Transkription und digitale
Edition von Jean Pauls Exzerptheften
Vorgelegt von: Sabine Straub,
Monika Vince und Michael Will
unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch
und Barbara Krieger.
Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition
Leitung: Helmut Pfotenhauer
Titelblatt
Exzerpten.
Zweiter Band.
1778.
Verschiedenes,
aus den neuesten
Schriften.
Zweiter Band.
Schwarzenbach
an der Saal, - - .
1778.
Manuskriptseite
1.
Ia-02-1778-0001
I.
Ia-02-1778-0002
Über
die Krankheiten der Gelehrten und die leichteste und sicherste Art sie
abzuhalten und zu heilen von Johann Gottlieb
Akkermann der Arzneigelahrtheit Doktor.
Nürnberg, in der Martin Jakob Lauerischen
Buchhandlung. 1777.
Ia-02-1778-0003
1) Von Ideen.
Ia-02-1778-0004
"Durch die Sinne
bekömt der Mensch Begriffe in seine
Seele, die leer war, da er gebohren wurde. Durch den Anstos des Nervensaftes
werden sie der Seele zugeführt, und nehmen ihren Siz in einem der feinern
Theile des Gehirns, der wohl derjenige sein mus, durch den die Seele wirkt,
nemlich in dem algemeinen Zusammenflus der Sine,
welcher der Siz der Seele ist. Die Weltweisen
haben scharfsinnig geschlossen, daß dieser Theil aus einer unendlichen
Menge von Fasern bestehe, und ausserdem, daß
diese Fasern wegen ihrer Feinheit nicht in die Sinne fallen, und daß uns
selbst der Vereinigungspunkt der Nerven unbekant ist, läst sich wider
diesen Saz nichts erhebliches einwenden. Jede dieser bis ins unendliche
vervielfältigten Fasern scheint einem Bild einer Idee bestimmt zu sein,
welches, wenn es mit einer gewissen Heftigkeit empfangen worden,
einen heftigen Eindruk in die Faser macht, und lange rege bleibt. Nach
und nach vertilget die Zeit, und die Ankunft neuer Ideen die alten, die
der Seele nicht mehr lebhaft sind und die durch die Einbildungskraft,
oder durch ähnliche Begriffe wieder rege, und durch die Aufmerksamkeit
der Seele lebhaft
gemacht werden müssen. Wenn die Seele denkt, wenn sie aufmerkt, urtheilt,
oder die Einbildungskraft anstrengt, so muß
sie würken, und zwar immer durch das Gehirn,
und besonders durch die zärtern Fasern des algemeinen Sammelplazzes der
Sinnen. Ich glaube nicht zu *
irren, wenn ich diese Wirkung unserer Seele auf eine Spannung einschränke,
die bis zum Grad der Erschütterung bei heftigen Arbeiten des Geistes in
die Höhe zu steigen fähig ist. Jede Idee macht
diese
Manuskriptseite
2.
bald lebhafte, bald
minder lebhafte Veränderung in den Hirnfasern, und je stärker sie ist,
je anhaltender die Seele denkt, und aufmerkt, je stärker die Eindrükke
der Begriffe sind, die der Seele zugeführt werden, desto grössere Folgen
müssen nothwendig davon erwartet werden können." Seit.
13. 14.
Ia-02-1778-0005
2) Wie unsere Seele
und unser Leib aneinander gekettet sind.
Ia-02-1778-0006
"Durch die Nerven
wird der Geist an den Körper gebunden, und durch
diese findet die so wunderbare Gemeinschaft des Geistigen mit dem Körperlichen,
des Materiellen mit dem Immateriellen stat. Ihre algemeine Ausbreitung,
ihre beständige Würkung, die Empfindung und
Bewegung hervor zu bringen ist bekant. Auch dieses weis man, daß sie das
Werkzeug der Sinne sind, und daß ohne sie keine Empfindung, und kein Bewustsein
neuer Ideen in der Seele stat finden könne. Von der Art kann ich hier
nicht reden, wie sie würken. Gut genug, daß wir die Erscheinungen am genugthuendsten
erklären können, wenn wir ein flüssiges, höchst feines, halbgeistiges,
äusserst bewegliches Wesen annehmen, durch welches die Seele den Körper
beherscht, und von dem Körper Befehle annimt, und dieses Wesen ist in
den Nerven enthalten. Blos durch ein so beschaffenes Mittelding können
wir die unbeschreiblich kurze Zeit, die zwischen
der Empfindung und dem Bewustsein der Seele stat
findet, und die so plözliche Würkung der Seele auf den Körper erklären.
– " Seit. 18.
Ia-02-1778-0007
3) Die Übung eines
Sinnes macht ihn stark. –
Ia-02-1778-0008
"Unser
Gesicht wird feiner wenn wir unsre Augen üben, und an den andern Sinnen
fühlen wir diese Feinheit nicht, die, weil sie weniger geübt, auch weniger
scharf werden. Ist aber der eine Sin ganz vertilget; so erlangen sehr
oft die andern eine bewundernswürdige Stärke, und es scheint, als wenn
die Natur den Menschen den Verlust des einen Theils, durch eine grössere
Schärfe des andern hätte vergüten wollen. Es hat Blinde gegeben,
Manuskriptseite
3.
die die Farben und
die feinsten Goldmünzen durch das blosse Gefühl
richtig zu unterscheiden wusten, und es ist bekant, daß man dem, den die
Natur mit einem feinen Gehörversehen,
insgemein kein so gutes Gefühl zuschreibt. Kein Werkzeug der Sinne braucht
der Gelehrte stärker und anhaltender, als die Augen, und ihre Kraft ist
meistens durchdringender, als bei andern, die sie weniger nuzzen. – "
Seite 50.
Ia-02-1778-0009
4) Das entzückende
Vergnügen des Morgens! –
Ia-02-1778-0010
"Daher sind wir
des Morgens am geschiktesten zu studieren, deswegen
ist das alte Sprüchwort von dem algemein erquikkenden Einflus
der Morgenröthe noch jezt wahr; deswegen erquikt uns die aufgehende Sonne,
das schönste Schauspiel der Natur so unendlich sehr, und erfült unsere
Sinne mit unaussprechlich grosser Wollust; deswegen ist jedes Thier des
Morgens vergnügt, ausschweifend lustig, neu belebt, froh, und zeigt seine
ausgelassene Freude auf jede Art, die in seinem Vermögen steht. Diese
algemeine Erquikkung des Körpers, und dieser grosse Zuwachs der Kräfte
unserer Seele macht, daß kein Unglüklicher ganz unglüklich ist, und daß
jeder Mensch, auch unter den ungünstigsten Umständen seines Schiksals
des Morgends wenigstens etwas von dem empfindet, was das vorzüglichste
des menschlichen
Lebens ist, von der unbegränzten Fröhlichkeit des Gemüths. Klaudius
sagt, wenn ich des Morgens durch Städte gehe, oder durch Dörfer wandere,
und jedes Geschöpf von Freude erfült sehe, wenn die Schaar von Arbeitern
auf dem Feld einstimmig und aus vollem Herzen muthig singt, Wach
auf mein Herz, und singe dem Schöpfer, und der Landman unbesorgt
fü vor dem Unglük, welches ihn
den Tag hindurch erwartet, froh an seine Arbeit geht, und seinem Gott
dankt, so empfind‘ ich etwas unaussprechlich vergnügendes in meiner Seele,
und mus mitsingen. – Mit dem innigsten Vergnügen meiner Seele hab‘ ich
oft das nemliche gesehen, und diese Scene des
wieder thätig werdenden menschlichen Lebens ist so fürtreflich, daß man
ihr gewis nie sat wird. –" Seite
126. 127.
Manuskriptseite
4.
Ia-02-1778-0011
II.
Ia-02-1778-0012
Franz
Hutchesons, der Rechte Doktors und der Weltweisheit Professors
zu Glasgow, Untersuchung unserer Begriffe von Schönheit und Tugend in
zwo Abhandlungen. I. Von Schönheit,
Ordnung, Übereinstimmung und Absicht. II. Von
dem moralischen Guten und Übel. Aus dem Englischen übersetzt.
Frankfurt und Leipzig
, in der Fleischerischen Buchhandlung, 1762.
Ia-02-1778-0013
1.) Was Empfindung
genennet wird. -
Ia-02-1778-0014
"Diejenigen Ideen,
die in der Seele durch die Gegenwart äusserlicher Gegenstände und ihre
Wirkung auf unsern Körper hervorgebracht werden, heissenEmpfindungen. Wir finden, daß die Seele in solchen
Fällen sich leidend verhält, und nicht die Kraft hat, die Vorstellung
gerade zu zu verhüten; oder sie bei ihrer Empfängnis zu verändern, so
lange wir Körper behalten, die durch äusserliche Gegenstände gerühret
werden können. – " Seit.
3. 4.
Ia-02-1778-0015
2) Die Verschiedenheit
der Sinne.
Ia-02-1778-0016
"Wenn zwei Vorstellungen
gänzlich von einander unterschieden
sind, oder in nichts weiter als in der gemeinen Idee der Empfindung
übereinstimmen, so nennen wir die Kräfte, diese verschiednen Vorstellungen
zu empfinden, verschiedene Sinne. So bedeutet
Sehen und Hören die verschiedenen
Kräfte, die Ideen von Farben und Tönen zu empfinden. Und
ob gleich die Farben, so wie die Töne, unter einander sehr
verschieden sind, so ist doch eine grössere Übereinstimmung
Manuskriptseite
5.
unter den widerwärtigsten
Farben, denn zwischen einer Farbe und einem Ton
. Daher nennen wir alle Farben Vorstellungen eines und eben desselben
Sinnes. Alle die verschiedenen Sinne scheinen ihre besondre Werkzeuge
zu haben, ausser das Fühlen, das in gewissem Grade
über den ganzen Körper verbreitet ist." Seite 4.
Ia-02-1778-0017
3.) Wie die Seele
wirket.
Ia-02-1778-0018
"Die Seele hat eine
Kraft, Ideen, die sie von einander abgesondert
empfangen hat, zusammen zu sezzen, Gegenstände
durch Hülfe andrer Ideen zu vergleichen, und ihre
Beziehungen und Verhältnisse
zu beobachten, ihre Ideen nach Belieben, oder
bis auf einen gewissen GradGrad
zu erweitern und zu
verringern, und jede von den einfachen Ideen,
die in der Empfindung mit einander verbunden
waren, besonders zu betrachten. Dieses leztere
Verfahren nennen wir gemeiniglich die Abstraktion
oder Absonderung der Begriffe." Seite 4. 5.
Ia-02-1778-0019
4) Die Begriffe
von körperlichen Substanzen.
Ia-02-1778-0020
"Die Begriffe von
körperlichen Substanzen sind aus den verschiedenen
einfachen Begriffen, die zusammen genommen auf die Seele, da sie sich
unsren Sinnen vorstelten, gewirket haben, zusammen
gesezt. Denn wir erklären die Substanz einzig und allein dadurch, daß
wir diese sinlichen Ideen herrechnen. Und solche Erklärungen können in
der Seele desjenigen, der niemals die Substanz unmittelbar
empfunden hat, einen satsam klaren Begrif von ihr hervorbringen; wenn
er nur durch seine Sinnen alle die einfachen Ideen besonders empfangen
hat, die in der Zusammensezzung derer verbundenen Begriffe von der erklärten
Substanz enthalten sind. Wären hier aber einige einfache Begriffe,
die er nicht vorher empfangen hat, oder fehlet ihm einer von den Sinnen,
die zu ihrer Vorstellung nothwendig sind; so kan auch keine Bestimmung
einen einfachen
Manuskriptseite
6.
Begrif hervorbringen,
der nicht vorher durch die Sinnen ist vorstellig
gemacht worden." Seit. 5.
Ia-02-1778-0021
5) Vergnügen und
Schmerz.
Ia-02-1778-0022
"Von unsern sinlichen
Vorstellungen sind viele unmittelbar angenehm, und viele unangenehm, und
zwar ohne daß wir eine Ursache dieses Vergnügens oder Schmerzes
erkennen, ohne daß wir wissen, wie die Gegenstände es erregen, oder die
Veranlassung dazu ist sind, ohne daß wir den
künftigen Nuzzen oder Schaden sehen, wozu der Genus dieses Gegenstandes
könte abzielen. Ja auch die volständigste Erkentnis
dieser Dinge würden weder das Vergnügen noch den Schmerz der Vorstellung
verändern, ob sie gleich ein vernünftiges Vergnügen verschaffen könnte,
das von dem sinlichen verschieden ist, oder eine deutliche Freude aus
dem Vorhersehen eines Vortheils bei dem Gegenstande, oder einen
Abscheu aus der Besorgung eines Übels zu erregen
im Stande wäre." Seit. 6.
Ia-02-1778-0023
6) Das Gefühl von
Schönheit ist von dem Vorhersehen eines Vortheils
verschieden, und geht vor diesem vorher.
Ia-02-1778-0024
"Hieraus folget
klar; daß manche Gegenstände unmittelbarer Weise
die Veranlassung zu diesem Vergnügen an der Schönheit sind, daß wir Sinnen
haben, die geschikt sind, dieses Vergnügen zu empfinden, und daß es sich
von derjenigen Freude unterscheidet, die
aus dem Vorhersehen eines Vortheils entspringet. Sehen wir nicht, daß
oft Nuzzen und Schiklichkeit vernachlässiget wird, um die Schönheit zu
erhalten, ohne ein anderes Vorhersehen eines Vortheils bei der schönen
Gestalt des Dinges, als desjenigen, der aus der Hervorbringung der angenehmen
Ideen von Schönheit entstehet? Dieses zeiget uns nun, daß, ob wir gleich
aus Eigenliebe schöne Gegenstände verlangen können, in der Absicht, die
Vergnügungen der Schönheit in der Baukunst, Gartenwesen und andern Dingen
zu enthalten, doch im Gefühl der Schönheit vor
dem Vorhersehen dieses Vortheils mus vorgegangen
sein, ohne welches Gefühl diese Gegenstände
uns nicht so vortheilhaft sein, noch das Vergnügen
in uns erwekken würden, das sie nun so vortheilhaft
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7.
machet. Unser Gefühl
der Schönheit, durch die sie uns so vortheilhaft und gut bestimmet werden,
ist sehr von dem Verlangen nach demselben verschieden,
das alsdenn entstehet, wenn sie für uns auf diese Weise bestimmet sind.
Das Verlangen nach der Schönheit kann durch Belohnungen oder Drohungen
unterdrükt werden, aber niemals das Gefühl derselben.
Die Furcht des Todes kan machen, daß wir nach einem bittern Tranke verlangen,
und diejenigen Speisen verlassen, die uns das Gefühl des Geschmaks als
angenehm empfehlen würde: aber nie wird sie im Stande sein zu verursachen,
daß dieser Trank den Sinnen angenehm, oder die Speise unangenehm sei,
die es vorhero ohne diese Absicht nicht waren. Eben dieses ist von dem
Gefühl der Schönheit und Übereinstimmung wahr: denn daß wir öfters dergleichen
Gegenstände nicht lieben, entweder aus dem Vorhersehen eines Nuzzens,
aus Verabscheuung der Arbeit, oder einem andern Bewegungsgrunde des Eigennuzzes,
dieses beweiset nicht, daß wir kein Gefühl der Schönheit haben; sondern
daß das Verlangen nach derselben durch ein stärkeres Verlangen unterdrükt
wird. – Hätten wir dieses Gefühl der Schönheit nicht, so würden Häuser,
Gärten, Kleidung, Hausrath, u. d. g. als schiklich, nüzlich, warm, und
bequem: allein niemals als schön sich uns empfehlen:
und doch ist nichts gewisser, als daß alle diese Gegenstände bei vielen
Gelegenheiten sich uns aus gänzlich verschiednen Absichten
empfehlen. Was uns in einer Gesichtsbildung hauptsächlich gefält, dies
sind die Anzeigen von moralischen Fähigkeiten. Allein wären wir auch durch
die längste Erfahrung volkommen von den besten
moralischen Fähigkeiten einer Person überzeuget, deren Gesichtsbildung
wir für häslich halten, so würde dieses doch nicht verhindern, daß uns
ihre Gestalt nicht solte unmittelbarer Weise misfallen, oder daß uns andre
Gestalten nicht sollten besser gefallen. Gewohnheit, Erziehung oder Beispiele
werden niemals solche Empfindungen in uns hervor bringen, die von denjenigen
verschieden wären, die uns die Sinne vorhin verschaffeten, oder uns Gegenstände
unter einem andern Begriffe, als daß sie den Sinnen
angenehm seien, empfehlen. – " Seit. 15. 16. 17.
Von
Manuskriptseite
8.
Ia-02-1778-0025
7) Was Schönheit
ist.
Ia-02-1778-0026
"Aber bei allen
diesen Beispielen von der Schönheit
müssen wir noch anmerken, daß das Vergnügen
auch denjenigen mitgetheilet ist, die niemals über diese algemeine Grundursache
nachgedacht haben; und daß alles, was wir bishero
angeführet haben, allein darinnen besteht, daß die angenehme
Empfindung einzig und allein aus denen Gegenständen entspringet, in welchen
Einförmigkeit mit Mannigfaltigkeit verbunden ist. Denn wir können
die Empfindung haben, ohne zu wissen, was die Ursache davon ist; wie der
Geschmak eines Menschen die Ideen von süsse, sauer, bitter erzeugen kan,
ob er gleich von den Gestalten der kleinen Körperchen oder ihren Bewegungen
nichts weis, die diese Vorstellungen in ihm hervorgebracht haben. –" Seit.
32.
Ia-02-1778-0027
8) Innerliches Gefühl
ist nicht eine unmittelbare Quelle des Schmerzens.
Ia-02-1778-0028
"Wir erinnerten
oben, daß alle Schönheit eine Beziehung auf eine
empfindende Kraft hat; und weil wir nicht wissen,
wie gros die Mannigfaltigkeit des Gefühls unter
den Thieren ist, so ist keine Gestalt in der Natur, von der wir insbesondere
sagen könten, daß sie keine Schönheit hätte, denn es kann noch eine empfindende
Kraft geben, der sie gefält. Allein unsre
Untersuchung ist blos auf die Menschen eingeschränkt;
und ehe wir die Algemeinheit des Gefühls
der Schönheit oder ihre übereinstimmende Liebe zur Einförmigkeit
beweisen; so wird es nöthig sein zu betrachten: "ob dieses Gefühl der
Schönheit, so wie andre Sinne, uns Vergnügen
und Schmerzen verursache, und uns einige Gegenstände
unangenehm mache, und Veranlassung zum Schmerz
gebe." – Daß viele Gegenstände unserm Gefühl
nicht angenehm sind, dies ist bekant, denn viele haben gewislich gar keine
Schönheit: aber als denn giebt es keine Gestalt, welche an und
für sich nothwendiger Weise unangenehm scheinet, wenn wir kein andres
Übel von ihr befürchten, und sie mit nichts besserm von der Art vergleichen.
Viele Gegenstände sind von Natur unsern äusserlichen
Sinnen unangenehm, und andre
Manuskriptseite
9.
angenehm; so wie
viele Arten von Gefühl, Geruch
oder viele einzelne Töne. Allein bei unserm Gefühl
des Schönen scheint eine Zusammensezzung von Gegenständen, die
keine unangenehme einfache Idee geben, nicht
an und vor sich unangenehm und verdrüslich, wenn wir niemals etwas bessers
von der Art wahrgenommen hätten. Häslichkeit ist
blos eine Abwesenheit, oder ein Mangel der Schönheit,
die wir bei einer Gattung
erwartet hatten. Daher gefält Bauern nur schlechte
Musik, die niemals eine bessere gehöret haben, und das feinste
Ohr wird durch das Getön von Instrumenten, wenn es nicht dabei ekelhaft
ist, nicht beleidiget, wo es keine Harmonie erwartet hatte; und doch wird
ein weit geringerer Übelklang es unter der Aufführung einer Musik beleidigen,
wo Harmonie erwartet wurde. Ein roher Haufen von Steinen
wird denjenigen nicht beleidigen, der einen Misfallen an Unregelmässigkeit
in der Baukunst findet, wo Schönheit zu erwarten
war. Und hätte es eine Gattung von derjenigen Gestalt
gegeben, die wir nunmehr häslichnennen,
und hätten wir nie eine grössere Schönheit
gesehen oder erwartet, so würden wir keinen Misfallen an ihr gefunden
haben, obgleich das Vergnügen bei dieser Gestalt nicht so gros gewesen
sein würde, als bei denjenigen, die wir nunmehro
bewundern. Unser Gefühl der Schönheit
scheint die Absicht zu haben, uns ein eigentliches Vergnügen, aber kein
eigentliches Misvergnügen zu verursachen, ausser dasjenige, das aus einem
Betruge oder einer fehlgeschlagenen Hofnung entstehet. –" Seit.
75. 76. 77.
Ia-02-1778-0029
9) Wohlgefallen
und Misfallen entsteht aus der Vergeselschaftung der Begriffe.
Ia-02-1778-0030
"Es giebt in der
That viele Gestalten, die bei dem ersten Anblikke
scheinen gemacht zu sein, unsern Misfalen zu erregen, aber dies kömt gemeiniglich
nicht von einer Häslichkeit her, die an und
vor sich selbst eigentlich unangenehm wäre, sondern entweder von dem Mangel
einer erwarteten Schönheit, oder vielmehr daher,
weil sie verschiedene natürliche Anzeigen von
moralischen Übeln Gemüthsbeschaffenheiten bei
sich
Manuskriptseite
10.
führen, die ein
jeder in der Gesichtsbildung, Mienen und Gebärden
leicht entdeckken lernet. Daß dies nicht durch eine an und für sich unangenehme
Gestalt verursachet wird, erhellet daraus, daß, wenn wir durch eine lange
Erfahrung versichert werden, einesanfte Gemüthsart, Leutseeligkeit
und Munterkeit bei einer Person zu finden, ihre
Gestalt uns kein Misfallen mehr erwekket, ob gleich der Körper immer eben
derselbe bleibt. Da hingegen, wenn uns etwas von Natur unangenehm
wäre, und eigentliches Misfallen erregte, es immer fortfahren würde, unangenehm
zu sein, ob gleich der Abscheu gegen dasselbe durch andre Betrachtungen
könte überwogen werden. Es giebt eine Art von Abscheu gegen gewisse Gegenstände,
die einzig und allein die Wirkung unsrer Furcht
für uns selbst, oder des Mitleidens für andre
ist, wenn entweder Vernunft, oder andre vergeselschaftete
Ideen uns eine Gefahr befürchten lassen, die aber nicht aus dem Besondern,
was die Gestalt an sich hat, entspringet. Denn wir finden, daß viele von
diesen Gegenständen, die bei dem ersten Anblikke Schrekken erregen, wenn
Erfahrung und Vernunft diese Furcht verbannet hat, Veranlassungen zum
Vergnügen werden; so wie ein Raubthier, eine ungestüme
See, ein steiler Abgrund, oder ein finsteres
schattichtes Thal.
