt, redet vor Gerichte oder in Ratsversamlungen, und quiekt auf Maskeraden. Hier macht er einen künen Anspruch auf Steele's Laune; und dort zielt er noch küner auf Pultney's Beredsamkeit. Er hilft der Ferse des Tänzers, und dem Kopfe des Schriftstellers, und überdekt die Wolstat mit Bergen von Toden. Ia, er hört mit dem Leben selbst nicht auf; sondern walt noch in schwarzen Federbüschen, schmükt unsre Bare, und schmeichelt auf unsern Grabmälern. - Federbüschen ... Grabmälern. -] durch senkrechte Anstreichung am linken Textrand markiert. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0105]
Einige gehen in die zur Kirche, stolz auf ihre demütige Busse, und kommen viel böser zurük, als sie hingegangen sind. Ihr Auge sieht hieher, und ihr Fus geht dorthin; sie beten zum Himmel, aber wünschen, von den Menschen gehört zu werden; und wenn sie ihre Sünden aufrichtig überrechnen wollen, so werden sie find sehen, daß ihre Religion eine gewesen und wenn ... gewesen] durch senkrechte Anstreichung am linken Textrand markiert. ST ist. -

 

[IVb-01-bel-1791-0106]
Einige fordern im gebieterischen Tone, einen klassischen Rum, weil sie mit mühsamer Hand ein ganzes Fuder von Bedeutungen für Ein Wort zusammenhäufen, oder ein A obsezzen, und ein B mit Pomp wiedereinsezzen.

 

[IVb-01-bel-1791-0107]
Andre hoffen durch Samlung gelerter Brokken sich einen Namen zu stiften, und glauben mit ieder Zitazion unsterblicher zu werden. Gelerte Zitazionen gleichen der Flekarbeit; in beiden suchen wir mit unsrer Armut Stat zu machen. -

 

[Manuskriptseite 87]

[IVb-01-bel-1791-0108]
Von dieser Leidenschaft hab' ich gesehen, daß sie mit einem Hizblättergen einen Prozes aufgehalten, und einen Richter grämlich gemacht habe. Durch sie begeistert, haben zum unvergeslichen Beweise ihrer Gewalt, einige Lords buchstbiren, und andre Knölgen machen gelernt. Durch sie wird Globosus ein Redner im Parlamente; er hustet, und wird von seiner Maus entbunden. Durch sie ist das liebe Selbst der herschende Inhalt von dem Gespräche des artigen Weltmans, und Ich der kleine Held einer ieden Erzählung. -

 

[IVb-01-bel-1791-0109]
Wolan! Wer sol die erste Zierde des Verzeichnisses sein? Den Vornamen gebürt der höchste Rang. Dort kömt Mylord her! Hinweg, Pöbel! macht ihm ia Plaz. Um den Rum zu erreichen, stelt er sich auf seiner Vorfaren Schultern, a) a) Im Original: He stands for fame on his forefahter's feet. ] Als Fußnote am Ende der Seite, durch horizontalen Strich getrennt, angefügt, Einfügung mit a). ST

 

[IVb-01-bel-1791-0110]
und beweist aus der Heraldik, daß er klug oder tapfer sei. Mit welchem edlen Stolze sieht er ber die Leute weg, die drei Anen weniger weise sind! Wenn ihr von seiner hochadlichen Person Tugenden verlangt, so heist ihr ihm seine erreichen ... heist er ihm seine] durch senkrechte Anstreichung am linken Textrand markiert. STVäter aus dem Grabe auferwekken. Die Menschen solten, indem sie dem Rume nachiaen, immer vorwärts dringen: Die Edelgebornen schauen zurük, und verlieren den Preis. Die Edelgebornen ... Preis.] durch senkrechte Anstreichung am linken Textrand markiert. STLast die hohe Geburt triumphiren! Was kan wol noch grösser sein? Nichts, als das Verdienst in einem niedrigen Stande. Daß doch ia niemand dem geringsten Sone der Lasters Tugend das Laster vorziehe, wenn es gleich von dem Eroberer obstand! Sollen Menschen, wie die Ziffern, blos nach ihrer obstand ... nach ihrer] durch senkrechte Anstreichung am linken Textrand markiert. ST Stelle für hoch oder niedrig, gering oder wichtig gehalten werden? Titel sind Kenzeichen weiser und rechtschafner

 

[Manuskriptseite 88]

Männer; der Nar, oder Schelm, der einen Titel fürt, lügt. Dieienigen, welche viel von ihren glorreichen Anen reden, zeigen uns ihre Schuld, anstat ihrer Quittung. Möchten doch solche, die sich ihres vornemen Geschlechts rümen, gleich dir, o Dorset, in geerbten Tugenden stralen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0111]
Niedrige Erdensöne, die, mit einer Südseeflut von Glük, in Reichtum und Stolz hineingeschwommen sind, kommen mit einer Geldbörse in der Hand, zu Anstis, und betteln um die Grösse, von den Grossen herzustammen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0112]
Belus wil sich einen festen und dauerhaften Rum erwerben; er kauft kein Phantom, keinen leren Schal; er baut sich einen Namen; und versenkt, um gros zu werden, ein unsägliches Vermögen in einen Steinbruch. An Aufwand und Pracht wil er Chandos übertreffen; und dein Geschmak, o Burlington, ist nicht so richtig, wei der seinige. Das Gebäude ist fertig, alle Arbeit hat ein Ende, und die höchste Volkommenheit ist da. Aber siehe! Mylord läuft in einen kleinen Winkel, und überläßt seine Prunkzimmer den Fremden und den Manern. -

 

[IVb-01-bel-1791-0113]
Pygmalions Ere liegt in einem engern Bezirke; nicht Palläste, sondern antike Bildsäulen sind ein Vergnügen. Fountain selbst hat nicht merere parische Reize gekant, und der wakkre Pembrokke kan in Steine nicht verliebter sein. Aber die Gerichtsdiener kommen, (die rohen, frechen Leute!) und heissen ihn seine Venus in Gold verwandeln. "Nein, ihr Herren (schreit er,) ich wil lieber im Gefängnisse vermodern. Sollen griechische Kunstwerke für englische Freiheit hingegeben werden?" Solche Köpfe konten wol gar ihre Bildsäulen selbst zum Lachen bewegen: seine

 

[Manuskriptseite 89]

Tochter verhungert, aber Kleopatra ist in Sicherheit. - Manche sinken der Ere wegen, wie Täucher; und rümen Manche sinken ... und rümen] Am linken Textrand senkrechter Markierungsstrich. STsich mit umgekehrtem Stolze, ihrer verlornen Würden. - Wie viele streben hier aus einem seltsamen Ergeiz, für die allerfrölichsten Geschöpfe in der Welt gehalten zu werden! Als wenn unter Freude Verdienst verstanden würde, und alle, die glüklich sind, weise und rechtschaffen wären. Daher verbergen sich oft wunde Herzen unter einer vergnügten Miene, und erstikte Seufzer besuchen den Bal und das Schauspiel. Von Monteuil und der Grimasse völlig gepuzt, legen diese Leute ihr Gallakleid und ihr öffentliches Gesicht an: Ihr Lächeln ist nur ein Teil von dem, was sie tragen, und wird in der Nacht mit der Gräfin Bxx Haren wieder abgelegt. Welche Anstrengung des Körpers ist wol halb so beschwerlich? Mit ängstlicher Sorge arbeiten sie, frölich zu sein. - - -

 

[IVb-01-bel-1791-0114]
Hier erhole dich, meine Muse! und dan sezze deine Arbeit wieder fort; denn noch viel tausend unbesungene Toren stehen noch vor dir. Es sind weniger Laien, die durch Streitigkeiten der Kirche Ateisten geworden; weniger vorneme Betler, die wegen ihres Reichtums berümt sind; weniger Schönen, deren Liebe so beständig wie der Wind ist; weniger Wucherer, die eine Guinee dem menschlichen Geschlecht vorziehen; weniger gravitätische Lords, die sich vor Skrope mit weiser Demut bükken, und weniger Beleidigungen, die ein Statsman seinem Freunde zufügt." Seit. 29-71.

 

[Manuskriptseite 90]

[IVb-01-bel-1791-0115]
2) Aus der zweiten Satyre.

 

[IVb-01-bel-1791-0116]
"Was ist der, welcher nach Ere, Macht, oder Reichtum seufzt? Ein andrer Floris, der in eine Blume vernart ist; eine Blume von ser kurzer Dauer, und die oft aus schnöden schnu schmuzigen Künsten, wie des Floris seine aus Mist, entsprang.

 

[IVb-01-bel-1791-0117]
Was reizt deine Phantasie, o Kodrus? Die Blume der Gelersamkeit, und die Blüte des Wizzes. Dein prächtiger Bücherschrank glühet von roten Bänden, und Epiktet ist dort ein volkomner Stuzzer. Wie schön past sich das zu dir, der du eben so, wie sie, rot eingebunden, vergüldet und bestimt bist, angeschaut zu werden. Deine Bücher sind ein blosser Zierrat. Es kömt mir aber doch wunderlich vor, daß du Wissenschaft nach der Elle kaufen wilst, und daß Tonson Tapezierer werden und das vergüldete Leder zu dir schikken mus, um dein Zimmer aufzupuzzen. Wenn das Studiren nicht auf eine besondre Absicht gerichtet ist, so ist's nur ein scheinbares Spielwerk des Geistes; oder auf's höchste ein Nebenzwek; eine Iagd nur zur Lust und nicht, um was zu fangen. Wer also nichts weiter als den blossen Band schäzt; der liebt nur den Busch, wo das Wildpret liegt. -

 

[IVb-01-bel-1791-0118]
Es ist war, der Wiz kizzelt: aber Kizzel ist gefärlich, wenn er, indem er uns zum Lachen reizt, uns zugleich Schmerzen erwekt. Wer wolte doch, wegen des elenden Rums, beissend zu sein, eine Wunde in dem Herzen eines Bruders zurüklassen. Ein lebhafter Verstand kan gepriesen wer=

 

[Manuskriptseite 91]

den; aber ein gutes Herz wird angebetet. Zieht also euren Wiz so selten, als euren Degen; und niemals gegen die Schwachen; sonst wird man euch, wie dort für keinen Helden, so hier für kein grosses Genie halten. Gleichwie das Schermesser in sanftem Öle am besten gewezt wird: so wird der Wiz durch feine Sitten am meisten geschliffen. Wenn sie verlezzen, so sind sie stumpf; ie schärfer wird der ... schärfer] Am linken Textrand senkrechter Markierungsstrich. STsie sind, desto weniger Schmerzen machen sie uns. -

 

[IVb-01-bel-1791-0119]
Aus Bosheit gegen stolze wizzige Köpfe schläfern einige ihre grämliche Vernunft ein, stolz auf Einfalt. Wenn einmal ein empfindlicher Scherz ihre feierliche Sele getroffen hat, so entschliessen sie sich aus Rachgier, - Narren zu werden; machen aus Verdrus das Wenige, das ihnen die Natur geschenkt, noch weniger, und geben sich alle ersinliche Mühe, schwer zu sein; fassen eine besondre Liebe gegen unbeselte Klözze, und enterben Söne, welche wachen. Wenn diese Leute ihr ärgstes Gift wider iemanden ausspeien wollen, so sagen sie uns recht barbarisch: - " Es ist ein wizziger Kopf." Eben so sagen die armen Schwarzen, um ihren heftigen Has gegen böse Geister zu zeigen: Sie sind teuflisch weis." -

 

[IVb-01-bel-1791-0120]
Feler von allerlei Art werden Ansprüche auf Rum. Der eine lernt lispeln; der andre lernt, nicht sehen. Mis Dxx ergreift schwankend eure Hand: ist wol ein so artiges Geschöpf iemals zum Stehen geboren worden? Indem diese das, was die Natur geschenkt, aus Stolz verläugnen; so streben Andre nach dem, was die Natur versagt. Was die Natur versagt hat, wird stets von Toren am eifrigsten gesucht, wie Afen immer auf zwei Füssen gehen wollen. *

 

[Manuskriptseite 92]

[IVb-01-bel-1791-0121]
Krassus, ein angenemer Philosoph, unsre Erfurcht und unsre Lust! ist eine Stüzze der steifen Gravität; denn die Gravität ist eine Stüzze des Philosophen. Er hustet, und ruft mit einer wichtigen Miene aus: "Wenn iene Wolken sich verziehen, so wird es schön Wetter." Darauf fürt er zum Beweise den Aristot an, und fügt hinzu: "Die Gelerten lieben etwas Neues." - Und doch sind die Menschen so blind (wenn gleich die Satyre mit ihrer schärfsten Feder ihnen den Star sticht,) daß diese schlaue Schälke stets ein feierliches Gesicht aushängen werden, um mit desto besserer Art Unsin abzusezzen: Wie die Krämer sich oft unterstehen, den Kopf eines Helden zu brauchen; ein herliches Zeichen, wo Steknadeln zu verkaufen sind! - die Krämer ... sind! -] Am linken Textrand senkrechte Anstreichung. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0122]
Ein verständiger Man kan alle Kunstgriffe verachten, wie reiche Leute es wagen können, sich simpel zu kleiden. Last uns doch niemals diese ewige Warheit vergessen: die Feierlichkeit ist eine Dekke für einen Dumkopf. Ich finde den Narren, so bald ich den Schirm erblikke; denn es ist des Weisen Vorteil, gesehen zu werden. -

 

[IVb-01-bel-1791-0123]
Diese wenden alle ihre Sorgen auf äusserlichen Schein um des Reichtums und der Ere willen; um der blossen Ere willen, der Stuzzer. Neulich sahe man bei White's den iungen Florello. Wie blas war sein Gesicht! Wie unruhvol seine Miene! So schwer ist's in einer aufrichtigen Betrübnis sich zu verstellen. Sein Gemüt war niedergeschlagen; den sein Rok war simpel.

 

[IVb-01-bel-1791-0124]
Den folgenden Tag erlangte seine Brust ihre gewönliche Ruhe wieder; und seine Gesundheit besserte sich von einer silbernen Tresse. Ein geschikter Künstler, in Ar=

 

[Manuskriptseite 93]

beiten von der edlern Art lange Zeit geübt, berürte, entweder von Ungefär, oder durch einen Got begeistert, mit helfenbeinenen Kämmen und wolriechenden Salben seine Lokken so glüklich, daß sein grosser Geist entzündet ward. Die schöngeschwolnen Knoten fordern gleiche Ererbbietung, und iede Schulter hat ihren Anteil von Rum. Seine kostbare Ur verschaft ihm, obwol sie verborgen liegt, ware Freude, wie ein gutes Gewissen .... Wenn er einmal durch den Zufal, wie es ihm, obwohl ... wie es] Am linken Textrand senkrechter Markierungsstrich. STscheint, seinen Blik auf Spiegel wirft, die seinen Purpur zurükstralen; von welch einem erhabnen Entzükken hüpft ihm alsdan das Herz! Allein das Schiksal wil, daß sich die euersten Freunde trennen. Mit leichten Kapreolen, die er aus Frankreich gebracht, schwingt er sich fort, und triumphirt in dem frohen Bewustsein gelerter Füsse. -

 

[IVb-01-bel-1791-0125]
Morosus ist ganz traurig vor Scham, so oft er in reiner Leinwand, oder in einer unverstörten Perrüke ertapt ist. Seine Kleidung fürchtet keinen Unfal unter der Sonne, und wird ihm, wie Leoparden, desto schäzbarer, ie mer ihre Flekken erscheinen. Er trägt einen berümten Oberrok, welcher einst blau war; und sein Fus schwimt in einem geräumigen Schuh. Eines Tages zielte seine Frau, (denn wer kan eine Frau zurükhalten?) sie zielte mit ihrer barbarischen Nähnadel nach seinem Rume. Aber offenbare Gewalt war umsonst: sie kam also bei Nacht, da ihr Man schlief, und überraschte den geliebten Ris. Nun ist's zweifelhaft geworden, wo eigentlich die Öfnung in der Friese gewesen, und die Ere ist an Einer Türe gänzlich ausgeschlossen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0126]
Er verspottet den Florello, und Florello ihn; dieser hast den schmuzigen und iener den gepuzten Gekken." S. 83-109.

 

[Manuskriptseite 94]

[IVb-01-bel-1791-0127]
3) Aus der dritten Satyre.

 

[IVb-01-bel-1791-0128]
"Britannien's Gelersamkeit und sein Genie selbst sinken, und seine abnemenden Tage sind dunkel und kalt. Die Menschen leben niederträchtig von Almosen vergangener Zeiten, als wenn sie nun von einer ganz andern Natur wären. Die Menschen isnd noch immer Menschen, und dieienigen, die es mutig wagen, werden über die Sonne der kalten Verzweiflung triumphiren; oder wenn ihnen ihre Künheit mislingt, dennoch vor andern solchen den Vorzug verdienen, die zu ihrer Schande Schulden machen, die vile borgen, es alsdan erlich gestehen, und es mit ihren eignen Verbesserungen verdammen. Wir bringen eignige neue Materialien, und das Alte mit Sorgfalt umgeschmelzt, und in keine geborgte Form gegossen.....

 

[IVb-01-bel-1791-0129]
Gleich dem künen Vogel an den Ufern des Nilstroms, der in den Zänen des schreklichen Krokodils stochert, wil ich mich iezt an der Wut des Kritikus laben, und mein Lied, (welch ein fürchterliches Mal!) mit dem grausamen Würger speisen. Denn was für ergeizige Toren sind wol mer zu tadeln, als die, so unter dem Namen eines Kritikus donnern? Gute Schriftsteller, die von ihnen gescholten werden, finden ihre Rache darin, daß sie sehen, was für Elende das Lob erlangen, welches ihnen entzogen wird.

 

[IVb-01-bel-1791-0130]
Balbuzius, in seinem schwarzen Mantel eingehült, schreit gleich einem alten Druiden aus seiner holen Eiche; so feierlich und so Unglükweissagend, wie Raen, krächzet er unaufhörlich von der Notwendigkeit der drei Einheiten. Ihr weisen Lerer auf dem Helikon verlast entweder euer Fas, oder tut das, was ihr predigt.

 

[Manuskriptseite 95]

[IVb-01-bel-1791-0131]
Der eine urteilt, nach der Vorschrift des Wetters; am Mittage ist das Gedicht gut, und am Abend schlecht. Der Andre urteilt, nach einer untrieglichern Regel, nach des Autors Grundsäzzen, oder Verwanden: da seine grossen Vorfaren in Flandern geblieben sind, so mus ia das Gedicht unstreitig wolgeschrieben sein. Ein Anderer urteilt nach des Skribenten Miene: ein Andrer urteilt, weil er das Buch gekauft hat: einige urteilen, um bei ihrer Gewonheit, falsch zu urteilen, zu bleiben: Andre urteilen, weil es noch zu früh ist, zu schlafen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0132]
Kunstrichter begleiten Gedichte, wie Rakketen Siegesfeste! sie verkündigen den Triumph, und vermeren die Pracht, indem sie wütend, neidisch, lärmend und stolz, brennen, zischen, prasseln, Papier verwüsten, stinken und sterben .... Kunstrichter ... sterben ....] Am Textrand senkrechter Markierungsstrich. ST

 

[IVb-01-bel-1791-0133]
Doch nicht alle verschwenden ihre Kritik an Büchern: einige prüfen mit richtigem Geschmakke das Genie einer Schüssel, und essen sich zum Rum empor. Mit kummervollen Gedanken wird der Salm verworfen, und der Turbot gekauft. Die ungeduldige Kunst schilt den Verzug der Sonne, und heist den Dezember die Früchte des Maien verschaffen. Ihre mannigfaltigen Sorgen und die Geschäfte ihres Lebens vereinigen sich in einem grossen Punkte, - im Speisen. Die Hälfte ihres kostbaren Tages widmen sie der Malzeit, und den übrigen Teil einer sanften Verdauung .... Diese Helden in der Lekkerhaftigkeit veraren mit Sorgfalt die heiligen Iarbücher ihrer Küchenzettel; in diesen vortreflichen Schriften lesen sie ihre Lobreden, und verachten die armen Kreaturen, die für Hunge ressen. Wenn der Mensch durch eine lekre Tafel edel und gros wird; wie viel mer mus es der Wurm werden, dem dieser Mensch zur Speise dient.

 

[Manuskriptseite 96]

[IVb-01-bel-1791-0134]
Es giebt Andre, die einen lügenhaften Anspruch auf Lob und Bewunderung machen; die Rum stelen und Ere mausen. Ihre harte Stirn ersetzt das, was ihrem Ergeize felt; sie kennen tausend Lords, hinter ihrem Rükken. Kottil ist fähig, einen Pair mit vertrautem Schmunzeln zuzublinzeln, wenn dieser sich umgedreht hat: und der Hervei unbarmherzig scharfe Augen haben Gekken getödet, die sie niemals gesehen. Niger adiptirt herumfliegende Pasquille, und strebt weislich nach Schande, die noch grösser ist, als seine eigne. Batyl belügt im Winter eines sechzigiärigen Alters seine Unschuld, und hält sich eine Maitresse. Branbanzio verwandelt Abwesenheit des Geistes in Rum, lernt sich irren, und weis seines Bruders Namen nichts; er sezt Gedanken und Worte in eine genaue Unordnung, und macht sich einen Denkzettel, etwas zu vergessen. So schwinden die eiteln Abwesenheit ... eiteln] Am linken Textrand durch vertikalen Strich markiert. ST Menschen, one zu wissen, was sie ziert, oder beflekt, die Patente, welche sie zu Narren erheben. -

 

[IVb-01-bel-1791-0135]
Einige sind auf eine schöne Frau stolz, und pralen, wie die Franziskaner, mit einer Geissel auf Lebenslang. -

 

[IVb-01-bel-1791-0136]
Wie viele giebt es, die zugleich dem Lobe, und der Ere, es zu verachten, nachiagen. Vinzenna weis, daß Selbstlob uns in Schande bringt, und braucht daher eine Kriegslist, um den Rum zu erhaschen: er rükt in der Verkleidung der Bescheidenheit immer näher und näher zu ihm hinan, und erobert ihn durch einen Überfal.....

 

[IVb-01-bel-1791-0137]
Einige Nymphen verkaufen die Ere; andre kaufen sie; und ie höher der Preis, desto besser. Italiänische Musik ist ihnen süs, weil sie teuer ist; sie küzzelt ihre Eitelkeit, und nicht ihr Or. .... Wie ser sich unser nordischer Geschmak verfeinere, davon zeugen die eingefürten Nymphen, die an Pracht

 

[Manuskriptseite 97]

unsre Herzoginnen übertreffen. Indessen daß unsre Gewerbe darben, sind diese Philomelen frölich; denn edelmütige Lords wollen lieber schenken, als bezalen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0138]
4) Aus der vierten Satyre.

 

[IVb-01-bel-1791-0139]
"Chremes trinkt seinen Kaffee für das gemeine Beste; er befragt den heiligen Dunst dieses Orakels, sieht darin vorher, was für Stürme oder Sonnenschein der Himmel über uns verhängt, und weis für ieden Tag das Wetter unsers Schiksals. Ein Quid=nunk ist ein Statsalmanach.

 

[IVb-01-bel-1791-0140]
Ihr lacht und meint, daß dieser Statsman keinen Nuzzen habe. Warum konte nicht die Zeit seinen geheimen Wert an's Licht bringen? Da Affen die schönsten Kastanien braten können; da Pferde von Genie in Kartenspielen geübt sind; da der halbe Senat, Verworfen! sagen kan; da Gänse Nazionen retten, und iunge Hunde Verschwörungen entdekken können.

 

[IVb-01-bel-1791-0141]
Was bewegt ihn, Reiche zu modeln, und Königen zu raten? Eine Unfähigkeit zu kleinern Geschäften. Der arme Chremes kan sein eignes Vermögen nicht verwalten; Darum hat er die Sorge für Europens Schicksal übernommen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0142]
Um sich einen Namen zu erwerben, hat Gehenno sich zugleich eine Bibel und ein Achselband angeschaft. Sein Scharfsinniger Geist dringt bis in's Innerste; er weis um das ganze Geheimnis, und bedauert den einfältigen Tropf, der selig werden wil. Nem euch ia in Acht, daß ihr nicht vor ihm mit Ererbietung redet, und seine zärtliche Vernunft mit der Religion beleidigt. Doch weil er zu leben weis, so bequemt

 

[Manuskriptseite 98]

er sich öffentlich' nach dem grossen Haufen, und beschenkt nur seine Freunde mit Blasphemien

 

[IVb-01-bel-1791-0143]
In Ansehung dieser Krankheit ist eine hohe Geburt ein Gift, und ein gutes Vermögen gefärlich; ein armer Schelm wird selten närrisch. Ist nicht die Verurteilung eines Statsverbrechers zuweilen ein unverhoftes Hülfsmittel gewesen, und heben nicht fallende Akzien einen Unglauben völlig kuriert? So lange die Sonne scheint, spricht Blount mit ungemeiner Stärke: aber ein Gewitter verderbt dünnes Bier, und schwacheReden. Solche nüzliche Instrumente zeigen genau das Wetter an, nachdem ihr Merkurius hoch oder niedrig steht. Die Gesundheit erhält vornämlich einen Ateisten in der Unwissenheit; ein Fieber beweiset bündiger, als ein Clarke. Last nur erst die Logik in seinem Pulse abnemen; so wird er bald dem griechischen Lasterhause entsagen, und beten lernen; .....

 

[IVb-01-bel-1791-0144]
narzis hat gar keine Gemeinschaft mit der höllischen Zche; ia, er kan einen Freimäurer nicht one Grausen nennen. Er unterläst keine Pflicht, und der Neid selbst kan nicht sagen, daß er viele Iare her die Kirche, oder die Komödie versäumet habe. er macht freilich keinen Lerm im Parlamente; doch bezalt er zu rechter zeit seine Schulden und Visiten. Sein Karakter und seine Handschuhe sind beständig rein; und dan kan er sich auch noch tiefer bükken, als der sich stets bükkende Dechant. Auf seinen Lippen schwebt ein ewiges Lächeln, an welchem der Weise und der Unwürdige gleichen Anteil hat. Dieser unerschrokne Held in galanten Beschwerlichkeiten, der mit einer unglaublichen Geduld den Müssig-

 

[Manuskriptseite 99]

gang ertragen kan, leihet der Stad höchst liebreich, iedem öffentlichen Orte zur Zierde, sein Gesicht. Erkömt so gewis wie die Karten zur Assemblee, und ist das ordentliche Gerät der Spielzimmer. Sobald das Lomber Lomber] Sinn? Fehlt hier das Verb? ST, sind sein Herz und seine Hand frei, und, wenn er eine Geselschaft von zweien findet, so ist er unfelbar - der Dritte. Narzis ist die Ere seines Geschlechts, denn wer tut wol mit einer bessern Art nichts? -

 

[IVb-01-bel-1791-0145]
Nichts übertrift one Zweifel im Lächerlichen einen Narren nach der Mode, als ein Nar aus der Mode. Seine Liebe zum Ungereimten ist so stark, daß er keinen Nebenbuler leiden kan. Wenn gleich die Mode töricht ist, so bequemt euch darnach; ihr zeigt mer Verstand, wenn ihr Andrer Torheiten, als wenn ihr eure eignen tragt. Wofern ihr das, was aus der Mode ist, am meisten schäzt, so dünkt mich, ihr soltet euch bemühen, weise zu werden. -

 

[IVb-01-bel-1791-0146]
Wer wolt' eine Krüke sein, um einen verfaulten Lord zu stüzzen; oder ein lebendiges Orgehenk, um stets an seinem Ore zu bummeln, und ihm Geheimnisse zuzuflüstern, die schon seit einigen Monaten mit Trompeten durch die Stad geblasen sind? Wer wolt' ein Spiegel sein, um mit schmeichelnden Grimassen alle Mienen seines Gesichts zurükzuwerfen; oder eine glükliche Nade., um auf seinen Ärmel zu stekken, wenn Mylord gnädig ist, und es zu erlauben geruhet; oder ein Küssen, wenn es seiner trägen Schwere belieben solte, sich gemächlich darauf zu strekken, oder darauf zu klopfen; oder ein schöndes schnödes Fas, dem Mittags oder Abends zugesprochen wird, wenn der Pair unbesonnen schwört, daß er seinen Spas mit beitragen wil. Wer wolte vor

 

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Lachen beinahe bersten, ob er gleich Mylords wizzen Scherz nicht finden könte; oder, wenn etwa seiner Nase ein Wind entfur, ihm tiefgebeugt vom Himmel vielen Segen anwünschen; wer wole ienes sein, oder dieses tun, der noch einen Schorstein fegen, oder einen Pflug füren kan? Wie niederträchtig sind dieienigen, die solche Bedingungen eingehen! Kaum sind die noch niederträchtiger, die solche Bind Bedingungen vorschreiben. -

 

[IVb-01-bel-1791-0147]
Doch bald flüstert ihm ein Got in das gellende Or, daß Rum, one Speise genommen, nicht gesund sei, und das Leben durch nichts besser erhalten werde, als durch Essen. Nachdem er endlich mager und weise geworden, verflucht er alle seine Schriften, und wünscht, keinen andern Mangel zu haben, als an Wiz. -

 

[IVb-01-bel-1791-0148]
Ihr Barden! warum wolt ihr singen, ob ihr gleich nicht begeistert seid? Ihr Barden! warum wolt ihr verhungern, um bewundert zu werden? Da Apol's unwiederrrufliche Gesezze euch für tod erklären, warum wollen denn eure Gespenster noch um die erschrokne Presse spükken? Schlechte Verse, diese Auswüchse des Kopfs, spriessen, wie die Hare, noch immer hervor, wenn gleich der Poet tod ist? Alle andre Gewerbe fördern; nur Versmacher betteln; eine Dedikazion ist ein hölzern Bein. Der unfruchtbare Labeo sezzet sogar, nach warer Betler Gewonheit, geborgte Brut aus, um Mitleiden zu erwekken. Ob schon ich selbst dazu gehöre, so tadle ich doch schlechte Dichter; ia noch mer, obschon der liebenswürdige Damon mein Freund ist. - Wie töricht ist die Absicht derer, die nach Ere dürsten, und das zu erhaschen suchen, was kein Mensch lebend besizzen kan! Die Ere ist ein Erbgut, das den Menschen,

 

[Manuskriptseite 101]

(ach viel zu spät!) erst bei ihrem eignen Tode zufält, diese Warheit weis der schlaue Lintot sowol, daß er seine Autoren verhungern läst, damit ihre Werke abgehen mögen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0149]
Er kent keine Schande, als nur in den Lumpen der Armut; und schwilt in richtigem Verhältnisse mit seinen Geldsäkken, auf ... Er sieht den Glanz des Goldes für Rum an ... Er rümet sich, daß sein Name bis auf die spätesten Zeiten kommen werde, nicht wegen der Armen, denen er geholfen, sondern die er gemacht hat ...

 

[IVb-01-bel-1791-0150]
Die Ere ist eine Wasserblase, deren spielende Farben nur der Enthaltsame geniest; wer sie zu ergreifen sucht, der vernichtet sie im Berüren. Es ist eine Schuld, welche ihr euch aber selbst bezalt, so ist die Welt frei." Seit. 157-195.

 

[IVb-01-bel-1791-0151]
5) Aus der fünften Satyre - über das Frauenzimmer.

 

[IVb-01-bel-1791-0152]
" Gebt nur Achtung, und ihr werdet sehen, wie der Ergeiz bei den Schönen einen Finger lenkt, oder ein Har in Ordnung bringt, oder den hellen Kreis eines Auges rolt, oder mitten in völliger Freude einen Seufzer herausarbeitet. -

 

[IVb-01-bel-1791-0153]
Brittanniens Töchter, weit mer schön, als ekel, verlieren aus zu grosser Begierde, bewundert zu werden, ihren Wert; von den Augen des Volks beständig gesehen und abgenuzt geben sie der Menge ein zu wolfeiles Vergnügen, und verblassen dem gesättigten Blikke. Eben so unzurükhaltend und schön, als die Sonne, laufen sie alle zeichen der Eitelkeit durch ....

 

[IVb-01-bel-1791-0154]
Klarindens Busen brent, aber er brent für den Rum; und die Liebe liegt darin von einer edlern Flamme besiegt. Nun sendet sie warme Stralen von Hofnung aus; dan taucht sie, gleich den April Sonnen, sich wieder in Wolken. Nun er=

 

[Manuskriptseite 102]

hizzet sie ihren Liebhaber mit allem ihren Glanze; dan verbirgt sie ihre Schönheiten, aus Eitelkeit. Bald findet sie ein Vergnügen daran, in süsse Klagen auszubrechen, und von plözlichen Schmerzen ergriffen zu werden. Dan springt sie wieder, ganz Entzükkung und Seligkeit, auf; und das gute Kind ist hierin eben so aufrichtig, als in ienem. O wie rolt sie ihre bezaubernden Augen im Zorn, und wie bemüht sie sich aus allen ihren Kärften, uns recht reizend anzublikken! Gleich Aber, gleich unsern Helden, mer tapfer, als weise, erobert sie nur um des Trumphs willen, und nicht der Beute wegen.

 

[IVb-01-bel-1791-0155]
Zara ist dem mit Schne gekrönten Ätna änlich; von aussen lauter Frost, und von innen lauter Glut. ... Die finstre Zara betriegt die Menschen mit einer feierlichen Miene, und be= verstekt sich hinter ihrem Gesichte. -

 

[IVb-01-bel-1791-0156]
Wenn das Verhängnis uns verschont, so verwundet uns die Einbildung; wir erschaffen uns Unglük; wir sind Selbstmörder im Elend. O überflüssige Hülfe! O unnötige Kunst! Ist die Natur denn zu träge, uns zu quälen oder zu töden?`Wie oft klopft die mittägliche, wie oft die mitternächtliche Glokke, (diese eiserne Zunge des Todes!) mit feierlichem Schal an unser Herz, und findet unsre Gedanken nicht zu Hause, indem uns die Torheit mit ihren eitlen Botschaften herumschikt! Die Menschen sinken so schnel hin, daß, ehe wir noch die mitlern Stufen des Lebens betreten, wenige soviele Freunde lebendig, als tod wissen. Und doch iagen wir, als unsterblich, immer Bergan dem spröden Glük mit unermüdetem Laufe nach;

 

[Manuskriptseite 103]

unsre heissen Arbeiten um die Puppen, nach welchen wir seufzen, verbinden die Nacht mit dem Tag, und den Sontag mit der Woche. Unsre Freuden selbst sind kummervol, und sterben zwischen dem Ekkel und der heftigen Begierde. Was ist nun der Lon für alle diese Angst und Mühe? Nur eins; das süsse Lächeln einer geliebten Freundin; ein zärtliches Lächeln, unsrer Schmerzen einziger Balsam, und des traurigen Schiffers Windstille in dem Ungewitter des Lebens. -

 

[IVb-01-bel-1791-0157]
Lemira ist krank; geschwind! ruft den Doktor. Er kömt; aber wo ist sein Pazient? Auf dem Bal. Der Doktor macht grosse Augen; ihr Kammermädgen macht einen tiefen Kniks, und sagt: " Mylädy ist beständig so, mein her. Lustbarkeiten veriagen ihre Krankheiten. Es ist sn war, sie kan nicht stehen; aber sie kan die ganze nacht tanzen. Ich habe gesehen, daß Mylädy, (denn sie liebt die Musik,) für ein Fieber im Iunius eine Oper genommen hat. Und obgleich Ihnen die Kur sonderbar vor= ein wenig kün vorkommen wird; so ist doch ein nächtlicher Spaziergang im Park des herlichste Mittel für eine Erkältung. Mit der Kolik verträgt sich ein Frühstük von unreifen Früchten; und mit einem verdorbnen Magen ein Abendessen iust um drei Ur in der Nacht." Ein sonderbarer Wechsel! antwortet der Arzt; mus das Frauenzimmer entweder einen Doktor oder einen Tanz haben? Wenn sie gleich sterbenskrank sind, so können sie doch ausser Hause on' alle Gefar herumschweifen; aber siechen und sterben, bei völliger Gesundheit, zu Hause. Aus Mangel - aber nicht an Gesundheit, be=

 

[Manuskriptseite 104]

finden sich die Damen übel; und ein Billet zum Bal kurirt viel besser, als ein Rezept.-

 

[IVb-01-bel-1791-0158]
Andre wissen mit sinreichen Künsten verloschne Reize wieder zu beleben, und prangen in der Blüte einer fünfundfunfzigiärigen Iugend. Des Morgens habt ihr eine blonde Nymphe eingeladen; und, um ihr Wort zu halten, kömt des Abends eine braune; am folgenden Tag glänzet sie in gleissendem Schwarz; und dan rolt sie wieder in ihr natürliches Rot zurük. Gleich einem Taubenhalse, wechselt sie beständig ihre flüchtigen Annemlichkeiten, und ist ihr eigner lieber Nebenbuhler in euren Armen.

 

[IVb-01-bel-1791-0159]
Nur einen Bewunderer hat die geschminkte Dame, und sie findet diesen Einen nirgends, als in ihrem Spiegel: und dennoch ist Laura so ausserordentlich schön, daß alle ihre Kunst sie kaum weniger reizend machen kan. Nur der weis die weibliche Wange zu schmükken, der die Lilie und die Rose minder schön malt. -

 

[IVb-01-bel-1791-0160]
Es giebt wenig Vergnügen, und wir geniessen noch weniger: das Vergnügen ist, wie das Queksilber, glänzend und spröde. Wir suchen es mit unsrer äussersten Geschiklichkeit zu erhaschen; und immer täuscht es uns; und funkelt immer. Wenn wir es aber doch endlich ergriffen haben, was ist alsdan damit gewonnen? Nichts, als ein fressendes Gift in unsern Adern. -

 

[IVb-01-bel-1791-0161]
Die Männer lieben eine Schöne, wie sie eine Malzeit lieben: wie angenem ist's, iene zu berüren, und diese zu schmekken! Und dennoch giebt es gewisse Stunden des Tages, da wir unsre Geliebte und unsre Speise weg=

 

[Manuskriptseite 105]

wünschen. Allein bald kommen die gesättigten Begierden wieder zurük; unser Magen fordert, und unsre Begierde brent von neuem. Last also die Männer niemals ewige Liebe schwören; last das Frauenzimmer niemals triumphiren, noch verzweifeln; niemals den feurigen oder den frostigen Liebhaber zu ser tadeln. Hunger und Liebe hangen nicht von dem Willen ab. -

 

[IVb-01-bel-1791-0162]
Mit welcher Inbrunst erhebt sich iene Dame über die Sphären, und erklärt one Entgeld heilige Geheimnisse; entschlossen, die Wolfart der Kirche zu besorgen, und ihre Familie zu einer Sine=kura zu machen! Auch bei den Karten vergist sie nicht ihr geistliches Tema, und nimt im Piquet biblische Sprüche auf: In ienen leichtsinnigen Zusammenkünften spielt sie die Betschwester, und dankt ihrem Schöpfer, daß ihre Karten gut sind. Diese Damen, die in der Teologie so tiefe Einsichten haben, was für Engel würden sie sein, wenn sie eben so gut nähen könnten! Doch warum solte die Schöne nicht ihren Text ausfüren? Kan sie wolanständiger mit dem Hern Pfarrer bulen? Und es wär' auch hart, wenn sie, die ihre Religion blos zum Schwazzen braucht, hierin eingeschränkt sein solte.

 

[IVb-01-bel-1791-0163]
Isaak, ein Bruder von der seufzenden Zunft, pflegt öfters, nachdem er an seinen eignen Schedel umsonst angekloppfet, sich mit einem dunkeln Texte zu der reizenden Marzia zu begeben, um ihm an der Schönen ein Licht anzuzünden. O wie iauchzet seine fromme Sele, unter dem heiligen weiblichen Geschlecht so viel Liebe für heilige Männer zu entdekken! Mit welcher Entzükkung schwebt er, von ihrer Gelersamkeit bezaubert, über ihrer Blüte, gleich einer ämsi=

 

[Manuskriptseite 106]

gen Biene! Wie sumt er um sie herum, und saugt mit allen seinen Kräften süsse Weisheit aus einer so schönen Blume! -

 

[IVb-01-bel-1791-0164]
Wie ser irren sich Liebhaber, welche sich Verdienste zu erwerben suchen, und sich einbilden, daß edle Eigenschaften die Schönen gewinnen werden. Freilich solten die Schönen sich billig von dem Genie gewinnen lassen; gleichwie blumen ihre Reizungen vor der sonne entfalten. Und dennoch wird es auf der Wage des weiblichen Urteils von einem Gekken überwogen, und der Wiz mus mit dem Lorber auch den Weidenkranz tragen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0165]
Stolz erscheint dort die matte Dame, welche nicht geboren ward, ihre eigne last zu tragen. Sie wankt, taumelt, strauchelt, bis eine fremde Hülfe die kraftlose Schöne zu ihrer eignen Statur emporhebt. Wenn alsdan ia ein so unbarmherziges Schiksal über sie verhängt ist, so reiset sie, in gehörigen Stazionen, in dem Zimmer herum. Allein, da sie ihre eigne Onmacht kent, so giebt sie alle Hofnung auf, die Alpen hinanzuklimmen, - das ist, die Treppe hinaufzusteigen. Mein Fächer! mögen Andre sagen, die der Arbeit spotten; Fächer! Kappe! Handschuh! Halstuch! ist ihr lakonischer Ausdruk. Und dieses wird mit einem solchen ersterbendne Laute gesprochen, kaß Lisette den Ruf mer liest als hört: die Bewegung ihrer Lippen, und ihr bedeutendes Auge stükken die Idee zusammen, die ihre schwachen Worte verergen. O horchte mit der tiefsten Aufmerksamkeit! Ihre Stimme ist nur der Schatten eines Tons! Und helft! o helft! Ihre Lebensgeister sind so tod, daß Eine Hand kaum die Andre zu

 

[Manuskriptseite 107]

ihrem Kopfe emporzuheben vermag. Wenn sie dort ia über eine hartnäkkige Nadel triumphirt, so ächzet sie! sinkt hin! und ist nicht mer! Last die starkgebauten Riesinnen sich ihre Speise selbst zerschneiden: so viel ist das Leben nicht wert; sie wil lieber verhungern. Aber käuen mus sie doch selbst: o grausames Verhängnis, daß Rsalinde nicht durch einen Gevolmächtigten essen kan. -

 

[IVb-01-bel-1791-0166]
Unzüchtige Reden zeigen eine nakte Sele .... Hört! die scharfen Töne durchdringen die weichende Luft, und laren die nahen Wiederhalle fluchen....

 

[IVb-01-bel-1791-0167]
Iezt herscht eine algemeine Mode, den Wolstand zu beleidigen, und unsre Nymphen geben sich besondre Mühe, sich Feler anztugewönen die heutigen Schönheiten gleichen den sinesischen Malern; das einzige Ziel, nach welchem sie streben, ist Häslichkeit. ....

 

[IVb-01-bel-1791-0168]
Nichts trit so leise als der Fus der Zeit; daher pflegen wir unsern Herbst für unsern Frühling anzusehen. Es ist ser weise, die Neuigkeit, eh' sie uns gesagt wird, zu wissen; die traurige Neuigkeit, daß wir alt werden. Die herbstliche Lyze bringt in ihrem Gesichte an alle öffentliche Örter ein memento mori. O wie wird eure klopfende Brust von einer Geliebten erhizt, die eure Reizungen durch Brillen betrachtet! Indem schon weteifernde Leichenbestatter um sie herumschweben, und der Todengräber mit seiner Spate den Plaz zu ihrer Grube auszeichnet; so denkt sie noch, nicht auf ihr eignes, sondern Andrer Verderben, entwirft neue Eroberungen, und betriegt das Grab. Umsonst hat der Han die Gespenster weggekräht; sie wandelt am Mittag umher, und das blühende Licht verwelt bei ihrer Erscheinung. Ein seidnes Gewand, so

 

[Manuskriptseite 108]

bunt wie der Regenbogen, bekleidet ihre mürben Reizungen, und nichts ist an Lyze alt, als sie selbst. Ihre grauen Lokken nemen ein bulerisches Lächeln an, und die Kunst hat ihr tiefgefurchtes Gesicht geebnet. Welcher Sterbliche kan doch ihre wunderliche Forderung billigen? Wir wollen uns ihren Segen erflehen; aber wir können sie nicht um ihre Liebe bitten. *...* ..

 

[IVb-01-bel-1791-0169]
Unsre Freuden sind nicht zalreich, wenn das Leben noch iung ist, und von den wenigen fallen iärlich einige ab. Sobald wir aber die Höhe der mitlern Iare überstiegen haben, und uns in das Tal des Alters hinabneigen, so entsinken sie uns schnel nach einander; einige werden durch die Natur abgebrochen, und einige durch die Sturme des Unglüks weggerissen; bis wir endlich, von Glükseligkeit ganz entblöst, mit lauter Stimme den Tod rufen, und unter einem Leichenhemde Beschirmung suchen.

 

[IVb-01-bel-1791-0170]
Welches Herz kan die Porzia ungerürt in ihrem frühen Grame schauen, wie errötende Rosenknospen, vom Morgentau benezt? ...

 

[IVb-01-bel-1791-0171]
Wenn unser Geschlecht einen Schandflek auf eure Ere geworfen, so wird er, durch die Bosheit eures eignene, immer daran haften. - " S. 201 - 283.

 

[IVb-01-bel-1791-0172]
6) Aus der sechsten Satyre - über das Frauenzimmer.

 

[IVb-01-bel-1791-0173]
"Lavinia weis zu leben, aber sie ist dabei nicht ruchlos; und geht eben so fleissig in die Kirche, als in die Komödie. Dort bezalt sie dem Himmel mit gehörigen Formalitäten, was ihm gebürt; und stattet bei ihrem Stule einen höflichen Besuch ab. Um sich eine jfeierliche Miene zu geben, verbirgt sie mit dem erhobnen Fächer ihr Gesicht, und

 

[Manuskriptseite 109]

das gilt für ein Gebet. Alsdan folgt ein zierlicher Kniks nach dem andern, und sie hört nicht auf, sich zu neigen, als bei dem christlichen Glauben. Oder wenn sie ihn ia mitbetet; so tut sie's nur, um zu sprechen; denn das beklommene Herz möchte vor erschreklichem Stilschweigen bersten. Unfähig, es aushalten, schwazzen die Schönen mit Got selbst, und bilden sich töricht ein, daß sie beten. Aber ihr Ton ist süs, und ihr Anstand fein; denn sie sind ia vor ihrem Schöpfer, - und vor Manspersonen. Wenn die Damen erst einmal darauf stolz sind, schön zu beten, so wird der Satan selbst zur Kirche läuten. -

 

[IVb-01-bel-1791-0174]
Einige Damen sind zu schön, sich zu verheiraten; denn wo ist der man, der ihres Bettes wert ist? Wofern keine Krankheit ihren Stolz demütigt, so wil Kloe im sechzigsten Iare entfürt werden. Alsdan wil sie sich's endlich gefallen lassen, blindlings zuzugreifen; und es felt ihr iezt nichts, als ihr - Liebhaber.

 

[IVb-01-bel-1791-0175]
Luzia meint, die Glükseligkeit bestehe im Stat; sie heiratet einen Tölpel, aber sie speist von Silber. -

 

[IVb-01-bel-1791-0176]
Wäre Tullia nur mit der Hälfte ihres Verstandes begabt, so könte man ihre Vorzüge nicht genug bewundern. Da sie aber dem Falschen einen solchen Glanz zu geben weis, so hält sie es für gemein, die Warheit zu behaupten. Sie ist von Wiz ganz überschwemt, und durch gar zu grosse Volkommenheiten verloren. Sie schwingt ihre ewig rege Zunge mit unbeschreiblicher Beredsamkeit, und hat immer auf die götlicheste Art Unrecht.

 

[IVb-01-bel-1791-0177]
Frauenzimmer solten billig in nichts nakkend sein, sondern sogar ihren Wiz mit Bescheidenheit verhüllen. Last

 

[Manuskriptseite 110]

die Männer die Reize eurer Selen entdekken; zeigt sie nicht selbst, sondern übergebt sie mit süssem Zögern. -

 

[IVb-01-bel-1791-0178]
Dort erblikk' ich die bekümmerte Melania, welche niemals glaubt, daß ihr Liebhaber ihr die schuldigen Pflichten bezale. Er mag sie besuchen, beschenken, ihr schmeicheln, und sie anbeten; ihre Maiestät verlangt morgen noch mer. Ewige Klagen erfüllen sein verwundetes Or mit kreischendem Gewinsel, wie ungeschmierte Türangeln ... Nichts kan ihr gefallen, Alles sezt sie in Flammen; und die stärksten Widersprüche sind ebendasselbe. Um ihre Milzsucht zu vergnügen, mus ihr Liebhaber traurig sein; seine Fröligkeit ist eine unvergebliche Sünde: denn unter allen denen Personen, die ihre Eifersucht erwekken können, ist Eine, die ihre Brust noch viel tiefer, als die übrigen verwundet; die schreklichste Klippe, woran ihre Ruhe scheitert, ist diese, wan ihr Liebhaber wagt, seiner selbst zu geniessen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0179]
Iulia ist eine verschlagne Frau; zum Regimente geboren, weis sie, daß ihr klügerer Man ein Nar ist. Sie hält Assembleen, und spint den subtilen Faden, der den Galan zu seiner Schönen Bette fürt; zu schweren Liebenshändeln kan sie den Weg banen, und zärtliche Briefe diktiren, oder zustekken. Wenn sie aber solcher wichtigen Sorgen beraubt ist, so läst sich ihre Weisheit zu kleinern Geschäften herab: sie wird zu ihrem eignen Frühstükke einen Entwurf machen, und ihren Tee nicht on' eine Kriegslist nemen. Sie regiert über Tändeleien mit einer ernsthaften Miene, und macht sie wichtig durch die Grimasse. -

 

[Manuskriptseite 111]

[IVb-01-bel-1791-0180]
Serena liebt in allem, was sie sagt, das Äusserste; was sie lobt, ist götlich; was sie tadelt, abscheulich. Da sie sich ihrer wirklich scharfen Einsicht bewust ist, so arbeitet sie zu ser, sie uns zu zeigen. Ihr Urteil ist richtig, aber ihr Ausspruch ist zu stark; weil sie Recht hat; so hat sie immer Unrecht. -

 

[IVb-01-bel-1791-0181]
Es ist viel weniger, unser Glük zu machen, als unsre Glükseligkeit ..... Sehet, wie die Grossen um ein Almosen von Schmeichelei betteln! Sie sinken hin! Ach unterstüzt sie doch mit einer Lüge! Ein anständiges Auskommen wird von uns völlig genossen; es rürt unsre Sinne, und bereitet ihnen ein beständiges Gastmal. Mer, als das, empfinden wir blos durch angestrengte Gedanken! Der Reiche mus arbeiten, sein Eigentum zu besizzen, seinen grossen Überflus zu fülen; er mus seine geringern Freunde bitten, daß sie ihm doch helfen, glücklich zu sein, dlaß sie seine Schäzze sehen, die Erzälung seiner Herlichkeit hören, und der elenden Onmacht des Goldes zu Hülfe kommen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0182]
Unsre Schmähungen werden bei ihr keine Wirkung tun; denn nächst dem Lobe, ist ihr nichts gleichgültiger als iene. -

 

[IVb-01-bel-1791-0183]
Hier könt' ich auch von den gezierten Geberden der Memmia, und von allen den Bewegungen der zarten Maschine singen, wie ein Par purpurrote Lippen erkünstelte Zephyre blasen, um den Tee zu külen, und den Stuzzer zu entflammen; indem Ein weisser Finger und ein Daum sich mit einander verbünden, um die Tasse emporzuheben, und die Welt in Erstaunen zu sezzen.

 

[IVb-01-bel-1791-0184]
O Tee! wie zittre ich vor deinem unglüksvollen Strome,

 

[Manuskriptseite 112]

welcher der Rumbegierde eben so fürchterlich ist als Lete! Was für Verwüstungen werden auf deinen Ufern gesefhen! Was für Schatten von grossen Namen, die einst gewesen sind! Eine Hekatombe von Karaktern ist das tägliche Opfer deiner bemalten Altäre. Wie die Körner des feinsten Zukkers in dir zerschmelzen: so müssen Hervei, Pearce, und Blount, von dir besprengt, niedersinken, und dich den Sterblichen schmakhafter machen. Die Lästerung ist die angenemste Versüssung eines weiblichen Mals.

 

[IVb-01-bel-1791-0185]
Allein dieser unmenschliche Triumph wird fallen, und deine abtrünnigen Naiaden werden wein fordern. Geistige Getränke sollen nicht mer unter dir dienen, sondern in deiner eignen Tasse herschen, verstosner Tee" -..

 

[IVb-01-bel-1791-0186]
Die Damen schrien lange über die trinkenden Männer, und schalten das, was beides der Gesundheit und der Tugend schädlich war. Um die Männer zu retten, entschlos sich endlich die edelmütige Schöne, ihrem Gemal das verderbliche Glas zu stelen, eben so glorwürdig, als die berümte brittische Königin, die aus ihres Gatten Wunde das Gift sog. -

 

[IVb-01-bel-1791-0187]
Finden wir bei den Bewonerinnen unsrer Insel solche Feler, über welche es ein Feler ist zu lachen? Ia. Das Laster, welches sonst noch von der bescheidnen Natur und den Banden des Gesezzes gefesselt war, wandelt nun ungebunden umher, und von dem dünnen Schleier des Wolstnads entblöst, schreitet es ganz nakkend über Gesez und Evangel hin. Unsre Matronen füren ein so exemplarisches Leben, daß die Männer um niemand vergebens seufzen, als um

 

[Manuskriptseite 113]

ihre Weiber; welche heiraten, um frei zu sein, um desto mer herumzuschweifen, und sich mit Einem Manne vermälen, um mit zwanzig zu bulen.....

 

[IVb-01-bel-1791-0188]
Seht dort ienen Haufen von Dieben, die vom Raube leben, die Schande und den Rum unsrer Insel! Und sehet (welch ein seltsamer Anblik!) sehet, wie mitten unter diesr Räuberbande eine götliche Gestalt ihre schneweise Hand hoch emporhebt, welche mit einer kleinen bezauberten Büchse rasselt, und sie nun mit lautem Donner auf den Tisch niederschlägt. Und wie einst aus Äols Höle ein vermischtes Ungewitter von Furcht, Wut, Verzükkungen, Tränen, Flüchen, Blasphemien; iedoch, wider die Menschen - stöst die Schöne keine Flüche aus; o nein! die unschuldige Kreatur flucht blos auf den Himmel.....

 

[IVb-01-bel-1791-0189]
Dieses kan man zur Ere unsrer Zeiten sagen, daß niemand sich durch seine Laster von den Übrigen unterscheidet.

 

[IVb-01-bel-1791-0190]
Wenn ihr ia sündigen müst, so nemt die Natur zur Fürerin; die Liebe hat noh einige zärtliche Entschuldigungen, die eurem Stolze schmeicheln können. Ihr Ihr schönen Rebellen gegen die alte Herschaft der Liebe! Vermag denn nichts euch zu verfüren, als ein goldner Regen? Können nur Karten allein sich eurer glühenden Phantasei bemeistern? Mus Amor pointiren lernen, eh' er gefallen kan? wenn ihr in eine Lese oder in einen Wurf verliebt seid, was kan da wol der Prediger mer tun, um uns keusch zu machen? Warum

 

[Manuskriptseite 114]

müssen starke Iünglinge unverheiratet ihr Leben verseufzen? Sie finden kein Mädgen frei - vom Spiele. Warum seufzen die Verheirateten? - O strengeres Schiksal! Sie finden kein vom Spiele freies - Vermögen. Flavia, welche ülber die Treulosigkeit falscher Liebhaber ungerürt und hart bleibt, erblast und erzittert vor einer grausamen karte. Ia, der Arria Bibel kan ihr Alter nicht schüzzen; ihre sechzig Iare spielen noch mit ihrem Pagen. Indessen, daß der Tod nur so lange wartet, bis das Spiel vorbei ist, um ienen Gewinst, der schon längst mit Recht ihm zugehörte, wegzuraffen, fängt sie, gleich alten in Schwefel getauchten Karten, noch Feuer; oder flamt, gleich einem in die Dille gesunknen Tochte, höher auf...." Seit. 289 - 375.

 

[IVb-01-bel-1791-0191]
7) Aus der siebenten Satyre.

 

[IVb-01-bel-1791-0192]
"Sein frevelhafter Becher fliest von Tränen betrübter Waisen über, und das Angstgeschrei von Köngireichen signt ihn in den Schlaf.