Ia-02-1778-0031
Wir werden auch
künftig sehen, daß vergeselschaftete Ideen uns
Gegenstände angenehm und ergözzend machen können. Die von Natur nicht
fähig sind, solches Vergnügen zu verschaffen, und daß auf gleiche Art
zufällige Verbindungen von
Ideen einen Misfallen an der Sache erregen können, wo die Gestalt
an und für sich nicht unangenehm ist. Dies ist die Ursache von dem närrischen
Abscheu für Figuren von verschiedenen Thieren und vielen andern Gestalten.
So werden Schweine, Schlangen von allen Arten,
und viele Insekten , die wirklich schön genug
sind, mit Abscheu von vielen Personen angesehen,
die einige zufällige mit ihnen
vergeselschaftete Ideen angenommen haben. Und wegen des Misfallens
von dieser Art, kan man keinen andern Grund angeben. –" Seit.
77. 78. 79.
Manuskriptseite
11.
Ia-02-1778-0032
10) Algemeinheit
des Gefühls von Schönheit.
Ia-02-1778-0033
"Aber bei der algemeinen
Übereinstimmung der Menschen in ihrem Gefühl
der Schönheit, die aus der Einförmigkeit und Mannigfaltigkeit
entspringet, müssen wir die Erfahrung zu Rathe ziehen: und da wir allen
Menschen Vernunft zugestehen, weil alle Menschen im Stande sind einfache
Säzze zu verstehen, obgleich wenige zusammengesezte Beweise begreifen
können; so wird es um die Algemeinheit dieses
Gefühls zu beweisen, genug sein, "wenn alle Menschen
in den einfachern Fällen mehr durch die Einförmigkeit
als durch das Gegentheil vergnügt werden, wenn auch kein Vortheil dabei
für sie bemerkt wird; und eben so, wenn alle Menschen, nachdem sich ihre
Fähigkeit erweitert, zusammengesezte Ideen zu
begreifen, und zu vergleichen, ein grösseres Ergözzen
an der Einförmigkeit
haben, und durch ihre zusammengeseztere Arten sowohl die ursprüngliche
als relative vergnüget werden."
Ia-02-1778-0034
Nun wollen wir sehen,
ob jemals eine Person bei denen einfacheren
Fällen gänzlich leer von diesem Gefühl war. In
den einfachsten Fällen der Harmonie sind wenig
Versuche gemacht worden, weil wir uns nicht weiter Mühe darum geben, so
bald wir finden, daß das Ohr einer Person weitläuftige Kompositionen zu
empfinden unfähig ist. Allein, was die Figuren
anlanget, hat wohl da jemals einer einenTrapezium
oder eine irreguläre krumme Linie
zu dem Grundrisse seines Hauses gewählet, wenn
es nicht aus Nothwendigkeit,
oder aus Absicht eines besondern Nuzzens geschehen ist? oder hat wohl
jemand die gegen einander überstehenden Wände nicht parallel,
oder in der Höhe ungleich gemacht? Wählte
man jemals Trapezien oder irreguläre
Vierekke und krumme Linien für die Gestalt der Thüren
und Fenster, obgleich diese Figuren zu dem Gebrauche
eben so gut gewesen wären, und öfter einen grossen Theil Zeit, Mühe und
Unkosten denen Arbeitern würden ersparet haben,
die man nun anwenden mus, um die Steine und das Bauholz
nach den regulären
Manuskriptseite
12.
Gestalten zuzurichten.
Unter allen ausschweifenden Moden in der Kleidung
war doch keine, die ganz und gar von Einförmigkeit
leer gewesen wäre, wenn sie auch nur in der Ähnlichkeit
der zweien Seiten eines Kleides,
oder in einer gewissen algemeinen
Einrichtung nach der menschlichen Gestalt, bestanden hätte. Das
piktische Schminken hat allezeit eine relative
Schönheit, durch die Ähnlichkeit mit andern Gegenständen, und diese
Gegenstände waren ursprünglich
schön: ob wir gleich mit Recht hier Horazens
Tadel wegen der unschiklichen Beschreibungen in der Poesie anwenden könten:
Sed non erat his locus.
Ia-02-1778-0035
Allein niemals waren
einige so ausschweifend, solche Figuren zu lieben, als durch das ohngefähre
Verschütten flüssiger Farben entstehen. Wer vergnügte sich wohl
jemals an einer ungleichen Höhe der Fenster in
einer Reihe, oder an ungleichförmigen Gestalten derselben?
an ungleichen Füssen, Armen, Augen oder Wangen
einer Geliebten? Dem ohngeachtet mus man bekennen,
"daß der "Nuzzen öfters bei dieser Sache so wohl, als bei andern unser
Gefühl der Schönheit überwiegen kan, und höhere
gute Eigenschaften uns solche Unvolkommenheiten zu übersehen bereden.
– Seit. 79. 80. 81.
Ia-02-1778-0036
11) Überal ist Schönheit!
Ia-02-1778-0037
Dasjenige, was oben
ist gesagt worden, wird auch unten bestätiget werden, "wenn wir bei dieser
Untersuchung von der Algemeinheit des Gefühls der Schönheit
eingedenk sind, daß auch da die Schönheit wirklich
sein kan, wo sie nicht die grösseste ist; und
daß es eine unendliche Menge von verschiedenen Gestalten gebe, die alle
eben dieselbeEinheit
haben; und doch alle von einander verschieden sind." So können Personen
verschiedene Einbildungen von der Schönheit ha
Manuskriptseite
13.
ben, und doch kan
die Einförmigkeit die algemeine
Grundursache sein, warum wir eine jede Gestalt als schön
lieben. Und wir werden finden, daß dieses bei der Baukunst,
dem Gartenwesen, der Kleidung,
der Equipage, dem Hausgeräthe,
auch unter den ungesittesten Völkern stat findet; wo die Einförmigkeit
immer gefält, ohne einigen andern Vortheil,
als dem Vergnügen, sie zu betrachten." Seit. 83. 84.
Ia-02-1778-0038
12) Ein inneres
Gefühl sezt angebohrne Ideen nicht zum voraus.
Ia-02-1778-0039
"Hier wollen wir
einmal für allemal merken: daß ein inneres Gefühl
so wenig eine angebohrne Idee oder Erkentnisgrund
voraussezzet, als das äussere. Beide sind natürliche
Empfindungsvermögen oder Bestimmungen der Seele,
*...* nothwendiger
Weise gewisse Begriffe bei der Gegenwart gewisser
Gegenstände zu empfangen. Das innere Gefühl ist ein leidendes
Vermögen, Ideen der Schönheit aus allen den Gegenständen zu empfangen,
worinnen Einförmigkeit mit Mannigfaltigkeit verbunden ist. Nichts
scheint bei dieser Materie schwerer, als daß die Seele allezeit solte
bestimt sein, die Ideen von Süsse
zu empfangen, wenn Theilchen von einer solchen Gestalt
in die P*...* Poren
der Zunge dringen, und daß sie die Ideen eines Schalles
allezeit bei einer schnellen Bewegung der Luft solte haben. Das erste
scheint so wenig mit seinen Ideen Verbindung zu haben, als das andre,
und einerlei Vermögen solte wohl eben so leichte
das erstere als das leztere zur Veranlassung der Ideen bestimmen können."
Seit. 85.86.
Ia-02-1778-0040
13) Belieben und
Misfallen sind von den Begriffen der Schönheit verschieden.
Ia-02-1778-0041
"Und dies (die Vergeselschaftung
der Begriffe) ist öfters die Ursache so wohl eines grossen Vergnügens
als Misvergnügens, eines Gefallens oder Abscheues
an Gegenständen, die
Manuskriptseite
14.
an und für sich
uns volkommen gleichgültig hätten sein können. Allein, dieses Belieben
oder Misfallen ist weit von Begriffen der Schönheit
entfernt, die gänzlich verschiedne Begriffe
sind. – " Seit. 87. 88.
Ia-02-1778-0042
14) Das innere Gefühl
von Schönheit komt nicht von der Gewohnheit.
Ia-02-1778-0043
"Die Gewohnheit
von denen zweien übrigen unterschieden, wirkt auf folgende Weise. Bei
den Handlungen giebt sie der Seele oder dem Körper nur eine Fähigkeit,
diejenigen Handlungen leichter zu verrichten, die oft sind wiederholet
worden, allein niemals beweget sie uns, sie unter einem andern Gesichtspunkte
zu fassen , als wie sie fähig waren von Anfange
zu fassen; viel weniger giebt sie uns ein neues
Empfindungsvermögen für dieselben. Wir sind von Natur fähig, Begriffe
von Furcht und Schrekken
bei der Gegenwart eines mächtigen
Wesens zu haben; und daher kann die Gewohnheit die Ideen von
heiligem Schrekken mit gewissen Gebäuden verbinden:
Allein, niemals hat die Gewohnheit verursachet, daß ein Wesen,
das der Furcht unfähig war, solche Begriffe bekommen
hätte. Wenn wir kein andres Vermögen hätten zu empfinden, oder uns Begriffe
von Handlungen zu bilden, als in so fern sie uns nüzlich
oder schädlich wären, so könte uns die Gewohnheit
nicht weiter als geschikter gemacht haben, den Nuzzen oder Schaden der
Handlungen einzusehen: Allein, dieses gehöret nicht zu unserm gegenwärtigen
Vorhaben.
Ia-02-1778-0044
Wir wollen nun zu
der Materie von unserm Belieben oder Ergözzen **
an äussern Gegenständen fortgehen. Wenn das
Blutoder die Lebensgeister,
von welchen die Zergliederer reden, bewegt, belebt,
oder auf eine angenehme Art durch Nahrung oder Arznei,
wie sie es nennen, in Gährung gebracht worden; oder einige Drüsen
häufig zu einer Absonderung gereizet werden; so ist es gewis, daß
Manuskriptseite
15.
wir, um den Körper
ruhig zu erhalten, an Gegenständen des Gefühls ein Vergnügen haben, die
uns an und für sich nicht unmittelbar angenehm sind, wenn sie nur den
angenehmen Zustand befördern, an welchen der Körper gewohnt* war. Ferner kan
Gewohnheit den Zustand des Körpers so verändern,
daß das, was zuerst unruhige Empfindungen erregte, nun aufhöret sie zu
erregen, oder eine andre angenehme Idee des nämlichen Sinnes erreget;
allein Gewohnheit kann uns niemals einen Begrif
eines Sinnes geben, der von demjenigen verschieden wäre, d**
den wir vorher hatten. Sie wird niemals machen, daß der Blinde
Gegenstände wegen ihrer Farbe liebet, oder daß
diejenigen, die niemals einen Geschmak hatten, Speise als köstlich
rühmen, ob sie dieselben gleich als stärkend oder ermunternd
rühmen können. Hätten unsre Drüsen oder ihre anliegende
Theile kein Gefühl, empfänden wir *...*
kein Vergnügen aus gewissen lebhaftern Bewegungen in unserm Blute, so
würde die Gewohnheit uns niemals reizende oder dummachende Arzneien angenehm
m* machen, wenn
sie unserm Gefühl nicht vorher angenehm wären. Hätten wir kein natürliches
Gefühl der Schönheit aus der Einförmigkeit; so hätte die Gewohnheit
niemals zuwege bringen können, daß wir uns eine Schönheit
bei gewissen Gegenständen vorgestellet hätten; hätten wir kein Gehör,
so hätte uns niemals die Gewohnheit das Vergnügen
bei Harmonien geben können. Da wir diese natürliche
Sinnen zum voraus haben; so kan die Gewohnheit
uns fähig machen, unsre Einsichten zu erweitern und zusammengeseztere
Begriffe von der Schönheit bei Körpern, oder der
Harmonie bei Tönen zu erhalten, indem sie unsre
Aufmerksamkeit vermehret, und unsre Vorstellung lebhafter machet. Allein,
obgleich die Gewohnheit uns fertiger machen kan,
zusammengesezte Ideen zu fassen und mit einander zu vergleichen; so scheint
sie doch die Begriffe
Manuskriptseite
16
von Schönheit
oder die Eindrükke von regelmässigen Gegenständen mehr zu schwächen, als
zu stärken. Denn wie wäre es sonst möglich daß
jemand bei einem schönen Sommertage, oder an einem heitern Abend in die
Luft gehen könte, oder solche
erstaunende Entzükkungen zu fühlen, als worinnen uns Milton
unsern erster Stamvater kurz nach seiner Schöpfung vorstellet. Denn jederman
würde bei der ersten Vorstellung einer solchen Scene gewislich in eben
diese Entzükkungen fallen. Die Gewohnheit kan
auf gleiche Weise Art machen, daß eine Person
den Gebrauch einer zusammengesezten Maschine leichter begreifet, und sie
als vortheilhaftliebt;
allein niemals würde sie dieselbe als für schön
gehalten haben; hätte sie kein natürliches Gefühl
der Schönheit. Die Gewohnheit kan machen, daß
wir die Wahrheit der *
zusammengesezten Lehrsäzze schneller begreifen:
allein *ir wir finden,
daß das Vergnügen oder die SchSchönheit
der Lehrsäzze von Anfang eben so stark ist, als jemals. Die Gewohnheit
kan uns weniger fähiger machen, zusammmengesezte
Ideen zu behalten und zu vergleichen, so daß wir die zusammengesezte Einförmigkeit,
die der der Betrachtung der Anfänger in einer
Wissenschaft entgehet, besser einsehen; allein alles dieses sezt ein natürliches
Gefühl der Schönheit in der Einförmigkeit voraus: denn wäre nichts
in der Gestalt gewesen, das als eine nothwendige Ursache des Vergnügens
für unsere Sinnen bestimt wäre; so wü würde die
Wiederholung von *
andern gleichgültigen, und nicht zur Schönheit
und Häslichkeit gehörigen Ideen niemals gemacht
haben, daß sie uns angenehm oder unangenehm geworden wären. ? ?" Seit.
90. 91. 92. 93.
Manuskriptseite
17.
Ia-02-1778-0045
15) Auch die Erziehung
giebt uns das innere Gefühl von Schönheit nicht.
Ia-02-1778-0046
"Die Wirkung der
Erziehung ist diese: Wir bekommen durch sie manche
beschauliche Meinungen, die öfters wahr und öfters falsch sind, und sie
lehret uns oft glauben, daß Gegenstände von Natur geschikt sind, Vergnügen
oder Schmerz in unsern äusserlichen Sinnen zu verursachen, die in der
That solche Beschaffenheiten nicht haben. Ferner nehmen wir in der Erziehung
solche starke vergeselschaftete Begriffe ohne
einigen Grund an, zuweilen durch einen blossen Zufal, zuweilen mit Vorsaz,
die hernach schwer zu verbannen sind. Auf diese Art entstehet die Abscheu
gegen Dunkelheit, gegen verschiedene Arten von
Speisen, und gewisse unschuldige Handlungen;
und hingegen entstehet wieder ein Belieben an andern Gegenständen
auch ohne allen Grund. Allein bei allen diesen Fällen macht doch die Erziehung
niemals, daß wir Beschaffenheiten bei Gegeständen wahrnehmen, die
wir von Natur nicht zu empfinden fähig wären. Wir wissen, was ein schwacher
Magen ist, und können ohne Grund glauben, daß die gesundesten Speisen
Schuld daran sind. Wir bekommen durch unser Gesicht und unsern Geruch
unangenehme Ideen von dem Futter und den Ställen
der Schweine, und können vielleicht die Erinnerung dieser Ideen bei Tische
nicht verhüten: allein niemals war ein Blindgebohrner
gegen einen Gegenstand eingenommen, weil er unangenehme Farben hatte,
oder liebte hingegen einen Gegenstand, wegen seiner schönen Farbe; er
kan vielleicht andre eine Farbe schelten hören, und kan sich vorstellen,
daß diese Farbe eine ganz verschiedene Beschaffenheit für die andern Sinnen
sei: allein dieses ist auch alles. Auf gleiche
Art würde jemand, der keinen Geschmak hätte, niemals
durch die Erziehung die Ideen vom Geschmak erhalten,
oder für gewisse Speisen wegen ihrer Köstlichkeit eingenommen werden.
Hätten wir kein natürliches Gefühl der
Manuskriptseite
18.
Schönheit
und Übereinstimmung, wir würden niemals für gewisse
Gegenstände oder Töne, in so fern sie schön oder
übereinstimmend wären,
eingenommen werden. Die Erziehung kan machen, daß ein unachtsamer Gothe
glaubet, seine Landsleute hätten die höchste
Volkommenheit in der Baukunst erreichet; und eine
Abneigung gegen ihre Feinde die Römer kan gewisse
unangenehme Ideen auch selbst mit ihren Gebäuden verbunden und sie zu
ihrer Zerstörung angetrieben haben: allein er
hätte niemals diese Vorurtheile empfangen bekommen,
wenn er ganz und gar kein Gefühl der Schönheit
gehabt hätte. Stritte wohl jemals ein Blinder,
ob Purpur oder Scharlach
die feinste Farbe wäre? oder konte ihn die Erziehung
für eine von beiden, in sofern sie Farben sind,
einnehmen? Erziehung
und Gewohnheit kan daher auf unsre innere Sinnen
einen Einflus haben, wo sie nämlich schon zum voraus da sind, indem sie
die Fähigkeit unsrer Seele erweitert, die Theile von einem weitläuftigen
Ganzen zu behalten und zu vergleichen: und denn, wenn die feinsten Gegenstände
uns vorgestelt werden, sind wir uns eines weit höhern Vergnügens bewust,
als dasjenige ist, das gemeine Arbeiten bei uns erwekken. Allein alles
dieses sezt voraus, daß unser Gefühl der Schönheit
natürlich sei. Unterweisung in der Zergliederungskunst,
Beobachtungen der Natur, und dererjenigen Minen
in den Gesichtsbildungen und Stellungen des Körpers, welche eine Gesinnung,
Handlung oder Leidenschaft
begleiten, kan uns geschikt machen, zu urtheilen, was eine richtige Nachahmung
ist: aber wenn wir kein natürliches Gefühl der Schönheit
hätten, warum solte uns diese genaue Nachahmung
mehr gefallen, als die Betrachtung der Lage von funfzig oder hundert Steinen,
die von ohngefähr zusammen gekommen sind? Und wenn wir sie auch noch so
oft betrachten, so solten wir uns niemals träumen lassen, daß
sie schön wären. – " Seit.93. 94. 95. 96.
Manuskriptseite
19.
Ia-02-1778-0047
16) Beispiele sind
nicht die Ursachen des innern Gefühls.
Ia-02-1778-0048
"Die Beispiele
scheinen auf folgende Art zu wirken. Wir sind uns bewust, daß wir aus
Vergnügen oder einem Privatnuzzen
handeln; und deswegen glauben wir, daß es andre auch thun. Hieraus schliessen
wir: Es mus eine gewisse Volkommenheit in denen
Gegenständen sein, nach welchen sich andre Menschen bestreben;
und ein Übel in denjenigen, die wir sie beständig
meiden sehen. Oder, das Beispiel andrer kan uns stat so vieler Proben
dienen, um die Befürchtung eines Übels bei denjenigen
Gegenständen zu verbannen, für welche wir eine Abneigung hatten. Allein
dies alles geschieht, nachdem wir Eigenschaften bemerkt haben, die durch
unsre Sinnen konten empfunden werden; denn nie wird einBeispiel einen Blinden
oder Tauben bewegen, Gegenstände zu lieben, weil
sie gefärbt oder wohlklingend
sind, und wie würde ein Beispiel uns verleiten, gewisse Gegenstände als
schön und übereinstimmend zu lieben, wen wenn
wir kein natürliches Gefühl der Schönheit
und Übereinstimmung hätten. Das Beispiel
kan machen, daß wir ohne Untersuchung schliessen; unsre Landsleute hätten
den höchsten Grad der Schönheit in ihren Arbeiten
erreichet, und wenige Schönheit hersche in den
Werken der Baukunst und Malerei
bei andern Nationen, und daß wir uns auf diese Art mit sehr unvolkommenen
Gestalten benügen. Die Furcht der Verachtung, als ein
Man ohne Genie und Geschmak angesehen zu werden,
macht, daß wir uns öfters mit dem alg
algemeinen Lobe , das man den Arbeiten derer berühmtesten Künstler unsers
Vaterlandes ertheilet, vereinigen, und hält diejenigen zurük, die von
Natur einen schönen Geist und ihr innerliches
Gefühl geschärft haben, daß sie sich nicht bemühen, den höchsten
Grad der Volkommenheit zu erreichen; sie *...*
macht, daß Leute von schlechtem
Geschmak auf eine lebhaftere Empfindung der Schönheit,
als sie wirklich haben, Anspruch machen. Allein alles dieses sezt ein
gewisses natürliches Vermögen voraus, die Ideen
von Schönheit und Übereinstimmung
zu fassen. Das Beispiel kan nichts
Manuskriptseite
20.
weiter thun, ausgenommen
daß es Leute beredet, nach einem blinden Glauben Gegenstände wegen einer
Schönheit zu lieben, die derjenige nicht kennet, welcher sie liebet, oder
welche eine Eigenschaft ist, die weit von demjenigen Begriffe sich unterscheidet,
den Leute von gutem Geschmak dabei empfinden.
– " Seit. 97. 98. 99.
Ia-02-1778-0049
17) Die Wichtigkeit
der innern Sinnen.
Ia-02-1778-0050
"Ein wenig Nachdenken
wird uns überzeugen, daß die Wilfahrungen unsrer innern
Sinnen eben so natürliche, wirkliche und
vergnügende Güter sind, als alle andre
Vergnügungen; und daß sie der
hauptsächliche Endzwek sind, warum wir uns gemeinlich Vermögen
und Gewalt wünschen. Weswegen ist Vermögen
und Gewalt vortheilhaft? Wie macht
es uns glüklich, oder wie wird es uns nüzlich?