 

[IVb-01-bel-1791-0193]
Und können dreitausend Iare nicht dem ungestümmen Bulen den falschen Rum entreissen, und seine schändlichen Lorbern verderben? Warum haben wir denn keine Lobreden auf jden Sturm, oder auf die Hungersnot, oder auf speiende Feuerschlünde? Auch sie verrichten ihre mächtigen Taten; Wüsteneien in Einem Tage verbreiten. O herliches Bündnis! O götlicher Rum! mit der Teurung und der Pestilenz den Siegskranz zu teilen - Wenn Menschen den Na=

 

[Manuskriptseite 115]

men eines wilden Zerstörers preisen, so lästern sie den Baumeister und Erhalter der Erde. -

 

[IVb-01-bel-1791-0194]
Wie strafbar sind diese! Iedoch nicht minder strafbar sind dieienigen, welche die falsche Ere auf einem scha sanftern Weg' erreichen, welche das Verderben in süsse Worte, und tiefe Verbeugungen, und lächelnde Mienen, die noch tödlicher als ihre Schwerder sind, einhüllen; welche die Natur erstikken, und von der Kunst leben, welche das Gesicht prägen, und das herz versteinern; welche, anstat der waren Güte, nur den Schein davon haben, polirt wie Marmor, und wie Marmor, hart sind; welche das für Gold tun, was Christen durch die Gnade tun, und mit "ofnen Armen ihren Feind umfangen;" welche, wenn blutende Herzen verschmachten, einen Wink geben; (die magerste Speise, wovon ein Elender sich sat essen kan) oder wenn sie uns dienen, uns doch one Neigung dienen, und in ihrer höchsten Gütigkeit, ungütig sind..." S. 387-397.

 

[IVb-01-bel-1791-0195]
XIIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0196]
Samlung von Religions= und Sittenschriften. Einige Werke von Dr. Eduard Young. Zweiter Teil. Speier im Verlage der Geselschaft. 1780.

 

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1) Aus dem iüngsten Gericht."

 

[IVb-01-bel-1791-0198]
"Nun hört er (Iona im Walfischbauch) mit den Vergnügen über sich stürmen, und schwebt one Furcht auf flüssigen Bergen; oder fält in die untersten Teifen herab, wo die stillen toden Wasser niemals fliessen. Zu den Grundfesten der Felsen hingefürt, ruht er in dem fürchterlichen Schatten überhangender Klippen. Wo noch kein Blei-

 

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wurf hingesunken, da schöpft er seinen Adem, und gleitet unbesorgt durch die Wege des Todes." S. 145

 

[IVb-01-bel-1791-0199]
"Also liefert das zerbrechliche Model eines entworfnen Gebäudes zuerst einen Abris der Idee des Baumeisters, eh' sein fester Bau mit dauernden Eichen und dem marmornen Eingeweide des harten Felsen den starken Schwibbogen beugt, und die Seulen den hohen Pallast zum Himmel empor heben heist; daß er dem Angriffe der Zeit mit Kegeln von Demant und mit Ribben von Erz widerstehen könne." S. 150.

 

[IVb-01-bel-1791-0200]
"Der Boden des weiten Ozeans ist mit Menschenschädeln gepflastert." S. 151.

 

[IVb-01-bel-1791-0201]
"Hoch, mitten unter den Wolken, braust das siedende Weltmer, und schaut von oben auf seine abnemenden Gestade herunter." S. 182.

 

[IVb-01-bel-1791-0202]
2) Die Macht der Religion: oder die besiegte Liebe.

 

[IVb-01-bel-1791-0203]
"Ich freue mich, die Krone getragen zu haben, weil ich finde, wie zufrieden wir sie niederlegen. Helden können einen Tron erobern; aber das ist ein himlisches Geschlecht, wleches ihn mit Anständigkeit verlassen kan. -" S. 210-211.

 

[IVb-01-bel-1791-0204]
"Wir glauben unsern eignen Sinnen nicht, wir schauen und verwundern uns, was den Mut eines Sterblichen so erheben könne, daß er über die Trübsal triumphirt, im Grame lächelt, und dieienigen tröstet, die ihm Trost bringen wollen." S. 213.

 

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[IVb-01-bel-1791-0205]
"O kurzsichtige Menschen, die ihr iedes Unglük, das über euch vorbeigezogen, für das lezte haltet! Ach die Trübsalen reisen in einem steten Gefolge hinter einander her, und hangen oft in einer ununterbrochnen Kette zusammen. Übel werden von Übeln begleitet, und Sorgen von Sorgen begraben, bis Leben und Unglük ein gemeinschafltiches Ende finden." S. 218-219.

 

[IVb-01-bel-1791-0206]
"Eine betrübte Träne wird ihre sterbliche Geburt verraten. sie seufzet und weint, aber sie weint und seufzet so, wie der stille Tau herbsinkt, und Düfte emporsteigen." S. 219-220.

 

[IVb-01-bel-1791-0207]
"Also sehen wir die schöne Lilie bei bewölktem Himmel zuerst in dem schwachen Winde nur zittern: aber wenn die Stürme und die schwarzen Regengüsse herabfallen, so mus ihr grader und ansenlicher Stam sich beugen; bis er endlich zerbrochen, und seiner schneweissen Blätter beraubt, mit den ersterbenden Reizungen seine Geburtsstätte bestreut." S. 221-222.

 

[IVb-01-bel-1791-0208]
"Sie erstarren von kaltem Schrekken versteinert, zu Bildsäulen der Verzweiflung." S. 229.

 

[IVb-01-bel-1791-0209]
3) Aus dem "waren Wert des menschlichen Lebens".

 

[IVb-01-bel-1791-0210]
"Man glaubt durch das Ansehen derer, die man schmäht, selbst ein Ansehen zu erlangen." S.304.

 

[IVb-01-bel-1791-0211]
"Es giebt, wengistens in unsern Gegenden, gar keinen frölichen Alten; eine Fliege im Winter ist für die Nazionen, die der Sonne näher sind." S. 313.

 

[IVb-01-bel-1791-0212]
"Die Furcht ist ein Schild des Lebens; aber wenn wir zuviel Sorgen haben, so sind sie eine Last, von welcher wir, wie ienes Mädgen im Kapitol unter vielen Schilden, erdrükt werden." S. 337.

 

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[IVb-01-bel-1791-0213]
"Dinge sind dunkle Körper, welche kein eigentümliches Licht besizzen, und nur fähig sind, die lebhafte Heiterkeit, die von unserm eignen Herzen auf sie stralt, zu ihrer Verschönerung zurükzuwerfen." S. 382-383.

 

[IVb-01-bel-1791-0214]
XV.

 

[IVb-01-bel-1791-0215]
Samlung von Religions- und Sittenschriften. Einige Werke von Young. Dritter und lezter Band. Speier, im Verlage der Geselschaft. 1780.

 

[IVb-01-bel-1791-0216]
1) Aus dem "nicht fabelhaften Zentaur" 1) ...Zentaur"] als bibl taggen? ST

 

[IVb-01-bel-1791-0217]
"Indem wir die Natur Gottes zu begreifen suchen, so verkleiden wir ihn in eine Gestalt, die seinen Glanz verdunkelt; gleichwie wir's nicht eher wagen, in die Sonne zu schauen, als bis wir sie hinter einer Wolke erblikken." S.40.

 

[IVb-01-bel-1791-0218]
"Er lächelt mit grosser Zufriedenheit über eine gewönliche zalreiche Versamlung von dienstbefliessenen Freunden, die ihm früh, wan er aufgestanden, in seinem Vorsale ihre Aufwartung machen; mit nicht geringerer Zufriedenheit als womit er eine Handvol guter Karten anlächelt. Und er verspricht sich auch von beiden einerlei; das ist, er hoft sie so anzubringen, daß er damit gewint. Wenn das geschehen, und es sein Vorteil oder sein Eigensin so verlangt, so wirft er iene als ein schmuzziges Spiel beiseite, und fordert ein neues; um so, wie vorher, zu mischen, zu betrügen, und allerhand Künste zu machen. Er betrachtet Narren als Trümphe, mit welchen er des Gewins versichert ist. Fallen ihm keine Narren in die Hände, so weis er mit einem Buben von der rechten Farbe ziemlich viel auszurichten. Ist er so un-

 

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glüklich, daß er keines von beiden bekömt, so giebt er nur herum, und spielet für diesmal nicht mer: denn on' eine gute Hand ist ein schlechtes Herz unerträglich." S. 131-132.

 

[IVb-01-bel-1791-0219]
"Ihr, die ihr iezt lauter geselschaftliche Freunde seid, und in dichtgeschlossenen frohen Haufen (gleich den versammelten Scharen von Zugvöglen, welche nach neuen Himmelsstrichen abreisen wollen,) neuren ungedultigen Flügel nach neuen Ergözzungen schwinget! pp." S. 151.

 

[IVb-01-bel-1791-0220]
"Die Freude, so durch zeitliche Dinge erwekt wird, hat etwas von einer frohen Unrufhe, von einem verstörten und stürmischen Vergnügen an sich; gleich einigen Säften, die zu eben der Zeit, da sie perlen und blinken, in einer brausenden Gärung und Unordnung sind." S. 158.

 

[IVb-01-bel-1791-0221]
Welch ein Haufen von Grabmälern erhabet sich über der kalten Brust dererienigen, die uns einst mit so heisser Zärtlichkeit an dieselbe drükten!.... Die Samlung ihrer Grabschriften würd' ein ganzes Buch ausmachen: welch ein lerreiches Buch, wenn es recht gelesen würde. ... Was ist die menschliche Weisheit gröstenteils anders, als die melancholische Frucht eines blutenden Herzens?" S. 202.

 

[IVb-01-bel-1791-0222]
"Die irdischen Wünsche, die ein alter Man in die Welt aussendet, gleichen der Taube Noah; sie finden keinen Boden, worauf sie sich niederlassen könten, und sind gezwungen, zu seinem eignen Herzen wieder zurükzufliegen." S. 238-239.

 

[IVb-01-bel-1791-0223]
"Ein Mensch ist beinahe mer, als der Mensch begreifen kann; ein Wesen, dessen Glanz über den Bezirk seiner eignen Blikke hinausstralet." S. 237-248.

 

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[IVb-01-bel-1791-0224]
"Dies könte eine Art von Rechtfertigung für iene Federhelden, iene zu hizzigen Patrioten sein, die sich unerschrokken vor ihrer eignen Gefar mit dem Mute eines Kurzius, zum Besten ihres Vaterlands, in den Buchladen hineinstürzen, und darin umkommen." S. 324.

 

[IVb-01-bel-1791-0225]
2) Aus dem "ersten Schreiben an H. Pope." 2) ...Pope."] als bibl taggen? ST

 

[IVb-01-bel-1791-0226]
"Indem du zu Twikkenham den künftigen Wald entwirfst, oder die Schriften der Weisen und Rechtschaffenen durchforschest, versamelt sich unser Senat; Parteien schreien wider Parteien und Scharteken betäuben die Straussen und beschweren die Buchladen. so bringen fortschiessende Fluten unflätige Dinge an's Licht, garstige Trümmer kommen empor, und tode Hunde schwimmen herum: der bürgerliche Strom schäumt, der Tumult herscht überal und rurt die Prosa des Kodrus, und die Gedichte des Liko auf. Sieh! was alles aus den Kellern heraufsteigt, was aus der Höhe herunterstürzt, wo die tiefsinnige Spekulazion nahe bei dem Himmel nistet, Briefe, Versuche, Komödien, Tragödien, Satyren, und alle Stokwerke unter dem Dache donnern auf den Pöbel herab. -

 

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O Pope! hättest du gleich mir oder dem Kodrus geschrieben; so würde das Blut der Vipern deine Feile nicht beflekt haben. Geringern Verdienste hätten geringern Has erzeugt: sie hätten nicht gebissen, und dan hätten sie nicht geblutet. Fama ist eine öffentliche Bulschaft; keiner geniest ihre Gunst, one seines Nebenbulers Frieden mer oder weniger zu stören. Mit dem Rum wächst der Neid in gleichem Verhältnis; wer sich einen Namen macht, der macht sich Feinde; kleine, böse Insek-

 

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ten entstehen um ein Genie herum, wie ein heller Tag die Welt der Fliegen aufwekt; mit herzlicher Bosheit, aber mit schwachem Flügel flattern sie (zu zeigen, daß sie noch leben) umher und stechen: wie aber Wespen durch ihre Verwünstungen die schönste Frucht verkündigen, so verkündigen diese den besten Rum.

 

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Sollen wir den ganzen bunten Haufen nicht richten, sie mögen mit Biere oder mit Champagner befeuchtet sein? Sie mögen das Tal der Prosa betreten, oder an dem steilen Felsen der Poesie hinaufklettern und ihren Appetit schärfen? Der schmuzige Pedant, und der gestikte Stuzzer, der bepurpurte Prälat, und der stabichte Küster, der ruhige Quidnunk, der fragende Schwäzzer, der anklagende Tory, und der beschuldigte Whig; Reiche, Arme, Männer, Weiber, Iunge, Alte, Lustige und Traurige, solche, die entweder im höchsten Grade lebhaft, oder ganz rasend, entweder tiefgelert-dum, oder seicht wizzig sind; Leute, die nur schreiben; Lords, Lastträger und Schneider stimmen ihr Ror, und auf das Kleidermessen flo folgt das Sylbenmessen. Denn Bankerutirer schreiben, wenn ihre ruinirte Buden geschlossen sind, gleich wie Maden aus einer verfaulten Nus kriechen. Dieser verläst seinen Hammer, und iener seine Kelle, und wer nicht Verstand genug hat, ein guter Handwerksman zu sein, schikt sich zu einem wizzigen Kopf. Ein iedes andres Gewerbe besteht durch reich werdende leute; aber aus ieder verdorbnen Handlung entspringt ein Skribent. Eben so entstand sein Stof, das Papier, aus zerrissenen Lumpen von allem Zeuge auf dem Erdboden.

 

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Heil dir, du fruchtbare Insel! Dir allein gehören Millionen von wizzigen Köpfen, und von Mäklern mit schlecht-

 

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ten verlegnen Versen! Billig nennen wird dich ein Land der Freiheit, wo alle ein gleiches Recht zur Schmach und Schande haben. Durch den Druk können deine Söne ihr Herz erleichtern, und die Verachtungdes menschlichen Geschlechts werden, sobald es ihnen beleibt; gleich dem getretenen Kote bleibt ihr pöbelhafter und niedriger Verstand unbemerkt, bis er beleidigt. Ihre träge Prosa ermüdet die gekränkte Vernunft; ihr ungesitteter Vers entzündet unzüchtige Begierden; unser Alter verwirren sie, und verfüren un sre Iugend; sie sind unser Gespöt und Erbarmen, unsre Sünde und Schande. -

 

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Der eine verliert sein Vermögen, und sezt sich neider, um uns (ach vergebens!) zu zeigen, daß er doch noch immer Verstand behält. ein andrer heiratet, und findet an seiner Geliebten eine böse Frau; er schreibt und sucht darin ein Hyponotikum für das Hypochonder. Einige schreiben, weil sie der Arzt, andre, weil sie der Gläubiger einspert; einige, weil es Sontag ist, andre, weil's regnet. Einige verteidigen das Publikum aus Privathas, und lieben ihren König und ihr Vaterland aus Verdrus. ein andrer schreibt, weil sein Vater schreib, und beweist sich, durch seinene Wiz, als einen Bastart.

 

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Hat Liko Gelersamkeit, muntere Einfälle, tiefe Gedanken? Nichts; warum schreibt er denn? Er braucht zwanzig Pfund. sein Bauch, nicht sein Gehirn, giebt ihm den Antrieb, er wil unsterblich werden, weil er nicht leben kan. Er reibt seine erwürdige Stirn, und nimt sein Ries Papier; sein Tema ist sein ganzer Vorrat: vielleicht hat ein Titel seine Phantasie gerürt, oder ein hübsches Motto, das seiner Meinung nach wizzig ist. Er schreibt, und

 

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sezt seine Zuversicht auf die Eingebung: sind seine Gedanken unrichtig; die Götter werden sie schon richtig machen. Das Genie kömt gerade von den Göttern herab; und wer wolte durch Arbeit ein in seine Freunde ein Mistrauen sezzen? Nach diesem sinreichen Schlusse, tauchet er seinen Kiel in Unsterblichkeit: und weil doch weisses Papier nicht zu der Presse gelassen wird; so mischt er das ganze Alphabet auf ein Geratwol in verschiedne Reihen von verschiednen Wörtern, wovon, wie er hoft, das menschliche Geschlecht den Sin entdekt. So brechen ungesuchte Töne aus der Sybille hervor; ihr selbst wareten waren die Wunder dunkel, die sie sprach; die Priester machten den Sin ausfindig, wenn sie konten, und Nazionen erstaunten über Dinge, die kein Mensch verstand. - -

 

[IVb-01-bel-1791-0232]
O! was für ein volkomner Kontrast! Was für ein herlicher Streit, zwischen ihren kalten Schriften und ihrem Pindarischen Leben! Sie schreiben mit Phlegma, aber dafür leben sie mit Feur; sie betrügen den Gläubiger, und ihre Werke den Käufer.

 

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Ich verere das Unglük, on' es zu verspotten; ich bedaure die Armut, aber ich lache über die Hoffart: denn wer ist so traurig, daß er nicht über des bunten Kastruchio Miszellenkleidung einige Freude zeigen solte? Obgleich von den albernen Werken, die er schrieb, nur Eine Ausgabe da ist: so sieht man doch zehn von seinem alten besezten Rok.

 

[IVb-01-bel-1791-0234]
Obschon des Liko Schultern in zerlumptem Friese erstarren, so ist der man doch wengistens bis an die Knie glücklich

 

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Er steht trozzig aufrecht auf seidnen scharlachenen Beinen; seine Figur bravirt, obgleich seine Umstände betteln. Aber das mus die Welt vor allem Neide schüzzen; diese Leute würden nicht so reich sein, wenn sie nicht so arm wären. Solche ernsthafte Männer, deren Beschäftigung im Schreiben besteht, solten sich, meines Erachtens, nur mit Schwarz und Weis behelfen.

 

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Diese Kostgänger der Natur, die keine Wonung haben, massen sich der weiten Welt zu ihrem maiestätischen Pallaste an: sie machen die Strasse zu ihrer Studierstube, gukken ieden, dem sie begegnen, mit starren Augen an, und rennen ihm gerade in's Gesicht. Dieser steht bestürzt da, indem er findet, daß sie ihn nicht gesehen, sondern nur angegaft haben. Wie müssen diese Barden bis in den Himmel entzükt sein? Man braucht ihre Entzükkung nicht zu lesen; man fület sie.

 

[IVb-01-bel-1791-0237]
Wollen sie hartnäkkig so fortfaren? Es ist Raserei! Lintot lauf, las sie einsperren - "O, das ist schon geschehen" Viele haben durch die Werke, die sie drukken lassen, wie durch Mietkontrakte, auf Lebenszeit von der Münze Besiz genommen. Wenn ihr diese armen Leute unrecht versteht, oder beklagt, so schreien sie: Est Umbris x), Est Umbris] danach durch x) eingefügt: Horat. Ep. XI. Lib.I, als Fußnote am Seitenende angefügt.Horat. Ep. XI. Lib. I., und schreiben von neuem. -

 

[IVb-01-bel-1791-0238]
Wenn mühsame Arbeiten ein Recht zur Unsterblichkeit geben: so kömt sie nicht denen zu, welche schreiben, sondern uns, die wir lesen.

 

[IVb-01-bel-1791-0239]
Aber ach! welche Weisheit kan einen Narren von etwas anderm überzeugen, als daß es Dumheit sei, ihn für dum zu halten? Aber seine traurige Erfahrung nimt

 

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des Zensors Partei; eine Überzeugung nicht durch Vernunft, sondern durch Schmerzen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0240]
Vergebens erfüllen sie die Stad mit Nachrichten, diesen ihren Grabschriften, die uns verkündigen, daß das Werk tod sei. Die welche Bewunderer pressen, werden wenig Rekruten zusammenbringen. Die Freiwilligen sind es allein, die uns den Lorber geben können. -

 

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Können wol Leute, deren Köpfe und Herzen so beschaffen sind, iemanden einen Dienst erweisen? Nein, iede Partei wird durch ihre Berürung angestekt: pestilenzialische Personen fliehen ieden öffentlichen Ort, und umarmen niemanden, oder doch nur Feinde. Alle ihre Leidenschaften sind der Hölle verkauft; sie lieben und hassen extempore für Geld. Was für ein Bild können wir uns wol von ihrer Raserei machen? Es ist Dumheit und Wut; eine Pfüzze in einem Sturme. Sind sie ruhig? Sobald es euch nur beliebt, sie zu kaufen: so fliegen sie, gleich Lapländischen Winden, eure Segel zu schwellen. Wüten sie? Das Ungewitter legt sich bald, ein Stats-Ulysses zämet sie mit seinen Beuteln; er mag sein, was er wil, Türke, Heide, oder Iude: denn Christen giebt es ia nur selten unter Statsministern.

 

[IVb-01-bel-1791-0242]
Hinter dem Vorhange liegt die Quelle verborgen, die ihre Politik durch bleierne Rören ausschüttet, welche weit und breit herumströmen, und über Te und Kaffe dem Pöbel Gift zugiessen. Aber wenn sie uns nun alles, was sie können, besudelt haben; so wirft der Statsman seine unflätigen Sprüzzen weg.

 

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[IVb-01-bel-1791-0243]
Ein andrer fast diese mit goldnen Zangen an, und macht Statselixire von Vipern.-

 

[IVb-01-bel-1791-0244]
Sind aber unsre Skribenten immer auf der unrechten Seite? Verfüret die Tugend niemals ihre feile Zunge? O ia; wenn sie wol bestochen werden, so fechten sie sogar für die Tugend; sie haben immer Unrecht, auch als Streiter für das Recht. Die, welche ihre Verbrechen nur aus Eigennuz verlassen, bleiben Bösewichter in der Tugend, und sündigen gute Taten. -

 

[IVb-01-bel-1791-0245]
Wie richtig schikken sich die Selenwanderungen des Proteus auf die ungeheuren Verwandlungen eines heutigen Autors! Bald ist er ein so sanfter Strom von Beredsamkeit, daß er sich selten bis an das Ufer des Verstandes hebt; bald wird er durch rasende Wut in eine Flamme verwandelt, die aber doch geschikte, und wolangebrachte Pumpen bezämen können. Iezt bittet das unflätige Schwein auf schmuzigen Unrat die Stad nach Drury-Lane zum Abendessen; nun brüllet ein furchtbarer Löwe die Grafen an, weswegen er zu seinen Brüdern in den Tower gefürt wird. Nun ist er eine Schlange, und seine doppelte Zunge küst, ia lekt die Füsse derer, die sie stch. Welcher Knoten kan ihn binden, da er so leicht entwischt? Einen Knoten verdient er volkommen, der viel ausrichten könte.

 

[IVb-01-bel-1791-0246]
Die Flut, die Flamme, das Schwein, der Löwe und die Schlange, diese fünffachen Ungeheur machen unsre Modeskribenten aus. die Schlange herscht am meistne; Schlangen entstehen, wie Plin sagt, wenn das Gehirn in dem menschlichen Gehirn verdorben ist. Ihr krichenden, getretenen, zerpeischten, geschundnen, wandelba-

 

[Manuskriptseite 127]

ren Dinger! Ihr Gemisch von Gift und Schlüfrigkeit, von Flekken und Stacheln! Eben so wie ihr ward euer Stamvater von dem Baume des Erkentnisses geworfen, und verflucht, in dem Staube zu krizzeln. Krum sind eure Wege, verworren eure Schriften, ihr Spiel der Schulknaben, und ihr Schrekken der Männer! Aber obgleich Männer vor euch zurükfaren; so gefalt ihr doch einigen albernen Schönen welche ieden für einen wizzigen Kopf halten, der mit einer ungezwungnen Art ein Nar ist. bald seid ihr die Zierde ihres Tetisches, bald der Schmuk ihres Nachtisches, gleitet in den Busen, oder schlingt euch um den Hals. So drükte die schöne Olympias einen Drachen an sich, und war von seiner flekkigten Pracht, und von seinem ebernen Kamme bezaubert. -

 

[IVb-01-bel-1791-0247]
Durch magere Kinbakken schleppen sie ihren feilen Atem, so todenbleich, wie ihre Brüder im Makbeth. Ihre Füsse gleiten durch ungetreues Leder in den Kopf, und ihre Grundsäzze werden öfter verändert, als ihr Hemd. Die hinfälligen Kleider dieser genügsamen Männer eilen schon, zu unsrer künftigen Lust, Papier zu werden. Nur zu bald (o lustig-trauriges Schiksal!) betteln sie in Reimen, und singen durch ein Gatter. -

 

[IVb-01-bel-1791-0248]
Von diesen suchen unsre Quidnunk's ihre Statskunst zu lernen, und der Sonabend ist der Studiertag der Woche. Diese arbeitenden Wizlinge verbessern, gleich Steinsezzern, unsre Wege mit schweren, ungeheuren, oft wiederholten, platten Versuche; sie rammen ihren Unsinn ein, wennn er gleich noch so grob ist, und ächzen bei iedem Stosse

 

[Manuskriptseite 128]

auf euren Schedel. diese abgerichteten Spürhunde unter den Skribenten schlagen zuerst an, und die erliche Einfalt bitt ihre Lügen nache -

 

[IVb-01-bel-1791-0249]
Wie, wan die Trompete tönet, der überladne Stat sich aller seiner Betler und Bösewichte entledigt; wie alsdan Verbrechen aller Art enterte Waffen füren, und Gefängnisse ihren Unflat in das Feld * ausschütten: so machen der Auswurf der Natur und die Hefen der Menschen die schwarze Landmiliz der Feder aus." Seit. 327 - 345.

 

[IVb-01-bel-1791-0250]
3) Aus dem "zweiten Schreiben an H. Pope."

 

[IVb-01-bel-1791-0251]
"Nur die Unsterblichkeit mus eure Sele entflammen; verachtet einen geringern Zalmeister, den als das ganze menschliche Geschlecht." S. 349.

 

[IVb-01-bel-1791-0252]
"Wizzige Köpfe sind eine verächtliche Gattung von Men schen, wenn sie ihre Gaben auf die Feder einschränken; wenn uns der Mensch anstössig ist, indem der Skribent schimmert; unser Abscheu in seinem Leben, unser Neid in seinen Schrfiten." S. 151.

 

[IVb-01-bel-1791-0253]
"Schreibt, schreibt wieder, löscht aus, und schreibt von neuem, und schmeichelt eurer Feder niemals wegen ihrer Geschwindigkeit. Überlast den Bereitern dieses Newmarket-Lob. Der Pegasus läuft langsam, welcher die Lorbern gewint. Viel Zeit für die Unsterblichkeit bezalen, ist billig und weise: denn weniger ist so gut als weggeworfen. Die Zeit allein kan das arbeitende Gehirn zur Reife bringen; die Zeit ist die Mutter, und die Mühe die Hebamme. Eben der gesunde Verstand, welcher macht,

 

[Manuskriptseite 129]

daß ein Man vortreflich ist, macht auch, daß er immer zweifelt, ob er iemals gut geschrieben habe. Man sucht augenblikliche Unmöglichkeiten, welcher Mensch kan in einer Woche unsterblich werden?-

 

[IVb-01-bel-1791-0254]
Liefert so wenig als ihr wolt; wenn das, was da ist, nur gut ist; so loben wir euch für das, was ihr verbrent, und für das, was ihr verschont. Der Teil, den ihr verbrennet, ist ein wolriechender Weihrauch vor dem Altare des götlichern Teils." S. 354 - 355.

 

[IVb-01-bel-1791-0255]
"Die Satyre pralt zurük, wenn sie zu stark geladen ist, und die tödlichen Splitter fliegen um euren eignen guten Namen herum. Gleichwie die weiche Feder dem Pfeile Geschwindigkeit giebt: so treibt die Wolgezogenheit die Satyre in's Herz." S. 356 - 357.

 

[IVb-01-bel-1791-0256]
"Britten sind ernsthaft und gründlich, und könten von Frakreich eher einen Tanz als Gedanken einfüren." S. 359.

 

[IVb-01-bel-1791-0257]
"Wer ist dieser, der Unsin durch Unsin hemmen wil? Wer ist dieser, der die Eiteln mit so vieler Eitelkeit meistert, und unsern Unrat mit so vielem unrate verdamt; eben so, dals wenn der ungeheure, drei Ellen runde Cheyne auf das Essen lästert." S. 361.

 

[Manuskriptseite 130]

[IVb-01-bel-1791-0258]
XVI.

 

[IVb-01-bel-1791-0259]
Hern Alexander Pope Esq. Sämliche Werke mit W. Warburton's Kommentar und Anmerkungen aus dessen neuster und bester Ausgabe übersezt. Erster Band. Altona bei David Iversen. 1778. a) a)] mit diesem Einfügungszeichen am unteren Ende der Seite, durch horizontalen Strich abgetrennte folgende Fußnote eingefügt, die eine bibliographische Angabe innerhalb der Exzerpte Jean Pauls darstellt; also als xref taggen? ST Diesen Teil von Pope's Werken seh' man im XIII B. d. Exz. Seit........, den 2 ten im X B. Seit. .... den 3 ten im XIII B., den 4ten ebenda 9. Seit.

 

[IVb-01-bel-1791-0260]
1) Aus verschiedenen Gedichten an den Hern Pope.

 

[IVb-01-bel-1791-0261]
"Einige schreiben ein Schäfergedicht in einer zierlichen Sprache. Arkadien redet wie die Allee. Die Schäfermuse solte, wie eine Schäferin, dieienigen Blumen tragen, die ihre Felder hervorbringen, und der Wiz eines Scäfers sich genau für das Land schickken: doch mus sein reiner und ungezwungener Gedanke feiner ausgebildet werden, als gemeine Hirten denken. So kleiden mit anständiger Kunst die Schauspieler ihre Schäfer und Schäferinnen in Seide; doch bleibt die Tracht und Mode unverändert nach dem Schnitte der ländlichen Kleidung des Schäfers." - Seit. 54-55. (Wicherley.)

 

[IVb-01-bel-1791-0262]
"Die Hand eines Tizian könte den Hain schildern, aber du kanst den Hain, und mit ihm feine Musik malen." S. 75. (Knapp.)

 

[IVb-01-bel-1791-0263]
"Du kanst dein Lob in iedes Herz eingraben, ein Denkmal, das allem das Verdienst errichten kan: das gewis lebt, wenn die Zeit den Bogen, den Marmor, und das mimische Brustbild in Staub begräbt; und dan erst, wenn der ganze weite Himmel in einem Feur flamt, wirst du, und Homer sterben: dan wird in der lezten Flamme der Welt untergehen, was der Himmel erschuf und was den Himmel begeisterte. -

 

[Manuskriptseite 131]

[IVb-01-bel-1791-0264]
Durch seinen Fleis beschnitten, wachsen deine Lorbern höher und blühen von neuen an deiner unsterlichen Stirn auf. - " S. 68 - 69 (Broome)

 

[IVb-01-bel-1791-0265]
2) Aus einem Schäfergedicht " Der Winter."

 

[IVb-01-bel-1791-0266]
"Ihr weinenden Liebesgötter, verberget den Bach mit Myrten, und zerbrechet eure Bogen, wie damals, als Adonis starb; und schreibt mit euren güldnen Pfeilen, die unbrauchbar geworden, einen Vers auf diesen erweichenden Stein: "Die Natur müsse sich verändern, es müsse der Himmel und die Erde weinen, die schöne Daphne ist tod, und die Liebe dahin!"

 

[IVb-01-bel-1791-0267]
Es ist geschehen, und die mannigfaltigen Reizungen der Natur fallen ab; siehe, finstre Wolken verdunkeln den frölichen Tag! Nun stehen die hangenden Bäume mit Perlen behangen und ihr verwelkter Schmuk liegt auf ihre Bare gestreuert. Siehe, wie vor die Pracht der Blumen auf der Erde liegt, mit ihr blüheten, mit ihr sterben sie. Ach, was nüzzen die Schönheiten, die die Natur trug? Die schöne Daphne ist tod, und die Schönheit dahin!

 

[IVb-01-bel-1791-0268]
Um sie entsagen die herden ihrem grünen Futter, meiden die durstigen Rinder den gleitenden Strom, und die silbernen Schwäne beseufzen ihren unglüklichen Tod, mit traurigern Tönen, als wenn sie ihren eignen besingen; die holde Echo liegt stum in den holen Grotten, stum, oder antwortete blos ihren Namen; ihren Namen lerte sie ehmals mit Vergnügen das Ufer, nun ist Daphne tod, und das Vergnügen dahin! -

 

[IVb-01-bel-1791-0269]
Die balsamischen Westwinde schweigen, seitdem sie tod ist, und betrauern das Aufhören eines süssern Atems..

 

[Manuskriptseite 132]

[IVb-01-bel-1791-0270]
Der sanfte West flistert ihren Tod, und sagt ihn in Seufzern allen zitternden Bäumen; die zitternden Bäume murmeln in allen Feldern, und Hainen der silbernen Flut ihren Tod zu; die silberne Flut, noch neulich so ruhig, scheint von neuem Leiden zu schwellen, und von Tränen über zu fliessen ......

 

[IVb-01-bel-1791-0271]
Wie horcht alles, indem die Muse klagt! Ein solches Schweigen herscht unter den Liedern der Philomele, an einem stillen Abend, wenn der flisternde West schwach auf die Blätter atmet, und in den Bäumen stirbt." S. 34 - 37.

 

[IVb-01-bel-1791-0272]
3) Aus dem "Wald bei Windsor."

 

[IVb-01-bel-1791-0273]
"So sahe das Land in vorigen Zeiten nicht aus, eine schrekliche Einöde und finstre Wüste, ein Raub für Wild wilde Tiere, wilde Gesezze, und für Könige, die noch wütender und grausamer waren, als diese: die einsamen Herren lerer Wildnisse und Wälder, die sich ein Recht an dem Himmel anmasten, und Luft und Fluten entvölkerten. nachdem Städe wüst algen, bestürmten sie die Gruben und Hölen: (denn die klügern Tiere scheuten sich, Sklaven zu sein.) Was konte frei sein, da das gesezlose Vieh gehorchte, und selbst die Elemente ein Tyran beherschte? Umsonst schwelten die milden Jarszeiten das reifende Korn, und liessen sanfte Regen herabtröpfeln, und umsonst wurden Sonnen warm; der Hirt überläst seine vergebliche Arbeit mit Tränen den Tieren, und stirbt mitten auf seinen w reifen Feldern Hungers. Was Wunder? Da ein Tier, oder einen Untertan töden, in einer despotischen Regierung ein gleiches Verbrechen war. Beide, zum Tode verurteilt, bluteten für mutwillige Tyrannen; nur

 

[Manuskriptseite 133]

der Untertan starb Hungers, und das Vieh gemästet ...... Die der Erde gleich gemachte Städe lagen mit Disteln bewachsen, die holtönenden Winde heulten durch die nakten Tempel; kletternder Epheu schlang sich durch um zerbrochene Säulen; über Hügel von Rumen trabte das prächtige Reh; der unreine Fuchs verkroch sich in offen stehende Gräber, und ein wildes Geheule erfülte die heiligen Köre der Tempel." S. 55 - 57.

 

[IVb-01-bel-1791-0274]
"Das Grab, wo selbst der Grosse ruhe findet, und der Unterdrükker bei dem Unterdrükten liegt!" S. 70.

 

[IVb-01-bel-1791-0275]
4) Aus dem "2ten Kor zum Trauerspiel Brutus."

 

[IVb-01-bel-1791-0276]
"Hymens sanftere Flammen vereinigen sich, und brennen nur einmal auf ewig: keusch, wie das iungfräuliche Licht der kalten Zynthia, fruchtbar, wie die Sonne.-

 

[IVb-01-bel-1791-0277]
Flammen der Liebe, die brennen, und nicht scheinen dürfen. -" S. 88 -89.

 

[IVb-01-bel-1791-0278]
5) Aus dem "Versuch von der Kritik."

 

[IVb-01-bel-1791-0279]
"Einige hielt man Anfangs noch für gute Köpfe, und dan für Dichter; bald darauf wurden sie Kunstrichter, und zuletzt offenbare Narren. Andre kan man weder für gute Köpfe, noch für Kunstrichter halten, so wie schwere Maultiere weder Pferde noch Esel sind. Diese halbgelerten Wizlinge sind in unsrer Insel so zalreich, als die Halbausgebildete Insekten an den Ufern des Nils. man weis nicht, wie man diese unausgeschafnen Dinger nennen sol, so zweideutig ist ihr Geschlecht. Sie zu nennen würde hundert Zungen, oder die Zunge eines eitlen Wizlings erfordern, die hundert müde schwazzen kan. -

 

[IVb-01-bel-1791-0280]
Die Natur sezte allen Dingen ihre gehörige Gränzen, und

 

[Manuskriptseite 134]

beugte den hochdenkenden Wiz des stolzen Menschen nieder. Wie der Ozean, wenn er hier neues gewint, an andern Orten weite Sandfelder zurükläst; so nimt in der Sele, indem das Gedächtnis zunimt, die gründliche * Kraft des Verstandes ab; und wo die Stralen der feurigen Einbildungskraft spielen, da schmelzen die zarten Bilder des Gedächtnisses hinweg. Nur eine Wissenschaft schikt sich für ein Genie; von einem so weiten Umfange ist die Kunst, so eng der menschliche Verstand, der nicht nur auf besondre Künste begränzet, sondern oft auch auf einzelne Teile eingeschränkt ist. Gleich Königen verlieren wir wieder, was wir erobert hatten , wenn wir durch den eitlichen Ergeiz immer mer zu erobern wünschen. Ein ieder könte seinem Gewerbe wol vorstehen, wenn nur alle sich dem unterziehen wolten, was sie verstehen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0281]
Die Natur ist die Quelle, der Endzwek und der Probierstein der Kunst. Kunst nimt aus diesem Vorrate alles, was zu rechter Zeit nötig ist; wirkt one Pralerei, und regieret one Pomp. So näret in einem schönen Körper das die belebende Sele das Ganze mit Lebensgeistern, und erfült es mit Stärke, regieret iede Bewegung, und stärkt iede Nerve; sie selbst bleibt, ausser ihrem in den Wirkungen, unsichtbar. -

 

[IVb-01-bel-1791-0282]
Da es (das gelerte Griechenland) also richtige Regeln in grossen Exempeln gab, nam es aus diesen, was diese vom Himmel empfangen hatten. Der edelmütige Kunstrichter fachte das Feuer des Dichters auf, und lerte die Welt mit Vernunft bewundern. Da tat die Kritik die

 

[Manuskriptseite 135]

Dienste einer Aufwärterin der Muse, ihre Reizungen aufzupuzzen, und sie beliebter zu machen. Aber die schönen Geister giengen nachher von dieser Absicht ab; wer die Gebieterin nicht gewinne konte, bewarb sich um die Magd. Sie kerten die Waffen der Dichter gegen die Dichter selbst, entschlossen, denienigen Man zu hassen, von dem sie lernten. So spielen heutige Apoteken, durch Rezepte des Arztes in ihrer Kunst unterrrichtet, die Rolle des Arztes, verschreiben, geben ein, und nennen ihre Lerer Narren. Einige fressen die Blätter der alten Schriftsteller, und Zeit und Motten verderben nicht so viel, als sie. Einige mit Trokkenheit deutlich, schreiben, one Hälfe der Erfindung, dumme Rezepte, wie Gedichte gemacht werden sollen; andre verlassen den Verstand, um ihre Gelersamkeit zu zeigen, und iene erklären den Sin gänzlich hinweg. -

 

[IVb-01-bel-1791-0283]
Grosse Geister sich oft rümlich verstossen, und sich zu Felern erheben, die ware Kunstrichter nicht tadeln dürfen ...

 

[IVb-01-bel-1791-0284]
Einige Bilder sehen ungeheuer und ungestalt aus, wenn man sie allein ansieht, oder zuz nah betrachtet, die iedoch durch die gehörige Entfernung, Gestalt und Anmut enthalten, wenn sie nur mit ihrem Lichte und ihrer Stellung ein richtiges Verhältnis haben. Ein kluger Feldher mus seine Völker nicht immer in geraden Gliedern und in schöner Schlachtordnung aufstellen, sondern sich nach Gelegenheit und Ort richten, seine Stärke verstekken, und sich sogar stellen, als wenn er flöhe. Oft ist das pp.

 

[IVb-01-bel-1791-0285]
Noch immer grünen die alten Ältäre in Kränzen, und

 

[Manuskriptseite 136]

stehen da, wohin unheilige Hände nicht reichen; sicher für Flammen, für die noch grausamere Wut des Neides, verderblichen Krieg, und das Alter, das alles dahin reist. Siehe, aus allen Ländern bringen die Griechen ihren Weirauch! Hör, in allen Sprachen erschallen einstimmige Päane! Zu einem so gerechten Lob müssen sich alle Stimmen vereinigen, und den algemeinen Kor der Menschen volstimmig machen. heil euch, triumphirende Barden! ihr Söne glüklicherer Tage, unsterbliche Erben eines algemeinen Lobs! Deren Ere mit den zunemenden Zeiten wächst, so wie Ströme dahin fliessen, und im Laufe wachsen. Ungeborne Nazionen Nazionen werden eure grosse Namen erschallen lassen, und werden ihnen Beifal geben, die noch nicht entdekt sind! O mögte ein Funke von eurem götlichen Feuer, den lezten, den geringsten von euren Sönen begeistern, der auf schwachen Flügeln von fern eurem Fluge folgt, glühet, wenn er liest, aber bebt, wenn er schreibt, eitle Wizlinge eine so wenig bekante Wissenschaft zu leren, einen höhern Geschmak zu bewundern, und ihrem eignen zu mistrauen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0286]
In solchen Gedichten, die weder Ebbe noch Flut haben, richtig kalt, und regelmässig niedrig, aus Furcht zu felen, in einem ruhigen Tone bleiben, können wir zwar nichts tadeln - aber wir mögten einschlafen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0287]
Einige schränken ihren Geschmak blos auf wizzige Einfälle ein, und iede Zeile enthält schimmernde Gedanken. Sie vergnügen sich an einem Werke, worin nichts rich-

 

[Manuskriptseite 137]

tig ist, nichts am rechten Orte steht: an einem glänzenden Kaos, und einem wilden Haufen von Wiz. Dichter, die wie die Maler, die nakte Natur und die lebendige Anmut nicht zu schildern verstehen, bedekken ieden Teil mit Gold und Edelgesteinen, und verbergen unter Zierraten ihren Mangel an Kunst. Warer Wiz ist dir zum Vorteil gekleidete Natur; etwas, das oft gedacht, aber nie so wol ausgedrükt war; etwas dessen Warheit wir sogleich bei'm ersten Anblik entdekken; das uns das Bild unsrer Sele zurük giebt. Wie Schatten das Licht angenemer machen, so erhebt sitsame Einfalt den lebhaften Wiz. Denn Schriften können mer Wiz haben, als ihnen gut ist, so wie Leiber durch Überflus an Blut umkommen.-

 

[IVb-01-bel-1791-0288]
Wörter sind den Blättern gleich; und wo diese im Überflus sind, da findet man unter demselben selten viele Früchte des Verstandes...

 

[IVb-01-bel-1791-0289]
Diese Gaukler prangen, wie Fungoso im Lustspiele, mit lächerlicher Eitelkeit in einer Kleidung, die ein gl galanter Hofman gestern trug; und äffen den Wiz der Alten zum höchsten nur so nach, wie Affen unsre Grosväter, wenn sie in ihren Wämsen gekleidet sind.-

 

[IVb-01-bel-1791-0290]
Die meisten beurteilten ein Gedicht nach dem Wolklange der Verse, und fliessend oder hart ist bei ihnen gut oder schlecht. Es mögen sich noch tausend Schönheiten bei einer treflichen Muse vereinigen, so ist doch ihre Stimme alles, was diese tonreiche Narren bewundern. Sie besuchen nur den Parnas, um ihr Or zu vergnügen, nicht, um ihr Herz zu bessern, wie gewisse Leute die

 

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Kirche besuchen, nicht der Predigt, sondern der Musik wegen. Diese verlangen nur gleiche Sylben, dan mag ein öfterer Zusammenlauf der Selbstlauter das Or ermüden, Flikwörter ihnen zu Hülfe kommen, und zehn platte Worte mögen in einer gedankenlosen Zeile kriechen; wenn nur ein geicher unveränderter Ton die Zeilen beschliest, und der immer erwartete Reim nicht ausbleibt. Finden wir irgend in einer Zeile, der külende Hauch des Westwindes, so "flistert er in der folgenden durch die Bäume: wenn krystalne Ströme mit angenemen Gemurmel kriechen, so drohen sie dem Leser (nicht umsonst) den Schlaf." Dan füllen sie die beiden letzen Zeilen mit einem verstandlosen Einfal aus, den sie einen Gedanken nennen, und das Gedicht endigt sich mit einem unnötigen Alexandriner, der wie eine verwundete Schlange, seine langsame Länge fortschlept. Last diese ihre eignen dummen Reime einen nach dem andern stimmen, und lernt, was fliessende Ründe, oder was eine träge Mattigkeit ist; und lobt den ungezwungenen Nachdruk derienigen Zeile, worin sich Denham's Stärke in Walle's Anmut vereiniget. Der ware Flus der Schreibart ist der Kunst, nicht dem Ungefäre zuzuschreiben; so wie sich dieienigen am leichtesten bewegen, welche gelernt haben zu tanzen. Es ist noch nicht genug, daß keine Härte das Or beleidigt, der Klang mus ein Echo des Verstandes zu sein scheinen. Sanft mus das Lied klingen, wenn Zephir gelinde atmet, und der ebne Strom mus in noch ebenerm Sylbenmasse fliessen. Aber wenn laute Wogen das ertönende Ufer schlagen, so mus der rauhe Vers

 

[Manuskriptseite 139]

brausen, wie das ungestüme Gewässer. Wenn Aiox sich bestrebt, die ungeheure Last eines Felsen fortzuwälzen, so arbeite auch die Zeile, und iedes Wort sei schwerfällig. Nicht aber, wenn die schnelle Kamille über ein Feld dahin eilet, über die Ären fliegt, die sich nicht beugen, und nur die Fläche bestreift. ...

 

[IVb-01-bel-1791-0291]
Einige urteilen nach den Namen der Verfasser, nicht nach den Schriften, und tadeln oder loben alsdenn nicht die Schriften, sondern den Man. Unter dieser ganzen knechtischen Bande ist derienige der schlimste, der sich in stolzer Dumheit zu Standespersonen gesellet. Er ist ein beständiger Kunstrichter an der Tafel der Grossen, der seiner Gnaden Unsin holt und austrägt ....

 

[IVb-01-bel-1791-0292]
So irt der Pöbel, wenn er nachamen wil; wie oft der Gelarte, wenn er ein Sonderling ist. Die Meinung der Menge ist ihm so verächtlich, daß er vorsetzlich den unrichtigen Weg wält, wenn der Huafen von ungefär auf dem rechten Wege ist. So gehen Schismatiker von denene ab, die einfältig hin glauben, und werden nur deswegen verdamt, weil sie zuviel Wiz haben. Einige loben am Morgen, was sie am Abend tadeln, doch halten sie immer ihre letzte Meinung für die richtige. Diese gehen mit der Muse wie mit einer Bulerin um; beten sie in dieser Stunde an, und mishandeln sie in der folgenden: indem ihr schwacher Kopf, wie unbefestigte Städte, zwischen Verstand und Unsin täglich eine andre Partei wält. Fraget sie um die Ursache; so sagen sie euch, sie werden immer klüger, und Morgen sind sie stets klüger, als heute. Wir

 

[Manuskriptseite 140]

sind so klug geworden, daß wir unsre Väter Narren nennen; unsre Söne werden one Zweifel noch klüger werden, und uns für Narren halten. Einst hatten sich Schulteologen über unsre eifervolle Insel ausgebreitet; und damals war derienige der gelerteste, der die Bibel am meisten gelesen hatte. Der Glaube, das Evangel und alles schien nur zum Disputiren gemacht zu sein, und kein einziger hatte Vernunft genug, sich widerlegen zu lassen. Iezzo wonen Skotisten und Tomisten unter den Spinnenweben, ihrer Verwandschaft, im Frieden in Duklane zusammen. Wenn selbst der Glaube verschiedne Kleidungen getragen hat, wie ist es ein Wunder, daß der Wiz seine Moden verändert? Oft vererfen wir alles, was natürlich und geschickt ist, und halten die törichte herschende Mode für waren Wiz; und Schriftsteller halten ihren Rum für geborgen, wenn er nur so lange lebt, als es den narren gefält zu lachen. -

 

[IVb-01-bel-1791-0293]
Sei du der erste, der wares Verdienst lobt; das Lob desienigen kömt zu spät, der so lange wartet, bis alle loben. Ach! Das Leben unsrer heutigen Reime ist kurz, und es ist billig, daß man sie zeitig anfangen lasse zu leben. Die güldne Zeit ist nicht mer vorhanden, wo die Patriarchen des Wizzes tausend Iare überlebten. Ein langer Nachrum, (unser zweites Leben) ist nicht mer zu hoffen, und elende sechzig Iare sind alles, worauf wir pralen können. Unsre Söne erleben den Verfal der Sprache ihrer Väter, und was Chaucer iezt ist, wird Dryden künftig sein.

 

[Manuskriptseite 141]

[IVb-01-bel-1791-0294]
Also zeichnet oft der getreue Pinsel einen vortreflichen Einfal der Sele des Malers. Eine neue Welt trit auf seinem Befel hervor, und die bereitwillige Natur steht seinen Händen zu Gebote. Aber wenn sich nun die Farben mildern und vermischen, und in gehörige Schatten und Licht zerfliessen; wenn die gehörigen Iare dem Gemälde seine Reife und völlige Volkommenheit geben,und iede küne Figur zu leben beginnet, so betriegen die verräterischen Farben die Kunst, und die ganze prächtige Schöpfung bleichet hinweg.-

 

[IVb-01-bel-1791-0295]
Wenn in edlen Gemütern noch einige Hefen geblieben wären, die von Bitterkeit und mürrischer Verachtung noch nicht gereinigt sind; so lasset diese Wut gegen Laster aus, die es mer verdienen, und fürchtet in diesen Lastervollen Zeiten keinen Mangel daran. Niederträchtige Unflätereien solten keine Gnade finden, wenn sie sich gleich mit Wiz und Kunst verbunden haben euer Herz zu rüren. Aber Dumheit und Unfläterei mus eben so schändlich werden, als Unvermögen in der Liebe. In der fetten Zeit der Wollust, des Reichstums und der Müsse entspros dieses geile Unkraut, und wuchs, und breitete sich weit aus, als Liebe die einzige Sorge eines müssigen Monarchen war, der selten im Rate, und niemals im Kriege erschien. Bulerinnen regierten den Stat, und Statsmänner schrieben elende Schauspiele: ia der Wiz hatte Iargehalt, und iunge Lords hatten Wiz. Die Schöne sah mit klopfendem Herzen das Schauspiel eines Hofmans an, und keine Maske gieng unverbessert heim. Der sitsame Fächer wurde nicht mer aufgehoben, und Iungfrauen lächelten über das, worüber sie sonst rot wurden. Die hierauf folgende Ausgelassenheit einer fremden Regierung öfnete allen Hefen des künen Sozin's den Dam. Da reformirten ungläubige Priester die Nazion, und lerten angenemere Mittel, selig zu werden, wobei freie Untertanen des Himmels ihr Recht ausfechten konten; damit nicht etwan Got

 

[Manuskriptseite 142]

selbst gar zu unumschränkt scheinen mögte. Die Kanzeln lernten, sich ihrer heiligen Satyre enthalten, und das Laster verwunderte sich, Schmeichler darauf zu finden! Also ermuntert trozten Titanen des Wizzes dem Himmel, und die Pressen seufzeten über erlaubte Gotteslästerungen.-

 

[IVb-01-bel-1791-0296]
Harte Warheiten stiften mer Unheil, als kleine Irtümer. Der Mensch wil sich so beleren lassen, als wenn er gar nicht belert würde, und das, was er nicht wuste, sol ihm so vorgestelt werden, als wenn er's nur vergessen hätte. -

 

[IVb-01-bel-1791-0297]
Am meisten fürchtet euch p - geschwinder laufen. Was für Haufen von diesen, die in unbusfertiger Künheit, in Tönen und klingenden Sylben alt geworden, wollen mit Gewalt in der Raserei ihrer poetischen Ader, bis auf die lezten Hefen ihres ausgepresten Gehirns, Dichter sein, drukken die letzten schalen Tropfen ihres Verstandes aus, und reimen mit aller Wut des Unvermögens! =

 

[IVb-01-bel-1791-0298]
Aber wo ist der Man, der Rat erteilen kan, immer mit Vergnügen lert, und doch nicht stolz auf seine Einsicht ist? Den nicht Gewonheit noch Verachtung aus dem Gleichgewichte bringt; den kein dummes Vorurteil eingenommen hat, und der nicht blindlings Recht haben wil; der gelert und dennoch höflich; höflich und dennoch aufrichtig ist; der dreist mit Sitsamkeit, und strenge mit Menschenliebe, einem Freunde seine Feler freimütig zeigen, und mit Vergnügen das Verdienst eines Feindes loben kan? Der das Glük hat, einen richtigen und doch uneingeschränkten Geschmak; eine Kentnis der Bücher und der Menschen; edle Sitten im Umgange, eine Sele one Stolz, Liebe zum Rum, und Vernunft an ihrer Seiten besizt? -

 

[IVb-01-bel-1791-0299]
Longin's Beispiel giebt allen seinen Gesezzen Stärke; er selbst ist das grosse Erhabne, was er schildert.

 

[Manuskriptseite 143]

[IVb-01-bel-1791-0300]
Bis dahin herscheten aufeinander folgende Kunstrichter mit Gerechtigkeit, hielten die Ausgelassenheit im Zaume, schreiben nüzliche Gesezze vor; die Gelersamkeit, und Rom wuchs unter ihrer Rgierung, und die Künste folgten beständig nach, wohin Roms Adler flogen. Beide empfanden zulezt von gleichen Feinden ihr Schiksal, und eine Zeit sahe die Gelersamkeit und Rom fallen. Da verband sich der Aberglaube mit der Tyrannei, und diese zwang den Leib, wie iene die Sele, in Sklaverei. Man glaubte viel, und verstand weinig, und dum sein, hies fromm sein. Also überschwemte eine zwote Sündflut die Gelersamkeit, und die Mönche volendeten, was die Goten begonnen. endlich hemte Erasmus, dieser grosse gekränkte Name, (die Ere und zugleich der Schimpf der Priester) den wilden Strom eines barbarischen Zeitalters, und trieb diese heiligen Vandalen von dem Schauplaz." Seit. 103 - 166.

 

[IVb-01-bel-1791-0301]
6) Aus dem komischen Heldengedicht "Der Harlokkenraub."

 

[IVb-01-bel-1791-0302]
"Glaube nicht, (eine Sylphe redet,) wenn der flüchtige Hauch eines Frauenzimmers dahin ist, daß alle ihre Eitelkeiten zugleich sterben. Frauenzimmers dahin ist, daß alle ihre Eitelkeiten zugleich sterben. Sie behält noch immer neue Eitelkeiten; und ob sie gleich nicht mer spielet, so sieht sie doch die Karten über. Ihre Freude in vergüldeten Wagen, als sie noch lebte, und ihre Liebe zum Lomberspiel übeleben sie noch nach ihrem Tode. Denn wenn die Schönen in allem ihren Stolz sterben, so begeben sich ihre Selen wieder zu ihren ersten Elementen. Die Geister feuriger Zänkerinnen steigen in einer Flamme auf, und nemen den Namen Salamander an. Sanfte nachgebende Selen gleiten im Wasser dahin, und schlurfen mit den Nymphen ihren elementarischen Tee, die stolzere Spröde sinkt zu einem Gnomen hinab, um auf der Erde herumzuschwärmen, und Unheil anzustiften. Die leichtsinnigen Bulerinnen erheben sich wieder als Sylphen in die Höhe, und spielen und flattern in den Feldern der Luft." S. 179 -180.