Auf keine andre Art, als in so fern es macht, daß wir unsern Sinnen
wilfahren können; und in so fern es uns Vermögen an die Hand giebt, das
Vergnügen zu empfinden. Nun aber sind diese Sinnen blos äusserliche? Nein.
Jederman siehet, daß ein kleiner Antheil von Vermögen
und Gewalt mehr Vergnügen der äusserlichen Sinnen
an die Hand giebt, als wir geniessen können; wir wissen, daß Seltenheit
diese Empfindungen oft mehr als der Überflus erhöhet, der dieses Verlangen
sättiget, das für das Vergnügen bei dem Genusse so nöthig ist: und hieraus
sehen wir, daß der Rath des Poeten seinen volkomnen Nuzzen hat:
Ia-02-1778-0051
—— Tu
Pulmentaria quære
Ia-02-1778-0052
Sudando
—— ——
Ia-02-1778-0053
Kurz, der einige
Nuzzen grosser Glüksgüter gegen kleine (ausgenommen in Freundschaftsdiensten
und moralischen Vergnügungen) mus darinnen bestehen,
daß sie uns die Vergnügungen der Schönheit, Ordnung
und Übereinstimmung darbieten. Es ist in der That
wahr, daß die edelsten Vergnügungen derer innern Sinnen
bei der Betrachtung
Manuskriptseite
21.
der Werke der Natur
für jeden ohne Entgeld ausgesezt sind; der Arme
und Niedrige kan einen eben so freien Gebrauch
davon machen, als der Vermögende und Mächtige.
Auch bei Gegenständen, die uns könten zugeeignet
werden, ist das Eigenthum, bei dem Genusse ihrer
Schönheit von weniger Wichtigkeit, und andre geniessen sie eben so gut,
als der Besizzer. Allein
es giebt auch andre Gegenstände dieser innern
Sinnen, bei welchen Vermögen
und Gewalt nöthig ist, um uns ihren Gebrauch so
oft zu verschaffen, als wir wollen; so wie bei der Baukunst,
Musik, dem Gartenwesen,
der Malerei, Kleidung, Equipage und Meubeln,
von denen wir ohne das Eigenthum nicht den völligen Genus
haben können. Und es giebt gewisse verwirte Einbildungen,
die uns bewegen, dem Besizze bei Gegenständen
nachzustreben, deren B*s
Besiz zu ihrem wahren Genusse nicht nöthig ist. Dieses sind die lezten
Bewegungsgründe, wenn wir nach einer höhern Stufe von Macht
und Reichthum streben, ohne den edelmüthigen Vorsaz
zu haben, tugendhafte Handlungen auszuüben. Dieses wird durch das beständige
Verfahren derjenigen bekräftiget, die selbst diesen Sinnen
feind sind. So bald sie glauben, sie seien über die Welt weg, und aus
dem Lärmen des Geizes und der Ehrsucht
herausgerissen; so wird die verbante Natur zu ihnen zurükkehren, und sie
bereden, daß sie nach Schönheit und Ordnung
in ihren Häusern, Gärten, Kleidung, Tafel und
Equipage streben. Sie sind niemals ruhig, ohne
einen gewissen Grad dieser Volkommenheiten erreicht
zu haben; und könten wir in ihr Herz sehen, so würden wir finden, daß
Regelmässigkeit, Anstand, Schönheit alles ist,
worauf sie für sich und ihre Nachkommen ihre Wünsche einschränken, und
dasjenige, was sie sich als die möglichen Wirkungen ihrer Arbeiten denken:
denn ohne diese könten sie niemals ihre Bemühungen bei sich selbst rechtfertigen.
Manuskriptseite
22.
Es kan verschiedene
Beispiele geben, wo sich die menschliche Natur in einen gänzlichen Geizhals
verwandelt, der nichts als Geld liebet, und dessen Einbildung sich niemals
über den kalten traurigen Gedanken des Besizzes versteigt: allein ein
solches Beispiel in einem Zeitalter kan nicht der Maasstaab sein, nach
dem wir die Menschen gegen ihr ganzes Geschlecht beurtheilen könten. Wenn
wir die Bemühung eines Wollüstigen untersuchen,
von dem wir glauben, daß er sich gänzlich seinem Bauche gewidmet habe;
so werden wir finden, daß der gröste Theil seines Aufwands angewendet
wird, andre sinliche Empfindungen, als die Empfindungen des Geschmaks
hervorzubringen, das meiste wird nämlich für saubere
Bedienten, regelmässige Zimmer, Silbergeschir und dergleichen ausgegeben.
Über das mus vorausgesezt werden, daß ein grosser Theil der Zurüstung
für gewisse grosmüthige freundschaftliche Absichten angesehen sei, nämlich
seine Bekanten, Freunde,
und Schmarozzer zu vergnügen. Wie wenige würden
zufrieden sein, eben diese sinlichen Empfindungen allein in einer Hütte,
oder aus irdenen Krügen zu geniessen. Kurz davon zu reden, obgleich diese
innere sinlichen Empfindungen in unsern philosophischen Untersuchungen
über die menschlichen Kräfte mögen übergangen werden; so werden wir doch
in der That finden, daß sie uns mehr beschäftigen, und in dem Leben weit
mehr zu unserm Vergnügen, oder Unzufriedenheit
beitragen; denn alle unsre äussere Sinnenzusa*...*g*...*
zusammengenommen. – " Seit.
99. 100. 101. 102.
Ia-02-1778-0054
18) Moralisches
Gute und Übel.
Ia-02-1778-0055
"Das Wort moralische
Güte bezeichnet unsern Begrif, von einer bei gewissen
Handlungen wahrgenommenen Beschaffenheit, welche unsern Beifal erhält,
und mit einer Begierde, die handelnde Person glüklich zu sehen, begleitet
ist. Moralisch Übelbezeichnet
den unsern Begrif von einer entgegen
Manuskriptseite
23.
gesezten
Beschaffenheit, welche unsern Misfallen und Tadel
erreget." Seit. 111.
Ia-02-1778-0056
"Alle Leute, die
von dem moralischen Guten sprechen, bekennen,
daß es Beifal und Wohlgewogenheit gegen diejenigen hervorbringe, die es
besizzen, das hingegen das natürliche Gute nicht
thut. In dieser Materie müssen die Menschen ihr eignes Herz fragen. Was
für verschiedne Neigungen fühlen sie gegen diejenigen, bei denen man Ehrlichkeit,
Treue, Grosmuth und Gütigkeit voraussezzet,
und gegen diejenigen, die das natürliche Gute
besizzen, als Häuser, Ländereien, Gärten, Weinberge,
Vermögen, Stärke, Verschlagenheit? Wir werden finden, daß wir nothwendiger
Weise die Besizzer der erstern lieben; der Besiz aber
der leztern aber erregt keine Hochachtung und
Wohlgewogenheit gegen den Besizzer überhaupt,
sondern öfters gegenseitige Neigungen, als Neid
und Has. Auf gleiche Art erreget je
jede Eigenschaft, die wir als moralisch böse finden,
unsern Misfallen gegen diejenige Person, bei der wir sie bemerken, so
wie Verrätherei,
Grausamkeit, Undankbarkeit; wir lieben hingegen und schäzzen diejenigen
hoch, die den natürlichen Übeln, als dem Leiden,
der Armuth, dem Hunger,
der Krankheit und dem Tode ausgesezzet sind. – " Seit.112.
Ia-02-1778-0057
19) Nuzzen und Vortheil.
Ia-02-1778-0058
"Das Vergnügen bei
unsern sinlichen Vorstellungen von jeder Art, giebt uns unsre erste Idee
von dem natürlichen Guten oder der Glükseeligkeit,
und daher werden alle Gegenstände, die geschikt sind dieses Vergnügen
zu erregen, unmittelbar gut genennet.
Diejenigen Gegenstände aber, welche noch andre unmittelbare angenehme
Gegenstände verschaffen können, werden vortheilhaft
genennet, und wir streben nach beiden Arten aus Eigennuz
und Selbstliebe. Unser Gefühl
des Vergnügens gehet vor dem Vortheil
und Nuzzen
Manuskriptseite
24.
vorher, und ist
der Grund davon. Wir empfinden kein Vergnügen bei Gegenständen, weil es
unser Vortheil ist, es zu empfinden; sondern die
Gegenstände oder Handlungen sind vortheilhaft,
und werden aus Eigennuz gesucht und unternommen,
weil wir ein Vergnügen durch sie
erhalten: Unsre Empfindung des Vergnügens**
ist nothwendig, und nichts ist uns vortheilhaft
oder natürlich gut, als nur dasjenige, so geschikt
ist, mittelbarer oder unmittelbarer
Weise Vergnügen zu erwekken. Nach solchen Gegenständen, von denen wir
aus der Vernunft und Erfahrung wissen, daß sie uns mittelbarer
oder unmittelbarer Weise vortheilhaft,
oder geschikt sind Vergnügen zu verschaffen, sagt man, daß wir aus Eigennuz
streben, wenn einzig unsere Absicht ist, das
Vergnügen zu geniessen, das sie zu erwekken vermögend sind. So werden
uns durch unsre Sinnen, Essen, Trinken, Harmonie, feine
Prospekte, Malereien, Statuen als unmittelbar gut vorgestellet,
und unsre Vernunft zeigt uns, daß Gewalt und Reichthum
mittelbarer Weise gut, nämlich geschikt sind, uns mit Gegeständen
des unmittelbaren Vergnügens zu versehen. Und nach beiden Arten dieser
natürlichen Güter streben wir aus Eigenliebe
und Eigennuz. – " Seit. 112.
113. 114.
Ia-02-1778-0059
20) Unterschiedene
Begriffe von dem moralischen und natürlichen Guten.
Ia-02-1778-0060
"Daß die Vorstellungen
vom moralischen Guten und Übel
völlig von den Vorstellungen des natürlichen Guten,
oder von dem Vortheil verschieden sind, davon
mus sich ein jeder selbst überzeugen, wenn er über die verschiednen Arten
nachdenket, womit ihn diese Gegenstände rühren. Hätten wir kein Gefühl
des Guten, das von dem Vortheil oder Nuzzen,
der durch die äusserlichen Sinne entstehet, verschieden wäre, und hätten
wir keine Vorstellungen von Schönheit und Harmonie;
so würden die Empfindugen und Neigungen, die wir gegen ein fruchtbares
Feld, oder eine
Manuskriptseite
25.
bequeme
Wohnung haben, mit denen Empfindungen, gegen einen grosmüthigen
Freund, oder einen edlen Karakter völlig
einerlei sein; denn beide sind, oder können uns vortheilhaft
sein: und wir würden eine Handlung nicht mehr bewundern, oder eine Person
in entfernten Zeitaltern
und Gegenden, die keinen Einflus auf uns hat,
nicht mehr lieben, als die Berge von Peru,
da wir nicht in der spanischen Handlung mit begriffen
sind. Wir würden eben die Gesinnungen und Neigungen
gegen unbelebte Wesen haben, die wir gegen vernünftige
Wesen fühlen, das doch, wie jeder weis, falsch ist. Bei der Vergleichung
sagen wir: "Warum solten wir leblose Wesen lieben?
Sie haben keine Absicht und Willen uns oder andern gut
zu sein; ihre Natur machet sie zu unserm Gebrauche
geschikt, ohne daß wir sie es wissen oder sich
bemühen, uns zu dienen. Aber mit vernünftigen Wesen
hat es eine andre Beschaffenheit: sie bemühen sich uns zu nüzzen,
und wünschen die Glükseeligkeit andrer Wesen,
mit denen sie umgehen." Wir sind uns also alle von dem Unterschied zwischen
derjenigen Hochachtung,
oder Empfindung moralischer Fürtreflichkeit bewust,
welche ein Wohlwollen gegen die Person erwekket, bei der wir sie wahrnehmen,
und zwischen derjenigen Meinung von natürlicher Güte,
welche allein eine Begierde, den guten Gegenstand zu besizzen, erreget.
"Was solte nun diesen Unterschied verursachen,
wenn alle Empfindung des Guten
aus einem vorhergesehenen Vortheil käme?" Befördern
lebloseGegenstände
nicht eben so wohl unsern Vortheil als wohlwollende
Personen, die uns Freundschaftsdienste
und Gefälligkeiten erzeigen?
Solten wir also nicht beide auf gleiche Art lieben? oder nur von beiden
die kalte Meinung eines Vortheils
haben? Der Grund, warum es nicht so ist, mus dieser sein: "Wir haben nämlich
eine deutliche Vorstellung
Manuskriptseite
26.
der Schönheit
und Vortreflichkeit bei den liebreichen Neigungen
vernünftiger Wesen,
und daher werden wir bewogen, solche Karaktere
und Personen zu lieben und zu bewundern." Wir
wollen sezzen, daß wir einerlei Vortheil von zwei
Personen ziehen, von denen der eine aus dem
einzigen Verlangen, uns glüklich zu sehen, mit
dienet, der andre aus EigennuzoderZwang; beide erzeigen uns in diesem Falle einerlei
Wohlthaten, und sind uns beide gleich vortheilhaft,
und doch haben wir gänzlich verschiedne Gesinnungen gegen sie. Wir müssen
daher gewislich andre Vorstellungen von denen moralischen
Handlungen, als von dem Vortheile haben:
und dasjenige Vermögen, diese Vorstellung
zu erhalten, können wir ein moralisches Gefühl
nennen, denn es stimmet mit der Erklärung des Gefühls
überein, es ist nämlich eineBestimmung unsrer Seele, solche Begriffe aus der Gegenwart
eines Gegenstandes zu erhalten, die nicht von unserm Willen abhangen.
– " Seit. 117. 118. 119.
Ia-02-1778-0061
21) Unterschiedliche
Begriffe von dem moralischen und natürlichen Übel.
Ia-02-1778-0062
"Dieses wird auf
gleiche Art aus unsern Ideen von dem Übel,
das uns vorsezlicher Weise von vernünftigen Wesen
angethan wird, erhellen. Unsre Empfindungen von natürlichem
Guten und Übel würden machen, daß wir einen
Angrif, eineOhrfeige,
einen Schimpf von einem Nachbar, einen Betrug,
von einem der mit uns in Kompagnie stehet, oder von einem Vormund mit
gleicher Heiterkeit und geseztem Wesen annehmen, als wir einen gleichen
Schaden von einem herabfallenden Balken, Ziegel,
oder einem Ungewitter ansehen, und wir würden
bei beiden Gelegenheiten einerlei Gesinnungen und Neigungen haben. Niederträchtigkeit,
Verrätherei, Grausamkeit würden wir eben so sanftmüthig aufnehmen,
als einen Brand oder Mehltau
im Getrei
Manuskriptseite
27.
de, oder einen ausgetretenden
Strom. Allein ich glaube, ein jeder wird bei diesen Gelegenheiten
auf ganz verschiedne Weise gerühret werden, obgleich das natürliche
Übel bei beiden gleich sein kan. Ja Handlungen, die auf keine Art
nachtheilig sind, können den grösten Widerwillen und Erbitterung verursachen,
wenn sie einen ohnmächtigen Has oder Verachtung entdekken lassen. Und
auf der andern Seite können darzwischen gekommene moralische
Begriffe den Has gegen die handlende
Personen und den übelnmoralischen
Begrif von derjenigen Handlung verhüten, welche uns das grösseste natürliche
Übel verursacht. So kan die Meinung von der Gerechtigkeit
eines Ausspruchs alle Begriffe von dem moralischen Übel
bei der Volziehung, oder den Has gegen die Obrigkeit
verhüten, welche die unmittelbare Ursache unseres Ungemachs ist." Seit.
119. 120.
Ia-02-1778-0063
22) Dieses moralische
Gefühl sezt keine angebohrne Begriffe zum Grunde.
Ia-02-1778-0064
"Wir meinen hiermit
nicht, daß dieses moralische Gefühl mehr als unsre
andre Sinnen, einige angebohrne Ideen, Erkentnis,
oder praktische Säzze voraussezze: wir verstehen
nichts weiter dadurch, als eine Fähigkeit unsrer
Seele, die einfachen Begriffe
des Beifals oder Misfallens bei gewissen Handlungen
zu empfangen, ohne daß wir vorher wusten, daß uns ein Vortheil oder Schaden
aus derselben entstünde, so wie wir uns
an einer regulären Gestalt, oder einer harmonischen Komposition
vergnügen; ohne einige Erkentnis von der Mathematik
zu haben, oder daß wir ausser diesem unmittelbaren Vergnügen, einigen
Vortheil für uns, bei dieser Gestalt oder Komposition
bemerkten. Damit wir den Unterschied zwischenmoralischen Empfindungen,
und zwischen andern desto deutlicher einsehen, so dürfen wir nur auf dies
einzigeAchtung geben. Wenn wir eine angenehme
Frucht kosten,
Manuskriptseite
28.
so sind wir uns
eines Vergnügens bewust, und wenn sie ein andrer kostet, so schliessen
wir, daß er auch Vergnügen dabei empfinde; und wenn wir voraussezzen,
daß wir nicht besonders gütig oder unwillig vorher gegen ihn gewesen sind,
so wird sein Vergnügen, das er geniesset, eine ganz gleichgültige Sache
für uns sein, die keine neue Liebe und Zuneigung
erwekket. Allein, wenn wir ein tugendhaftes
Herz haben, und durch dieses zu tugendhaften Handlungen geleitet werden,
so sind wir uns nicht allezeit eines Vergnügens dabei bewust, und wir
suchen auch dadurch nicht blos unser Vergnügen zu befördern, wie künftig
wird gezeigt werden: blos bei unserm Nachdenken
über unser Herz, und über unsre Aufführung wird uns allezeit die Tugend
ein Vergnügen empfinden lassen. Wenn wir auch von dem Herzen eines andern
urtheilen, daß es tugendhaft sei; so stellen wir uns nicht nothwendiger
Weise vor, daß er eben alsdenn ein Vergnügen geniesse,
ob wir gleich wissen, daß ihm das Nachdenken über
seine Handlungen dasselbe Vergnügen verschaffen könne;
und doch erwekt die Wahrnehmung seines tugendhaften HerzensHochachtung, Bewunderung, Liebe und Zuneigung
gegen ihn in uns. Wir stellen uns vor, daß diejenige Eigenschaft, die
uns, vermöge unsers moralischen Gefühls, gefält, in der uns gefallenden
Person ihren Siz habe, und eine Volkommenheit und Vorzug an ihr sei; allein
wir glauben nicht, daß dieses Gefallen, das wir
an einer andern Tugend haben, denjenigen, dem sie gefält, tugendhaft,
glüklich oder hochachtungswerth mache, ob es gleich allezeit
mit einem kleinen Vergnügen begleitet ist. Wir
nennen die Tugend daher liebenswürdig, weil sie
eine gütige Gesinnung oder Liebe
des Zuschauers gegen die handelnde Person erwekket¸und
nicht deswegen, weil die handelnde Person bemerktet, daß ihm ein tugendhaftes
Herz nüzlich sei, und es in dieser Absicht zu erhalten sich bestrebet.
Ein tugend
Manuskriptseite
29.
haftes Herz wird
gut oder glüklichmachend
genennet, nicht deswegen, als ob es allezeit bei der handelnden Person
mit Vergnügen begleitet wäre; noch vielweniger deswegen, weil ein gewisser
kleiner Grad von Vergnügen die Betrachtung desselben, bei demjenigen,
der einen Gefallen daran hat, begleitet: sondern daher nennen wir es so,
weil jeder Zuschauer versichert
ist, daß die Überlegung und das Nachdenken
über ihr eignes Herz der handelnden Person das
höchste Vergnügen verschaffen wird. Die bewunderte Eigenschaft betrachten
wir als eine Volkommenheit der handelnden Person,
und in so fern ist sie von dem Vergnügen unterschieden, das derjenige,
der handelt, und derjenige, der die Handlung billiget,
empfindet; ob sie gleich eine sichere Quelle des Vergnügens für die handende
Person ist. Die Vorstellung desjenigen, der die Handlung billigt, zeiget,
ob sie gleich mit Vergnügen begleitet ist, doch etwas, das gänzlich von
diesem Vergnügen unterschieden ist; so wie die Vorstellung äusserlicher
Gestalten mit Vergnügen begleitet ist, und doch
etwas zeiget, das von diesem Vergnügen sich gänzlich unterscheidet.
Dieses kan gewisse unnüzze Spizfindigkeiten bei dieser Materie zu verhüten
dienen." Seit. 136. 137. 138. 139.
Ia-02-1778-0065
23) Die Neigungen
sind die Bewegungsgründe zu den Handlungen.
Ia-02-1778-0066
"Wir sezzen voraus,
daß jede Handlung, die wir als moralisch gutoder
böse ansehen, allezeit aus einer Neigung
gegen empfindende Wesen fliesse, und was wir Laster
oder Tugend nennen, entweder
eine Neigung oder Handlung
sei, die daraus folget. Oder es kan genug sein, daß eine Handlung oder
Unterlassung lasterhaft scheinet, wenn sie den
Mangel dieser Zuneignung gegen vernünftige Wesen
beweiset, so wie wir bei Karakteren erwarten, die wir für moralisch
gut halten. Man sezt voraus, daß alle die Handlungen,
die man für gotseelig hält, bei denjenigen, die
sie dafür halten, aus einer Liebe oder Neigung
gegen Gott, und daß
Manuskriptseite
30.
das, was wir gesellschaftliche
Tugend nennen, aus einer Neigung gegen unsre Nebengeschöpfe
fliesse: denn hierin scheint jederman einig zu sein: daß äusserliche Bewegungen,
wenn sie mit keiner Liebe gegen Gott oder Menschen begleitet sind, oder
keinen Mangel dieser erwarteten Neigungen gegen
beide zeigen, nicht moralisch gut oder böse
sein können. Man frage zum Exempel den enthaltsamsten
Einsiedler, ob die Mässigkeit an und für
sich moralisch gut sein würde, wenn sie keinen Gehorsam gegen Gott bezeugte,
und uns nicht geschikter zur Andacht, zum Dienste der Menschen, oder zur
Erforschung der Wahrheit, als die Schwelgerei
machte; und er wird leichte zugeben, daß sie nicht moralisch
gut sein würde, ob sie gleich natürlich gut
oder der Gesundheit vortheilhaft sein kan. Blosser
Muth oder Verachtung der Gefahr würde, wenn wir ihn ohne Absicht
auf die Vertheidigung der Unschuld, und nicht als ein Mittel, uns ***
vor dem Unrechte zu schüzzen, seinem Besizzer
nichts als ein Recht zum Tolhause geben. Wenn
diese Art von Herzhaftigkeit zuweilen bewundert wird, sog** geschieht es
daher, weil wir eine gute Absicht bei dem Gebrauche derselben voraussezzen,
oder, weil wir sie als eine natürliche Fähigkeit ansehen, die nüzlich
angewendet werden könte. Klugheit, wenn sie blos angewendet wird, einen
Privatnuzzen zu befördern, halten wir niemals
für eine Tugend; und Gerechtigkeit,
oder die Beobachtung einer genauen Gleichheit, die Erhaltung der Rechte
und des Friedens, wenn sie keine Absicht auf das
Wohl des menschlichen Geschlechts hat, ist eine
Eigenschaft, die sich besser für ihr gewöhnliches Sinbild
den Wagebalken und die Wagschaalen
schikket, als für ein vernünftiges Wesen. Diese
vier Eigenschaften, die man gemeiniglich Haupttugenden
nennet, erhalten daher diesen Namen, weil sie
zur Beförderung des gemeinenWohls
algemein nothwendig sind, und Liebe und Zueignung
gegen vernünftige Wesen anzeigen,
sonsten würde man keine Tugend bei ihnen wahrnehmen."