 

[Manuskriptseite 144]

[IVb-01-bel-1791-0303]
"Oft, wenn die Welt glaubt, daß ein Frauenzimmer einen Irtum begehe, so füren die Sylphen dieselbe durch mystische Labyrinte, begleiten sie durch den ganzen schwindlichten Zirkel fort, und veriagen eine alte Torheit durch eine neue. Was für ein zärtliches Mädgen müste nicht dem Gastmale eines Mannes ein Opfer werden, wenn nicht ein andrer einen Bal anstelte? Welch eine Iungfrau könte widersprechen, wenn Florio redet, wenn nicht der artige Damon ihr zugleich die Hand drükte? Mit abwechselnden Eitelkeiten von allen Seiten verändern s*...* sie das wandelbare Spielschrank ihres Herzens; worin Perüken mit Perüken, Degenquäste mit Degenquästen streiten, Stuzzer Stuzzer verbannen, und Kutschen Kutschen vertreiben." S. 181 - 182.

 

[IVb-01-bel-1791-0304]
"Und nun steht der Nachttisch enthült und aufgedekt, mit allen silbernen Geschirren in mystischer Ordnung. Zuerst betet die Nymphe, in einem weissen Mantel, mit unbedektem Haupte andächtig die Gotheiten des Puzzes an. Ein himlisches Bild erschien im Spiegel; zu diesem neiget sie sich, auf dieses richtet sie ihre Augen. eine Unterpriesterin zur Seite ihres Altars fängt mit Zittern die heiligen Gebräuche des Stolzes an. Unzälbare Schäzze öfnen sich auf einmal, und hier erscheinen die verschiednen Opfer der Welt. von iedem nimt sie mit sorgfältiger Arbeit zierlich etwas, und schmükket die Göttin mit der schimmernden Beute. Diese Schachtel schliesset Indiens glühende Edelgesteine auf, und ganz Arabien duftet aus iener Büchse. Hier versamlet sich die Schildkröte und der Elephantenzan in Kämme umgeschaffen, einer gesprekkelt', und der andre weis. Hier breiten Reihen von Steknadeln ihre schimmernden Reihen aus. Hier liegen Puderquäste, Puder, Muschen, Bibel und Billet-Doux." S. 183 - 184.

 

[IVb-01-bel-1791-0305]
"Auf ihrer weissen Brust trug sie ein funkelndes Kreuz, welches Iuden

 

[Manuskriptseite 145]

geküst, und Ungläubige gern angebetet haben würden. Ihre lebhaften Blikke verraten eine Sele vol Geist, so munter und unbeständig, als ihre Augen. Niemand erhält Gunstbezeigungen, alle aber ihr Lächeln. Oft versagt, aber niemals beleidigt sie. Glänzend, wie die Sonne, treffen ihre Augen die starren Anschauer, und wie die Sonne scheint sie auf alle one Unterschied. Dennoch hätten angenemer Anstand, und eine Sanftmut one Stolz ihre Feler verbergen können, wenn Schönen Feler verbergen dürften; wofern ia einige weibliche Versehen bei ihr stat finden, so sehet nur ihr Gestalt an, Gesicht an, um sie alle zu vergessen. - - " S. 186 -187.

 

[IVb-01-bel-1791-0306]
"Ob die Nymphe das Gesez der Diane brechen, oder ob ein zerbrechliches sinesisches Geschir einen Ris emfangen wird; ob sie ihre Ere, oder ihr neues brokadenes Kleid beflekken; ob sie ihr Gebet vergessen, oder eine Maskerade versäumen; ob sie auf einem Bal ihr Herz oder ihr Halsband verlieren wird, oder ob der Himmel verhängt hat, daß ihr Hund sterben sol." pp. S. 191.

 

[IVb-01-bel-1791-0307]
"Hier, (in Hampton) grosse Anna! Der drei Reiche gehorchen, nimst du zuweilen einen Rat ein - - und zuweilen den Tee. Hier flüchten die Helden, und die Nymphen, um eine Zeitlang das Vergnügen eines Hofes zu schmekken. In mannigfaltigen Gesprächen bringen sie hier die erbaulichen Stunden zu, wer den lezten Bal gab, oder den lezten Besuch ablegte. Einer redet vom Rume der brittischen Königin, und ein andrer beschreibt einen allerliebsten indianischen Sonnenschirm; ein dritter erklärt Bewegungen, Mienen und Augen. Bei iedem Worte stirbt ein guter Name. Schnupftobak, oder Fächeln füllet iede Pause des Geschwäzzes, nebst Singen, Lachen, Liebäugeln und desgleichen." S. 193 - 194.

 

[IVb-01-bel-1791-0308]
"Dort zeigt die Affektazion, mit einer kränklichen Miene, Rosen von achtzehn Iaren auf ihren Wangen; bald übt sie sich zu lispeln

 

[Manuskriptseite 146]

und den Kopf auf die Seite zu hängen; bald fält sie in Onmacht, sich Anstand zu geben, und stelt sich mit Stolz mat; bald sinkt sie mit anständiger Schwäche auf die reiche Matraze. Um krank zu scheinen, hat und um sich zu zieren, hat sie sich in ein Oberkleid eingehült. Die Schönen empfinden eben diese Krankheiten, so oft ihnen eine iede neue Kleidung eine neue Unpäslichkeit giebt." Seit. 203.

 

[IVb-01-bel-1791-0309]
"Mutter der Dünste und des weiblichen Wizzes, die den histerischen oder den poetischen Paroxism erteilt, auf verschiedne Gemütsarten durch verschiedne Mittel wirkt, einige bewegt, Arznei einzunemen, andre Lustspiele zu schmieren; die die Stolze antreibt, ihre Besuche zu verschieben, und die Andächtige aus Verdrus in die Kirche sendet." S. 205.

 

[IVb-01-bel-1791-0310]
"Indem Talestris wütend durch das Gedränge fliegt, und aus ihren beiden Augen rund umher den Tod ausstreuet, fiel ein Stuzzer und Wizling in dem Handgemenge; einer starb in einer Metapher, und der andre in einem Liede. "O grausame Nymphe! Ich dulde einen lebendigen Tod," rief Dapperwit, und sank bei seinem Stul nieder. Sir Fopling warf einen traurigen Blik in die Höhe; "Diese Augen sind so tödend geschaffen" waren seine lezten Worte. So liegt an dem blumichten Rande des Mens Meanders der sterbende Schwan, und stirbt, indem er singt." S. 214.

 

[IVb-01-bel-1791-0311]
7) Aus der "Elegie an ein unglükliches Frauenzimmer."

 

[IVb-01-bel-1791-0312]
"Es ist war, die meisten Selen schauen nur einmal in ihrem Leben hervor, und sind dumme finstre Gefangene in dem Käficht ihres Körpers: finstre Lichter des Lebens, welche einige Iare lang one Nuzzen, und ungesehen, brennen, wie Lampen in Gräbern. Gleich den Königen der Morgenländer füren sie einen trägen Stand, und schlafen in ihrem eignen Pallaste eng eingeschlossen." S. 220.

 

[IVb-01-bel-1791-0313]
8) Aus dem "Prolog zu Addisons's Trauerspiel, Kato."

 

[IVb-01-bel-1791-0314]
"Er läst eure Brust sich von altem Eifer heben, und römische Tränen aus brittischen Augen." S. 223 .

 

[Manuskriptseite 147]

[IVb-01-bel-1791-0315]
XVII.

 

[IVb-01-bel-1791-0316]
Pope's sämliche Werke. pp. Zweiter Band. Altona p. 1759.

 

[IVb-01-bel-1791-0317]
1) "Abelard und Eloise. an den Abelard."

 

[IVb-01-bel-1791-0318]
"Teile demnach deinen Kummer, gönne mir diesen traurigen Trost; ach, gieb nur mer als einen Teil, gieb mir mer, als deinen Kummer ganz! Der Himmel lies zuerst die Kunst zu schreiben, erfinden, um einen Unglüklichen zu trösten, einen verbanten Liebhaber, oder ein gefangenes Mädgen. Briefe elben, sie reden, sie atmen, was die Liebe eingiebt; nemen die Hizze der Selen an, und sind ihrem Feuer getreu; sie entdekken den Wunsch der Iungfrau, on' ihre Furcht; entschuldigen die Schamröte, und giessen das ganze Herz aus: sie befördern die zärtliche Unterredung zweier Selen, und bringen einen Seufzer von dem Indus nach Pol hinüber. -" Seit. 19.

 

[IVb-01-bel-1791-0319]
"Kom, Abelard! Denn was hast du zu fürchten? Die Fakkel der Venus brennet für den Toden nicht. Die Natur steht gehemt; die Religion verbietet; du selbst bist kalt - - doch Eloise liebet. Ach! Hofnungslose, dauerhafte Flamme! gleich der Flamme, die den Toden leuchtet, und die unfruchtbare Urne erwärmet." S. 28.

 

[IVb-01-bel-1791-0320]
"Die traurige Eloise p - glühen. Du, Abelard! entrichte mir noch den lezten traurigen Dienst, und bane mir den Weg zu dem Reiche des Lichts. Siehe zu, wenn meine Lippen zittern, und meine Augen brechen; fange in einem Kusse meinen lezten Atem, und meine fliehende Sele auf! Ach nein! - stelle dich in heiliger Kleidung neben mir, nim die geweihte Kerze zitternd in deine Hand, halte meinen Augen, wenn ich sie aufschlage, das Kreuz vor, lere mich, und lerne zugleich selbst von mir, sterben. Ach! alsdenn sieh noch einmal deine vormals geliebte Eloise an! alsdenn wird es kein Verbrechen sein, mich anzusehen. Siehe, wie die vergäng-

 

[Manuskriptseite 148]

lichen Rosen von meiner Wange verschwinden! Siehe den lezten Funken in meinem Auge mat werden! Siehe mich so lange an, bis alle Bewegung, ieder Puls und ieder Atem aufhört, und bis selbst mein Abelard von mir nicht mer geliebt wird! O! über alles beredter Tod, du allein beweisest, in welchen Staub wir verliebt sind, wenn wir den Menschen lieben. -" S. 30-31.

 

[IVb-01-bel-1791-0321]
2) "Das Weinen."

 

[IVb-01-bel-1791-0322]
"Indem die Tränen der Zelia die Betrübnis schön machen, sizt ein stolzer Kummer in ihren Augen. So steigt die Sonne, dieses Licht, das nächst ihren Augen das schönste ist, aus dem Ozean auf: und so sehen wir durch Nebel die Sonne, die wir sonst nicht ansehen können.

 

[IVb-01-bel-1791-0323]
Diese silbernen Tropfen verkündigen, wie der Morgentau, die Hizze des Tages. So fallen angeneme Regenschauer, und tödende Blizze aus einer Wolke. Die Blizze, welche aus den Augen der Zelia fallen, verkündigen dem, der sich nähert, sein Schiksal. Der Iüngling, der sich in dieser sonnigten Sphäre befindet, scheinet dem Phaeton so gleich zu sein, daß der Himmel, um die bedrohete Welt zu erhalten, es nötig fand, ihn in ihren Tränen zu ertränken; sonst möchte die hochmütige Nymphe, wie Phaeton, den Himmel in Feur sezzen wollen." S. 174.

 

[IVb-01-bel-1791-0324]
3) "Phryne."

 

[IVb-01-bel-1791-0325]
"Phryne hatte Gaben für das männliche Geschlecht, sie so war so offen und unverschlossen, als ein freier Hafen für die Handlung: Kaufleute ladeten hier ihre Fracht ab aus, und Agenten eines ieden auswärtigen Stats liefen bei ihr zuerst ein. Sie war so gelert, daß sie dem Italiäner oder dem Holländer, dem Spanier oder dem Franzosen, und wer nur zu ihr kam, höflich begegnete: man hörte nichts anders als Si Signior, und Yan myn Heer, und s'il vous plait, Monsieur.

 

[Manuskriptseite 149]

[IVb-01-bel-1791-0326]
Von unbekanter Geburt, durch Laster berümt, und nach einer beständigen Veränderung des Namens, der Religion und des Landes wird sie endlich eine Frau: schimmert wie das beste abgenuzte Pferd, in Demanten, perlen und reichen Brokaden, und brüstet sich in ihrer Pracht.

 

[IVb-01-bel-1791-0327]
So habe ich diese schöne Insekten, (welche vorwizzige Deutsche für eine Setlenheit halten,) ihre Gestalt und Farben immer verändern gesehen; so oft sie sich verwandeln, empfangen sie neue Namen: erst eine schmuzige Made, dan ein kreichender Wurm, und zulezt ein bunter Schmetterling." S. 179.

 

[IVb-01-bel-1791-0328]
4) "Grabschrift auf Karl, Graf von Dorset, pp."

 

[IVb-01-bel-1791-0329]
"Dorset, die Zierde der Höfe, der Stolz der Musen, der gönner der Künste, und der Richter der Natur, starb. Die Geissel des Stolzen, des Heiligen, oder des Grossen; die Geissel der Nerven in der Gelersamkeit, und der Schelme im State: doch war sein Herz zärtlich, oblgeich sein Gesang strenge war; sein Eifer moralisch, und seine Weisheit munter. Glücklicher Satyrist! Der das Mittel so richtig traf, daß er zeigte, daß das Laster Has, und zugleich Mitleriden bei ihm verdiente. Glüklicher Hofman! Der dem Könige und dem lande gefallen, und dennoch seine Freundschaft und seine Ruhe heilig erhalten kan! Glüklicher Pair! Dem seine grosse Anen allen Glanz mitteilten, und dessen Geschlecht ihn wieder zurük gab; in welchem andre Bukhurst's, andre Dorset's schimmern, und dessen Linie immer Patrioten, oder Dichter zierten." S. 137 - 138.

 

[IVb-01-bel-1791-0330]
5) Abgerisne Gedanken u. Bemerkungen.

 

[IVb-01-bel-1791-0331]
"Die Liebe besuchet selten dieienige Brust, worin Gelersamkeit liegt, und Venus geht früher unter, als Merkur aufgeht." S. 114.

 

[IVb-01-bel-1791-0332]
"Die getreuesten Herzen seufzeten um den Voitüre, Voitüre wurde von allen den schönsten Augen beweinet: die Huldgötter

 

[Manuskriptseite 150]

und Amors würden mit dem Voitüre gestorben sein, wenn sie nicht in seinen Zeiten ewig lebten." S. 209.

 

[IVb-01-bel-1791-0333]
" - Der Landiunker, der mit den Knien unter den Tisch unter dem Tische seine Liebeserklärung macht." S. 213.

 

[IVb-01-bel-1791-0334]
" - Da, wo polierte Edelgesteine dem Stolz keinen Schimmer geben, und verstekte Metalle unschuldig glühen." Seit. 231.

 

[IVb-01-bel-1791-0335]
"Aber nemet noch diese Tränen, diese Erleichterung der Sterblichen, und vergebet uns unsere Betrübnis so lange, bis wir eure Freuden mit euch geniessen p." S. 244.

 

[IVb-01-bel-1791-0336]
"Der Sitsame bewirbt sich um die Reizungen des Lobs, und flieht nur deswegen, daß der Rum ihm folgen möge." Seit. 254. (Broome.)

 

[IVb-01-bel-1791-0337]
"Gleich mächtigen Flüssen, toben die Leidenschaften mit unwiderstehlicher Gewalt, wenn sie in ihrem Laufe aufgehalten werden; schwellen zu neuer Höhe auf, suchen verbotne Pfade, und ersäufen dieienigen Tugenden, welche sie zuvor närten." S. 255. (B.)

 

[IVb-01-bel-1791-0338]
"Es ist niederträchtig, um des eitlen Lobes des Wizzes willen zu schreiben; wie Alberne lachen, um zu zeigen, daß sie weisse Zäne haben." S. 261. (B.)

 

[IVb-01-bel-1791-0339]
"Wiz, den der schweflichte Atem des Lasters angezündet hat, zerstöret, gleich dem blauen Blizze, indem er schimmert." S. 275. (B.)

 

[IVb-01-bel-1791-0340]
XVIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0341]
Pope's Werke p. Dritter Band. Altona, p. 1761.

 

[IVb-01-bel-1791-0342]
1) "Versuch über den Menschen."

 

[IVb-01-bel-1791-0343]
"Erwache, mein St. Iohn! las alle dem niedrigen Ergeize, und dem Stolze der Könige. Las uns (denn das Leben erlaubt uns wenig mer, als daß wir eben um uns her sehen, und sterben) diese ganze Szene des Menschen freimütig durchwandern. Ein grosses Labyrint! Doch nicht one Plan: eine Wildnis, wo Unkraut unter den Blumen wächst; ode rein Garten, der mit verbotnen Früchten versuchet! Las uns zusammen untersuchen , was dieses weite Feld offenbar, und verborgen

 

[Manuskriptseite 151]

trägt; las uns die Tiefen und die schwindlichen Höhen alles dessen, was verstekt in der Dunkelheit kriecht, oder sich über unser Gesicht hinauf schwinget, betrachten; die Wege der natur beschauen, die Torheit in ihrer Flucht geiseln, die Sitten der Zeit, so wie sie entstehen, ergreifen; lachen, wo wir müssen, aufrichtig sein, wo wir können, aber Gottes WEge gegen die Menschen rechtfertigen." S. 8 -9.

 

[IVb-01-bel-1791-0344]
"Die Kunst des Ewigen, die aus Bösem Gutes ziehet, propfet auf diese Leidenschaft unsern besten Grundsaz. Hierdurch wird der Merkurius in dem Menschen gesezt; die mit seiner Natur vermischte Tugend wird stärker; die Schlakken verbinden das, was sonst zu fein sein würde, und Leib und Sele handeln zu einem Interesse.

 

[IVb-01-bel-1791-0345]
Wie Zweige, sonst gegen die Pflege des Pflanzers undankbar, auf wilde Stämme gepropft, anfangen zu tragen; so schiessen die sichersten Tugenden aus den Leidenschaften auf, indem die Stärke der wilden Natur auf die Wurzel würkt. Was für Erndten von Wiz und Redlichkeit wachsen aus Zorn, oder Eigensin, Has oder Furcht!" S. 54.

 

[IVb-01-bel-1791-0346]
"Glaubet nicht, daß die Menschen im Stande der Natur blindlings wandelten; der Stand der Natur war das Reich Gottes. Die Eigenliebe, und die geselschaftliche fiengen mit der Welt an; Einigkeit war das Band aller Dinge, und der Menschen. Da war noch kein Stolz, da waren keine Künste, die den Stolz unterstüzten: der Mensch wandelte unter dem Vieh, und teilte mit ihm den Schatten. Sie hatten einen Tisch, und hatten ein Bette: kein Mord bekleidete, kein Mord ernärte ihn. In einem Tempel, dem wiederhallenden Walde, sangen alle mit einer

 

[Manuskriptseite 152]

Stimme begabten Wesen, ihrem gemeinschaftlichen Got Loblieder. Am Altare, den kein Blut beflekte, kein Gold schmükte, stand der unschuldige Priester, unbestochen und one Blutvergiessen. Das Vorrecht des Himmels war eine algemeine Erhaltung, und die Würde des Menschen zwar Regieren, aber Schonen. Ach! wie wenig blieb ihm der Mensch der folgenden Zeiten gleich! Dieser Würger und dieses Grab der Hälfte des Lebendigen; dieser Feind der Natur, der das algemeine Ächzen hören kan, alle Geschlechter der Tiere erwürgt, und sein eignes verrät! Aber verdiente Krankheit folgt auf Prassen, und iedweder Tod gebiert seinen eignen Räuber Rächer. Die wütenden Leidenschaften fiengen von diesem Morde an, und stelten dem Menschen ein grausameres Raubtier, den Menschen, entgegen." S. 73 -76.

 

[IVb-01-bel-1791-0347]
"Ehe noch der schiefe Wiz das beständige Licht gebrochen hatte p." S. 80.

 

[IVb-01-bel-1791-0348]
"Der Mensch lebt, gleich den edlen Reben, gestüzt; die Stärke, die er gewint, kömt von der Utnerstüzzung her, die er giebt. Er läuft, gleich den Planeten, um seine eigne Axe, und beschreibt zugleich seinen Kreis um die Sonne. So treiben zwei einstimmige Triebe seine Sele, der eine geht auf ihn selbst, der andre auf das Ganze." S. 93 - 94.

 

[IVb-01-bel-1791-0349]
"Was für Vorteile liegen in vorzüglichen Talenten? Sage mir Mylord, (denn du kaunst es sagen) was heist weise sein? Nichts anders, als wissen, wie wenig man wissen kan; die Feler aller andern sehen, und seine eignen empfinden. Wilst du, verdamt in Geschäften, oder in Künsten, one Hülfe, oder one einen Richter, als Taglöner zu arbeiten, Warheiten leren , oder ein sinkendes Land erhalten; so fürchten dich alle, kein einziger hilft dir, und wenige erkennen deine

 

[Manuskriptseite 153]

Mühe. Mühsamer Vorzug! Wenn man sich über die Schwachheiten des Lebens und zugleich über seine Freuden erhaben sieht!" S. 114 - 11 114 - 115.

 

[IVb-01-bel-1791-0350]
2) Moralische Versuche. Erster Brief.

 

[IVb-01-bel-1791-0351]
" Wenn wir iezt die Handlung Triebfeder seiner Handlung zu entdekken hoffen, so handelt er schon nach einer andern. Sie entwischen unserm Auge in dem Augenblickke, wo wir sie enthüllen, wie uns das leben entwischt, indem wir's in zergliederten Tieren eben in seinem Sizze zu finden glauben." S. 228.

 

[IVb-01-bel-1791-0352]
"Es ist war, einige Karaktern sind offen, und allen Menschen kentlich, andre sind so sehr verschlossen, daß niemand sie verfelen kan; denn die Finsternis fält eben so stark in's Auge, als das Licht. Man liebt den liebreichen Chandos, sobald man ihn nur sieht, und iedes Kind hasset den Schylok, obgleich seine Sele in ihrem Winkel zusammenkriecht, und nie hervorblikt. Wenn der grosmütige Manley auf das halbe menschliche Geschlecht schimpft; so weis iederman, daß er aus Tugend schimpfe; denn er hält alle für Nichtswürdige. Wenn Umbra alle lobet; so siehet ein ieder, daß es aus Laster und aus Begierde geschieht, von allen wieder gelobt zu werden. Augenscheinliche Schmeichelei ist auch von einer Königin verhast, indem ein andrer sogar mit seiner Tadelsucht gefält." S. 229 - 230.

 

[IVb-01-bel-1791-0353]
3) Moralische Versuche. Zweiter Brief."

 

[IVb-01-bel-1791-0354]
"Sie sagten volkommen war: "Die meisten Frauenzimmer gar keinen Karakter." Ihr Stof ist zu weich, ein dauerhaftes Merkzeichen anzunemen, und schwarz, braun, oder schön sind die besten Namen, ihren Unterschied zu bezeichnen. Wie w vielerlei Gemälde sehen wir nicht von einer ein-

 

[Manuskriptseite 154]

zigen Schönen? Wie ist eins dem andern so ungleich, und wie sind alle so war? Hier prangt sie wie Arkdadiens Gräfin in Hermeelin; dort sizt sie, wie eine Pastora, am Ufer einer Quelle, hier wirft sie, wie eine Pastora Fannia ihrem guten Man einen Blik zu; dort ist sie eine nakte Leda bei einem Schwan. Es mag sich dennn die Schöne, wie Magdalena, mit aufgelöstem Har, und gen Himmel gewandten Augen schöne Tränen vergiessend, oder wie die holde Zezilia, lächelnd unter scherzenden Engeln, unter Palmen und gotgeweihten Harfen, malen lassen; sie mag ihren Aufzug heiligen, oder entheiligen; wenn die Torheit romanhaft wird, so mus ich sie schildern.

 

[IVb-01-bel-1791-0355]
Wolan! bereitet die Farben, und legt den Grund an. Tauchet den Pinsel in den Regenbogen, und zeichnet die Schöne in der Luft ab. Sucht eine dauerhafte Wolke, eh? sie verschwindet, und erhaschtet in derselben die Zyntia dieser Minute, eh' sie sich verändert.

 

[IVb-01-bel-1791-0356]
Die Rufa, welche im Park flüchtige Blikke umherschiest, und iedes glänzende Meteor, ieden Stuzzer, herbeilokt, ist der Rufa, die im Lokke studirt, eben so unänlich, als die Demanten der Sapho ihrem schmuzigen Hemde: eben so unänlich, als die Sapho des Morgens, die sich am Nachttisch mit Pomaden salbt, der Sapho des Abends, die auf Maskeraden düftet: wir Mükken des Morgens aus Unrat entstehen, und am Abend schimmern, summen, und schwärmen." S. 247 - 251.

 

[IVb-01-bel-1791-0357]

"Narzissa hat ein ziemlich gütiges Herz. Sie wird sich schwerlich entschliessen, ein Kind zu kochen, um eine Schminke zu machen. man weis sogar, daß sie einem Liebhaber seine Bitte gewärt, und einem Kaufman eine Schuld be- zalt hat, um ihn in Erstaunen zu sezzen. In einem christlichen Anzuge hat sie um Ostern Almosen gegeben, und aus Eigensin eine Witwe bereichert. Und doch stelt sie sich, als wenn sie ein gutes Herz verachtet, da doch diese Güte die einzige Eigenschaft ist, wodurch sie erträglich ist? Warum zankt sie mit allen Menschen, und verlangt doch ihr Lob? Bis zur Torheit im Vergnügen verliebt; und doch eine Sklavin des Gerüchts, vertieft sie sich iezt im Taylor, und in dem Buche der Märtyrer, und iezt trinkt sie mit seiner Gnaden und dem Chartres Zyder. Bald überläst sie sich der Gewissensangst, bald dem Feuer ihrer Leidenschaften, bald dem Unglauben, bald der Gottesfurcht; eine ware Heidin im Fleisch, und eine gute Christin im Herzen.

 

[IVb-01-bel-1791-0358]
Sie in ihrem Puz, maiestätisch betrunken, ist stolz, die Frau eines Pairs, noch stolzer, eine Hure zu sein; sitsam gegen ihren Gemal, lüderlich gegen ieden andern, eine fruchtbare Maitresse, aber eine unfruchtbare Frau. Ihr Fleisch und ihr Blut mag den Feler verantworten: ihr Kopf, dieser edle Siz der Vernunft, nimt nicht Teil daran. heute lebt sie nach dieser Lere; in einem andern Paroxism sündigt sie mit den Dichtern blos aus Liebe zum Wiz. Was hat nicht bald ihr Herz, blad ihren Kopf eingenommen. Zäsar, und Tallboy, Karl, und Karl der Grosse. Wie Helluo, der neuere Diktator des Schmauses, die Nase des Hautgout, und die Zunge des Geschmaks, euren Wein zu kritisieren, eure Gerichte zu mustern wuste, und zu Hause schlecht und recht mit einem Pudding vorlieb nam; so dogmatisiret Philomede allenthalben über die zärtliche Liebe, über den

 

[Manuskriptseite 156]

feinen Geschmak, üb die Artigkeit, die Delikatesse - sinkt plözlich von ihrer Höhe herunter, und speist ihr Herz mit einem Dumkopf ab. -

 

[IVb-01-bel-1791-0359]
Betrachtet Simon's Gemalin. Keine Eselin ist so geduldig, keine Eselin so widerspänstig. Oder betrachtet die, welche ihre Feler bekent, aber keinen einzigen bessert; weil sie ihrem Man, und ihren Freundinnen getreu ist. Oder die, die ihr Leben unter Andacht und Schmähen teilt, und immer schilt oder betet .... Oder die, welche in einer angenemen Abwechselung von Lustigkeit und Tränen, am Tage Ratasia zum Gegengift, am Abend Opium zum Schlaftrunk nimt, um diese beiden Feinde der Schönen, Zeit und Denken zu töden. Frauen und Narren p -." S. 255.

 

[IVb-01-bel-1791-0360]
Solche Gemälde zu schildern, bedarf man keiner gesezten Hand, und keines festen Pinselzugs; ein regelloser Zug, ein gebrochenes Licht, ein flüchtiger Strich allein kan sie genau treffen. Wie solten einerlei Farben zureichen? Wer kan ein Kameleon mit weis und schwarz malen?" S. 258.

 

[IVb-01-bel-1791-0361]
"Das Frauenzimmer strebet nach Vergnügen, wie Kinder nach Vögeln; sie können sie nie erhaschen, und lassen sie doch nimmer aus den Augen. Sobald sie es haben, ist ihr Spiel sicher verdorben: sie wünschen es, so lange es fliehet, und grämen sich, sobald es verloren ist. Endlich müssen sie in ihrem Alter tun aus Klugheit tun, als wenn sie die Torheiten noch leiben, die kaum ihre Iugend entschuldigen konte. Aus Scham, zu bekennen, daß sie iemals Vergnügen erwekten, sind sie genötigt, sich zu stellen, als erwekten sie es noch dan, wenn sie es nicht mer erwekken. Wie Hesen den Sabbat mer aus Bosheit als Vergnügen feiern, so feiern sie ihre vergnügte elende Nacht; die Gespenster ihrer

 

[Manuskriptseite 157]

Schönheit schleichen umher, und besuchen noch alle Örter, wo ihre Ere starb.

 

[IVb-01-bel-1791-0362]
Wie belont endlich die Welt dieienigen, die in ihrem Dienste grau geworden sind! Ihre Tugend vergeht in Lustbarkeiten, ihr Alter unter Karten. sie sind schön one Nuzzen, listig one Vorteil, iung one Liebhaber, alt one Freunde, lieben einen Phantasten und bekommen einen Tropf, werden im Leben verspottet, und nach dem Tode vergessen." S. 265.

 

[IVb-01-bel-1791-0363]
"Aber doch, glauben Sie mir, ist ein iedes Frauenzimmer, es sei gut oder böse, am besten ein beständiger Widerspruch. Wenn de Himmel sein leztes bestes Geschöpf aufs beste ausarbeiten wil, so schaft er nur einen zaärltichen man. er nimt von iedem Geschlechte etwas, um sein Lieblingsgeschöpf volkommen zu machen, die weibliche Liebe zum Vergnügen, unser Verlangen nach Ruhe, mischet, nach einer Ausname von allen algemeinen Regeln, ihren Geschmak an Torheiten unter unsre Verachtung der Toren; die Kunst zu schweigen, unter die Freimütigkeit, Verschlagenheit unter Warhaftigkeit, Mut unter Sanftmut, Sitsamkeit unter Stolz, mänliche Grundsäzze unter immer neuer Phantasie; alles dieses verbindet er zusammen, und erschaffet - Sie. Diese Vermischung sei der Rum eines Frauenzimmers; one diese lebt die Bulerin in Verachtung, und eine Königin stirbt, one bedauert zu werden! Diese versprach Phöbus, (ich weis das Iar nicht mer) als sich Ihre blauen Augen zuerst in der Welt öfneten. Der aufgehende Phöbus wachte sorgfältig über diese Stunde; er lies die Hälfte der Bitten Ihrer Eltern unerhört. Er gab Ihnen Schönheit, abe versagte Ihnen das Geld, welches ihrem Geschlechte nur einen Tyrannen über sich selbst kauft.

 

[Manuskriptseite 158]

[IVb-01-bel-1791-0364]
Dieser grosmütige Got, der den Wiz und das Gold läutert, und dem Verstand wie den Minen ihre Reife giebt, behielt das Geld für Herzoginnen, und gab Ihnen Verstand, Munterkeit und einen Dichter." S. 267 - 269.

 

[IVb-01-bel-1791-0365]
4) "Moralische Versuche. Dritter Brief."

 

[IVb-01-bel-1791-0366]
"Glükliche Erfindung des Papierkredits! Dieser beste, dieser lezte Zuschus felte noch, der Bestechung leichtere Flügel zu geben! Durch ihn reicht das Gold weiter, und verrichtet die unglaublichsten Dinge. Er stekt ganze Staten in eine Tasche, und läst Könige kommen, oder sendet sie zurük. Ein einziges Blat sezt eine Armee über, oder sendet sie zurük. Ein einziges Blat sezt eine Armee über, oder bringt einen ganzen Senat an ein entlegenes Ufer. Ein Blat streuet, wie das Blat der Sybille, unser Schiksal, und unser Vermögen hie oder hin, nachdem die Winde blasen. Mit tausenden schwanger fliegt das unsichtbare Blätgen aus, und verhandelt heimlich einen König, oder kauft eine Königin." S. 277 - 278.

 

[IVb-01-bel-1791-0367]
"Wenn ein Hopkius stirbt, so stehen tausend Lichter neben dem Elenden, der im Leben ein iedes Endgen Licht sparte. Dicht mit der Schulter an dem Altar Gottes steht dan sein nichts würdiger Bild, belügt feine Gesichtszüge, und strekt sogar seine Hände aus. Seine Perükke, ein ganzes leben alt, welche Gorgone für die ihrige ansehen könte, empfängt im parischen Marmor iene ewige Kräuse." S. 296 - 297.

 

[IVb-01-bel-1791-0368]
5) M. V. Vierter Brief.

 

[IVb-01-bel-1791-0369]
"Sie zeigen uns, daß Rom Pracht, one Verschwendung erreichte, und daß die alten Gebäude den Pomp mit dem Nuzzen verbanden. Dennoch werden ihre richtigen, ihre vortreflichen Regeln das halbe Land mit törichten Nachamern anfüllen. Sie werden blindlings Zeichnungen aus ihren Blättern nemen, und aus Einem schönen, viel elende Risse machen; sie werden mit teatralischen Pomp Puz eine

 

[Manuskriptseite 159]

schlechte Kirche überladen, Triumphbögen in ein Gartentor verwandeln, und alle ihre Zierrat verkert bei einem elend zusammengeflikten Winkel anbringen, den sie mit Stükken von Mauern verlängern, und dem sie vier dünne mit bäurischem Schnizwerk gezierte Pfeiler zur Fronte geben. Sie werden den Winden Luft machen, durch lange Arkaden zu haulen, und stolz sein, wenn sie an einem venezianischen Tore den Schnupfen auffangen. Dan sind sie bei sich selbst versichert, daß sie, wie ein Palladio bauen, und wenn sie verhungern, daß sie den Regeln der Kunst gemäs verhungern. Sie haben oft bei ihrem Bruder eine gewisse Wahrheit entfallen lassen, die viele mit ihrem Schaden beweisen. Es wird noch etwas mer erfordert, sagten Sie, als Gold, etwas, das dem Geschmakke vorgeht - Verstand. Ein guter Verstand ist blos eine Gabe des Himmels, und oblgeich keine Wissenschaft, doch besser, als alle sieben; er ist ein Licht, das man in sich selbst mpfinden mus, und das Jones und Le Notre nicht geben können. Ihr möget bauen, oder pflanzen, eure Absicht sei welche sie wolle, wenn ihr einen Säulengang aufrichtet, oder einen Schwibbogen wölbt, wenn ihr Terrassen erhöht, oder eine Grotte vertieft, so last niemals die natur aus den Augen. Aber geht mit der Göttin, wie mit einer sitsamen Schönen um; schmükt sie nicht zuviel, und last sie nicht gänzlich nakt. Last nicht allenthalben alle ihre Schönheiten sehen; dennn oft besteht die halbe Kunst darin, sie mit Anstand zu verbergen. Derienige hat alles gewonnen, der auf eine angeneme Art mischt, in Verwunderung sezt, mannigfaltig macht, und die Verbindungen verbirgt." S. 311 - 314.

 

[IVb-01-bel-1791-0370]
"Last uns einen Tag auf Timon's Landgut zubringen. Alle rufen hier "was für Summen sind hier verschwendet!" Alles ist stolz,

 

[Manuskriptseite 160]

so gros, von so erstaunlichem Ansehen, daß das Sanfte und Angeneme nirgend Plaz findet. Die Grösse bestehet, nach Timon's Meinung, in solchem Risse, der uns an das ganze Broldignat erinnert. Sein Gebäude ist eine Stat, sein Teich ein Ozean, sein Paterre eine Hufe Land. Wer mus nicht lachen, wenn er den Hern, dieses kleine Insekt siehte, das bei iedem Lüftgen zittert! Welche unförmliche Haufen von Kleinigkeiten! Das ganze gleicht einer durchsichtigen Steingrube über der Erden. Vor dem Eingang pissen zwei Liebesgötter; hinten vermert ein Teich die Kälte des Nordwinds. Dan fordern seine Gärten unsre Bewunderung; wohin man sieht, sieht man gegen die Mauern. Keine angeneme Verwiklung macht hier iene Abwechselung. keine künstliche Wildnis macht den Schauplaz mannigfaltiger. Ein Gebüsch winkt dem andern zu, eine iede Allee hat eine Schwester, und die eine Hälfte des Planes zeigt genau den Ris des andern. Das Auge sieht mit Verdrus die Natur umgekert, Bäume zu Bildsäulen so plump, als Bäume gehauen. Hier steht ein Springbrunen, der niemals spielet, und dort ein Sommerhaus, das keinen Schatten hat. Hier segelt Amphitrite durch Myrtenlauben, dort kämpfen, oder sterben Fechter unter Blumen; hier hängt ein Sepferd den Kopf, und trauert über Mangel an Wasser, und dort nisteln Schwalben in der staubichten Urne des Nils.

 

[IVb-01-bel-1791-0371]
Mylord nahert sich mit einer maiestätischen Miene, vol von dem mächtigen Vergnügen, gesehen zu werden; aber langsam - mit gemessenen Schritten - noch etwas Geduld! Erst haben wir durch den langen Gang iener heissen Terrasse Schweis zu vergiessen, und wenn wir über zehn Stufen unsre Schenkel hinaufgeschleppet haben, so wird er uns an der Tür

 

[Manuskriptseite 161]

seiner Studierstube mit seiner Gegenwart beglükken. Seine Studierstube? Mit welchen Schriftstellern ist sie versehen? Mylord liebt nur Bücher, und bekümmert sich nicht um Schriftsteller. Er füret euch hinter allen datirten Rükken derselben herum. Diese hat Aldus gedrukt, iene Dü Süncl gebunden. Einige sind in Korduan, und die übrigen sind zu dem, wozu der Lord sie gebraucht, eben so gut, aber von Holz. Umsonst sieht man sich nach Loke, und Milton um; diese Bretter nemen kein neues Buch auf.

 

[IVb-01-bel-1791-0372]
Nun ruft die Silberglokke zur Kapelle, und badet uns zu dem ganzen Stolz des Gebetes ein. Nach einem lustigen Getöne von Musik, gebrochen und ungleich, tanzt die Sele mit Hüpfen zum Himmel. One Andacht kan man nicht das gemalte Gewölbe betrachten, wo die Heiligen des Verris, oder Laguerre auf vergüldeten Wolken in ihrer Entzükkung schön ausgestrekt liegen, und das ganze Paradies unter Augen eröfnen. Ein Küssen, und der sanftmütige Kapellan, der niemals vor sedinen Oren die Hölle nennet, laden zum Schlaf.

 

[IVb-01-bel-1791-0373]
Aber horcht! Die spielenden Glokken rufen zum Mittagsmal. Hundert Füsse scharren auf dem marmornen Boden des Vorsals. Natürlich gemalte Schlangen zieren das kostbare Spülgefäs, und Tritons speien aus ofnen Mäulern Wasser, um euer Gesicht zu waschen. Ist dieses ein Mittagsmal? Dieses ein Speisesal? Nein, es ist ein Tempel und eine Hekatombe: ein festliches Opfer, mit Gepränge angestelt. man trinkt nach dem Takt, und ist nach Minuten. Ieder flüchtige Aufsaz geht so geschwiend wieder fort, daß ihr schwören soltet, der schrekliche Doktor des Sancho wäre mit senem Stabe hier. Zwischen iedem Akt von der Suppe bis zum Nachtische klingen die zittern-

 

[Manuskriptseite 162]

den Gläser, und ein "Got erhalte den König!" im Überflus hungrig als ein Tantalus, im Gepränge höflich mit allem bedienet, was ich hasse; wol bewirtet, geschmeichelt und ungedultig, nem' ich Abschied, und bin krank vom höflichen Stolze vom Morgen bis zum Abend. Ich verwünsche den verschwendrischen Aufwand mit so wenig Kunst, und schwöre, daß ich keinen Tag so schlecht zugebracht habe!" Seit. 321 - 327.

 

[IVb-01-bel-1791-0374]
XVIIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0375]
Hern A. Pope's Sämtliche Werke. p - . Vierter Band. Altona. p. 1763.

 

[IVb-01-bel-1791-0376]
1) "Epistel an Dr. Arbuthnot."

 

[IVb-01-bel-1791-0377]
"Alle die nicht lesen, sondern skandiren; alle Wortrichter, die ihr Leben über Sylben zubringen, alle diese kleine Kunstrichter können einige Achtung fordern, weil sie in dem namen Milton's oder Schakespears aufbehalten sind. Es ist artig, Hare, oder Stroh, oder Kot, oder Mükken, oder Würmere im Bernstein zu sehen. Die Sachen selbst sind zwar weder kostbar, noch selten, aber man mus sich wundern, wie zum Henker sie hineinkamen!" S.88 -89.

 

[IVb-01-bel-1791-0378]
"Wenn andre wider mich aufgebracht waren; so entschuldigte ich sie; sie hatten Recht, zu rasen; ich gab ihnen nur das, was ihnen zukam. Das ware Verdienst eines menschen ist leicht zu finden; aber ieder hat seinen geheimen untrüglichen Masstab im Kopf, sein entscheidendes Gewicht, welches der Stolz in die lere Schale legt; und wer kan es diesen zu Danke machen? Denn wer kan raten? Dem Barden, der sich durch zusammengestolne Pastorale berümt macht, der eine persianische Erzälung für eine halbe Krone übersetzt; der nur schreibt, um eben seine Unfruchtbarkeit sehen zu lassen, und aus seinem versperten Gehirne im ganzen Iar zehn Zeilen heraus-

 

[Manuskriptseite 163]

windet; ihm, der immer nichts hat, ob er gleich vom Diebstale lebt, viel stielt, wenig aufwendet, und doch nichts übrig behält; und dem, der iezt einem Sin, iezt dem Unsin nahe, keinen Gedanken erreicht, sondern nur um den Gedanken herumtappet; nebst dem, dessen so erhaben=elende Schwulst, nicht Poesie, sondern rasende Prose ist: allen diesen riet meine bescheidne Satyre zu übersezzen, und gestand, daß neun solcher Dichter einen Tate ausmachen. Wie schäumeten und raseten, und schwuren sie, Addison selbst sei nicht sicher.

 

[IVb-01-bel-1791-0379]
Frieden mit allen diesen! Wäre aber Einer da, dessen Feuer ein wares Genie anzündete, den schöne Erbegierde begeisterte: ein Man mit iedem Talente, mit ieder Kunst zu gefallen begabt, und geboren, um schön zu schreiben, im Umgange zu gefallen und ruhig zu leben; und solte dieser man aus gar zu grosser Begierde, allein zu herschen, gleich dem Türken, keinen Bruder am Trone leiden; ihn mit verächtlichen und dennoch eifersüchtigen Augen ansehn, und wegen eben der Künste hassen, wodurch er selbst emporstieg; solte er mit mattem Lobe tadeln, mit scheler Höflichkeit loben, und one selbst zu verhönen, andre verhöhen leren, gern verweunden, one selbst gern den Streich füren zu wollen, einen Feler nur mit einem Wink bemerken, und sein Misfallen stamlen, solte er, gleich zurükhaltend mit Tadel oder Lob, als ein furchtsamer Feind, un d ein argwönischer Freund, furchtsam sogar vor Narren, belagert von Schmeichlern, und so verbindlich, daß er niemals verband, wie Kato, seinem kleinen Senate Gesezze geben, und aufmerksam sein eignes Lob anhören; indem wizzige Geister und Templer iede Sentenz erheben, und mit einem albernen Gesicht vol Lob bewundern - Wäre ein solcher

 

[Manuskriptseite 164]

Man, wer würde müste nicht lachen? Wäre er Attikus; wer würde nicht weinen?" S. 90 - 95.

 

[IVb-01-bel-1791-0380]
"Verflucht sei der Vers, er fliesse so schön er wil, der in der Absicht geschrieben ist, mir Einen würdigen man zum Feinde zu machen, der Tugend eine Ärgernis, der Unschuld eine Furcht zu erregen, oder dem sanften Auge der Iungfrau eine Träne zu rauben! Kein erlicher Man sol meine Geissel zu fürchten haben; aber der, der den Frieden seines unschuldigen Nächsten stört, oder aber das Unglük einer Schönen frolokt; der Lügen liebt, der lamen Verläumdung aufhilft; der ein Libell verfertigt oder nachschreibt: der Praler, der sich aus Stolz für den Gönner eines Verfassers ausgiebt, und doch abwesend seinen erlichen namen verwundet: der Verdienste aus Eigenliebe lobt, und beweiset, daß er sie erkent, one sie zu lieben; der die Eitelkeit besizt, dich seinen Freund zu nennen, aber nicht die Erliebe, dich zu verteidigen, wenn du beschimpft wirst; der alles, was du denkst, alles, was du redest, sagt, und wenn er dich nicht belügt, dich wenigstens verraten mus. Der auf den Kapellan und die Silberglokke schwören kan, und in Schriften sieht, was nie darin stand; der nur lieset, um die Wollust zu haben, daß er auf falsche Personen deute, aus der Satyre eine Schmähschrift, und aus Dichtungen Lügen macht; der, und alle solche sollen sie fürchten.

 

[IVb-01-bel-1791-0381]
Sporus mag zittern. - A. Wie? Dieses Ding von Seide? Sporus, der Weichling? Weis Sporus auch, was Satyre, oder was Vernunft ist? Hat der Gefül? Wer wird einen Schmetterling rädern? P. dennoch mus ich ihn peitschen, diesen Käfer mit vergüldeten Flügeln, dieses bunte Kind des Kots, welches stinkt und sticht: der, one iemals den Wiz zu

 

[Manuskriptseite 165]

kosten, oder die Schönheit zu geniessen, mit seinem Gesumse den Wizzigen und die Schöne plat, gleich abgerichteten Spürhunden, die sich sitsam begnügen, das Wild zu beriechen, das sie nicht anbeissen dürfen. Ein ewiges Lächeln, verrät seinen leren Kopf, wie Wasser, das in beständigen Grübgen fortläuft, die Seichtigkeit des Bachs. Bald redet er mit blumenreichen Unvermögen, bald und die Puppe quäkt den Ton, den der Atem des Zubläsers angiebt; bald speiet er, als eine vertrauliche Kröte am Or der Eva, seine eigne Gedanken, halb Schaum, halb Gift, in Wortspielen, oder Statssachen, oder Märgen, oder Lügen, oder Hon, oder Zoten, oder Reimen oder Lästerungen aus. Sein Wiz ist ein beständiges Schaukelspiel von dem zu diesem, iezt hoch iezt niedrig; und er selbst Eine elende Antise. Welch ein Amphibion! bald spielt er die Rolle des seichten Kopfs, bald des verderbten Herzens, beim nachtisch ein Windmacher, im Gericht ein Schmeichler; iezt so zierlich wie eine Dame, und iezt so stolz, wie ein Lord. In solcher Gestalt schildern die Rabbinen den Verfürer der Eva, im Gesicht wie einen Kerub, nach der überigen Gestalt, wie eine kriechende Schlange; mit Schönheit, die uns ärgert, Talenten, denen kein Mensch trauet, Wiz, der kriechen kan, und Stolz, der den Staub lekt." S. 102 - 105.

 

[IVb-01-bel-1791-0382]
"Ein Schurk ist bei mir immer ein Schurk in iedem Stande: ich verachte ihn immer, es mag ihm glükken oder nicht; er sei Sporus am Hofe, oder Iaphet im Gefängnisse, ein Mietlinskribent, oder ein Mietlingspair, ein gedungner Zeuge, oder ien bestochner Repräsentant! er mag am Tron, oder am Pranger, das Or seines Königs gewinne, oder sein eignes verlieren." Seit. 109.

 

[IVb-01-bel-1791-0383]
2) "Erste Epistel des zweiten Buchs des Horaz."

 

[IVb-01-bel-1791-0384]
"Aber die Wizlinge in den Zeiten der beiden Karls, der Pöbel der Gentlemen, die mih mit Leichtigkeit schreiben, ein Sprat,

 

[Manuskriptseite 166]

Karew, Sedley, und hundert andre blickende Sterne in der ganzen vermischten Samlung, was haben sie für Verdienste? Ein Gleichnis, das in der unfruchtbaren Wüste von tausend Zeilen einsam schimmert, oder ien ausgedenter Gedanke, der viele Blätter mit einem matten Strale erleuchtet, hat ganzen Gedichten von ihnen den Rum eines Iarhunderts erworben." Seit. 194 - 196.

 

[IVb-01-bel-1791-0385]
"Noch andre sind da, welche andre Palinen verdienen; Hopkins und Sternhold erwekken das Herz mit Psalmen; die Knaben und Mädgen, welche die christliche Liebe unterhält, erflehen in ihren patetischen Liedern unseren Beistand. Wie könte die Andacht auf dem Lande zu den Kirchenstülen kommen, wenn die Götter ihr nicht ihre eigene Muse gegeben hätten? Der Vers erwekt sie in ihrer Musse, der Vers hilft ihnen arbeiten, oder singt den Pabst und den Türken zu Boden. Der Priester verstumt, so bald der mächtige Gesang erklingt, und de fület die Gnade, die er umsonst erbetete. Der Segen dringt durch den ganzen singenden Haufen, und der Himmel wird durch Gewalt des Gesanges erstürmt." S. 212 - 213.

 

[IVb-01-bel-1791-0386]
3) Satyren des Dr. John Donne. Zweite Satyre."

 

[IVb-01-bel-1791-0387]
"Hier giebt ein magrer Dichter, der sich durch seinen Wiz nicht eine Malzeit schaffen konte, einem Schauspieler den ganzen Unterhalt: so sagt ein verurteilter Dieb, den Rechten nach schon so gut als tod, einem Schelm zu, der nicht lesen kan, und rettet ihm das leben. Sie tanzen in einer Orgel wie die Pfeifen sich bewegen, die vergüldeten Puppen, und kommen hervor. Vom Winde erhoben bläst der Blasebalg, er selbst liegt unten und schnapt nach Luft. -

 

[IVb-01-bel-1791-0388]
Andre schreiben, weil alle schreiben, und haben so immer eine Entschuldigung, daß sie schreiben, und schlecht schreiben. Un-

 

[Manuskriptseite 167]

glüklich genug! aber weit unglüklicher die ist der, der sich mit dem Wiz eines andern speiset. Der Wiz wird verändert und ist nicht mer, was er war; seine grobe Verdauung macht, daß er aufhört, Wiz zu sein: Gedanken, die durch ihn gegangen sind, sind nicht mer Gedanken; denn verdaute Speisen nemen einen andern Namen an." S. 257 - 258.

 

[IVb-01-bel-1791-0389]
4) "Donne's vierte Satyre."

 

[IVb-01-bel-1791-0390]
"Für's Auge bemalt, und für die Nase mit Essenzen gesalbet, segeln die Damen, wie mit Spezerei und Kochenelle beladne Fregatten, herein. Wie ist das Auge iedes Seräubers auf ein so schwaches Farzeug und eine so reiche Beute geheftet!" Seit. 277.

 

[IVb-01-bel-1791-0391]
5) "Epilog zu den Satyren. Zweites Gespräch."

 

[IVb-01-bel-1791-0392]
"F. Es sind lauter Lügen, wird Paxton sagen.

 

[IVb-01-bel-1791-0393]
P. Noch nicht, mein Freund! aber morgenkönt' es leicht sein; und deswegen lass' ich heute drukken. Wie würd' ich mich ärgern, wenn ich aus Achtung für die Sünden des neun und dreissigsten Iars iede Zeile umschmelzen müste! Das Laster komt mit solchen Riesenschritten heran, daß die Erfindung sich umsonst bemühet, ihm zuvorzukommen. Ich mag dichten, was ich wil, und mit noch so starken Farben schildern; es steht immer ein Genie auf, welches die Sünde so hoch treibt, als ich gedichtet habe." S. 307.

 

[IVb-01-bel-1791-0394]
"O heiliges Gewer! zum Schuz der Warheit gelassen, einziger Schrekken der Torheit, des Lasters und des Stolzes! allen andern Händen versagt, als denen, die der Himmel selbst fürt, die Muse kan dich geben; aber die Götter müssen dich leiten: mit Erfurcht berür' ich dich! aber mit tugendhaftem Eifer, um die Wächter des öffentlichen Wols zu erwekken, das langsame Parlament

 

[Manuskriptseite 168]

zum Werke der Tugend aufzufordern, und den schlummernden Prälaten in seinem Stalle aufzuspornen. Ihr leuchtenden Insekten, welche der Hof hält, der eure Schönheiten nur nach euren Flekken zälet, spint alle eure Gewebe vor dem Auge des Tages aus! Der Flügel der Muse sol euch alle wegfegen." S. 324 - 326.

 

[IVb-01-bel-1791-0395]
XX.

 

[IVb-01-bel-1791-0396]
Pope's Werke. p. Fünfter Band. Altona, p. 1764.

 

[IVb-01-bel-1791-0397]
1) "Dunziate. Erstes Buch." Dunziate] taucht wieder in den Grönländischen Prozessen auf: "Der englische Juvenal, Pope... daher in seiner vortrefflichen Dunziade....". ST

 

[IVb-01-bel-1791-0398]
"In den ältesten Zeiten, ehe Sterbliche schrieben, oder lasen; ehe Pallas aus dem Haupt des Donnerers entsprang, besas die Dumheit über alles ihr altes ihr altes Recht, als Tochter des Koas, und der ewigen Nacht. Diesem Pare gab das Schicksal in ihrer zärtlichen Liebe diese schöne Törin; so plump, wie ihr Vater, so ernsthaft, wie ihre Mutter: arbeitsam, schwerfällig, ämsig, dreist, und blind beherschte sie den Verstand, in angeerbter Anarchie.

 

[IVb-01-bel-1791-0399]
-

 

[IVb-01-bel-1791-0400]
Dicht an den Mauern, wo die Torheit auf ihrem Trone sizt, und lacht, so oft sie denkt, daß Monroe sie herunter reissen wolte, wo, des grossen Cibber's hirnlose Brüder von der Hand seines berümten Vaters in Erzt gegossen, über den Toren stehen, liegt eine Zelle, vor gemeinen Augen verborgen, die Höle der Armut und der Poesie. Scharfe, hole Winde heulen durch die kalte Wonung ein Sinblid der Musik, die von der Lerheit verursacht wird. Aus dieser könen Barden, die, gleich dem Proteus, umsonst lange festgebunden, in Ungeheuer verwandelt entwischen, und sezzen die Stad in Erstaunen. Aus dieser entspringen vermischte Schriften, der wöchentliche Schmuk der keuschen Presse Kurls, und des mit roten Titeln beklebten Pfeilers des Lintot; aus dieser kommen elegische Zeilen des Hymmenreichen Tyburn; aus Iournale,

 

[Manuskriptseite 189]

Gemische, Merkure, Magazine, Begräbnislügen, zum Schmuk unsrer heiligen Mauern, Neuiarsoden; und die ganze Brut von Grubsteet.

 

[IVb-01-bel-1791-0401]
Hier schimmert die Dumheit in bewölkter Maiestät. vier Schuztugenden, rings umher, halten ihren Tron; die freche streitbare Stärke, die nichts fürchtet, weder Gezische noch Schläge, noch Dürftigkeit, noch Verlust der Oren, die ruhige Mässigung, welche dieienigen segnet, die, wenn sie nur schmieren, gern Hunger oder Durst leiden; die Klugheit, deren Spiegel das herannahende Gefängnis zeiget; die poetische Gerechtigkeit, mit aufgehabner Wage, worin sie, nach gewissenhaftem Gleichgewichte, Wahreit gegen Gold, und narhaften Pudding gegen leres Lob wägt. Hier sieht sie das finstre und tiefe Kaos, wo namenlose Etwas in ihren Ursachen schlafen, bis der befruchtende Iakob, oder ein heisser Fiebertag iede Masse zum Gedicht, oder zum Schauspiel hervorruft; siehet, wie Einfälle, gleich dem Froschlaisch, halb lebendig, im Embryo liegen; wie neugeborner Unsin zuerst stamlen lernt, wie halbgebildete Grillen zu richtigen Reimen werden, und auf poetischen Küssen kreichen lernen. Hier giebt ein einziges armes Wort hundert. Zweideutigkeiten, und die geschmeidige Dumheit fliest in neue Mäander. Dort rüren buntschektigte Bilder ihre Einbildungskraft, übelgeparte Figuren, und unähnliche Gleichnisse. Sie siehet eine Rotte von Metaphern sich nähern, und freut sich über die Unsinnigkeit des labyrintischen Tanzes; sieht, wie Trauerspiel und Lustspiel sich umarmen, wie das Possenspiel und die Epopee ein Blendlingsgeschlecht erzeugen; wie die Zeit selbst auf ihren Befel stil steht, Reiche ihren Plaz verändern, und mer zu Land wird. Hier tränkt die muntere Beschreibung Ägypten mit Regen, oder giebt Zembla Früchte, und Barka Blumen. Hier schimmern graue Hügel von Eis; dort liegen

 

[Manuskriptseite 170]

bunte Täler unter ewigem Grün; im kalten Dezember blühen düftende Kränze, und schwere Ären wanken unterm Schnee. Alles dieses, und noch mer, sieht die wolkenzusammentreibende Göttin durch Nebel, welche die Gegenstände vergrössern. Gepuzt mit Flittern, und bekleidet mit Gewanden von wechselnden Farben, betrachtet sie mit Selbstzufriedenheit, diese seltsame Schöpfung, sieht Ungeheur in einem Augenblick entstehen, und verschwinden, und vergoldet sie alle mit ihren eignen Narrenfarben. -" S. 92 - 97.