139. 140. 141.
Manuskriptseite
31.
Ia-02-1778-0067
24) Liebe aus Wohlgefallen,
und Has aus Misfallen.
Ia-02-1778-0068
"Diejenigen Neigungen,
die moralisch betrachtet von der meisten Wichtigkeit sind, begreifen wir
gemeiniglich unter Has und Liebe. Wenn wir hier
von der Liebe reden, so braucht man uns nicht
vorhero d* zu erinnern,
die Liebe zwischen den beiden
Geschlechtern nicht mit darunter zu begreifen,
denn diese ist, wenn sie mit keinen andern Neigungen begleitet ist, nichts
weiter, als eine Begierde nach Vergnügen, und wird niemals für eine Tugend
gehalten. Die Liebe gegen vernünftige Wesen wird
wieder eingetheilet in die Liebe aus Wohlgefallen, (complacence)
oder aus Hochachtung,
und in die Liebe aus Wohlwollen
(benevolence); Und der Has in den Has
aus Misfallen oder Verachtung,
und in den Has der Bosheit.
Wohlgefallen oder Hochachtung
bedeutet die Genehmhaltung der Handlungmittelsteines andern Mittelsunsers moralischen Gefühls,
und ist eher eine Empfindung, als eine Neigung
obgleich die Neigung der Wohlgewogenheit daraus folget. Wohlwollen
ist das Verlangen, den andern glüklich zu sehen.
Ihr Gegensaz heist Misfallen
und Bosheit. Wenn wir jedes von diesen besonders
betrachten, so werden wir sehen, ob die Bewegungsgründe des Eigennuzzes
einen Einflus auf sie haben können." Seit. 142.
Ia-02-1778-0069
25) Uneigennüzziges
Wohlwollen.
Ia-02-1778-0070
"Der Name der Liebe
aus Wohlwollen schliest schon allen Eigennuz aus.
Wir nennen denjenigen niemals wohlwollend, der
in der That andern nüzlich ist, allein zugleich nur seinen eigenen
Nuzzen zur Absicht hat, ohne die lezte Begierde zu haben, andrer
Wohl zu befördern. Wenn es eine wirkliche Wohlgewogenheit
und Gütigkeit giebt, so mus sie uneigennüzzig
sein; denn die nüzlichste Handlung, die nur
zu denken ist, verliert allen Anschein des Wohlwollens, so bald wir bemerken,
daß sie blos aus Selbliebe oder Eigennuz
fliesse. Niemals war wohl dem menschlichen Geschlechte etwas nüzlicher,
als die Erfindung des Feuers und Eisens;
wenn aber diese Erfin
Manuskriptseite
32.
dungen zufällig
waren, oder der Erfinder blos seinen eigenen Nuzzen
dabei zur Absicht hatte; so ist nichts dabei, was man eine Wohlthat
nennen könnte. Wo man daher Wohlwollen voraus
sezzet, da glaubt man auch, daß dasselbe uneigennüzzig
sei, und das Wohl andrer zur Absicht habe. Um
unser Wohlwollen rege zu machen, ist nichts nöthig als ein empfindendes
Wesen, das andern nicht schädlich ist, ruhig zu betrachten. Die
Dankbarkeit wird durch Wohlthaten erwekket, die
uns, oder denjenigen, die wir lieben,
erzeiget werden; Wohlgefallen ist eine Vorstellung des moralischen Gefühls.
Dankbarkeit schliest einiges Wohlgefallen
ein, und Wohlgefallen erwekt noch eine weit
stärkere Wohlgewogenheit, als diejenige, so
wir gegen gleichgültige Karaktere haben, wenn ihr besondrer Vortheil dem
unsrigen nicht entgegen steht. – Allein, so wie die Menschen so wohl Selbstliebe
als Wohlwollen haben; so können auch diese zwei
Grundtriebe zusammen genommen einen Mann zu einer und eben derselben Handlung
aufmuntern, und dann werden sie wie zwei Kräfte angesehen, die einerlei
Körper in Bewegung sezzen; zuweilen sind sie mit einander einig, zuweilen
von einander verschieden, und zuweilen stehen sie einander gänzlich entgegen.
Wenn das Wohlwollen eines Mannes so stark wäre,
daß es eine Handlung ohne eigennüzzige Absichten
hervorgebracht haben würde; so vermindert dies,
daß er neben dem gemeinen Wohl
als der Wirkung seiner Handlungen auch einen Privatvortheil
zur Absicht gehabt hätte, nichts von dem Werthe der wohlthätigen
Handlung. Wenn er ohne diese eigennüzzige Absichten
das gemeine Wohl nicht so sehr befördert haben würde;
so mus alsdenn die Wirkung der Selbstliebe abgezogen
werden, und sein Wohlwollen verhält sich, wie
der Rest des Guten, welches blos das Wohlwollen
ohne andre Absichten hervorgebracht haben würde. Wenn das Wohlwollen
eines Mannes ihm selbst schädlich ist; so ist die Selbstliebe
alsdenn dem Wohlwollen entgegengesezt,
Manuskriptseite
33.
und das Wohlwollen
verhält sich wie die Sinnen des hervorgebrachten Guten
wenn es zu dem durch dasselbe überwundenen Widerstande der Selbstliebe
addiret wird. In den meisten Fällen ist es für uns unmöglich zu wissen,
wie weit dieser oder der andre Grundtrieb bei den Handlungen unsrer Nebenmenschen
gewirket hat; allein diese algemeine Wahrheit bleibt doch allezeit gewis,
daß dies der Weg ist, wodurch wir das Wohlwollen einer Handlung berechnen
können." Seit. 144.145.146.
Ia-02-1778-0071
26) Beweis, daß
das Wohlwollen uneigennüzzig sei.
Ia-02-1778-0072
"Daß
das erste System nicht *i
richtig sei, erhellet aus dieser algemeinen Betrachtung, Wohlwollen oder
jede andre Neigung und Begierde kan durch unser Wollen
nicht unmittelbar erreget werden. Wenn dieses möglich wäre, so könten
wir durch Geschenke und Belohnungen zu einer jeden Neigung auch gegen
den unschiklichsten Gegenstand bewogen werden.
Wir könten Eifersucht, Furcht, Zorn, Liebe, gegen
gewisse Art von Leuten jedes Geschenke erwekken, so wie wir die Menschen
zu äusserlichen Handlungen, oder zu Vorstellung ihrer
Leidenschaften bewegen; allein dieses wird jeder nach seiner eignen Überlegung
für unmöglich finden. Der Gedanke, daß uns dadurch, daß
wir diese Neigung haben, ein Vortheil erwachse,
kan wirklich unsre Aufmerksamkeit auf solche Eigenschaften
des Gegenstandes wenden, die von Natur die nothwendigen Ursachen
der vortheilhaften Neigung sind, und wenn wir diese Eigenschaften in dem
Gegenstande finden; so wird die Neigung gewis rege werden. So kan mittelbarer
Weise das Vorhersehen eines Vortheils unsre Neigung zu erregen dienen;
allein wenn wir diese Eigenschaften bei dem Gegenstande nicht wahrgenommen
haben, so kan auch niemals unser Wille oder unsre
Wahl einige Neigung bei uns erwekken. Allein es
kan, um diese Sache genau zu untersuchen, niemals behauptet
Manuskriptseite
34.
werden, daß diese
Begierde, nach dem Wohl
andrer, die wir als tugendhaft billigen, durch unsern freien Willen aus
dem Vorhersehen des Vergnügens entspringe, das
die Handlung selbsten begleitet. Denn es ist bekant, daß unser Wohlwollen
nicht allezeit mit Vergnügen begleitet ist; Ja,
daß es öfters mit Misvergnügen vergeselschaftet ist
wird, wenn der Gegestand desselben in Noth ist. Die Begierde überhaupt
ist mehr unruhig als angenehm. Dies ist gewis, daß alle Leidenschaften
und Neigungen sich selbst rechtfertigen. So lange
sie dauern, sagt Malebranche,
billigen wir es gemeinigleich, daß wir bei dieser Gelegenheit in diesem
Affekte sind, und verdammen denjenigen, der bei gleicher Gelegenheit diesen
Affekt nicht fühlet. Der Bekümmerte, der Zornige,
der Eifersüchtige, der Mitleidige
billigen ihre verschiedne Leidenschaften bei gewissen Gelegenheiten: allein
deswegen dürfen wir nicht schliessen, daß Kummer, Eifersucht,
Zorn und Mitleiden angenehme Affekten sind,
oder daß man sie wegen des Vergnügens, das sie begleitet, gewählet habe.
Die Sache verhält sich vielmehr so. Die Einrichtung unsrer Natur bestimt
uns bei den Gelegenheiten, die unsre Leidenschaften
erregen, so und nicht anders gerührt zu sein, und zum wenigsten unsern
Affekt als eine unschuldige Sache für gut zu halten. Unruhe
begleitet gemeinigleich alle Arten unsrer Begierden, und diese Empfindung
dient unsre Aufmerksamkeit zu befestigen, und die Begierde zu erhalten.
Allein, die Begierde richtet sich nicht nach der Entfernung
der Unlust, die diese Begierde begleitet,
sondern nach einer andern Begebenheit: die begleitende Unlust ist selten
dasjenige, worüber wir nachdenken, ausser w**wenn sie sehr stark ist. Auch der Affekt oder die Begierde
richtet sich nicht nach dem Vergnügen, das sie begleiten kan, noch vielweniger
wird sie durch eine Handlung unsers Willens in Absicht, dieses Vergnügen
zu erhalten, regieret erreget. Eben diese
Betrachtung wird zeigen, daß wir dieses Wohlwollen,
das
Manuskriptseite
35.
wir als tugenhaft
billigen, nicht durch eine Handlung unsers Willens in uns erregen, in
Absicht das künftige Vergnügen unsers eignen Beifals,
vermöge unsers moralischen Gefühls, dadurch zu erhalten. Könten wir auf
diese Art Neigungen erwekken; so würden wir durch das Vorhersehen
eines Vortheils, der am Werthe dem Beifal
unsers eignen Herzens gleich wäre, als durch Reichthum und sinliches
Vergnügen, bei manchen Gemüthern mehr Macht haben, zu einer Neigung bewogen
werden; und doch gestehen wir alle, daß diejenige Fähigkeit,
andern Dienstgefälligkeiten zu leisten, die durch diese Bewegungsgründe
erreget, wird, keine Tugend sei: wie können wir
uns daher vorstellen, daß das tugendhafte Wohlwollen durch einen gleich
eigennüzzigen Bewegungsgrund könne in uns hervor
gebracht werden? Doch wir werden noch mehr von
der Wahrheit überzeiget werden, wenn wir unser eignes Herz fragen, ob
wir nicht meistens eine Begierde nach dem Wohl andrer haben, ohne Absicht
dieses Vergnügen dadurch zu erhalten, das wir
bei dem Nachdenken über unsre eigne Tugend fühlen. Ja öfters ist dieses
Verlangen da am stärksten, wo wir am wenigsten
auf Tugend dabei denken, z. E. bei der natürlichen
Liebe gegen unsre Kinder, oder bei der Dankbarkeit
gegen **nen einen
Wohlthäter. Die Abwesenheit dieser Neigung ist
zwar in der That das grösseste Laster: allein,
diese Neigungen selbst werden nicht auf eine beträchtliche Art für tugendhaft
geschäzt. Eben diese Betrachtung wird uns auch überzeigen, daß diese Begierden
oder Neigungen nicht durch unsre eigne Wahl und Absicht, dieses Privatgut
dadurch zu erhalten, hervorgebracht werden. So wenig unser Wollen
unmittelbarer Weise gewisse Neigungen aus den vorigen eigennüzzigen Absichten
Manuskriptseite
36.
in uns erwekken
kan, so wenig kan unser Wollen in Absicht, ewige Belohnungen
zu erhalten, oder *...*Strafen zu vermeiden, diese Neigung
in uns erregen. Die erstere Bewegungsgründe sind von diesen nur als kleinere
von grössern, und kürzere von dauerhaftern unterschieden.
Wenn Neigungen unmittelbarer Weise durch unsern Willen könten erwekket
werden; so würde eben diese Betrachtung uns
über den unschuldigsten und tugendhaftesten Karakter zornig,
über den treuesten und aufrichtigsten eifersüchtig,
und bei dem Glükke eines Freundes verdrüslich
machen können; welches aber unmöglich ist. Das Vorhersehen eines künftigen
Zustandes kan ohne Zweifel mittelbarer Weise einen grössern Einflus
auf uns haben, indem es unsre Aufmerksamkeit auf Eigenschaften der Gegenstände
wendet, die geschikt sind, die erforderte Leidenschaft eher zu erwekken,
als jede andre Betrachtung. Dies ist in der That gewis, daß diejenigen,
die durch die vorhergesehne künftige Belohnungen bewogen werden, ihren
Nebenmenschen Liebesdienste zu erweisen, neben diesen das tugendhafte
Wohlwollen besizzen, das sie zu dieser Handlung ermuntert: weil
das Wohlwollen, so wie wir hernach zeigen werden, ihnen natürlich ist,
und allezeit wirket, wo sich ihm nicht ein
anscheinender Vortheil widersezzet, oder wo dieser anscheinende
entgegenstehende Vortheil durch einen grössern überwogen wird. Diejenigen,
die sich dieses bewust sind, geben gemeiniglich denjenigen Liebesdiensten
ihren Beifal, zu welchen die Bewegungsgründe
eines künftigen Zustandes die handelnde Person zum Theil ermuntert hatten.
Allein, daß sich dieser Beifal auf die Wahrnehmung einer uneigennüzzigen
Begierde gründe, die zum Theil die handelnde Person ermuntert hatte,
Manuskriptseite
37.
erhellet daher,
weil der Gehorsam gegen bösen Gott, Schaden anzurichten
oder läppische Cärimonien zu volbringen, einzig
und allein aus Hofnung einer Belohnung, oder eine vorhergesehene Strafe
zu vermeiden, ja selbsten der Gehorsam gegen einen guten
Gott, wenn er aus eben diesen Bewegungsgründen ohne einige Liebe
oder Dankbarkeit gegen ihn, und mit einer volkommenen
Gleichgültigkeit wegen des Glüks oder Elendes der Menschen erfolgt, wenn
wir von diesem Privatvortheil abstrahiren, niemals unsern Beifal
verdienen wird. Wir sehen leichtlich, daß eine Veränderung der äusserlichen
Umstände des Vortheils unter einem bösen
Gott, wenn auch die Gemüthsbeschaffenheit der handelnden Personen
unverändert bleibt, ihn dennoch zu jeder Grausamkeit und Unmenschlichkeit
verführen könte. Dankbarkeit gegen Gott ist in
der Tat eine uneigennüzzige Eigenschaft, wie wir hernach zeigen werden.
Diese Neigung kan daher, wo sie zu einer Handlung ermuntert, unsern Beifal
erhalten, wenn gleich ein andres Wohlwollen
die handlende Person nicht dazu ermuntert hätte. Doch dieser Fal ist fast
unter Menschen nicht möglich. Allein, wo die
Sanktion des Gesezzes der einzige Bewegunsgrund
der Handlung ist, da können wir nicht mehr Wohlwollen
oder Neigung erwarten, als bei einem Manne, der
durch die Gesezze gezwungen ist, der Vormund
eines andern zu sein, für den er nicht die geringste Achtung hat. Er würde
sich so betragen, daß er, wenn er könte, ohne Schaden davon käme, allein
um den Erfolg seiner Bemühungen, oder um die Glükseeligkeit desjenigen,
dem er dienete, würde er sich wenig bekümmern, wenn er nur das Geschäfte
volbracht hätte, welches das Gesez von ihm fordert, und niemand würde
auch seine Aufführung mit grossem Beifal erheben. – " Seit.
147. 148. 149. 150. 151. 152.
Ia-02-1778-0073
27) Widerlegung
eines zweiten Einwurfs gegen das uneigennüzzige Wohlwollen.
Ia-02-1778-0074
"Das andre System
ist wahrscheinlicher: daß das Wohl
Manuskriptseite
38.
wollen nämlich nicht
durch unser Wollen aus dem Vorhersehen eines Vortheils
hervorgebracht werde; sondern daß wir die Glükseeligkeit andrer verlangen,
in so fern wir sie für nothwendig halten, gewisse angenehme
Empfindungen hervor zu bringen, die wir, wenn wir andre glüklich
sehen, zu fühlen hoffen, und daß wir *...*
aus eben diesem Grunde einen Abscheu vor ihrem
Elende haben. Diese Verbindung zwischen der Glükseeligkeit andrer, und
unserm Vergnügen, sagen sie, findet sich besonders bei Freunden,
Ältern, Kindern, und ausnehmend tugendhaften Karakteren. Allein,
dieses Wohlwollen fliesset eben so wohl unmittelbar aus der Selbstliebe,
als jede andre Begierde. Um zu zeigen, daß dieses System in der That falsch
ist, dürfen wir nur bemerken, wenn wir bei unserm Wohlwollen die Glükseeligkeit
andrer einzig als ein Mittel unsers Vergnügen verlangten, woher es denn
komme, daß niemand das Verlangen nach der Glükseeligkeit
andrer als ein Mittel, uns Vermögen oder sinliches
Vergnügen zu verschaffen, billige? Wenn jemand
wegen der künftigen Glükseeligkeit eines Mannes gewettet
hätte, der so aufrichtig wäre, daß er freimüthig gestehen würde, ob er
glüklich wäre oder nicht; würden wir wohl die Begierde des Wettenden nach
der Glückseeligkeit des andern in Absicht, die Wette zu gewinnen, als
tugendhaft billigen? Wenn wir es nicht thun, worinnen
unterscheidet sich denn dies Verlangen von dem ersteren? In nichts weiter,
als daß man in dem erstern Falle angenehme, und in dem leztern andre Arten
von Empfindungen erwartete: denn wenn die gewettete Summe vergrössert
oder vermindert wird, so wird der Vortheil in diesem Fal grösser oder
geringer, d** denn
der in dem andern Falle. Wenn wir auf unser eignes Herz Achtung geben,
so werden wir die Wahrheit noch besser entdekken. Viele haben niemals
an diese Verbindung gedacht, und ordentlicher Weise suchen wir niemals
dieses Vergnügen zu erhalten, wenn wir andern Liebesdienste erweisen.
Wir fühlen alle ein Vergnügen, wenn
wir andre glüklich sehen: allein so lange unsre
Begierde nach ihrer Glükseeligkeit
Manuskriptseite
39.
dauert, haben wir
nicht die Absicht dieses Vergnügen zu erhalten.
Wir fühlen öfters den Schmerz des Mitleidens; allein, wäre unser einiges
leztes Verlangen und Absicht, uns von dieser Pein
zu befreien; so würden wir, wenn sich Gott darböte,
entweder das Andenken der unglüklichen Person gänzlich auszulöschen, und
diese Verbindung aufzuheben, so, daß wir bei
dem Elend unsrer Freunde ruhig sein würden,
oder ihn aus seinem Elende zu erretten, eben so bereit sein das erstere
zu wünschen, als das leztere: denn beides würde uns von unsrer
Pein befreien, welches nach diesem System der einzige
Endzwek ist, den sich die mitleidige Person vorsezt. – Finden wir aber
nicht in uns selbsten, daß nach der Entfernung dieser Pein diese Begierde
des Mitleidens keinesweges in uns aufhöret?
Wäre dies unsre einzige Absicht, so würden wir weglaufen, unsre Augen
zuschliessen, oder unsre Gedanken von dem elenden Gegenstande abwenden,
als der sicherste Weg, unsre Pein zu entfernen. Allein, dieses thun wir
selten, wir versamlen uns vielmehr um solche
Gegenstände, und sezzen uns freiwillig dieser
Pein aus, obgleich ein ruhiges Nachdenken über unser Unvermögen, dem Elenden
zu helfen, diese Neigung verbieten, oder ein
eigennüzziger Affekt, wie die Furcht
vor der Gefahr, sie überwältigen kan. Um dieses
klärer zu machen, so sezze man den Fal, Gott zeigte einem gutgesinten
tugendhaften Manne an, daß er plözlich würde vernichtet
werden, daß es aber in dem Augenblikke seines Endes in seiner freien Wahl
stünde, ob seine Freunde, seine Kinder, oder sein Vaterland ins künftige
glüklich oder unglüklich sein solte, wenn er
selbst weder Vergnügen noch Misvergnügen aus ihrem Zustande empfände.