 

[IVb-01-bel-1791-0402]
"Bald käute Bays die Feder, bald sties er sie auf den Tisch, sank von Gedanken zu gedaken, eine ungeheure Tiefe, hinunter! tauchte unter, um seinen Verstand zu suchen, fand aber keinen Grund; schrieb dennoch, und schwankte blos aus Verzweiflung fort. Um ihn lag mancher Embryo, manche zu frühe Geburt, manche künftige Ode, und mach abgedanktes Schauspiel: eilfertiger Unsin, der, wie geschmolzen Blei, durch Rizzen und Zikzaks des Gehirns schlüpfte: alles, was Raserei mit der Torheit zeugen kan, Früchte einer dummen Hizze, und Hexengeburten des Wizzes. Darauf fieng er an, seine Augen über seine Bücher herumzurollen, mit angenemer Erinnerung alles dessen, was er stal, wie er hieraus einen Zug tat; dort heimlich plünderte, und alles besog, wie eine ämsige Wanze. Hier lagen des armen Fletschers halb gegessene Sienen, und die Lappen des gekreuzigten Moliere; dort wünschte der unglükliche Shakespear, daß er noch wund vom Tibbald, daß er für sich selbst ausgestrichen hätte. Die übrigen Schriften trugen ihre Verdienste nur auf der Aussenseite, oder dienten (wie mer Narren) nur den Raum ausgzufüllen: und passeten entweder für den Raum ihrer Bretter, oder waren von ihren zärtlichen Ältern in

 

[Manuskriptseite 171]

Rot und Gold gekleidet; oder hatten Gemälde, welche den Inhalt vergüteten, und Quarles war durch Schönheiten gerürt, die ihm nicht gehörten. Hier prangte das Bret mit Ogilby dem grossen; dort schimmerte die volständige Newkastle, mit Wappen bestämpelt; hier stand seine ganze leidende Brüderschaft in Sicherheit, und entgieng den Martern der Kramläden, und des Ferus: eine gotische Bibliothek! wol gereinigt von Griechen und Römern, und würdig eines Settle, Banks und Broome.

 

[IVb-01-bel-1791-0403]
Aber hoch oben schimmert gründlichere Gelersamkeit, in klassischen Schriften einer Zeit, die keinen klassischen Schriftsteller kante. Hier schlief Kaxton, und Wynkyn an seiner Setie, einer in Holz gebunden, der andre in starkem Kuhleder; dort standen lange Iare herdurch, wie durch Spezereien verwarte Mumien, trokne Systeme der Teologie: de Lyra breitete hier eine schrekliche Fronte aus, und dort beugten sich die seufzenden Bretter unter dem Philemon. -

 

[IVb-01-bel-1791-0404]
O! Du leitende Sele der Geschäfte, die du diesem unsern Kopf das bist, was der Schwung der Kugel, welche sicherer trift, ie schwerer sie ist, indem sie quer nach dem Ziele wakkelt = o! fare fort, dem verwirten Menschen gnädig zu sein: breite einen heilsamen Nacht Nebel vor der Sele aus, und sezze uns durch die nacht, worin wir geboren sind, in Sicherheit, daß wir uns nicht durch das falsche Irlicht des Wizzes in die Irre füren lassen. Wenn ein Gek Wiz haben wil, so bewache die Schiedgränze zwischen diesem, und der gesunden Vernunft, oder zerreisse das Werk der Vernünftelei, und heng' ein künstliches Spingewebe an seine Stelle! Wie selbst Blei, aus Windbüchsen fortgeschnelt, fliegen kan, und schwere Kugeln schnel die Luft durchschneiden; wie Glokken ihren hurtigen Schlag

 

[Manuskriptseite 172]

der Schwere zu danken haben, wenn das Gewicht unten, die Räder oben treibet; so las Lerheit und Dumheit mich begeistern, und meine Elastizität und mein Feuer sein." S. 99 - 104.

 

[IVb-01-bel-1791-0405]
2) "Zweites Buch der Dunziade."

 

[IVb-01-bel-1791-0406]
"Aber iezt warteten bessere Palmen auf die Schriftsteller. Plaz für Mylord! Drei Reitknechte folgten ihm: sechs Läufer gehen iauchzend vor seinem Wagen. Erlacht, und sein starrer Blik spricht plumpen Unsin. die Dumheit versteht ihn, und drükt die Meinung des gnädigen Hern also aus. "Wer am besten küzzeln kan, sol diesen zum Gönner haben!" Er klingelt mit seiner Geldbörse, und nimt seinen statlichen Siz ein. Die Dedikazionenschreiber nähern sich mit Federn in der Hand. Iezt fängt der Wetstreit bei seinem Kopf an, und gleich empfindet seine Phantasie den ihm beigemessenen Verstand; iezt spielen sanfte Finger über sein Gesicht; er brüstet sich, wie ein Adonis, und macht Gesichter: Rolli bringt seine Feder an sein Or; nun ist sein feiner Geschmak die Richtschnur unsrer Opern: Bentley öfnet seinen Mund mit klassischen Schmeicheleien; und der aufgeblasene Redner brict in Tropen aus. Aber Welsted bemühet sich am meisten aus seiner weichen, freigebigen Hand den heilsamen Balsam für Poeten herauszuziehen; unglüklicher Welsted! ie mer du küzzelst, ie fester schliest dem fülloser Her seine hand zu.." S. 164 - 165.

 

[IVb-01-bel-1791-0407]
"Der schwarze Haufen wälzt sich durch Cuds berümte Tore, das wolbekante Fleet hinunter, und überschattete die Strasse, als Predigten, karaktere, Versuche, wie ein Gestöber von Flokken auf sie herabregneten, und den ganzen Weg weis machten. So steigen Wolken, aus irgend einem

 

[Manuskriptseite 173]

Sumpfe auf der Erde angefüllet, in finstrer Dikke auf, und fallen in Schnee herab." S. 173 - 174.

 

[IVb-01-bel-1791-0408]
3) Aus Drittes Buch der Dunziade."

 

[IVb-01-bel-1791-0409]
"Flies, Welsted, flies, wie das, was dich begeistert, dein Bier; schal, doch nicht reif, dün, aber doch nicht klar; so süslich ekelhaft, so gelinde abgeschmakt, so berauschend one Stärke, so überfliessend one Fülle!" S. 227.

 

[IVb-01-bel-1791-0410]
"Bemerke dort, im Dunkel der Wolken, die starrenden Scholiasten, Geister, die wie Eule, nur im finstern sehen; ieder trägt eine Polterkammer von büchern im Kopf, und liest ewig, um niemals selbst geesen zu werden." S. 228.

 

[IVb-01-bel-1791-0411]
"Der dürftige Poet hängt sich, wie schnelles Stroh, welches der Wind durch die Strassen wehet, an alles, was er antrift: auf Kutschen, auf karren, liegt unter den Füssen, ist bald los, bald fest, und wird zulezt in dem Gefolge irgend eines Hundes fortgeschlept." S. 234.

 

[IVb-01-bel-1791-0412]
4) "Viertes Buch der Dunziade."

 

[IVb-01-bel-1791-0413]
"Also, sprach die Dumheit, macht die schönen Geister wieder lebendig! Aber erst ermordet, und zerhakt sie in kleine Stükken; wie vormals Medea (zwar grausam ist's, so das Leben zu geben!) eine neue Ausgabe von dem alten Äson machte. Last vortrefliche Schriftsteller, wie abgetragne Fanen, um desto mer Rum erlangen, ie mer sie zersezt, und zerrissen sind; und ihr, meine Kunstrichter! bewundert in dem durchsichtigen Schatten das neue Licht, das durch Löcher fält, die ihr selbst gemacht habt." S. 274.

 

[IVb-01-bel-1791-0414]
"Weil der Mensch sich durch Worte vom Vieh unterscheidet, so sind Worte die Hauptsachen des Menschen, so leren wir nichts, als

 

[Manuskriptseite 174]

Worte. Wenn die zweifelhafte Vernunft ihm, wie der samische Buchstab, zween Wege zeigt, so ist der engste immer der beste. Wir, die wir an's Tor der Gelersamkeit gestelt sind, um die Iugend zu füren, wir lassen es nie zu weit offen stehen. Wenn sie anfängt zu fragen, zu raten, zu erkennen, wenn die Phantasie die Triebfedern des Verstandes in Bewegung bringt, so bringen wir das Gedächtnis in Bewegung, beladen das Gehirn, legen den rebellischen Wiz in dopelte Ketten, sperren den Gedanken ein, um den Atem in Übung zu sezzen, und halten die Iugend bis an ihr Ende in der Verschanzung der Worte auf. Die Talente mögen beschaffen oder bestimt sein wie und wozu sie wollen, so hängen wir ein klingelndes Schlos an den Verstand." S. 277.

 

[IVb-01-bel-1791-0415]
"Vor ihnen her gieng der furchtbare Aristarch, seine Stirn war von mancher tiefen Anmerkung durchgepflügt ......... Kenst du den mächtigen Scholiasten nicht, der mit unermüdeter Arbeit den Horaz dum gemacht, und Milton's Muse gedemütiget hat. Dichter mögen in Verse sezzen, was sie wollen; ihre Arbeit ist umsonst; Kunstrichter, wie ich, machen es wieder zur Prose ..... Verlangt ia iemand den Verstand der Alten, so geb' ich ihm gewis kein ganzes Mal, sondern Brokken, die Gellius, oder Stobäus schon zerhakt, oder blinde alte Scholiasten wol durchgekäuet haben. Das kritische Auge, dieses Vergrösserungsglas des Wizzes, siehet Hare und Poren, und untersuchet Stük vor Stük, wie ein Teil sich zum andern, oder alle zum Ganen verhalten." S. 278 - 279

 

[IVb-01-bel-1791-0416]
"Wir liegen und wanken nur wie Körke, die nie untergehen, auf der Oberfläche der Gelersamkeit ..... Deinetwegen verdunkeln wir die Augen, und stopfen den Kopf mit lauter solcher Belesenheit aus, die nie gelesen wurde:

 

[Manuskriptseite 175]

Deinetwegen erklären wir ein Ding so lange, bis kein Mensch es mer glaubt, und schreiben, Göttin, und schreiben darüber einmal über das andre: so spinnet der Seidenwurm seinen Vorrat in dünnen Fäden aus, und arbeitet so lange, bis er sich ringsum besponnen hat.

 

[IVb-01-bel-1791-0417]
Wenn wir irgend einen bessern Narren durch iede Wissenschaft schlüpfen, und durch alle Schulen laufen lassen: so mus kein Luftspringer, der durch Reifen färt, so viel Geschiklichkeit zeigen, durch alle hindurch zu springen, und keine zu berüren. Doch kan er (wenn er sich die ganze Zeit folgsam bezeigt) mit disputiren plagen, oder mit Reimen verfolgen lernen. Wir versehen ihn nur mit dem, was er nicht brauchen kan, oder trauen ihn mit einer Muse, wovon er sich scheiden mus: tauchen ihn auf einmal mitten in den Euklides, und versteinern ein Genie zu einem Duns: oder lassen ihn auf dem metaphysischen Boden traben; leren ihn ieden Schritt, und lassen ihn keinen Trit weiter kömmen. Mit einem Leim, der immer sicher bindet, fügen wir alle Selen in eine todte Masse zusammen. Dan mache iemand ihn los, wenn er kan, behaue den Kloz, und bringe den Menschen heraus." S. 280 - 281.

 

[IVb-01-bel-1791-0418]
"Er schleuderte um Europa, und las alle Laster auf christlichem Boden auf; sah' ieden Hof, hörte iden König von Opern, oder von Mädgen, seine königliche Meinung sagen; sahe sich so gut in Bordellen, als Pallästen um; spielte mit Rum Liebeshändel, und hurte mit Geist; probirte alle Hors-d'oeuvres, definirte alle Riqueurs, trank mit Kentnis, und as mit grosmütiger Verwegenheit; vergas den Dummen Trödel von Latein,, verdarb seine eigne Sprache, und lernte nichts mer; verlor alle klassische Gler Gelersamkeit auf klassischem Grund u. Boden,

 

[Manuskriptseite 176]

und wurde zulezt Luft, das Echo eines Schals! Siehe, hier bring ich ihn, halb genesen, und volkommen artig, mit nichts als einem Solo im Kopfe." S. 283.

 

[IVb-01-bel-1791-0419]
"Gieb mir, gnädige Göttin, gieb mir immer das Vermögen, zu betrügen. O las deine Wolke immer den Betrug bedekken ! Streue deine ausgesuchtesten Nebel über diese Versamlung, aber am diksten schütte sie auf das hochadeliche Haus. So wird ieder Iüngling, durch Hülfe meiner Augen, andre Zäsars, andre Homers werden sehen; durch dämmernde Zeiten das ateniensische Federwild iagen, welches Götter Chalzis, und Menschen eine Eule nennen; bald einen Attys, bald einen Zetrops, ia, Muhammed! Die Taube an deinem Ore sehen; an altem Kupfer, wo nicht an Golde reich sein, und seine Lares behalten, wenn gleich sein Haus verkauft wird; wird einer Phöbe one Kopf seine schöne Braut nachsezzen, einen syrischen Prinzen höher, als seinen eignen vereren, Herr eines Oto, wenn ich ihn für ächt erkläre, und glüklich bei einem Niger sein, bis er deren zwei kent." S. 285.

 

[IVb-01-bel-1791-0420]
XXI.

 

[IVb-01-bel-1791-0421]
Physiognomische Reisen. Zweites Heft. Altenburg in der Richterischen Buchhandlung. 1778.

 

[IVb-01-bel-1791-0422]
1) Bemerkungen.

 

[IVb-01-bel-1791-0423]
" - obschon sein Name (der eines Dichters) nicht ganz unbekant ist in der gelerten Welt, wenn ihn gleich Meusel in seiner Schmetterlingssamlung noch nicht besizt. Wird ihn wol noch fahen und mit seinem unverweslichen Terpentinöl bestreichen, um ihn der Nachwelt zu konserviren." S. 36.

 

[IVb-01-bel-1791-0424]
"Der eine als Bänkelsänger lies Balladen, Romanzen und Kriegslieder von der Drehscheiben laufen; ein andrer schrieb Satyren bei schlimmem Wetter, oder lag fürs Kontinget zur

 

[Manuskriptseite 177]

Modelektür auf Werbung; wieder einer war ein Volksliedler oder kompilirte aus Kalendern Vademekumsgeschichtgen, oder schnit ein neues Bund Fidibus zurechte. Bei einem braust' Dithyramben und Oden Bombast mit Sturm und Drang von oben heraus, ein andrer lies seinen poetischen Miswachs gemächlich unter sich gehen. Der meint, die Talia bule mit ihm und schob alle dramatische Fündlinge seiner Einbildungskraft der keuschen Dirn, als mit ihr in allen Eren erzeugte Leibesfrücht' unter; iener häuselte den erwürdigen Basedow, rief ihm überlaut eine gute Nacht zu, als der man schon schlief, oder hies ihm in Grünen willkommen und reicht ihm höchst wizzig einen dürren Besen hin. Summa Summarum, ein ieder dieser wizzigen Köpfe berütet_ über einer Geistesfrucht, die in der nächsten Messe; oder auf den nächsten Monat in einer periodischen Schrift reifen solte; der eine zwangs mit Fieberhizze, der andre durch Ofenglut, der dritte durch ein Marienbad, oder wie er's sonst anzugreifen wust." S. 40 -41.

 

[IVb-01-bel-1791-0425]
"Wenn doch unsre Malerakademisten, deren wir iezt viel haben, physiognomische und unphysiognomische, nicht so früh, ehe sie den Pinsel zu füren wissen, sich an schwere Köpfe wagen, sondern fein bei'm hölzernen Liederman idealischer Karaktere bleiben wolten, den sie drehen und schrauben können, wie sie wollen. Denn schwere Originale vorzunemen, und sie mit bisarren Schwinglinien, die nur einem Hogarth zu Gebote stehen, zu karrikaturiren; und wenn sie ihr Hornbildgen one Sin und Geschmak entworfen, und mit einem stralenreichen Heiligenschein umzogen haben,

 

[Manuskriptseite 178]

drunter zu krizzeln Sankt Ignaz, oder Sankt Klopstok, und es so herumzu tragen und feil zu bieten: warlich! das ist Frechheit und Übermut. Wer kein Kenner ist, kauft die Frazze um der bunten Farben, oder des drunter verzeichneten Heiligen willen, der etwan sein Schuzpatron ist, prägt sich solche ins Gedächtnis, verrichtet aus Gewonheit seine Andacht davor; kan sichs aber nicht erwerern, zuweilen bei sich zudenken: lieber Got, sieht, doch mein Heiliger bald aus wie der Schächer am Kreuz!" S. 80 - 81.

 

[IVb-01-bel-1791-0426]
"Die übertriebnen Verherlichungen berümter Männer komen öfterer aus einem vollen Magen als aus einem vollen Herzen." S. 87.

 

[IVb-01-bel-1791-0427]
"Nicht leicht werden in der Natur zwei Ding zu finden sein, die einander so änlich wären, als ein Gastwirt und ein Skribent. Beide hängen ihr Schild aus, der ein' über seine Haustür, der andre vor sein Buch; so schön und bunt staffirt als möglich. Beide wünschen sich öftern Zuspruch, stekken sich daher hinter die Furleut, Postillions, Torwächter, Meshelfer, spendiren auch wol, der Eine gute Wort', manch Glas Brandewein und manchen Teller mit Essen an dieses Gesindel, daß sie ihnen fleissig Passagiers zuweisen sollen; der Andre aber verfährt eben so mit den litterarischen Postillonen, die das Rezensenten=Schild auf'm Arm tragen und auf ihrer Stazion das Horn füren dürfen. Auch hoffen die Skribenten den gelerten Visitatoren, Examinatoren und vor allen Dingen den Pränumerazionsmäklern. Geben der Guten Wort sat und gnug, heissen ieden Schwager und Gevatter, laufen den Aristarchen mit dem Teller entgegen präsentiren ihnen

 

[Manuskriptseite 179]

ihre Schriften darauf aufs niedlichste ausgepuzt. Liessen's auch vor Zeiten an Spendagen nicht ermangeln, legten ein gut Trankgeld dabei; wiewol das Hände versilbern, seitdem sich die Visitatoren so gemert haben, daß einer weiter nichts zu tun hätt' als mit der Hand in die Taschen zu langen, iezt ganz in Abname gediehen sein mag....... Das beweisen die sieben und dreissig periodischen Garküchen, wenn ich mich nicht verzäl. die im deutschen Reich h iezziger Zeit auf getan sind, denen verdirbt nichts, wird alles rein aufgespeist, und wenn's so übel reicht, daß man die Nase zuhalten möcht, so heists Fumet und Hautgout, wässert den Lekkern wol gar das Maul darnach. Was kein Mensch allein mag, wird durch einander gequirlet, ein wenig Salz und Pfeffer drüber gestreut, gehörig servirt und gilt als ein Einschiebessen, oder als Schaugericht; so ser dem Magen vor der losen Speis' widert." S. 89 -92.

 

[IVb-01-bel-1791-0428]
"Wenn aber so ein zarter empfindlicher Mutterkrebs, der seiner natur nach doch wol ein hart Schaltier ist, und nur in der empfindsamen Mausse die Schalen abgeworfen hat, vor's Pult trit und die Eindrükke, die iedes Lüftgen oder Sonnenstäubgen auf sein reizbares Fel macht, heraus predigt, wunder meint, was für eine subtile organisazion vor allen übrigen Menschenkindern er zum voraus hab', und verlangt, daß iede menschensel' mit ihm sympatisiren müss', sonst beleb sie nur einen Hakkloz, oder einen kalten verwarlosten Kopf: wer kan sich da enthalten, des törichten Wansins zu lachen?" S. 144.

 

[IVb-01-bel-1791-0429]
"Die Empfindler sind schlechte Schüzzen, treffen immer auf das Zwergfel, wenn sie aufs Herz zielen." S. 145.

 

[Manuskriptseite 180]

[IVb-01-bel-1791-0430]
XXII.

 

[IVb-01-bel-1791-0431]
Satyrische und ernsthafte Schriften, von Dr. Jonathan Swift. Zweiter Band. Hamburg und Leipzig, 1756.

 

[IVb-01-bel-1791-0432]
1) Bemerkungen.

 

[IVb-01-bel-1791-0433]
"Huren und Autoren mus man voraus bezalen, um sie in gute Laune zu sezzen." S. 33.

 

[IVb-01-bel-1791-0434]
"Er bedient sich der Hände des Königs, wenn er etwas nemen wil." S. 108.

 

[IVb-01-bel-1791-0435]
Ich stand lange an, ob dieser Einfal ein kleines Blat a's Licht zu stellen, nicht von dem Zeremoniel geborgt wäre, welches man in den spanischen Romanen findet, wo ordentlich ein Zwerg auf die Zinne ausgestelt wird, der allen Vorbeigehenden sagen mus, was für ein schreklich grosser Riese drinnen im Schlos sei. -

 

[IVb-01-bel-1791-0436]
Dieselbe Manier hab' ich in meiner Iugend bei Marionettenspielen gesehen. Einige Marionetten von geringer oder gar keiner Wichtigkeit, zeigten sich zu verschiednen malen an dem Fenster, um die Knaben und das gemeine Volk herbei zu lokken; der Trongeber lies sich öfters hören, und der Türhüter schrie wol hundertmale, * bis er heischer ward, so gleich würde man anfangen. Dessen ungeachtet musten wir oft eine Stunde lang warten, bis der Hans Wurst endlich in eigner Person auftrat." S. 180 - 181.

 

[IVb-01-bel-1791-0437]
XXIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0438]
Satyrische und ernsthafte Schriften, von Dr. Jonathan Swift. Dritter Band. Hamburg u. Leipzig, 1758.

 

[IVb-01-bel-1791-0439]
1) Aus dem "Märgen von der Tonne."

 

[IVb-01-bel-1791-0440]
"Es geht den Büchern wie den Menschen, ihren Verfassern. Sie haben nur einen Weg in die Welt zu kom-

 

[Manuskriptseite 181]

men, aber tausende hinauszugehen, um nicht wieder zurük zu kommen." S. 44.

 

[IVb-01-bel-1791-0441]
"Keine Pflanze ist wol zärter, und die Versezzung weniger ertragend, als ein nach neuer Mode sinreicher Einfal. Es giebt nämlich Dinge, die überaus artig und sinreich sind, aber nur heute, oder frühe nüchtern, oder an einem Ort, oder gerade um acht Ur, oder bei einer Flasche Wein, oder nur wenn ein gewisser herr sie vorbringt, oder früh Morgends im Sommer, die hingegen, wenn man sie im geringsten versezt, oder nicht recht anwendet, sogleich zu nichts werden; also daß der Wiz einen besondern Kreis hat, welchen er nicht ein Harbreit überschreiten darf, wenn er seinem Untergang entgehen wil." S. 52.

 

[IVb-01-bel-1791-0442]
"Ihr möget die Räuberein p. in den verschiednen Gerichtshöfen, an den Pranger stellen, und eben so in der Stadkirchen wider den Geiz pp. reden; alles dieses ist weiter nichts als ein Bal der hin und her geschmissen wird, da ieder Zuhörer mit einem Raquete versehen ist, womit er denselben sogleich wieder von sich weg auf andre zurükschlägt." S. 63.

 

[IVb-01-bel-1791-0443]
"Die Weisheit ist ein Fuchs, welcher nach vielem Iagen, dennoch zulezt aus seinem Loche hervorgegraben werden mus. Sie ist ein Käse, der ie besser er ist, ie eine härtern Rinde hat, und wovon nach dem Urteil der besten Kenner die Maden das beste sind. Sie ist ein Sakposset, welcher immer süsser wird, ie tiefer man gegen den Boden komt. sie ist eine Henne, auf deren Gachsen wir Achtung geben, und es nicht gering schäzzen müssen, weil es ein Zeichen ist, daß sie ein Ei gelegt hat. Endlich ist sie auch eine Nus, welche, so sie nicht mit einiger Sorgfalt ausgelesen wird, auch wol einen Zan kosten, und dan zur Belonung eine Made anbieten mag," S. 77 - 78.

 

[Manuskriptseite 182]

[IVb-01-bel-1791-0444]
"Ist die Religion nicht ein Mantel? Die Redlichkeit ein par Schuhe, die im Kot ausgetreten worden? Die Eigenliebe ein Surtout? Die Eitelkeit ein Hemd? und das Gewissen ein par Hosen? welche zwar zur Bedekkung der Üppigkeit und Unfläterei gemacht sind, aber auch ser leicht zum Dienst beider herunter gezogen werden." S. 92.

 

[IVb-01-bel-1791-0445]
"Ein warer Kritiker mus die ganze Bücherwelt durchreisen, die in den Schriften der Autoren befindliche Ungeheuer von Irtümern iägermässig aufsuchen und verfolgen, die verborgnen Feler aus ihren Löchern hervorziehen, wie den Kakus aus seiner Höle. Er mus sei vervielfältigen gleich den Köpfen der Hydra, und sie auf einen Haufen zusammenscharren, wie den Mist aus dem Stal des Augias: oder er mus eine Art gefärlicher Vögel wegscheuchen, welche die verkerte Begierde haben, die besten Zweige von dem Baum des Erkentnisses zu plündern, gleich den symphatischen Vögeln, welche die Frucht auffrassen." S. 112.

 

[IVb-01-bel-1791-0446]
"Es ist merkwürdig, daß diese alten Skribenten, indem sie so enigmatisch von der Sache handeln, doch alle auf einerlei Hieroglyphe gefallen sind, und nur in einigen historischen Umständen von einander abgehen, ie nachdem sie von ihren Neigungen und ihrem Wiz zu diesem Unterschied sind verleitet worden. Pausanias hält dafür, daß man die Kunst wol zu schreiben, einzig den Kritikern zu danken habe. Und daß er hiedurch niemand anders als die ächten Kritiker verstehe, ist meines Erachtens klar genug, wenn man folgende Beschreibung liest, die er von ihnen giebt. "Dieses, sagt er, sind gewisse Menschen, die Vergnügen daran finden, daß sie das Überflüssige und die Exkreszenzen der Bücher abbeissen. Und nachdem die Gelerten solches endlich wargenom-

 

[Manuskriptseite 183]

men, haben sie beschlossen künftig selbst die faulen, erstorbnen saftlosen, und auch die alzugeilen Zweige von ihren Werken abzuschneiden." Dies alles verstekt er ser künstlich in die nachfolgende Allegorie: die Nauplier in Argien , sagt er, haben die Kunst ihre Weinstökke zu beschneiden von den Eseln gelernt, indem sie bemerkt, daß wenn ein Esel einen Reben abgefressen, solcher hernach viel schöner getrieben, und auch viel bessere Früchte getragen hat." Nauplier in Argien ...Früchte getragen hat."] findet sich in den "Grönländischen Prozessen", Abschnitt "Über die Schriftstellerei" wieder: "Denn die Näscherei eines Esels veranlaste die Beschneidung der Weinstökke. Dafür errichteten ihm die Nauplier in Argien ein steinernes Ebenbild; und das hölzerne Ebenbild desselben von den Stadtthoren möcht' ich fast der Dankbarkeit der Dichter anempfehlen, da noch über dieses seine langen Beine ihr Ätherleben füglich abbilden." STHerodotus der sich eben dieses Gelichnisses bedient, spricht von der Sache noch deutlicher und beinahe ganz ausdrüklich. Er ist nämlich kün genug, die ächten Kritiker der Unwissenheit und Bosheit anzuklagen, indem er uns offenbar (denn meines Bedünkens könte wol nichts klärers sein,) erzält, daß es in den westlichen Gegenden Lybiens, Esel mit Hörnern gebe. Welches Ktesias noch mer erläutert, wenn er von eben dergleichen Tieren in Indien folgende nachricht geibt: * anstat daß alle andern Esel gar keine Galle haben, so findet sie sich hingegen bei diesem gehörnten Eseln in solchem Überflus, daß man ihr Fleisch nicht geniessen kan, weil es alzu bitter ist." - - - -

 

[IVb-01-bel-1791-0447]
So getraut sich Diodor, wenn er von eben dieser Materie spricht, nicht, etwas mereres zu sagen, als daß auf den Hügeln des Helikons ein gewisses Unkraut wachse, dessen Blüte so abscheulich stinke, daß es alle, die daran riechen, vergifte ...