Würde er wohl izzo, da er nichts mehr wegen
von ihnen zu hoffen oder zu fürchten hätte,
wegen ihres Zustandes gleichgültiger sein, als in
er es in einem vorhergehenden Zeitpunkte seines Lebens war? Ja ist es
nicht eine sehr gemeine Meinung unter uns, daß wir nach unserm Hintritte
nichts von demjenigen wissen, was denen, die
uns überleben, begegnet? Woher komt es denn, daß wir bei Herannäherung
des Todes nicht sogleich alle Sorge für unsre Familie, Freunde und Vaterland
fahren lassen? Kan man denn ein
Manuskriptseite
40.
einziges Beispiel
angeben, daß wir etwas als ein Mittel eines Privatguts
eben so heftig verlangten, wenn wir wissen, daß wir es nur wenige Minuten
geniessen sollen, als wenn wir dieses Gut viele Jahre *...*
zu besizzen hoffen? Berechnen wir auf diese Art den Werth unsrer jährlichen
Einkünfte. – –" Seit. 152.163.154.155.*
Ia-02-1778-0075
"Es könte jemand
fragen: wenn keine von diesen eigennüzzigen Bewegungsgründen unser Wohlwollen
erwekken, sondern wir bei tugendhaften Handlungen ganz allein das Wohl
andrer zur Absicht haben, zu was dient denn unser moralisches
Gefühl, unser Gefühl des Vergnügens
bei der Glükseeligkeit andrer? zu was dient die
weise Ordnung der Natur, wodurch uns die Tugend
gemeiniglich in diesem Leben vortheilhaft gemacht wird? Zu was vor einem
Endzwekke sind ewige Belohnungen gesezt und geoffenbaret?
Die Antwort auf diese Frage ist schon zum Theil geschehen: alle diese
Bewegungsgründe können das Verlangen in uns erwekken, diese wohlwollende
Neigungen zu haben, und folglich unsre Aufmerksamkeit auf solche
Eigenschaften der Gegenstände richten, welche sie erwekken; sie können
alle anscheinende entgegenstehende Bewegungsgründe,
und alle Versuchungen zum Laster überwiegen. Allein es wird auch dies
ein der Gottheit würdiger Endzwek sein, durch
eine weise Einrichtung der Natur die Tugend glüklich zu machen, der Tugendhafte
mag nun bei jeder Handlung diese Glükseeligkeit zu erhalten zur Absicht
gehabt haben, oder nicht. Wohlthätige Handlungen zielen auf das gemeine
Beste ab; es ist dahero gütig und liebreich von Gott gehandelt, alle mögliche
Bewegungsgründe, die beigefüget werden können, hinzuzuthun; und diejenigen,
die einen schwachen Grad von Wohlwollen
in sich haben, aufzumuntern, das gemeine Beste aus eigennüzzigen
Bewegungsgründen eifriger zu befördern, oder diejenigen, die gar
keine Tugend haben, zu äusserlichen wohlthätigen Handlungen
aufzumuntern, und sie vom Laster zurük zu halten.
Wenn wir das Ganze zusammen nehmen, so erhellet, daß in der menschlichen
Natur eine uneigennüzzige lezte Begierde
Manuskriptseite
41.
nach dem Wohl andrer
liegt; und daß unser moralisches Gefühl uns bewegt,
nur solche Handlungen als tugendhaft zu billigen, von denen wir wahrnehmen,
daß sie zum Theil wenigstens aus dieser Begierde herrühren. – " Seit.157.158.
Ia-02-1778-0076
28) Die menschliche
Natur ist einer ruhigen Bosheit unfähig.
Ia-02-1778-0077
"Was die Bosheit
anlanget, so scheinet die menschliche Natur kaum
eines boshaften uneigennüzzigen Hasses, oder einer
ruhigen lezten Begierde, andre unglüklich zu sehen, fähig zu sein, wenn
wir sie uns nicht als schädlich vorstellen oder glauben, daß sie unserm
Vortheil entgegen stehen. Derjenige Has, der da
machet, daß wir uns denjenigen, deren Vortheil
dem unsrigen entgegen stehet, wid*...*
widersezzen, ist einzig und allein die Wirkung der Selbstliebe
und nicht einer uneigennüzzigen Bosheit. Eine
plözliche Leidenschaft kan uns unrechte Begriffe von unserm Nebenmenschen
beibringen, und sie uns eine kurze Zeit als schlechterdings
böse vorstellen; und so lange diese Einbildung
dauret, können wir vielleicht einige Beweise einer uneigennüzzigen
Bosheit geben: allein so bald wir über die menschliche
Natur nachdenken, und richtige Begriffe bilden, so wird diese unnatürliche
Leidenschaften gemässiget, und die Selbstliebe
bleibt nur zurük, die da machet, daß wir uns aus Eigennuz unsern Gegnern
widersezzen. – . –" Seit.158.159.
Ia-02-1778-0078
"Es ist klar, daß
wir fast niemals eine ruhige Bosheit gegen eine
Person, oder eine leztere Begierde nach ihrem
Elende haben. Unser ruhiger Widerwille komt einzig und allein daher, weil
unser Nuzzen dem Nuzzen des andern entgegen
stehet; oder wenn wir wirklich eine ruhige Bosheit unterhalten können;
so mus es gegen einen Karakter sein, von dem wir glauben, daß er nothwendiger
und unveränderlicher Weise moralisch böse sei; so wie eine plözliche
Leidenschaft uns unsre Feinde zuweilen vorstelt, und uns vielleicht doch
niemals ein solches Wesen unter den Werken eines
gütigen Gottes für Augen kömt." Seit. 160. 161.
Manuskriptseite
42.
Ia-02-1778-0079
29) Noch ein Einwurf
gegen das uneigennüzzige Wohlwollen wird widerlegt.
Ia-02-1778-0080
"Es giebt noch einen
Einwurf gegen das uneigennüzzige Wohlwollen, welcher
aus dieser Betrachtung entstehet, "daß nichts unsre Liebe gegen vernünftige
Wesen so sehr erwekket, als ihre Wohlthätigkeit,
und besonders ihre Wohlthätigkeit gegen uns selbst, und daß wir hierdurch
bewogen werden, zu glauben, daß unsre Liebe, sowohl gegen Personen, als
unvernünftige Gegenstände gänzlich aus Eigennuz
fliesse." Allein hier müssen wir uns selbsten etwas genauer fragen. Wünschen
wir dem Wohlthäter Gutes,
weil es unser Nuzzen ist, es zu wünschen? oder lieben wir ihn deswegen,
weil unsre Liebe das Mittel ist, uns seine Gütigkeit
zu verschaffen? Wenn dieses wäre, so könten wir jeden Karakter lieben;
auch nur die Gütigkeit einer dritten Person zu erhalten; oder wir könten
durch eine dritte Person bestochen werden, den grössesten Spizbuben von
Herzen zu lieben, so wie zu äusserlichen Dingen
Diensten bestochen würden. Allein das ist völlig unmöglich. Ferner ist
nicht unsre Wohlgewogenheit eine Folge der Gütigkeit,
und keinesweges ein Mittel sie zu verschaffen? Ein äusserlicher Schein,
Gehorsam und Verstellung kan vor der Meinung der Wohlthätigkeit
einer Person voraus gehen; allein wirkliche Liebe
sezt dieselbe allezeit woraus, und wird nothwendiger Weise auch da, wenn
wir nichts mehr hoffen, aus der Betrachtung vergangener Wohlthaten entspringen.
Oder kan jemand sagen, er liebe einen Wohlthätigen,
wie er sein Feld, einen Garten wegen seines Nuzzens
liebet? Seine Liebe mus alsdenn gegen denjenigen
aufhören, der sich sich durch die vielen guten
Dienste, die er ihm erzeiget, zu Grunde gerichtet hat, wenn er es nicht
mehr zu thun im Stande ist: so wie wir einen
Manuskriptseite
43.
unbelebten Gegenstand
aufhören zu lieben, wenn er aufhöret uns nüzlich zu sein, wenn nicht,
wie sehr oft geschiehet, eine poetische Prosopopäie
ihn belebet, und eine eingebildete Dankbarkeit
gegen ihn erwekket. Wohlthätigkeit mus also unsre
Wohlgewogenheit vermehren, so wie es die Hochachtung
erwekt, welche immer mit stärkern Graden des Wohlwollens begleitet wird;
und deswegen lieben wir auch diejenigen, welche gegen andre wohlthätig
sind. Wir werden bei denjenigen Wohlthaten, die wir selbst empfangen,
weit mehr von ihrem Werthe und denjenigen Umständen der Handlung gerühret,
welche Beweise von der grosmüthigen Denkungsart des Gebers
sind, und wegen der guten Meinung, die wir von uns selbst haben, sind
wir geneigt zu glauben, daß die Gütigkeit besser an uns als an andern
angewendet sei, von denen wir eine geringere
Meinung haben. Dem sei wie ihm wolle, so ist es genug, um den Einwurf
zu heben, daß die Gütigkeit, die von einem Geber
kömt, von dem wir wissen, daß er moralisch böse
sei, die durch Gewalt erpresset ist, oder aus
eigennüzziger Absicht herfliest, niemals eine
wirkliche Wohlgewogenheit hervorbringet, ja daß
sie vielmehr einen Unwillen erreget, wenn wir
eine verstelte Liebe, oder eine Absicht muthmassen, uns dadurch zu etwas
unehrbaren zu verleiten: da hingegen weislich angewendete Gütigkeit allezeit
Beifal erhält, und ihrem Urheber die Liebe aller derer, die dadurch
davon hören, erwirbt." Seit. 161. 162. 163.
Ia-02-1778-0081
30) Die wahre Quelle
der Tugend.
Ia-02-1778-0082
"Indem wir nun die
falschen Quellen der
tugendhaften Handlungen entfernet haben; so wollen
wir eine wahref*st
fest sezzen, und diese ist eine gewisse Bestimmung unsrer
Natur, um das Wohl andrer besorgt zu sein: oder ein gewisser Instinkt,
der eher war, als alle Gründe des Eigennuzzes, und der uns zur Liebe andrer
beweget; eben so wie das moralische
Gefühl, das wir oben
erklärten, uns bestimt, diejenigen Handlungen zu billigen,
welche bei uns *...*
oder andern aus dieser Liebe
fliessen." Seit. 166.
Manuskriptseite
44.
Ia-02-1778-0083
31) Natürliche Zuneigung.
Ia-02-1778-0084
"Ein ehrlicher
Pachter wird uns sagen, daß er die Erhaltung und
Glükseeligkeit seiner Kinder suchet, und sie liebt,
ohne einige Absicht, sich selbst Nuzzen dadurch zu verschaffen. Allein,
sagen viele von unsern Philosophen, "die Glükseeligkeit der Kinder giebt
denen Ältern Vergnügen, und ihr Elend giebt ihnen Misvergnügen, und um
das erstere zu erhalten, und das leztere
zu vermeiden, suchen sie aus Selbstliebe das Beste
ihrer Kinder." Man sezze verschiedne Kaufleute, die ihr ganzes Vermögen
mit einander in Gemeinschaft haben: der eine von ihnen ist auswärtig beschäftigt,
das Kapital der Geselschaft Geselschaft wohl
anzulegen; bei seinem Glükke gewinnen sie alle, und sein Verlust macht
wegen des Antheils, den sie daran nehmen, allen Verdrus. Ist dies nun
eben die Neigung, die Ältern gegen Kinder
haben? Ist denn hier eben diese zärtliche, diese persönliche Verbindung?
Ich glaube, nie werden dies Ältern sagen. Bei allen Fällen der Kaufleute
ist eine *...* offenbare
Verbindung des Vortheils; aber woher komt die Verbindung des Nuzzens zwischen
Ältern und Kindern? Machen
die Empfindungen des Kindes den Ältern Vergnügen
oder Schmerz? Ist der Vater hungrig, durstig, krank,
wenn es seine Kinder sind? Nein! sondern seine
natürlich eingepflanzte Begierde nach ihrem Wohl, und sein Abscheu gegen
ihr Elend macht, daß er bei ihrem Vergnügen oder Misvergnügen, Kummer
oder Freude fühlt. Diese Begierde gehet vor der Verbindung des Nuzzens
vorher, und ist ihre Ursache, und nicht ihre Wirkung. Sie mus also uneigennüzzig
sein. "Nein! sagen andre, die Kinder sind Theile
von uns selbsten, und indem wir sie lieben, lieben wir uns
selbsten." Eine sehr gute Antwort! Wir
wollen sie so hoch
treiben, als sie gehen wil. Wie sind sie Theile
von uns selbst? Nicht als ein Arm oder Bein:
denn wir sind uns ihrer sinlichen Empfindungen nicht bewust: "allein,
ihre Körper sind aus den unsrigen
gebildet." So ist es eineFliege
oder Made, welche in unserm verlohrnen Blute
oder Feuchtigkeit brütet; gewis uns sehr liebe Insekten! Es mus also etwas
anders sein, das die Kinder zu
Manuskriptseite
45.
Theilen von uns
selbst machet; und was ist dies anders, als
diejenige Neigung gegen sie, wozu uns die Natur
bestimt? Diese Liebe macht sie zu Theilen
von uns selbst, und komt nicht daher, weil sie es zuvor schon waren. Es
ist dies in der That eine gute Metapher; und wo wir unter verschiednen
vernünftigen Wesen eine Bestimmung zu gegenseitiger Liebe
wahrnehmen; so wollen wir denken, daß jedes Individuum
ein Theil eines Ganzen oder Systems,
und selbst in dem algemeinen Wohl desselben mit
begriffen sei. Ein andrer Schriftsteller glaubt, daß dieses alles sehr
leicht aus der Selbstliebe herzuleiten sei. "
Kinder sind nicht allein aus unserm Körper hervorgebracht, sondern sind
uns dem Körper und dem Geiste nach ähnlich: sie sind vernünftige Wesen,
wie wir sind, und wir lieben nur unsre eigne Gleichheit in denselben."
Das ist alles sehr gut. Was ist Gleichheit? Es
ist keine individuelle Identität; sie ist blos
unter einer algemeinen oder besondern Idee mit begriffen. So ist eine
Gleichheit zwischen uns und andrer Leute Kinder, und so ist in verschiedner
Absicht ein Mensch einem andern gleich; ein Mensch ist auch einem Engel,
und in andrer Betrachtung auch einem Viehe gleich.
Ist also eine natürliche Anlage in jedem Menschen seines
gleichen zu lieben, nicht allein seinem individuellen Selbst Gutes
zu wünschen, sondern auch andern gleichen vernünftigen und empfindenden
Wesen? Und ist diese Neigung am stärksten, wo die Gleichheit in denen
höheren Eigenschaften am grösten ist? Wenn dies *
alles mit dem Namen der Selbstliebe benennet wird,
so sei es so. Die höchste Mystik braucht keinen uneigennüzzigern
Grundsaz. Sie schränkt sich nicht auf sich selbst ein, sondern hat das
Wohl andrer einzig und allein zum Endzwek, und kan sich auf alle ausbreiten;
weil jeder dem andern gewissermaassen gleichet. Nichts kan besser, nichts
kan grosmüthiger, denn diese Selbstliebe sein. Wenn man den Einwurf macht,
" daß die Ältern allezeit Vergnügen, öfters Ehre haben, und zuweilen ihre
äusserlichen Umstände durch die Wohlfahrt und Klugheit ihrer Kinder verbessern,
und daß daher alle Sorgfalt der Ältern entspringe,"
so wollen wir das, was wir oben gesagt haben, wiederholen; Alle diese
Manuskriptseite
46.
Bewegungsgründe
hören bei der Annäherung des Todes auf, und doch ist alsdenn ihre Liebe
st so stark, als jemals. Man lasse die Ältern
ihr eignes Herz untersuchen, und sehen, ob dies die einzige Quelle ihrer
Liebe, und zwar gegen die ohnmächtigsten ist, von denen sie die geringste
Hofnung haben. Doch ein neuerer Autor merkt an, daß die natürliche
Liebe in denen Ältern schwach ist, bis
die Kinder anfangen, Beweise von ihrer Erkentnis und Neigungen
zu geben. Die Mütter, sagen sie, fühlen diese Neigung schon sehr
stark, auch gleich zu Anfange; und doch könte ich wünschen, um seine Hypothese
übern Haufen zu werfen, daß das, was er behauptet, wahr wäre; so wie ich
glaube, daß es gewisser maassen ist, ob wir gleich zuweilen bei vielen
Ältern eine Liebe gegen unwissende wahrnehmen. Die Wahrnehmung des Verstandes
und der Neigungen bei Kindern, die da machen,
daß wir sie als moralische
Wesen ansehen, kan unsre Liebe gegen sie ohne Absicht eines Vortheils
vermehren; denn ich hoffe, diese Liebe **
wächst deswegen nicht, weil wir einen Vortheil aus der Erkentnis
oder denen Neigungen der Kinder voraussehen, für welche die Ätern immerfort
arbeiten, und niemals die Absicht haben, ihre Unkosten wieder erstattet,
oder für ihre Arbeit, ausser in den äusserlichen Nothfällen, belohnt zu
werden. Wenn also die Wahrnehmung einer moralischen
Fähigkeit nach der Einrichtung unsrer Natur die Ursache sein kan,
daß unsre Liebe ohne Eigennuz wächst, kan sie denn da nicht der Grund
von einer schwächern Liebe sein, wo keine Bande
der Verwandschaft vorhergegangen sind, und sich auf alle Menschen
erstrekken. – " Seit.166.167.168.169.170.
Ia-02-1778-0085
32) Algemeine Liebe
ist natürlich.
Ia-02-1778-0086
"Und daß es sich
in der That so verhält, dieses wird sich zeigen, wenn wir etwas entferntere
Verbindungen in Erwägung ziehen. Wenn wir einige Nachbarn bemerken,
von denen wir nie einige Gefälligkeit genossen haben, welche Freundschaften,
Haushaltungen, und einen geselschaftlichen
Handel mit einander aufgerichtet haben, und sich unter einander
ehrlich und freundschaftlich beistehen, so frage man einen Sterblichen,
ob er nicht lieber ihre
Manuskriptseite
47.
Wohlfahrt
wünschen würde, wenn ihr Elend
und ihr*...*Untergang*
Nuzzen keinesweges mit dem unsrigen streitet, als ihr Elend
und ihren Untergang? Und man wird finden, daß
sich die Gränzen des Wohlwollens weiter als auf
eine Familie und Kinder
erstrekken, obgleich diese Bande nicht so stark
sind. Man sezze wiederum den Fal, daß eine Person des Handels wegen ihr
Vaterland verlassen, und mit ihrer ganzen Verwandschaft
sich auswärts niedergelassen, ohne Absicht, jemals wieder zurük zu kehren;
und man stelle sich dabei vor, daß er niemals von seinem Vaterlande sei
bleidigt worden; so frage man diesen Mann, ob er nicht lieber die Wohlfahrth
seines Vaterlandes wünschte, als daß es nunmehr, da seine Vortheile mit
den Vortheilen der Nation nicht mehr verbunden sind, durch Tyrannei
oder eine fremde Macht verwüstet würde? Ich stelle
mir vor, seine Antwort wird uns zeigen, daß sich das Wohlwollen
weiter als auf Nachbarschaft
und Bekantschaft erstrekke. Man lasse einen Mann
von einer gesezten Denkungsart ausser dem Lärm
seiner Privatgeschäfte, nur von der Einrichtung
eines fremden Landes, auch in den entlegensten
Erdtheilen lesen, und dabei Kunst, Absicht und
eine Liebe des gemeinen Besten
in den Gesezzen dieser Geselschaft bemerken, und
er wird zu ihrem Vortheile in seiner Seele gerühret sein; er wird suchen
Verbesserungen und Änderungen in ihrer Einrichtung zu erfinden,
wenn der eine Theil derselben unglücklich ausgefallen, und ihren Vortheilen
schädlich sein kan. Er wird das Unglük, das sie befält, beklagen,
und mit der Liebe eines Freundes Antheil an ihrem
Schiksaale nehmen. Dieses
beweiset nun, daß sich das Wohlwollen gewisser
maassen auf alle Menschen erstrekke, wo kein
streitender Vortheil darzwischen
komt, welcher es aus Selbstliebe erstikket. Und
hätten wir einge Begriffe von vernünftigen Wesen,
die moralischer Neigung auch in den entfernsten
Planeten fähig wären; so würden sie unsre guten Wünsche
begleiten, und wir würden ihre Glükseligkeit wünschen. Und daß
Manuskriptseite
48.
alle diese Neigungen,
sie mögen nun mehr oder weniger ausgedehnt sein, eigentlich uneigennüzzig
sein, und sich nicht eben auf eine Begierde nach derjenigen Glükseeligkeit,
die wir aus der Wohlfahrt andrer erwarten, gründet. Dieses erhellet daraus,
daß sie auch noch in dem Augenblikke unsers Todes,
oder unsrer gänzlichen Zernichtung fortdauern,
so wie wir bei dem vorigen Abschnitte bereits bemerket haben." Seit.
170. 171.172.
Ia-02-1778-0087
33) Nationalliebe.
Ia-02-1778-0088
"Hir können wir
im Vorbeigehen den Grund der Nationalliebe, oder
der Liebe des Vaterlandes
bemerken. Wir haben an einem jeden Orte, wo wir einige Zeit gelebet haben
die verschiedne Neigungen der menschlichen
Natur bemerket. Wir haben manche liebenswürdige
Karaktere kennen lernen, wir erinnern uns der Freundschaften,
Geselschaften und Familien und natürlichen
Neigungen: unser moralisches Gefühl bestimt
uns diese liebenswürdigen Eigenschaften zu billigen,
wo wir sie am deutlichsten wahrgenommen haben; und unser Wohlwollen
verwikkelt uns in das Interesse derer Personen,
die sie besizzen. Wenn wir eben dieses eben so
deutlich in einem andern Lande wahrnehmen; so
fangen wir an eine Nationalliebe
auch gegen dasselbe zu fühlen;
und unser Vaterland hat in unsrer Idee keinen andern Vorzug, es müste
denn durch die Vergeselschaftung derer angenehmen Begriffe unsrer Jugend
mit denen Gebäuden, Feldern und Wäldern,
wo wir sie empfiengen, geschehen. Dieses zeiget uns, *...*
warum Tyrannei, Aufruhr, eine nachlässige
Verwaltung der Gerechtigkeit, verderbte Sitten,
und alles, was das Elend *
der Unthe Unterthanen bewirkt, diese Nationalliebe
und diesen werthen Begrif von einem Lande
zerstöret. – " Seit. 172.
173.
Ia-02-1778-0089
34) Alle Tugend
ist wohlwollend.
Ia-02-1778-0090
"Wenn wir alle Handlungen
untersuchen, welche man für liebenswürdig hält,
und auf den Grund gehen, warum sie
Manuskriptseite
49.
gebilliget werden,
so werden wir finden, daß sie in der Meinung desjenigen,
der sie billigt, gemeiniglich als wohlwollend
erscheinen, oder als ob sie aus guter Gesinnung
gegen andre, oder aus dem Verlangen nach ihrer
Glükseeligkeit entspringen; derjenige, der sie billiget, mag nun eine
von den geliebten Personen sein oder nicht,
so erscheinen alle liebreiche Neigungen; welche
uns bewegen, andre glükseelig zu machen, und alle Handlungen, von denen
wir voraussezzen, daß sie aus diesen Neigungen
fliessen, als moralisch gut, wenn sie, indem sie
gewissen Personen wohlwollend sind, andern dadurch
nicht schädlich werden. Niemals werden wir an
einer Handlung, wo wir uns kein Wohlwollen dabei
denken; oder bei einer Geschiklichkeit und Anlage, von der wir nicht voraussezzen,
daß sie auf wohlwollende Endzwekke könte angewendet
werden, etwas Liebenswürdiges finden. Ja diejenigen Handlungen, wie wir
ob. erinnert haben, die in der That ausserordentlich
nüzlich sind, werden scheinen, als ob sie gar keine moralische
Schönheit hätten, wenn wir wissen, daß sie nicht aus gütigen Gesinnungen
gegen andre geflossen sind; und eine unglükliche
Bemühung der Gütigkeit, oder der Neigung, das gemeine
Beste zu befördern, wird eben so liebenswürdig
als die glüklichste scheinen, wenn sie aus einem eben so starken Wohlwollen
entsprungen ist. – " Seit.174.
175.
Ia-02-1778-0091
35) Moralisches
Übel ist nicht jederzeit Bosheit.
Ia-02-1778-0092
"Uneigennüzzige
Bosheit oder eine lezte Begierde nach dem Unglük andrer,
ist der höchste Gipfel von dem, was wir für
lasterhaft halten; und jede Handlung scheint böse,
v** von der wir
glauben, daß sie aus einem gewissen Grad dieser Neigung
fliesse. Vielleicht kan eine heftige Leidenschaft
auch einige Augenblik jemand dazu hinreissen,
und in dem ersten Anfal unsers Zorns können wir uns unsre
Manuskriptseite
50.
Feinde vorstellen,
als ob sie solche verhaste Eigenschaften hätten;
allein es ist aus den oben angeführten Gründen sehr wahrscheinlich, daß
es in der menschlichen Natur keinen solchen Grad
von Gotlosigkeit giebt, bei kaltem Blute das Unglük
andrer zu verlangen, wenn wir es uns und unserm Vortheil auf keine Weise
nüzlich vorstellen. Die öftern und dem Scheine nach unangereizte Grausamkeiten
der Neronen und Domitianen,
werden öfters zum Beweise des Gegentheils angeführet; allein vielleicht
nicht mit Grunde. Solche Tyrannen sind sich bewust, daß sie von allen
denen gehast werden, die die Welt für tugendhaft hält, und sie befürchten
sich einer Gefahr von denselben. Ein Tyran siehet solche Leute an, als
ob sie, unter einem falschen Scheine der Tugend, falsche, listige oder
ehrsüchtige Leute wären. Er stelt sich vor, das sicherste Mittel zu seiner
eignen Sicherheit sei dasjenige, wenn er schrekbar
scheine, und seine Feinde aller ihrer Hofnung
beraube, durch sein Mitleiden zu entweichen.
Der Ruf der Tugend bei erhabenen Personen ist eine Ursache des Neides
und ein Vorwurf für den Tyrannen. Er schwächet
seine Gewalt, und macht sie ihm gefährlich. Die Gewalt
wird ein Gegenstand des Vergnügens für den Tyrannen, und um dieses zu
zeigen, durchbricht er alle Schranken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit.
Bei einem solchen Wandel kan man sich endlich Fertigkeit in Grausamkeiten
erwerben. Diese anscheinende Vortheile scheinen
mir die Grausamkeiten des Tyrannen besser zu erklären, als wenn man einen
Grundtrieb von ruhiger Bosheit ohne Nuzzen
voraussezt, deren alle übrige Menschen gänzlich
unfähig zu sein scheinen." – Seit. 181. 182.
Ia-02-1778-0093
36) Die Denkungsart
eines Tyrannen.
Ia-02-1778-0094
"Die Denkungsart
eines Tyrannen scheinet ein auf einander
Manuskriptseite
51.
folgender beständiger
Zustand von Zorn, Has und Furcht
zu sein. Damit wir also von den Bewegungsgründen seiner Handlungen und
den Handlungen derjenigen in niedern Ständen
urtheilen können, so wollen wir die Begriffe näher erwägen, die wir uns
von Personen machen, wenn wir uns in einem von den Affekten befinden,
die dem Tyrannen gewöhnlich
sind. Wenn wir von einem angethanen Unrechte noch frische Eindrükke haben,
so werden wir finden, daß unsre Seele mit solchen Begriffen von dem
Beleidiger angefüllet ist, als ob er schlechterdings
böse wäre, und ein Vegnügen darinnen fände,
Schaden anzurichten: wir übersehen die Tugenden, die wir bei ruhigem Blut
in ihm bemerkt hätten: wir vergessen, daß er vielleicht aus Selbstliebe,
und nicht aus Bosheit oder aus einer grosmüthigen,
liebreichen Absicht gegen andre handelte. Dieses sind wahrscheinlicher
Weise die Meinungen, die ein Tyrann gemeiniglich
von seinem Nebenmenschen hat: und da er alle liebreiche
Neigungen in sich geschwächt hat, ob er gleich Anspruch auf dieselben
machen mag; so urtheilt er von der Gemüthsart
andrer nach seinen eigenen. Und wären die Menschen
wirklich so, wie er sie ver*...*thet
vermuthet, so würde sein Vermuthen Verfahren
gegen sie nicht sehr unvernünftig sein. Wir werden finden, daß gemeiniglich
unsere Leidenschaften aus den Begriffen entspringen, die wir uns von andern
bilden; wenn wir uns diese in der Hizze nach gewissen plözlichen und kleinen
Absichten gebildet haben, so ist es kein Wunder, wenn wir Eigenschaften
entdekken, die aus ihnen folgen, die aber mit der wirklichen
Beschaffenheit der menschlichen Natur schlecht übereinkommen."
Seit. 182. 183.
Ia-02-1778-0095
37) Die ordentliche
Quelle des Lasters.
Ia-02-1778-0096
"Die
ordentliche Quelle des Lasters mus also eine
irrige Selbstliebe sein, die so heftig geworden,
daß sie das Wohlwollen überwindet, oder solche
starke Begierden und
Leidenschaften, die entweder eigennüzzig oder
auf geringe Dinge gerichtet sind, und unsre Liebe zum gemeinen Wohl überwiegen;
oder Affekten, die aus falschen
und übereilten Meinungen von unsern Neben
Manuskriptseite
52.
menschen entspringen,
in welche wir wegen der Schwäche unsers Wohlwollens
verfallen. Wenn sich der Fal ereignet, daß Leute, die eine gute Meinung
von einander hegen, entgegengesezte
Vortheile haben, so ist es sehr leicht möglich, daß
ihre gute Meinung von einander verschwindet, indem
sie sich vorstellen, daß diese Widersezzung aus
Vorsaz und Bosheit herrühre;
ohne dies können sie einander schwerlich hassen. So
wünschen zwei Kandidaten,
die sich um einen Dienst bewerben, einander todt,
weil dies der ordentliche Weg ist, wodurch die
Menschen einander Plaz machen; allein wenn noch einiges Nachdenken über
die Tugend des andern übrig bleibt, so wie es
bei einer wohlwollenden Denkungsart möglich ist; so kan dieser ihr Streit
ohne Has sein, und wenn jener eine bessere Stelle bekomt, worum
dieser sich nicht mit beworben hat, so wird dieser sich darüber freuen."
Seit. 183. 184.
Ia-02-1778-0097
38) Das Wohlwollen
ist von verschiedenen Gattungen.
Ia-02-1778-0098
"Wohlwollen
ist ein Wort, das geschikt genug ist, überhaupt die innerliche Quelle
der Tugend zu bezeichnen, so wie es Kumberland
allezeit brauchet; doch, um dieses deutlicher zu verstehen, müssen
wir nothwendiger Weise die Erinnerung machen, daß unter diesem
Namen ganz verschiedne Fähigkeiten der Seele begriffen sind. Zuweilen
bezeichnet es eine ruhige ausgebreitete
Zuneigung, oder guten Willen gegen alle
Wesen, die eines Glüks oder Unglüks fähig sind.
Zweitens eine ruhige überlegte Neigung der Seele für die Glükseeligkeit
gewisser kleinerer Systemen oder einzelner Personen; wie Patriotismus,
die Liebe zum Vaterlande, Freundschaft, die Zuneigung
gegen Verwandte, so wie sie bei Personen, die sich selbst beherschen,
und weise sind, angetroffen wird. Oder drittens, die verschiedene besondre
liebreiche Leidenschaften der Liebe, des Mitleidens,
der Sympathie und Theilnehmung an des andern
Glükke. Dieser Unterschied, zwischen den ruhigen
Manuskriptseite
53.
Bewegungen des Willens,
den Affekten, Fähigkeiten, oder Instinkten der Seele, und zwischen denen
verschiednen unruhigen Leidenschaften *...*
ist an einem * andern
Orte Orte weitläuftiger
in Erwägung gezogen worden." S. 185. 186.
Ia-02-1778-0099
39) Das Wohlwollen,
wie es durch die Eigenschaften seiner Gegenstände bestimt wird.
Ia-02-1778-0100
"Die moralische
Schönheit oder Häslichkeit der Handlungen
wird durch die moralischen Eigenschaften der Gegenstände
nicht geändert, als in so fern die Eigenschaften der Gegenstände das Wohlwollen
der Handlung, oder das gemeine Wohl vermehren oder vermindern, das man
dabei zur Absicht hat. So kan das Wohlwollen gegen
die schlimsten Karaktere eben so liebenswürdig
sein, als jede andre Neigung, ja öfters mehr, als das Wohlwollen
gegen gute Karaktere, weil es einen solchen starken
Grad des Wohlwollens anzeigt, der das gröste Hindernis,
das moralische Übel in dem Gegenstande überwinden
kan. Daher rechtnet man die Liebe gegen ungerechte Feinde
unter die höchsten Tugenden. Doch wenn unser Wohlwollen
gegen böse Menschen, dieselben in ihren niederträchtigen
Absichten unterstüzzet, und dieselben fähiger
machet, Unheil anzurichten, so vermindert oder zernichtet dies die Schönheit
der Handlung, oder machet sie böse, weil es eine
Vernachlässigung des Wohls
andrer, das beträchtlicher war, verräth, da die Wohlthätigkeit gegen diese
mehr zum gemeinen Besten als die Wohlthat für
uns unsre Günstlinge
würde beigetragen haben. Allein das Wohlwollen
gegen böse Karaktere, das sie weder fähiger machet,
noch mehr ermuntert, Schaden zu thun, noch unser Wohlwollen
von nüzlichern Personen abziehet, hat eben so viele moralische Schönheit,
als jede andre Neigung. Seit. 190. 191.
Ia-02-1778-0101
40) Gewisse Grundsäzze,
um die Moralität der Handlungen mit allen ihren
Umständen zu berechnen.
Ia-02-1778-0102
"Um eine algemeine
Regel finden, die Moralität einiger Handlungen
mit allen ihren Umständen zu berechnen, wenn wir von unsern oder andrer
Handlungen urtheilen, müssen wir folgende Grundsäzze beobachten.
Ia-02-1778-0103
1) Die moralische
Wichtigkeit eines Handelnden, oder die
Manuskriptseite
54.
Grösse des algemeinen
Guten, das er hervorbringet, bestehet in einem zusammengesezten Verhältnisse
seines Wohlwollens und seiner Fähigkeiten.
Denn es ist klar, daß seine guten Dienste von diesen zweien Dingen gemeinschaftlich
abhängen. Gleicherweise bestehet die Grösse des besondern Guten, das der
Handlende für sich selbst erhält, in einem zusmmengesezten Verhältnisse
seiner eigennüzzigen Grundsäzze und seiner Fähigkeiten.
Wir sprechen hier nur von den äusserlichen Gütern dieser Welt, die jemand
aus eigennüzzigen Grundsäzzen suchet. Denn die innerlichen Güter der Seele
der Seele werden am merksamsten durch die Ausübung
andrer Grundsäzze und Neigungen erhalten, als diejenigen, welche wir eigennüzzig
nennen, auch diejenigen, so den Handlenden ausser
sich selbst auf das Wohl andrer führen.
Ia-02-1778-0104
2) In Vergleichung
der Tugenden verschiedner Personen, deren Fähigkeiten gleich sind, verhalten
sich die Grössen des gemeinen Guten, wie die Güte
der Denkungsart oder das Wohlwollen; und wenn
die Denkungsart gleich ist; so sind die Grössen des Guten wie die Fähigkeiten.
Ia-02-1778-0105
3) Die Tugend also,
oder die Güte der Denkungsart ist gerade wie die Grösse
des Guten, wenn andre Umstände gleich sind, oder
umgekehrt, wie die Fähigkeiten. Das heisset so
viel, wo die Fähigkeiten die grösten sind, da ist eine Anzeige von weniger
Tugend bei einer gegebenen Grösse von hervorgebrachtem Guten.
Ia-02-1778-0106
4) Allein so wie
die natürlichen Folgen unsrer Handlungen mannigfaltig
sind, einige gutfür
uns, und übel für das Ganze; und andre übel
für uns, und gut für das Ganze, oder entweder
beides uns und andren nüzlich oder schädlich; so ist auch die wahre Quelle
der guten Handlungen nicht allezeit das Wohlwollen
allein; oder derer Bösen, die Bosheit allein (denn
ruhige Bosheit findet man selten), sondern in den meisten Fällen müssen
wir die Selbstliebe als eine andre Kraft ansehen,
die zuweilen mit dem Wohlwollen übereinstimmet, und ihm eistehet, wenn
wir so wohl durch Absichten
Manuskriptseite
55.
eines Privatnuzzens
als auch des gemeinen Bestens ermuntert werden, zu handeln, und zuweilen
eine mit dem Wohlwollen streitende Kraft, wenn
die gute Handlung einiger maassen schwer oder
schmerzhaft zu volbringen, oder in ihren Folgen
der handlenden Person schädlich
ist. Diese eigennüzzigen Bewegungsgründe sollen
hernach weiter erwogen werden; hier können wir sie algemein mit dem Worte
Nuzzen anzeigen, welcher, wenn er mit dem Wohlwollen
zusammen komt, bei einer Handlung, die eines Wachsthums oder Verminderung
fähig ist, eine beträchtlichere Grösse des Guten
hervorbringen mus, als das Wohlwollen allein bei
eben denselben Fähigkeiten; und wenn die Grösse
des Guten in einer Handlung, die zum Theil das
Wohl des Handlenden zur
Absicht hatte, nur der Grösse des Guten in der
Handlung eines andern, der blos durch das Wohlwollen
bewogen worden, gleich ist, so ist die erstere weniger
tugendhaft, und in diesem Falle mus der Nuzzen bestimt werden,
um die wahre Wirkung des Wohlwollens oder der Tugend
zu finden. Und eben so, wenn der Nuzzen dem Wohlwollen
entgegen steht, und doch durch dieselbe überwunden wird, mus dieser Nuzzen
zu der Grösse addiret werden, um die Tugend der
Handlung oder die Stärke des Wohlwollens zu vermehren.
Durch Nuzzen in diesem leztern Fal verstehen wir
allen den Vortheil, welcher der Handlende
durch Unterlassung der Handlung **
könte erhalten haben, welches ein negativer Bewegungsgrund
dazu ist, und dieser, wenn er abgezogen wird, wird positiv.
Hier müssen wir anmerken, daß der Vortheil, den
wir nicht zur Absicht hatten, der aber natürlicher
oder zufälliger Weise aus der Handlung fliest, nichts zu ihrer Moralität
beiträgt, oder sie weniger liebenswürdig machet;
so wie eine Schwierigkeit oder ein Übel, das wir nicht vorhergesehen,
oder nachdem wir uns nicht entschlossen haben, eine liebenswürdige Handlung
nicht tugendhafter machet; denn in solchen Fällen
hilft oder streitet die Selbstliebe nicht mit
dem Wohlwollen. Ja der Eigennuz
vermindert nur alsdenn Wohlwollen, wenn ohne diese
eigenüzzige Absicht die Handlung nicht würde unter
Manuskriptseite
56.
nommen worden sein,
oder so viel Gutes nicht würde hervorgebracht haben, und er lindert das
Laster einer übeln Handlung nur alsdenn, wenn
ohne diesen Nuzzen die Handlung von dem Handlenden
nicht würde sein unternommen oder so viel Übels
durch ihn würde sein hervorgebracht worden. Der sechste Grundsaz erkläret
nur diejenigen äusserlichen Kenzeichen, nach welchen die Menschen urtheilen
müssen, die einander nicht ins Herz sehen können. Denn es kan in manchen
Fällen geschehen, daß Leute ein solches starkes Wohlwollen
haben, das hinreichend wäre; jede Schwierigkeit zu überwinden, und daß
sie doch überhaupt keine antreffen; und in diesem Falle ist gewis, daß
hierneben so viel Tugend bei dem Handlenden
ist, ob er gleich seinen Nebengeschöpfen keine Proben davon giebt, als
ob er in seinen liebreichen Handlungen Schwierigkeiten überwunden hätte.
Und dieser Fal mus bei Gott sein, dem nichts Schwierigkeiten
machen kan. –" Seit. 198. 199. 200.
201.
Ia-02-1778-0107
41) Volkommene Tugend.
Ia-02-1778-0108
"Da
nun also bei Beurtheilung der guten Denkungsart einer handlenden Person
die Fähigkeiten mit in die Rechnung kommen müssen, und niemand über seine
natürliche Fähigkeiten handeln kan; so mus dies die volkommenste Tugend
sein, wo die Grösse des hervorgebrachten Guten der Fähigkeit
gleichet, oder wenn ein Wesen nach aller seiner
Macht das gemeine Wohl zu befördern suchet; und
denn verhält sich die Volkommenheit der Tugend
in diesem Fal wie die Einheit. Dieses kan uns
den Grund von dem hochtrabenden Sazze der Stoiker anzeigen: "daß eine
Kreatur, die man als unschuldig voraussezt, wenn sie nach der Tugend
mit aller ihrer Macht strebet, an Tugend den Göttern
gleich kommen könne;" denn in diesem Falle, wenn die Fähigkeit
unendlich wäre, ist die Tugend, ausser
wenn das Gute, das im Ganzen hervorgebracht würde,
auch unendlich wäre, nicht absolut volkommen,
und der Quotient kan niemals die Einheit
übersteigen. –" Seit. 201. 202.
Manuskriptseite
57.
Ia-02-1778-0109
42) Die Moralität
ist von dem Nuzzen einer Handlung unterschieden.
Ia-02-1778-0110
"Aus den vorhergegangenen
Betrachtungen können wir nun eine demonstrative Folge ziehen: "daß wir
einGefühl der Güte
und moralischen Schönheit bei den Handlungen haben,
das von dem Vortheile unterschieden ist." Denn hätten wir keinen andern
Grund, Handlungen zu billigen, als den Vortheil,
welcher uns aus derselben erwachsen könte, wenn sie uns zum besten geschäche;
so würden wir die Fähigkeiten des Handlenden
nicht in Erwägung ziehen, sondern sie blos nach ihrer Wichtigkeit
schäzzen. Die Fähigkeiten kommen blos deswegen
mit in Betrachtung, um den Grad des Wohlwollens
zu zeigen, welcher ein nothwendiger Weise liebenswürdiges
Wohlwollen voraussezt. Wer findet deswegen mehr Vergnügen
an einem trokkenen felsigten Feld, oder an einem
unbequemen Hause, wenn man ihm sagt, daß das schlechte
Feld so viel Früchte trage, als es tragen
könne, und daß das Haus seinem Besizzer so bequem
wäre, als es gekont hätte? Und doch wird es in unsrer Meinung von den
Handlungen, deren Wichtigkeit sehr unbeträchtlich
ist, die Schönheit sehr vermehren, wenn man dazu
sezt, daß dies alles war, was der arme Handlende
für das gemeine Beste, oder seinen Freund thun
konte: –" Seit. 205.
Ia-02-1778-0111
43) Der Instinkt
kan die Quelle der Tugend sein.