 

[IVb-01-bel-1791-0448]
Hingegen war Ktesias schon beherzter. Die ächten Kritiker seiner Zeit hatten ihn ser scharf mitgenommen, und daher konte er scih nicht enthalten, wenigstens der nachwelt ein starkes Denkmal seiner Rache gegen die sämtliche Zunft zu hinterlassen .... Denn da er das Ansehen haben wil seltsame indianische Tiere zu beschreiben, so bedienet er sich unter andern folgender merkwürdiger Worte: " es giebt hier auch eine Art Schlangen, welche keine äne haben, und daher nicht beissen können. Ihr Gespei aber, wozu sie von Natur ser geneigt

 

[Manuskriptseite 184]

sind, ist so beissend und fressend, daß alles, worauf es fält, sogleich verderben mus. diese Schlangen werden gemeiniglich an den Bergen gefunden, auf welchen die Edelgesteine wachsen: und sie lassen öfters eine vergiftete Feuchtigkeit von sich, daß wer davon trinket, dessen Gehirn sogleich durch die Naselöcher * weggehet." S. 115 - 118.

 

[IVb-01-bel-1791-0449]
"Denn wie's, ein warer ausgemachter Betler zu werden, einen reichen Kandidaten zuvor noch den lezten Pfennig kostet, also mus es einem zuvor alle gute Eigenschaften seines Gemüts gekostet haben, eh' er ein warer Kritiker werden kan." S. 121.

 

[IVb-01-bel-1791-0450]
"Ächte Kritiker werden daran erkant, daß sie um die allerbesten Skribenten herumschwärmen; wozu sie blos durch den Instinkt angetrieben werden, wie eine Ratte zu dem besten Käse, oder eine Wespe zu den reifesten Früchten, getrieben wird. So wird der König, wenn er zu Pferd ist, am ersten beschmuzet, und die welche ihm den Hof am besten machen wollen, besprizzen ihn am allermeisten.

 

[IVb-01-bel-1791-0451]
Ein ächter Kritiker gleichet einem Hunde bei einem Schmausse, dessen Sinnen und Magen einzug auf das gerichtet sind, was die Gäste unter den Tisch werfen, und der deswegen niemals mer murret, als wo es am wenigsten Knochen giebt." S. 123.

 

[IVb-01-bel-1791-0452]
"Leute, die im Unglük sind, gleichen denen, die im Finstern sind und alle Farben für einerlei halten." S. 160.

 

[IVb-01-bel-1791-0453]
"In Schulzänkereien bringt den Opponenten nichts mer auf als eine gewisse pedantische Kaltsinnigkeit des Respondenten, massen zwei Disputirende zwo Wagschalen gleichen, da die Schwere der einen, die andre leichtere in die Höhe bringt, und macht, daß sie aufliegt und oben anschlägt pp. S. 167.

 

[Manuskriptseite 185]

[IVb-01-bel-1791-0454]
"Allein es ist mit den Wissenschaften gegangen wie' s mit einer zalreichen Armee zu gehen pflegt, die in einer fruchtbaren Gegend steht. Erst findet sie einige Tage lang ihren Unterhalt von den Früchten des Landes selbst, da sie sich befindet. hernach aber wird sie genötigt, viele Meilen weit nach Fourage zu schikken, und solche Freunden und Feinden, one Unterschied wegzunemen. Da indessen die benachbarten Felder niedergetreten, dür und unfruchtbar werden, und weiter nichts hfervorbringen, als Wolken von Staube.

 

[IVb-01-bel-1791-0455]
Die allerbeste Art heut zu Tage mit den Büchern umzugehen ist diese: Entweder man tut ihnen wie grossen Herren die Ere an, ihre Titel recht auswendig zu lernen, und rümt sich hernach, daß man sie ser wol kenne. Oder welches in der Tat noch besser, galanter und gründlicher ist; man durchliest das Register, wodurch das ganze Buch regiert wird, wie der Fisch durch den Schwanz. Denn werd durch das grosse Tör in den Pallast der Gelersamkeit eingehen wil, bracht viel Zeit und Weitläuftigkeit. Daher Leute, die gern fortmachen, und das Zeremoniel nicht leiben, ganz wol zufrieden sind, durch die Hintertüre hineinzukommen. Denn die ganze Armee der Wissenschaften befindet sich auf der Fluchte, und wird daher am elchtesten bezwungen, wenn man ihr in die Arrieregarde fält. Also entdekken die Ärzte den waren Zustand eines Pazienten, wenn sie nur das betrachten, was von hinten von ihnen geht. So erwischen die Leser die Wissenschaften, wenn sie die Nase ihres Wizzes an die Posteriora eines Buchs halten, wie die Iungen die Sperlinge erwischen, wenn sie ihnen Salz auf die Schwänze streuen. So versteht man die Regel ienes Weisen, respire ad finem am besten. So findet man die Wissenschaften wie des Herkules Ochsen, wenn man ihnen rükwerts nachspüret. Und so mus man die alten Wis-

 

[Manuskriptseite 186]

senschaften wie ein par alte Strümpfe auftrennen, und bei den Sokken anfangen.

 

[IVb-01-bel-1791-0456]
Die Arbeit ist ein Samen der Freiheit Faulheit, und es ist ein besondres Glük für unsre Zeiten, daß wir iezt die Früchte davon einernden können." S. 172 - 173.

 

[IVb-01-bel-1791-0457]
"Und da der Geist des Menschen, wenn er seinen Gedanken einmal den Zügel läst, nicht aufzuhalten ist, sondern natürlicher Weise auf beide Extremen von Höhe und Tiefe, von gut und böse zu springen pflegt; so bemerkt man, daß der erste Flug seiner Einbildungskraft ihn zwar gemeiniglich auf Höhen fürt, wo er sich lauter schönes, volkomnes und erhabnes vorstelt. Allein wenn er sich da verstiegen, daß er selbst nicht mer weis, wo er ist, und die Gränzen des Hohen und Tiefen nicht mer gehörig unterscheiden kan, so fällt er denn mit eben der Geschwindigkeit auf einmal gerade in den tiefsten Abgrund herunter, und gleicht einem, der von Osten nach Westen reiset, oder einer geraden und geschmeidigen Rute, welche sich durch ihre eigne Länge krum biegt, es mag nun dieses herkommen woher es wil; von einer uns angebornen boshaften Neigung, iede schöne Idee auch von der umgekerten Seite zu zeigen, d oder daß unsre Einbildungskraft, wenn sich auf das beste und höchste der Dinge emporgeschwungen hat, schwindelt, erschöpft und müde ist, und also gleich einem Paradiesvogel mit einmal tod zur Erde fält p." S. 187 - 188.

 

[IVb-01-bel-1791-0458]
"Die obere Revier eines Menschen ist eben so beschaffen wie die mitlere Revier der Luft. Von der Erde steigen Nebel auf, von Misthaufen stinkende Dämpfe, Dünste von der

 

[Manuskriptseite 187]

See, und Rauch vom Feuer; und dennoch sind die Wolken, welche daraus werden von einerlei Natur und Wirkung. Und der Geruch, welcher von einem Kloak aufsteigt, zeugt eine eben so schöne und nüzliche Wolke, als der von dem auf einem Altar angezündeten Weihrauch. Allein daraus folgt nun, daß gleichwie die Luft niemals regnen läst, als wenn sie überladen und in Verwirrung gebracht ist; also auch der im Gehirn sizzende Verstand mit Dünsten, die von den untern Kräften der Sele aufsteigen, mus angefült und verwirret sein, wenn seine Erfindungskraft sol gewässert und fruchtbar werden. Nun obschon diese Dünste von eben so verschiednen Ursachen herkommen als die, welche in die Luft gehen, so sind doch die Früchte, welche daraus entstehen, beides im Grd und in der Art nicht anders unterschieden, als nur nach Beschaffenheit des Bodens, darauf sie wachsen." S. 192 - 193.

 

[IVb-01-bel-1791-0459]
"Die zween Sinnen, welchen sich albe alle Gegenstände zuerst darstellen, sind das Gesicht und das Gefül. Diese gehen bei ihrer Untersuchung niemals weiter als bis auf die Farbe, Gestalt und Grösse, und was sonst für Eigenschaften aussen an den Körpern teils durch die Kunst, teils von Natur befindlich sind. Alsdenn aber kömt die alzudienstfertige Vernunft mit ihren Werkzeugen zum Schneiden, Öfnen, Reissen und Stechen, und wil uns unwidersprechlich erweisen, daß die Dinge nicht durch und durch also sein, wie sie auswendig scheinen. Dieses ist meines Erachtens wol der äusserste Grad der unglückseligen Kunst die Natur zu verkeren, indem e eines ihrer ewigen Gesezze ist, daß sie ihren Schmuk auswendig anlegt. Damit also künftig alle unnötige Mühe und Kosen, welche mit Anatomirung der Dinge verbunden sind, mögen erspart werden, so nem' ich hier Anlas den geneigten Leser zu versichern, daß mein Saz seine Richtigkeit hat,

 

[Manuskriptseite 188]

und daß bei allen den körperlichen Wesen, welche ich iemals gekant habe, die auswendige Seite der innern stets gar ser vorzuziehen gewesen: worin ich auch nur unlängst durch einige Versuche noch mer bin bestärkt worden. Lezt vergangne Woche sah ich nämlich ein geschundnes Frauenzimmer, und ihr könt nicht glauben, wie ser diese Operazion sie verstelt hatte; und nur gestern noch lies ich den Körper eines Stuzzers in meiner Gegenwart ausziehen, da wir denn alle erstaunten, nur unter einem Kleide so viele unvermutete Feler zu finden. Ich lies hernach das Gehirn, das Herz und die Milz öfnen, und bei einer ieden Öfnung zeigte sich klar, daß ie weiter wir in der Operazion fortfuren, ie merere und grössere Feler hervorkämen. Worauf ich den richtigen Schlus folgere, daß ein Weltweiser und Proiektmacher, welcher die Kunst erfände, alle Risse und Unvolkommenheiten der Natur zu stoppen und zu löten, sich um das Menschengeschlecht weit besser verdient machen, und uns eine weit nüzlichere Wissenschaft leren würde, als die ist, welche iezt so hoch gehalten wird, da man sie nur zu entdekken und öffentlich zu zeigen bemühet ist, gleich ienen der die Anatomie für den Hauptzwek der Arzneikunst hielt. Ein Man mithin, den Glük und Umstände in eine bequeme Stazion gesetzt haben, die Früchte dieser edlen Kunst einzuernden, der sich mit dem Epikur an den Schatten und Bildern, die von der Oberfläche der Dinge in seine Sinnen auffliegen, begnügen läst; ein solcher Man schöpft als ein warer Weiser das Beste von der natur, wie die Sane von der Milch ab, und überläst der Philosophie und der Vernunft das Saure und die Hefen. Dieses ist der höchste Grad der Glükseligkeit, oder des Rechts wol betrogen zu werden; der ruhige und vergnügte Zustand, unter den Schelmen ein Nar zu sein." S. 205 -206.

 

[Manuskriptseite 189]

[IVb-01-bel-1791-0460]
"Es sei, daß die Fama als eine dem Leib eingefropfte Frucht schwerlich wachsen, und noch viel weniger reif werden kan, bis der Stok in die Erde kömt; oder daß sie ein Raubvogel und wie andre dazu gewönt ist, daß sie nur dem Geruch des Luders nachzieht; oder daß sie vielleicht glaben mag, ihre Trompete klinge am besten und lautesten, wenn sei erhöhet auf einem Grabhügel steht, wo das hole Gewölbe noch dazu einen schönen Wiederhal giebt. - Da die nacht die algemeine Mutter der Dinge ist, so messen weise Philosophen die Fruchtbarkeit aller Schriften nach dem Grad ihrer Dunkelheit ab." S. 232.

 

[IVb-01-bel-1791-0461]
"Dieienigen, deren Einbildungskraft alles in Typen verkert; die Schatten machen können one Licht, und ihn hernach in eine Substanz verwandeln, one die Philosophie; derer vornemstes Talent ist, Bilder und Gleichnisse in den Buchstaben, und hingegen was buchstäblich ist, in Figuren und Geheimnisse zu verkeren. p. S. 236 - 237.

 

[IVb-01-bel-1791-0462]
"Die Leibesfrucht alzulange tragen, macht eben so wol misgebären, als wenn solche alzuwengie Zeit getragen wird, obwol ienes nicht so oft geschieht als dieses. Ein Wahrheit, die sich vornämlich bei den Hirngeburten äussert. es lebe der teure Iesuit, der zuerst das Herz gehabt, öffentlich im Druk zu bekennen, daß die Bücher eben so wie die Kleider, Speisen und Ergözlichkeiten, ihre besondern Zeiten haben, denen sie gerecht gemacht werden müssen! ... Ich hoffe es noch zu erleben, daß ein Buch, welches seiner rechten Zeit verfelt, eben so wenig wird geachtet werden als der Mond bei Tage, oder Heringe, welche langsam nachkommen." S. 257.

 

[IVb-01-bel-1791-0463]
"Was nun diese Tiefsinnigkeit betrift, so stell' ich mir vor, daß es damit beschaffen sei, wie mit einem Ziehbrunnen. Eine Person, die ein gutes Gesicht hat, wird auf den Grund desselben hinunter sehen können, wenn es noch so tief ist, dafern sich nur

 

[Manuskriptseite 190]

Wasser darin befindet; dahingegen wenn nichts als Schlam und Kot da ist, der Brunnen, obschon er auch nur anderthalb Ruten hinuntergeht, doch für ser tief wird gehalten werden, blos deswegen, weil es erschreklich finster darinnen ist." S. 259.

 

[IVb-01-bel-1791-0464]
2) Aus der Erzälung von den unter den * u. * Büchern gehaltnen Treffen.

 

[IVb-01-bel-1791-0465]
"Es ist zu wissen, daß die Dinte in allen Treffen der Gelerten das Hauptwaffen ist, dessen sie sich zum Auswerfen bedienen; und da solches vermittelst gewisser Werkzeuge geschieht, welche man Federkiele nent, so pflegen tapfere Streiter von beiden Seiten eine unglaubliche Menge dieser Kiele mit einer solchen Hizze und Geschiklichkeit auf einander abzuschiessen, daß es nicht anders löst, als ob es ein Treffen von Stachelschweinen wäre. Diesen gefärlichen Liqueur bereitet der Ingenieur, welcher ihn erfunden, aus zwo Ingredienzien, aus Galäpfeln und Kupferwasser, um durch die Butterkeit und das Gift derselben, die Gemütsverfassung der Streiter nicht allein einiger Massen abzubilden, sondern auch zu unterhalten." S. 271 -272.

 

[IVb-01-bel-1791-0466]
3) "Mechanische Erzeugung des Geistes."

 

[IVb-01-bel-1791-0467]
"Einige halten dafür, daß der Geist sich eben so begierig vom Fleisch näre, als die Wespen von einer süssen Frucht. Andre hingegen glauben, es sei unter beiden ein beständiges Reitspiel, wobei eines bald das Pferd, bald auch wiederum der Reiter ist. Sie sezzen hin zu, daß wenn das Fleisch der Reiter ist, solches allemal ser grosse Spornen haben, und wenn es hingegen das Pferd ist, überaus hartmäuligt sei." S. 342 - 343.

 

[IVb-01-bel-1791-0468]
"Wie dunkel und russicht sind nicht die Prätendenten des innerlichen Lichts hingegen von aussen? Nicht anders als wie die Laternen; ie grösser das Licht darinnen ist, ie mer Rauch und Dampf geben sie von sich, und ie mer Rus und Schmuz legt sich an die Seiten an." S. 345.

 

[Manuskriptseite 191]

[IVb-01-bel-1791-0469]
"Ihre geistliche Intriguen nemen mit andern einerlei Ausgang, obschon sie sich anders anfangen. Ihre Äste mögen sich immer gegen den Himmel erheben, so blebit doch die Wurzel in der Erde. eine alzu starke Beschaulichkeit ist kein Werk für Fleisch und Blut: sie mus natürlicher weise in kurzer Zeit nachlassen, und wieder zur Materie herunterfallen. Dieienigen, welche einander unter dem Vorwand einer himlischen Gemeinschaft alzuvertraut lieben, sind blos eine neue Art Platoniker, welche in den Augen der Schönen, lauter Himmel und Sterne zu beschauen, vorgeben und behaupten, daß sei auf nichts niedriges sehen oder denken. Aber beiden ist die gleiche Grube bereitet; und sie sind beiderseits ein wares Gegebild der Histerie eines Sternkündigers, der Gedanken und Augen auf das Gestirn geheftet hatte indessen daß ihn seine untern Teile in eine Pfüzze verleiteten." S. 354.

 

[IVb-01-bel-1791-0470]
XXIIII.

 

[IVb-01-bel-1791-0471]
Lebensläufe in aufsteigender Linie nebst Beilagen. A, B, C. Meines Lebenslaufs erster Teil. Berlin bei Christian Friedrich Vos, 1778.

 

[IVb-01-bel-1791-0472]
1) Bemerkungen.

 

[IVb-01-bel-1791-0473]
"Ein Stamvater von Worten diente mir zum Leitfaden bei tausend, zum Nagel im Kleiderschrank, wo man zehnerlei aufhängt." S. 69.

 

[IVb-01-bel-1791-0474]
"Seneka hätte sich die Todesart wälen sollen, im Trauerspiel am fünften Akt zu sterben. Es wäre seinem Leben und seinen Schriften anständiger gewesen." S. 114.

 

[IVb-01-bel-1791-0475]
"Diogenes ist der Wandsbekkerbote in Aten." S. 120.

 

[IVb-01-bel-1791-0476]
"( Ein durch den Arzt erretteter Mensch) ist ein im Reiche der Toden Angeworbener. Wer einen Arzt annimt, hat vom Tode Handgeld genommen. Ärzte sind seine Werber." S. 163 - 164.

 

[IVb-01-bel-1791-0477]
"Professoren sind Körper in der gelerten Welt, die nicht ihr eigen Licht haben, sondern die vielmer ihr Licht gemeinhin von dem Vivat iunge roher Leute erhalten, Körper die alle halbe Iar ihren

 

[Manuskriptseite 192]

Lauf unselig vollenden, Uren die in Ostern und Michael ausgestäubt werden. Professoren sind stehende Wasser, die faul werden. Ich wil es wie ich schon oft getan kürzen, wenn auch der Zusammenhang ein par Grane einbüst. Ein akademischer Lerer mus, wenn er seine Kentnisse gut verzinsen wil, marktschreien, und durch eine Universalpille die Leute an seine Bude lokken." S. 199 - 200.

 

[IVb-01-bel-1791-0478]
"Alle poetischen Übel geben der Liebe Zuwachs. Ein Mädgen, das einen Bräutigam hat, kan unmöglich über den Tod ihrer Mutter anders als dichterisch betrübt sein. Ihr Schmerz ist ein schöner Schmerz. Sie übersetzt den Schmerz, wenn ich so sagen sol, in wolklingende Verse." S. 222.

 

[IVb-01-bel-1791-0479]
"Gib dem Verstande, was des Verstandes, und dem Reim, was des Reimes ist. Dichter probirt man wie Erdenzeug durch's Klingen." S. 304.

 

[IVb-01-bel-1791-0480]
"Wie die Gelerten ihr Auge von der Son nicht wenden, wenn sie verfinstert ist; so zieht auch eine verfinsterte Schönheit die Iugend an. -

 

[IVb-01-bel-1791-0481]
So wie unser Her und Meister mit Zölnern und Sündergesellen zu Tische sas, vermeid' es auch nicht, mit Grosse der Erde umzugehen. Ziele nach diesen Leuten; sonst trift man sie nicht, und fleissige dich, den rechten Flek zu treffen. Bükke dich, allein zerbrich nicht das Bein, sei höflich, allein nicht beschwerlich. Wende dich and die Frau, wenn du an den man ein Gesuch hast. Krieche nicht; denn du hast gesunde Füsse. Bete nicht an güldene Kälber der Erde." S. 307 - 308.

 

[IVb-01-bel-1791-0482]
"Ein böses Gewissen ist ein Ofen, der immer raucht. Ein Gewitter one Regen. es ist Kläger, Richter, und Henker in einer Person." S. 310.

 

[IVb-01-bel-1791-0483]
"Sei allen allerlei, wie eine Zitrone, die man von innen und aussen brauchen kan." S. 311.

 

[IVb-01-bel-1791-0484]
"Ein Geber, der nachdenkt über das, was er geben sol, giebt's nicht von Herzen, sondern vom Verstande." S. 313.

 

[Manuskriptseite 193]

[IVb-01-bel-1791-0485]
"Lerne selbst eh' du lerest, und ame nicht die Ärzte nach, die wie Schneider den Schnit am fremden Tuch lernen." S. 316 -317.

 

[IVb-01-bel-1791-0486]
"Der Arzt ist der Sünde Scharfrichter, er' ihn, denn der Her hat ihn geschaffen, und er trägt das Schwerd nicht umsonst." S. 320.

 

[IVb-01-bel-1791-0487]
"Noch grösser ist's Übel, wenn der Geistliche satyrisch auf der Kanzel sein wil; er verliert als denn den Stachel, wie die Biene, wenn sie sticht." S. 325.

 

[IVb-01-bel-1791-0488]
"In deinen Predigten lere Himmel und Hölle! sei nicht blos Bren= sondern auch Bauholz." S. 325.

 

[IVb-01-bel-1791-0489]
"Falsche Freunde sind Schwalben, die nur des Sommers wegen da sind; Sonnenuren, die brauchbar sind, solange die Sonne scheint." S. 339.

 

[IVb-01-bel-1791-0490]
"Kopernikus schlos den Himmel auf. Es war ein Petrus, zu dem Gottes Stimme erschol: ich wil dir des Himmelreichs Schlüssel geben. - Newton aber war chargé d'affaires des menschlichen Geschlechts, im Himmel und auf Erden und unter der Erden. Licht war sein Blik, und was er machte, das geriet wol. Kepler, ein Haushalter über Gottesgeheimnisse, Siegelbewarer der natur, und Leibniz, ein Kammerher unter ihnen." S. 378 - 379.

 

[IVb-01-bel-1791-0491]
"Ieder Einfal hat die Natur, daß er uns in der Erwartung betrügt; im gemeinen Leben gehört ein Gesicht dazu, Einfälle zu sagen. Es giebt Wiz, der im Anfange nicht auffält, allein in der Folge wird man überrascht, und das ist der regelmässigste, der beste. Er gefält im Nachgeschmak, wir wusten nicht, wohin man uns fürte; allein auf einmal ein schöner Plaz. - Mancher Wiz komt von vorn, mancher von hinten, dieser ist engf englisch, iener französisch. - Wie die Seidenzeuge in England und Frankreich; so auch englsicher und französischer Wiz. - Der Engländer hat Bas= der Franzose Diskantsaiten. Aus einem englischen Gedanken macht der Franzos ein halb Duzzend." S. 386.

 

[Manuskriptseite 194]

[IVb-01-bel-1791-0492]
"Sinnen sind Bauren. sie stehen zwar unter der Obrigkeit, indessen - wenn sie nicht wären? Ich ärgere mich, wenn man die Sinnen wie das liebe Vieh nimt und herabsezt - bald hätt' ich mich verredet und gesagt: sie sind ia auch Menschen." S. 412.

 

[IVb-01-bel-1791-0493]
"Mit der Seltenheit ist's, wie mit dem Magnet, was mit ihm bestrichen wird, zieht auch an. Ein mensch, der viel Seltenheiten gesehen hat, wird auch für selten gehalten." S. 420.

 

[IVb-01-bel-1791-0494]
"Warum sind die Weiber alzumal geizzig? Weil sie selbst nichts erwerben und von Zinsen leben. Iedes Zinsenleben ist vom Geiz begleitet." S. 427.

 

[IVb-01-bel-1791-0495]
"Auf den ersten Gegenschlag komt viel an. Eine Hauptregel beim Kampf. Gib zuerst den guten Wein, und wenn dein Gegner trunken, den geringern." S. 441.

 

[IVb-01-bel-1791-0496]
"Philosophie ist Festung; wo ist aber eine, die unüberwindlich wäre? Die Wissenschaften, sie mögen blos schön oder zugleich gründlich sein, (Kolorit, Geschmak, mus iedes Buch haben, wenn es nicht matematisch ist) sind mit einander verwand. hatten denn die Alten kein Licht in der Weltweisheit? Wo bist du Sonne blieben, singt die christliche Kirche, und meine Frau mit ihr. Die schönen Künste und Wissenschaften sind die Mobilien, die Präsiosa. Die Hände der Not greifen sie zeurst an; allein am Ende verbreitet sich die Tyrannei über alles - dür ist das Lnad, das Volk in Ketten, der Priester des Wüterichs Gevatter - bis ein Herfürer in der Nazion hervorragt, Feur sieht, und nach Schäzzen der Alten gräbt - dan kommen auch tabulae nonfragae der Natur zum Vorschein. -" S. 491.

 

[IVb-01-bel-1791-0497]
Verzeichnis der Bücher.

 

[IVb-01-bel-1791-0498]
I. Shakespear's Schauspiele. Fünfter Band. Seit 1.

 

[IVb-01-bel-1791-0499]
II. Sturz Schriften. Erste Samlung. 5

 

[IVb-01-bel-1791-0500]
III. Shakespear's Schauspiele. Erster Band. 11.

 

[IVb-01-bel-1791-0501]
IIII. Schubert's Originalien. 19.

 

[IVb-01-bel-1791-0502]
V. Wieland's prosaische Schriften. Erster Band. 31.

 

[IVb-01-bel-1791-0503]
VI. Harlekin, von Möser 33.

 

[IVb-01-bel-1791-0504]
VII. Lebensläufe. Dritter Teil. 45.

 

[IVb-01-bel-1791-0505]
VIII. Kleinigkeiten von Lessing. 52.

 

[IVb-01-bel-1791-0506]
VIIII. Young's Klagen p. Erster Band. 63.

 

[IVb-01-bel-1791-0507]
X. Zweiter Band. 72.

 

[IVb-01-bel-1791-0508]
XI. Dritter Band. 81.

 

[IVb-01-bel-1791-0509]
XII. Vierter Band. 82.

 

[IVb-01-bel-1791-0510]
XIII. Fünfter Band. 84.

 

[IVb-01-bel-1791-0511]
XIIII. Religion's= und Sittenschriften, einige Werke v. Young. II T. 115.

 

[IVb-01-bel-1791-0512]
XV. Dritter Band. 118.

 

[IVb-01-bel-1791-0513]
XVI. Pope's Werke. Erster Band. 130.

 

[IVb-01-bel-1791-0514]
XVII. Zweiter Band. 147.

 

[IVb-01-bel-1791-0515]
XVIII. Dritter Band. 150.

 

[IVb-01-bel-1791-0516]
XVIIII. Vierter Band. 152.

 

[IVb-01-bel-1791-0517]
XX. Fünfter Band. 158.

 

[IVb-01-bel-1791-0518]
XXI. Physiognomische Reisen. Zweites Heft. 176.

 

[IVb-01-bel-1791-0519]
XXII. Swift's Schriften. Zweiter Band. 180.

 

[IVb-01-bel-1791-0520]
XXIII. Dritter Band. 186.

 

[IVb-01-bel-1791-0521]
XXIIII. . Erster Teil. 191.XIII. B.33 -39 51 -95 93 -97 156 -159 206 208.

 

[IVb-01-bel-1791-0522]
XII. 1 -46. 152 - 161. 170 -174.