Ia-02-1778-0112
"Es wollen viele
nicht zugeben, daß die Tugend aus Leidenschaften, Instinkten oder Neigungen
einer Art entspringen kan. Dies ist wahr, liebreiche
Leidenschaften gegen einzelne Personen sind nur eine niedrige Gattung
der Güte, wenn sie auch dem algemeinen Guten nicht entgegen stehen. Diejenigen
ruhigern Bestimmungen des Willens, sie mögen nun
von grösserer oder geringerer Ausdehnung, oder stille, starke Affekten
oder Begierden nach dem Wohl andrer sein, sind liebenswürdiger. Diese
können eben so stark in dem Wesen der Seele eingewurzelt sein, oder es
kan eine natürliche Fähigkeit zu
Manuskriptseite
58.
denselben da sein,
wie zu den Leidenschaften gegen einzelne Personen. Sie sagen uns, daß
die Tugend gänzlich aus der Vernunft entspringe; eben als ob die Vernunft
oder die Erkentnis eines wahren Sazzes uns zu einer Handlung bewegen könte,
wo kein vorhergesezter Endzwek, und keine Neigung oder Begierde zu diesem
Endzwekke ist, der lezte Endzwek nach der Meinung vieler von unsern Moralisten,
ist eines jeden seine eigne Glükseeligkeit, und
doch sucht er diese nach einem Instinkt. Nun kan
nicht ein andrer Instinkt für das algemeine
Wohl, oder das Wohl andrer eben sowohl
eine Quelle der Tugend sein, als der Instinkt
für unsre Privatglükseeligkeit? Dies ist gewis,
daß, wenn wir auch die eigennüzzigen Handlungen
andrer aufs höchste mit Gleichgültigkeit ansehen,
wir doch etwas liebenswürdiges bei jeder Handlung
sehen, die aus liebreichen Neigungen oder Leidenschaften
gegen andre fliest; wenn sie durch Klugheit geleitet werden, daß sie ihren
Endzwek erreichen, ohne dem algemeinen Wohl zu widersprechen. Solte man
sagen: "Handlungen, die man aus Instinkt thut,
sind nicht die Wirkungen der Klugheit und Wahl,"
so gehet dieser Einwurf auch die Handlungen an, die aus derSelbstliebe fliessen; da der Gebrauch unsrer
Vernunft eben so geschikt ist, die gehörigen Mittel für das gemeine
Wohl, als unser Privatbeste
auszufinden. Und so wie es ein Instinkt oder eine
Bestimmung sein mus, die eher
war, als unsre Vernunft, die da machet, daß wir daß Privatbeste
sowohl, als das gemeine Wohl als unsern Endzwek
suchen; so kan es eben auch der Fal für unsre Wahl
und Klugheit sein, bei der Wahl gehöriger Mittel
beides zu befördern. Ich sehe keinen Schaden, wenn man voraussezt, "daß
wir natürliche Fähigkeit zur Tugend
haben, und nicht gänzlich gleichgültig gelassen
worden, bis das Vorhersehen eines Vortheils uns dazu antreibt." Gewis,
die Voraussezzung eines algemein wohlwollenden
Instinkts würde die menschliche Natur
Manuskriptseite
59.
und ihren
Werkmeister der Liebe eines gutgesinten Mannes mehr empfehlen und
Gelegenheit genug übrig lassen, unsre Vernunft
in Festsezzung gewisser Rechte,
Gesez und Verordnungen, in Erfindung der
Künste, und in Ausübung derselben zu gebrauchen;
so, daß wir auf die wirksamste Art dieser edelmüthigen
Neigung wilfahren. Und wenn wir die Selbstliebe hinzuthun müssen,
um die Tugend vernünftig zu machen, so wird uns
ein kleines Nachdenken entdekken, daß dieses Wohlwollen unsre gröste
Glükseeligkeit ist; und daher können wir uns entschliessen, so
viel als möglich diese angenehme Fähigkeit aus
zuarbeiten, und jeden entgegenstehenden Nuzzen
zu verachten. Nicht, daß wir wahrhaftig tugendhaft
wären, wenn wir blos das Vergnügen zu erhalten suchen, welches aus der
Wohlthätigkeit entspringt, ohne daß wir Liebe
gegen andre hätten: sondern selbst dieses grose Vergnügen gründet
sich darauf, daß wir uns der uneigennüzzigen Liebe
gegen andre, als der Quelle unsrer Handlungen
bewust sind. Allein Eigennuz kan unser Bewegungsgrund
sein, uns zu bemühen, diese liebreichen Neigungen zu erregen, und in diesem
angenehmen Zustande fortzufahren, ob er gleich
nicht der einzige und vornehmste
Bewegungsgrund einer Handlung sein kan, welche unserm moralischen
Gefühl tugendhaft scheinet. – "Seit. 206. 207.
208. 209.
Ia-02-1778-0113
44) Der Heldenmuth
ist in allen Ständen.
Ia-02-1778-0114
"Aus denen vorhergehenden
Betrachtungen wollen wir nur diese einzige Folgerung
ziehen, die auch dem niedrigsten Stande der Menschen erfreulich ist, nämlich,
daß keine äusserliche nachtheilige Glüksumstände einen Sterblichen von
der Heldenmüthigsten Tugend ausschliessen. Denn
so klein auch die Wichtigkeit des algemeinen
Bestens sein mag, die jemand befördern kan, wenn seine Fähigkeiten
eben so klein sein mögen, so kan die Tugend doch
die gröste sein. Der Fürst, der Staatsman,
der General, sind nicht allein des wahren
Heldenmuths fähig, ob gleich dieses die vornehmsten Karaktere sind,
deren Ruf durch viele Nationen
Manuskriptseite
60.
und Zeitalter verbreitet
wird; sondern, wenn wir in einem ehrlichen Handelsman,
den liebreichen Freund,
den treuen klugen Rathgeber, den freigebigen
und gastfreien Nachbar,
den zärtlichen Eheman, den aufrichtigen
Verwandten, den ruhigen und muntern
Geselschafter, den grosmütigen Beistand des unbekanten
Verdienstes, und den behutsamen Mann in
Beilegung des Streites
und Zwistes, den Beförderer der
Liebe und des guten Verständnisses zwischen Bekanten finden; wenn
wir bedenken, daß dieses alle die guten Dienste
waren, welche seinem Nebenmenschen zu erzeigen ihm sein Stand Gelegenheit
gab; so müssen wir diesen Karakter wirklich für
eben so liebenswürdig halten, als diejenige, deren
äusserer Schimmer eine unbedachtsame Welt zu glauben verblendet, daß sie
die einzigen Helden in der Tugend
wären. – " Seit. 209. 210.
Ia-02-1778-0115
45) Das Wohlwollen
ist der einzige Grund des Beifals.
Ia-02-1778-0116
"Niemals werden
wir die Handlung einer Person gebilligt haben,
wenn nicht eine wohl oder übelgegründete Wahrnehmung einer wirklichen
guten moralischen Eigenschaft vorhergegangen ist. Wenn wir auf
die Meinung der Menschen von gewissen Handlungen Acht geben, so werden
wir finden, daß allezeit ein wirklich liebenswürdiger
und wohlwollender Anschein ihren Beifal bewirkt.
Wir können vielleicht Fehler begehen, wenn wir glauben, daß gewisse Handlungen
zu dem gemeinen Besten abzielen, die es nicht thun, oder auch, wenn wir
unachtsam sind, so daß wir, indem unsre Aufmerksamkeit auf gewisse gute
Wirkungen für einzelne Personen gerichtet ist,
viele üble Folgen, welche das Gute
überwiegen, gänzlich übersehen. Unsre Vernunft
kan ihre gehörigen Dienste nicht thun, wenn sie uns partheiische Vorstellungen
von dem Zwekke der Handlungen beibringt; allein, alzeit
ist doch eineanscheinende
Gattung von Wohlwollen da, die unserm Beifal
gebietet. Und dieses Gefühl,
ob es zwar nie in unsern andern Sinnen durch stärkeren Bewegungsgründe
des äusserlichen Vortheils überwunden wird, höret
nicht auf zu wirken, sondern machet uns unruhig
und un
Manuskriptseite
61.
zufrieden
mit uns selbst; so wie der Geschmak uns den übelschmekkenden
Trank ekelhaft und verdrüslich macht, den wir
uns wegen seines Nuzzens einzunehmen bewegen lassen. Man macht also hier
ohne Grund den Einwurf, daß gewisse Handlungen wirklich gethan werden,
die zum algemeinen Schaden abzielen. Denn auf
gleiche Art werden öfters Handlungen verrichtet und gebilliget, die zu
dem Schaden des Handlenden
abzwekken. Allein so wie wir aus dem leztern Falle
nicht folgern, daß die handlende Person gar keine Selbstliebe
oder Gefühl des Nuzzens habe; so dürfen wir auch
nicht aus dem erstern schliessen, daß diese Leute
kein moralisches Gefühl oder keine Begierde,
das gemeine Beste zu befördern, haben solten. Die Sache verhält
sich so: die Menschen betrügen sich bei der Abzwekkung einer Handlung
entweder zu dem algemeinen oder zu dem Wohl
einzelner Personen; ja öfters verursachen
heftige Leidenschaften, daß, so lange sie diese
dauren, sie nach ihrem moralischen
Gefühl sehr schlechte Handlungen biligen, und diejenigen, welche
für die handlende Person am schädlichsten sind,
für nüzlich ansehen. Allein dies beweiset weiter
nichts, als daß zuweilen ein stärkerer Bewegungsgrund
zu handeln, als das moralische Gefühl, da sein
kan, und daß Menschen gegen ihren eignen Vortheil
durch ihre Leidenschaften blind werden können. Allein, um zu beweisen,
daß die Menschen gar kein moralisches Gefühl haben,
müssen wir einige Beispiele von grausamen, boshaftigen
Handlungen ausfindig machen, die ohne einige wirkliche,
oder anscheinende, eigennüzzige Bewegungsgründe
geschehen wären, und die man gebilliget hätte, ohne die Meinung
zu haben, daß sie zu dem gemeinen Besten abzielten,
oder aus Wohlwollen geflossen wären: wir müsten
ein Land finden, wo Mord und Todtschlag,
die mit kaltem Blute geschehen, Martern, und alles,
was man boshaftes nennen kan, ohne einigen Vortheil,
wo nicht gebilliget, dennoch mit Gleichgültigkeit
ange
Manuskriptseite
62.
sehen wird, und
keinen Abscheu gegen die handlenden
Personen bei unpartheiischen Zuschauern erwekket: Wir müsten Menschen
finden, bei denen der Verräther, der Undankbare,
der Grausame mit dem grosmüthigen,
freundschaftlichen, treuen und leutseeligen
Manne in gleicher Achtung stehet, und welche den leztern
nicht höher als den erstern schäzzen, in allen
diesen Fällen, wo sich der Einflus dieser Eigenschaften nicht auf sie
selbst erstrekket, oder wo das natürliche Gute
oder Übel andre Personen betrift. Und es ist die
Frage, ob das Weltgebäude, ob es gleich gros genug,
und mit einer unglaublichen Mannigfaltigkeit von Karakteren versehen ist,
uns ein einziges Beispiel, nicht nur von einer Nation, sondern auch v**
von einer Geselschaft, oder einer einzelnen
Person darbieten solte, die alle Handlungen
für gleichgültig halten h
wird ausser diejenigen, die sie selbsten und ihren eignen
Vortheil betreffen. – – –" Seit. 211. 212. 213.
214.
Ia-02-1778-0117
46) Das moralische
Gefühl komt nicht von der Erziehung.
Ia-02-1778-0118
"Die Algemeinheit
des moralischen Gefühls, und daß es vor der Unterweisung
vorausgehe, wird daraus klar werden, wenn wir die Empfindungen unsrer
Kinder bemerken, wenn sie die Geschichten hören,
mit denen sie gemeiniglich unterhalten werden, so bald sie die Sprache
verstehen. Sie nehmen allezeit die Parthei derjenigen, von denen
man sagt, daß sie gütig und menschenfreundlich
wären, und verabscheuen den Grausamen, Geizigen, Eigennüzzigen
und Verrätherischen. Wie stark werden ihre Leidenschaften
der Freude, der Liebe,
des Unwillens, durch diese moralische
Vorstellungen erreget, ob man sich gleich keine Mühe gegeben hat,
ihnen Begriffe von einer Gotheit, von Gesezzen,
von einem zukünftigen
Zustande, von der Abzwekkung des algemeinen Wohls
zu dem Wohl jeder einzelner Person
beizubringen! – " Seit. 229.
Manuskriptseite
63.
Ia-02-1778-0119
47) Dankbarkeit!
Ia-02-1778-0120
"Nichts wird uns
einen richtigern Begrif von der weisen Ordnung
geben, nach welcher die menschliche Natur für
eine algemeine Liebe und gegenseitige
Dienstleistungen gebildet ist, als wenn wir diejenige starke anziehende
Kraft des Wohlwollens betrachten, welche
wir Dankbarkeit nennen. Jederman weis, daß Wohlthätigkeit
gegen uns selbst einen weit tiefern Eindruk auf uns macht, und die Dankbarkeit
oder einestärkere Liebe
gegen den Wohlthäter erwekket, als gleiche Wohlthätigkeit
gegen eine dritte Person. Wegen der grossen Anzahl der
von Menschen, ihren entfernten Wohnpläzzen, und wegen der U*Unmöglichkeit, daß jeder einer grossen Menge
wirklich nüzlich sein könte, hat es unsre Natur,
damit unser Wohlwollen durch die Menge von Gegenständen,
deren gleiche Tugend sie unsrer Achtung gleichmässig empfehlen würde,
nicht verwirt gemacht, oder damit es dadurch nicht unnüzlich würde, daß
es auf eine grosse Anzahl sich gleich weit erstrekke, deren Vortheile
wir nicht verstehen oder nicht befördern könten, weil wir keine Gelegenheit
haben, ihnen Dienste zu erweisen, so weislich geordnet,
daß, so wir unsre Dankbarkeit durch diejenigen
guten Dienste, die man uns oder unsern Freunden erzeiget, mehr erwekket
wird, sie auch eine stärkere Empfindung der Hochachtung in uns verursachen,
und ein stärkeres Wohlwollen gegen den Urheber derselben hervorbringen.
Dieses nennen wir Dankbarkeit. Und so ist auch
ein Grund für alle fröhliche Verbindungen in allen
Gattungen von Geschäften und tugendhaften
Freundschaften gelegt. Vermöge dieser Einrichtung
wird auch der Wohlthäter zu seiner Wohlthätigkeit
mehr aufgemuntert, und durch dankbare Erwiederungen
besser von dem Wachsthume der Glükseeligkeit versichert,
als wenn seine Tugend nur durch die kältere algemeinen
Gesinnungen gleichgültiger Personen geehret würde, die seine Nothdurft
nicht kenneten und nicht wüsten, wie sie ihm
Manuskriptseite
64.
nüzlich sein könten;
besonders, wenn sie alle gleichmässig bestimmet würden, unzählbare
Mengen zu lieben, deren gleiche Tugenden eben die Ansprüche auf ihre Liebe
haben würden. Das algemeine Wohlwollen gegen alle
Menschen können wir mit dem Grundtriebe der Schwere
vergleichen, welche sich vielleicht auf dem Körper in dem Weltgebäude
erstrekt; allein, allezeit wächst, so wie die
Entfernung vermindert wird, und am stärksten
ist, wenn Körper einander berühren. Dieses Wachsthum
bei mehrerer Annäherung ist eben so nothwendig, als eine anziehende
Kraft überhaupt. Denn eine algemeine anziehende
Kraft, die in allen Entfernungen gleich wäre, würde durch den Streit
der vielen gleichen Kräfte aller regelmässigen Bewegung ein Ende machen,
ja sie ganz unterbrechen. Neben dieser algemeinen anziehenden Kraft zeigen
uns die Gelehrten in dieser Gattung von Wissenschaft noch viele andre
anziehende Kräfte, unter verschiednen Arten von Körpern, die mit gewissen
besondern Bewegungen aus gewissen besondern Ursachen übereinstimmen. Und
diese anziehende Kraft, oder die Kraft, durch welche die Theile jedes
Körpers zusammen hängen, kan die Selbstliebe jeder einzeln Person vorstellen.
Diese verschiednen Arten der Liebe gegen gewisse Personen
nach denen nähern Verbindungen, die wir wegen
ihrerWohlthaten
mit ihnen haben, bemerkt man in dem hohen Grade
der Liebe, welche Helden
und Gesezze weit eher in ihrem Vaterlande als
auswärtig, auch bei denjenigen, die gegen ihre Tugend nicht unempfindlich
sind, erhalten; und in allen den starken Banden der Freundschaft,
Bekantschaft, Nachbarschaft und Gemeinschaft,
welche zu der Ordnung und Glükseeligkeit der menschlichen Geselschaft
ausserordentlich nothwendig sind. – " Seit. 232. 233.
234.
Ia-02-1778-0121
48) Die
moralische Unfähigkeit ist eine Ursache sich zu schämen.
Ia-02-1778-0122
"Wir werden uns
bei jedem Beweis von moralischer Un
Manuskriptseite
65.
fähigkeit,
und zwar mit gutem Grunde, schämen, wenn diese
Unfähigkeit durch unsre eigene Nachlässigkeit
ist verursacht worden. Ja wenn ein gewisser Umstand in einem Lande so
unanständig
als beleidigend für andre als häslich scheinet,
so werden wir ausser dem Verlangen nach der guten Meinung andrer uns schämen,
in solchen Umständen gefunden zu werden, wenn wir auch wissen, daß diese
Unanständigkeit oder Beleidung in der Natur ihren
Grund nicht hat; sondern blos die Wirkung der
Gewohnheit ist. Wenn man uns in solchen natürlichen
Verrichtungen antrift, welche für unanständig
und beleidigend gehalten werden, so werden wir
unruhig werden, ob wir gleich wissen, daß sie kein Beweis des Lasters
oder einer Schwachheit sind. Allein wir werden,
da alle moralische Fähigkeiten, weil man die algemeine
Vermuthung hat, daß sie gut angewendet würden, und man sie sich durch
Tugend h*...*erworben
habe, die Hochachtung andrer erwerben, uns ihrentwegen hochschäzzen
und stolz auf dieselbe werden, und uns schämen, wenn wir unsern Mangel
an solchen Fähigkeiten entdekken.
Dies ist die Ursache, warum Reichthum und Gewalt, diese grossen Werkzeuge
der Tugend, so bald man die Vermuthung hat, daß
sie zu wohlwollenden Absichten,
entweder für unser
Vaterland, oder unsre Freunde angewendet werden,
uns Ehre von andern erwerben, und Stolz in dem
Besizzer hervor zu bringen fähig sind; diese Leidenschaft
können wir, weil sie algemein, und gut oder böse
sein kan, nachdem sie einen Grund hat, so beschreiben, daß sie die Freude
sei, welche aus dem wirlichen oder eingebildeten Besiz der Ehre oder des
Rechts dazu entspringet. Eben so sind die Wirkungen der Erkentnis,
Weisheit und Stärke; und hieher
hierher komt es, daß die Menschen fähig sind, mit denselben zu prahlen.
Allen, so bald man sieht, daß Leute bei der Anwendung dieser Fähigkeiten
blos ihren
Manuskriptseite
66.
Privatnuzzen
oder natürliche Vortheile zur Absicht haben; so
höret die Ehre auf, und wir bemühen uns, sie zu
verbergen, oder sind zum wenigsten nicht ämsig, sie zu entdekken, und
zwar alsdenn noch weit mehr, wenn der Argwohn einer lasterhaften
Anwendung da ist. So schämen sich viele Geizhälse ihres Vermögens,
und bemühen sich, dasselbe, so wie die Boshaften
und Eigennüzzigen ihre Gewalt,
zu verbergen; ja öfters geschieht
es auch aus keiner wirklich übeln Absicht; weil
die Verminderung ihrer Fähigkeiten das moralische
Gute einer kleinen liebreichen Handlung vermehrt.
Ia-02-1778-0123
Kurz, wir sehen
alezeit, daß diejenigen Handlungen, welche aus Liebe
zum gemeinen Wohl fliessen, mit edelmüthiger Kühnheit
und Offenherzigkeit begleitet sind; und daß nicht allein boshafte,
sondern auch nur eigennüzzige Handlungen Schaam
und Verwirrung mit sich führen; und daß man sie zu verheelen sich bemühet.
Die Liebe zum Privatvergnügen ist die gewöhnliche
Veranlassung des Lasters, und wenn gewisse Leute
einige lebhafte Begriffe von Tugend
haben; so fangen sie gemeiniglich an sich alles dessen zu schämen, was
Eigennüzzigkeit auch da, wo sie unschuldig, verräth.
Wir sind sehr geneigt uns vorzustellen, daß andre, die uns über solchen
Handlungen antreffen, die üble Meinung von uns bekommen, als ob wir dem
Privatvergnügen zu sehr nachhiengen, und daher finden wir, daß der Genus
solcher Dinge bei den feinern Nationen vor denjenigen
Personen verheelet wird, die ihn nicht mit uns theilen; so wie die Vergnügungen
der Wollust zwischen verheiratheten Personen,
oder wenn eines ohne das andre bessere und köstlichere Gattungen von Speis
und Trank zu sich nimt. Einer gastfreien Tafel
rühmet man sich vielmehr
Manuskriptseite
67.
öffentlich, und
verheirathete Personen machen aus den liebreichen
und edelmüthigen Dienstgefälligkeiten, die sie einander erzeigen, kein
Geheimnis, weil hier kein Argwohn von Selbstliebe
bei der handlenden Person stat findet, sondern
man glaubt, daß sie blos aus der Liebe gegen
ihren Geselschafter also handele. Dieses erhöhet
die natürliche Ehrbarkeit bei civilisirten Nationen,
so wie Fertigkeit und Erziehung sie verbessern, so, daß wir uns nun mancher
Dinge aus gewissen dunkeln und verwirten Meinungen von moralischem
Übel schämen, ob wir gleich nicht wissen, aus wasfür vor einem Grunde wir es thun. Hier sehn wir
auch den Grund, warum wir uns nicht gewisser Arten, von Grösse und vornehmer
Lebensart schämen. Hier ist eine solche Mischung moralischer
Ideen von Wohlwollen und liebreich angewandten
Fähigkeiten; von unterstüzten
Klienten, von unterhaltenen Freunden, und
von der Fähigkeit zu grossen und liebenswürdigen Handlungen, daß wir uns
derselben niemals schämen, sondern vielmehr rühmen.
Wir bemühen uns niemals es zu verbergen, sondern
wünschen, daß unser Staat und Pracht
allen bekant werden möchte. Wenn diese Verbindung moralischer
Ideen nicht wäre, so würde niemand die Sklaverei des Staats ertragen.
Würde wohl jemand ein Vergnügen daran finden, seine Tafel mit einer Geselschaft
von Statuen umringet zu sehen, die so künstlich
eingerichtet wären, die verschiedenen Aufsäzze von seinen Speisen zu verzehren,
und durch einen Diener gleich so vielen Puppen regieret würden, die gewöhnliche
nichts bedeutende Danksagungen für die gute Mahlzeit abzustatten, oder
so viele Maschinen zu haben, die bestellet wären, die Büklinge und das
Gezischel einer Stube vol
Manuskriptseite
68.
unterthäniger
Klienten zu verrichten? Daß wir uns des ebenden Zustandes unsrer
Kleidung, Tafel und Equipage
schämen, dies ist eben dieser Ursache zuzuschreiben. Man glaubt, dieser
elende Zustand der Kleidung oder der Tafel sei eine Anzeige des Geizes
oder Niederträchtigkeit, eines Mangels an Fähigkeit
oder Lebensart, Fleis oder andern Gattung moralischer
Fähigkeiten. Um dieses zu bestätigen, dürfen wir nur bemerken,
daß sich Leute öfters dieses schlechten
Zustandes rühmen, wenn er durch eine gute Handlung veranlasset worden
ist. Wie viele würden sich schämen, zu Mittag über kalter
Küche angetroffen zu werden, die sich doch rühmen, Hunde–
und Pferdefleisch bei der Belagerung von Derry
gegessen zu haben? Und alle werden sagen, daß sie sich desselben niemals
schämen, noch geschämt haben. – Die ordentliche Verbindung in unsrer Einbildung
zwischen äus äusserlicher Grösse,
Regelmässigkeit in Kleidung, Equipage, Gefolge und Ehrenzeichen,
und zwischen mehr als gewöhnlich grossen moralischen
Fähigkeiten ist vielleicht in der Welt von mehrern Folgen,
als gewisse verschlossene Philosophen wahrnehmen,
die stolz darauf sind, diesen äusserlichen Schein zu verachten. dies kan
möglicher Weise eine grosse, wo nicht die einzige Ursache von dem sein,
was wir für für so wunderbar
halten, daß nämlich leutseelige Regenten, die
nicht mehr Fähigkeiten besizzen, als andre, durch eine nicht zu erklärende
Ehrfurcht und Ansehen
den Geist des Pöbels dämpfen, und sie durch solche Schranken in der Unterwürfigkeit
erhalten, welche leicht durch Verbindungen mit Misvernügten
könten durchbrochen werden, die unter ihres
gleichen kühn genug dazu sind, und die gehörige Verachtung des Todes zu
einer solchen Unter
Manuskriptseite
69.
nehmung zeigen.
– Hier können wir auch die Ursachen entdekken,
warum wir, wenn wir unserm höhern Gefühl der Schönheit
und Übereinstimmung wilfahren, oder das Vergnügen
der Erkenntnis geniessen, niemals Schaam oder
Verwirrung fühlen, wenn auch dieser Genus der ganzen Welt
bekant wäre. Die Gegenstände, welche dieses Vergnügen darreichen, sind
von einer solchen Beschaffenheit, daß sie nach einer grossen Menge andrer
Leute eben dieses Vergnügen gewähren; es ist auch bei ihrem Genusse nichts,
was einen Sterblichen von einem gleichen Genusse ausschliessen könte.
Also wird, ob wir gleich diese Güter und Vergnügungen
aus Selbstliebe suchen, dennoch weil unser Genus andern nicht schädlich
sein kan, niemand vor unmenschlich eigennüzzig
gehalten, weil er sie so sehr geniest; als er
nur kan. Eben die Regelmässigkeit, oder Übereinstimmung,
die mich ergözzet, kan noch sehr viele von meinen Nebenmenschen zugleich
ergözzen; eben der Lehrsaz wird noch eben so fruchtbar
an Vergnügen sein, wenn er tausend vergnüget hat. Wir schämen uns deswegen
niemals solcher Bemühungen, weil sie niemals an und vor sich zur Bosheit
und zum Neide verleiten, und nie wird einer den
andern deswegen, weil er Gegenstände von unerschöpflichem algemeinen Vergnügen
nachstrebt, für zu eigennüzzig halten. Dies lehrt
uns auch die Ursache, warum man in seiner eigenen Gegenwart nicht gerne
gelobt ist. Jeder ergözt sich an der Hochachtung andrer, und mus ein grosses
Vergnügen geniessen, wenn er sich loben höret; allein wir sehen es nicht
gerne, daß andre unsern Genus dieses Vergnügens, welches wirklich eigennüzzig
ist, bemerken oder glauben solten, wir hätten es gern, und die Hofnung
dazu bewegte uns zu unsern guten Handlungen, dazu
deswegen wählen wir Einsamkeit zu dem Genusse des Lobes, so wie wir die
es mit den übrigen Vergnügungen zu thun pflegen, welche niemand anders
mit uns zu theilen hat. – " Seit. 245. 246. 247. 248.
249. 250. 251.
Manuskriptseite
70.
Ia-02-1778-0124
49) Das Mitleiden
ist ein Bewegungsgrund zur Tugend.
Ia-02-1778-0125
"Wir wollen nun
eine andre Bestimmung unsrer Seele, welche ein starker Beweis ist, daß
uns das Wohlwollen natürlich sei, nämlich das
Mitleiden betrachten, mittelst welches wir geneigt
sind, den Nuzzen andrer
ohne einge Absichten eines Privatvortheils zu
befördern. Dieses hat einer kleinen Erklärung nöthig. Jeder
Sterblicher wird bei dem sch*...*z
schmerzhaften Elend, worin er andre verwikkelt sieht, unruhig werden,
ausser, wenn er sich die Person moralisch böse
vorstellet: ja es ist unmöglich, daß er in diesem Falle ungerühret bleiben
solte. Der Vortheil kan uns zu einer grausamen
Handlung verleiten, oder das Mitleiden
überwältigen; allein fast niemals wird er es auslöschen. Ein plözlicher
Zorn und Has kan eine
Person als schlechterdings böse vorstellen, und
auf dies Art das Mitleiden auslöschen, allein
wenn die Leidenschaft vorüber ist, so kehrt es öfters wieder zurük. Eine
andre uneigennüzzige Absicht kan auch bei kaltem
Blute das Mitleiden überwältigen; wie die
Liebe zum Vaterlande, und der Eifer
für die Religion. Verfolgungen
haben allezeit eine Liebe zur Tugend,
und die Begierde, seinen Nebenmenschen
ewig glüklich zu sehen, zum Grunde, ob uns gleich öfters unsre Thorheit
ungereimte Mittel zur Beförderung derselben anräth;
ja sie sind öfters mit so vielem Mitleiden begleitet,
daß der Verfolger darüber, was er aus überwiegenden
Gründen thut, unruhig wird,
wenn er nicht aus besondrer Meinung die Kezzer
für schlechterdings und gänzlich böse
ansiehet. Wir sehen hieraus, wie wunderbar die Einrichtung unsrer
Natur zur Erregung
Manuskriptseite
71.
des Mitleidens
geschikt gemacht ist. Unser Elend oder Traurigkeit
zeigt sich alsbald auf unserem Gesichte, wenn
wir uns nicht bemühen, es zu verhüten, und pflanzt auf alle Zuschauer
einen gewissen Schmerzen fort, welche alle die Meinung dieser traurigen
Gebärden geschwinde verstehen. Wir stossen auf eine mechanische
Weise Seufzer und Schreien
bei der Wahrnehmung eines Übels
Übels aus, und zwar so, daß uns auch die Rüksicht
auf den Wohlstand selten davon zurük halten kan. Dies ist die von allen
Nationen verstandene Stimme der Natur, wodurch
alle die gegenwärtig sind, zu unserem Beistande aufgemuntert, und öfters
unsre ungerechten Feinde ihr Verfahren zu bereuen
bewogen werden. Wir haben oben gesehen, daß wir durch das Mitleiden nicht
unmittelbar ermuntert werden, die Entfernung
unsres eigenen Schmerzes zu verlangen: wir halten es v*...*
vielmehr für recht, bei dieser Gelegenheit so gerührt zu sein, und misbilligen
diejenigen, die es nicht sind. Allein wir werden unmittelbar ermuntert,
die Erleichterung des Elenden zu wünschen, ohne
den geringsten Gedanken, daß diese Erleichterung ein Privatgut
für uns selbst sei: nur wenn wir sehen, daß es unmöglich ist, so können
wir durch Betrachtungen einsehen, daß es unnüzze sei, unserm Mitleiden
ferner nachzuhängen; und dann räth uns die Selbstliebe,
den Gegenstand, welcher uns Anlas zu unserm Schmerz
gegeben hat, zu verlassen, und unsre Gedanken davon abzuziehen. Allein,
wo diese Betrachtung
nicht stat findet, werden die Menschen durch einen natürlichen
liebreichen Instinkt bewogen, Gegenstände des Mitleidens
gerne zu sehen; und sich, wenn sie auch keine Ursache davon
angeben können; diesem Schmerz auszusezzen; so wie bei öffentlichen
Manuskriptseite
72.
Hinrichtungen.
Eben dieser Grundtrieb führt den Menschen zu den Trauerspielen;
Obgleich zwar noch eine grosse Ursache davon
die moralische Schönheit von Karaktern
und Handlungen ist, welche wir so gern ansehen.
Denn ich zweifle, ob eine Versamlung an erdichteten
Scenen des Unglüks Vergnügen finden würde, wenn sie völlig fremd, mit
den moralischen Eigenschaften der Leidenden, oder
mit ihren Karaktern
und Handlungen wären. So wie in diesem Falle keine
Schönheit da wäre, um die Begierde, solche Vorstellungen zu sehen, in
uns zu erregen; so würden wir, wie ich glaube, uns auch dem Schmerz nicht
allein aussezzen, der aus einem Unglük entstehet, das uns als erdichtet
bekant ist. – – – – " Seit. 251. 252.
253. 254.
Ia-02-1778-0126
"Wie wenig die Neigung
zum Mitleiden von Gewohnheit, Erziehung oder Unterweisung
abhänge, dieses wird daraus erhellen, daß es bei Kindern
und Weibern seine gröste Macht hat, auf die alle
diese Dinge wenig Einflus haben. Daß die Kinder an gewissen Handlungen,
die grausam und marternd
für gewisse Thiere sind, die sie in ihrer Gewalt
haben, Vergnügungen finden: Dieses kömt nicht aus Bosheit
oder Mangel des Mitleidens her, sondern weil sie
die Zeichen des Schmerzens, welche gewisse Thiere von sich geben, nicht
verstehen, und zugleich aus einer Neugierde die
verschiedenen Verdrehungen ihrer Körper zu sehen.
Denn wenn sie mit diesem Geschöpf näher bekant werden, oder ihr Leiden
auf gewisse Art kennen lernen, so wird öfters ihr Mitleiden
zu stark für ihre Vernunft; so wie es bei Hinrichtungen
zu geschehen pfleget,
Manuskriptseite
73.
wo sie, so bald
sie nur einige Zeichen der Traurigkeit oder des Schmerzes bei dem Missethäter
sehen, sie geneigt sind, diese nothwendige Art der Selbstvertheidigung
in dem Staate zu tadeln. – Seit.
255. 256.
Ia-02-1778-0127
III.
Ia-02-1778-0128
Tagebuch
eines Weltmans. Übersezt von Heinrich
Leopold Wagner. Erstes Stük. Frankfurt am Mayn bei den Eichenbergischen
Erben, 1775.
Ia-02-1778-0129
1) Von Übeln.
Ia-02-1778-0130
"Ich habe auf meinen
Reisen ein Geheimnis gelernt, daß ich Ihnen mittheilen wil, mein lieber
Freund! ... es sei .... Wenn Boetius die Glükseeligkeit
in der Abwesenheit alles Übels und in dem Besiz alles Guten sezt, so hätte
er selbst nie glüklich sein können, weil er nie hätte vergnügt sein können.
– Wenn wir gerecht und stolz sind, die Fehler
unsrer Freunde sowol, als ihr Verdienst ertragen, so wird das Leben dem
Menschen, der nur zu sehr geneigt ist sichs zur Quaal zu machen, gewissermassen
w* immer gut sein.
So eben habe ich eine Entdekkung gemacht, welche mich viele schlaflose
Nächte, und tiefes Nachdenken gek*stet
gekostet hat. – Eine Entdekkung, welche dem grösten Theil unsrer Weltweisen
entwischt ist, – die fähig ist,
Manuskriptseite
74.
die unerschrokkensten
Beobachter der Natur ausser Fassung zu bringen
... wo? wenn? .. hier .. gestern .. wo noch
einmal? .. an einem Krankenbette ... Sie scherzen, sagt Herr Abadie,
um uns zu verhindern unglüklich zu sein, wird eine Abwesenheit aller Übel
erfordert ... Ich antworte also .. unvermeidliche Übel machen uns gut,
.. zu den besten Menschen auf der Welt ... so bald ein Man krank ist,
hört er auf geizig, ausschweifend, ehrgeizig, leichtsinnig zu sein ..
Die Begierde nach Gold verläst ihn, er denkt nicht dran mehreres zu samlen,
ganz gewis ist ihm alles genug .. in diesem Augenblik erinnert er sich,
daß er Mensch ist, er giebt kein Gehör .. er wil .. alle seine Wünsche
zielen nur aufs Gute .. aufs Leben .. man d*...*
denkt niemals daran, was man al Gutes auf der Welt verrichten könte, als
wenn man auf dem Punkt ist, sie zu verlassen, .. jeder ehrliche Man nimt
es sich, so lang er krank ist, im grösten Ernst vor, seine übrige Tage
so zu leben, daß sie des erhabensten Todes würdig sein könten
möchten ... Das ist alles, was zu Gunsten meines Sazzes gesagt kan
werden. – Um besser zu werden, müssen wir ohne
andre Prozesform uns erst krank machen ... Unsre
Speisen – unsre Nachtwachen – unsre gekünstelte Lebensart, – alles trägt
dazu bei, uns diesem Stande der Volkommenheit
näher zu bringen – Sechs fremde Köche – Punch des Caillettes
in Menge, werden uns dieses Glük bald bewürken. Aber die Sorgen, die Schmerzen,
Manuskriptseite
75.
der Tod, sind doch
etwas würkliches? Panischer Schrekken und sonst
nichts! – Eingebildete Übel, die, wenn
sie auf ihrem höchsten Punkte sind, sich in Güter verwandeln. –" Seit
11. 12. 13.
Ia-02-1778-0131
IIII.
Ia-02-1778-0132
Des
Herrn Grafen Maximilian Joseph von Lamberg Tagebuch
eines Weltmans. Übersezt von Heinrich
Leopold Wagner. Zweites Stük. Frankfurt am Mayn bei den Eichenbergischen
Erben 1775.
Ia-02-1778-0133
1) Von Träumen.
Ia-02-1778-0134
"Bei Vanini,
zu Florenz, schlief ich in dem nämlichen Zimmer, mit einem Ur=ur=urenkel
des Epimenides, glaub ich. Sie kennen meine
thätige und aufgewekte Denkungsart. Zehnmal des Tages, redete ich ihn
an. Ohne zu antworten, schlief er in einem fort, und trieb seinen Schlaf
öfters auf drei ganze Tage hinaus. Er hatte wie Epimenides,
alles, sogar seinen Namen, vergessen: er hatte grosse Mühe, mich, bei
seinem Erwachen, zu erkennen. Die Brükke über den Arno hielt er für den
Teich der Prüfung, und den Kamin in meinem Zimmer, für die Höhle der sieben
Schläfer zu Ephesus. – Wenn Epimenides im Schlaf
so geschrien hätte, wie er, so hätte er nicht sieben und zwanzig Jahr
verstekt bleiben
Manuskriptseite
76.
können, wie er doch
that. – Dieser Fremde jagte, rief seinen Hunden, ahmte den Ton des Jagdhorns
nach, machte alles im Gasthof aufrührisch, und erzürnte sich gar nicht
über seine Freunde, die ihn von seiner Krankheit benachrichtigten.
– Unsre Eigenliebe entzieht uns uns selbst, wir leben mit unsern Fehlern,
sagt Voltaire, wie mit den Wohlgerüchen, die
wir bei uns tragen; wir riechen sie nicht mehr, sie sind nur andern beschwerlich.
Er fühlte das gröste Vergnügen, bei der Erzählung seiner Träume, die er
das Talent hatte, unterhaltend und angenehm
zu machen. – Wenn mein Gedächtnis, sagte er, eben so treu wäre, als fruchtbar
mein Geist in diesen Augenblikken ist, so würde ich nie anders als in
meinen Träumen studiren, und diese Zeit für meine Religionsübungen bestimmen.
Seiner Meinung nach, kan unsre Einbildungskraft im Schlafe auf verschiedene
Arten, bewegt, und die Handlungen, die wir den Tag über gethan haben,
können während demselben, durch einen kurzen glüklichen oder unglüklichen
Zeitverlauf, entweder belohnt, oder bestraft werden. – Ich glaube aber
mein Geselschafter allein empfand dieses mit Nachdruk. Er hatte einige
Briefe geschrieben, die Eile hatten. – Die Post
reist in einer Stunde ab, sagte er, ich mus sie endigen. Einen Augenblik
hernach trat ich ins Zimmer, und fand ihn in einem Armstuhl, vor seinem
Schreibtisch, eingeschlafen: ich rief Geselschaft herbei, und wir unterhielten
uns, ich gesteh es, auf Rechnung des Schlafenden. – Kaum hatten wir ihn
verlassen, so kam er uns nach, und
Manuskriptseite
77.
hatte einen Brief
von zwo Seiten in der Hand – ich habe nicht mehr Zeit gehabt, als um ihn
eben zu schreiben; erlauben sie mir, sagte er, ihn in ihrer Gegenwart
zuzusiegeln. Welch ein häsliches Vergnügen, immer zu schlafen, sprach
ein Engländer, der jezt zum erstenmal, den Mund
aufthat – – sich in einer Trunkenheit der Sinne, in einer Abwesenheit,
völligen Erlöschung aller Vernunft glüklich zu schäzzen!– Ach mein Herr,
antwortete der Schläfer, glüklich zu sein mus der Mensch nicht denken:
Wenn er seine Ruhe behalten wil, mus er sich zum Vieh herabsezzen, mus
er seine Vernunft auslöschen, wie ich diese
Kerze. – Neue Verwirrung unter uns! Er warf seinen Leuchter um, und lies
uns im Finstern. Noch ehe man gerufen hatte, und er sich heimlich hätte
fortschleichen können, war das Licht wieder angestekt, und, siehe da!
unser Epimenides schlief; und wenn es wahr ist,
daß sein Schlaf nicht affektirt war, so ist es auch wahr, daß wir aus
guten Gründen über die Schwachheit unsrer Organen lachten. Ich habe übrigens
immer geglaubt, daß unter allen Muthmassungen diejenige am schwersten
zu beweisen wäre, welche uns an die Nachtgänger
glauben macht. Ich wil auf den Dächern herumspazzieren, wenn man es haben
wil, sagt Brigilla; hernach wil ich en
Bustrof schreiben, und ein grosses
Glas, auf Gesundheit der Madonna von Sevillias,
in Gegenwart des ganzen Volks, ausleeren, und nach einem zehnstündigen
Spazziergange wird man mich für einen Nachtgänger
ausschreien. Der König wird von meiner Person **t
mit der Königin sprechen, man wird
Manuskriptseite
78.
Abhandlungen über
mich schreiben, und mit einem einzigen Narrenstreich aus meiner Fabrik
werde ich hundert Gehirne zerrütten. Ohne das
Geschwäz eines Komödianten unsrer Aufmerksamkeit zu würdigen, hab ich
mir seitdem die Gedanken gemacht, daß die Träume sich gar leicht aus den
Regeln der Optik erklären liessen. Unsre nächtliche Gesichter sind nichts
als eine Folge des Eindruks, welchen diejenigen Gegenstände, die uns besonders
auffallend gewesen sind, wachend auf uns gemacht haben. Die Bilder gleich
den Schatten berühren ganz leicht unsre Fibern, und berühren
ganz entwischen ihnen wechselweise; es sind eben so viele Gegenstände,
die wir so zu reden ausserhalb einem konkaven Spiegel sehen. Lieber D.
du hast im Schlafe die nämlichen Empfindungen, die dir bei Tag am Herzen
liegen, daher hältst du dich für unglüklich; da die Summe aller Übel weit
grösser ist, als die Summe aller Güter, so kanst du deine Unglüksfälle
nicht vergessen, so folgen sie dir bis in die Arme des Schlafs nach. Ich
schlief eines Tags unter einem schönen Baum; ich sah mich mit einer Krone
auf dem Haupt, einem Zepter in der Hand, in einer gelben Perukke, einem
langen Talar, mit einem grünen Bart, einem paar lilafarbnen Handschuh,
ichd stand auf einem
Fus, den andern hatte ich in der Tasche, und die rechte Hand
unter der Ferse – – Nestor,
dem ich meinen Traum erzählte, sagte, ich würde König werden – – Ich fange
meine gewöhnliche Pat Parthie Piket
wieder an, ich bekomme Quintmajor in Trefle, ich sehe
Manuskriptseite
79.
meinen König, meinen
Zepter, meine Perükke, meine Krone, ich sehe
mich ganz darin, es ist nicht mehr ein Traum, den ich sehe, es ist die
Erfüllung davon. – – " Seit.
81. 82. 83. 84. 85.
Ia-02-1778-0135
V.
Ia-02-1778-0136
Predigten
von protestantischen Gottesgelehrten.
Dritte Samlung. Berlin bei August Mylius, Buchhändler
in der Brüderstrasse 1773.
Ia-02-1778-0137
1) Glükliches Leben
– wo Wohlwollen ist!
Ia-02-1778-0138
"Begebt euch zu
der niedrigen Bauerhütte, in welcher Liebe und Friede ihre Wohnung aufgeschlagen
haben, und sehet, wie fein und lieblich es sei, wenn Brüder einträchtig
bei einander wohnen. Bemerket die ungezwungene Munterkeit, die aus ihren
Blikken lächelt; – höret, in welcher ungekünstelten Sprache sie die Zufriedenheit
und Freude ihrer Herzen ausdrükken;– sehet, mit welcher Bereitwilligkeit
sie sich einander tausend Liebesdienste erweisen – mit welchem Vergnügen
sie sich zusammen niedersezzen, und ihre schlechte aber gesunde Malzeit
geniessen – mit welcher ungeheuchelten Dankbarkeit und Freude sie ihre
Danksagungen gegen den Vater aller Familien der Erde vereinigen, und wie
freudig und zärtlich sie sich und andre der Fürsorge
und dem Seegen Gottes empfehlen. Haltet euch eine Zeitlang bei dieser
glüklichen Familie auf, und lernet den unschäzbaren Wehrt und die
Manuskriptseite
80.
Vortreflichkeit
der häuslichen Einigkeit und Liebe. – Wo Herzen
solchergestalt durch das stärkste und angenehmste von allen Banden, durch
gegenseitige Zuneigung, sich vereinigt sind,
und wo diese Zuneigung sich durch eine beständige Folge von Liebesdiensten
erweiset, da ist in der That die Wohnung der Zufriedenheit und Glükseeligkeit;
– da wird man das wahre Vergnügen finden, das in den gedrängten und lärmenden
Auftritten der Geschäfte und Ergözlichkeiten vergebens gesucht wird. –"
Seit. 33. 34.
Ia-02-1778-0139
"Alle diejenigen,
die ihre Tage in beständiger Übung wohlwollender
Neigungen und in der täglichen Erfüllung gegenseitiger Liebesdienste zugebracht
haben, können in den lezten Augenblikken aus der Erinnerung ihres vergangenen
Lebens unaussprechliche Zufriedenheit schöpfen; diese können mit Gelassenheit
und Freudigkeit, sich zusammen den Händen des Gottes empfehlen, der ihr
Führer in der Jugend und ihre Stüzze im Alter
gewesen ist; und diese können die demüthige
Hofnung haben, sich in einem glükseeligern Zustande
wiederzufinden, und in den Gegenden des ewigen Friedens und der unaufhörlichen
Freude ewig zu wohnen. – –" Seit. 36.
Ia-02-1778-0140
2) Von dem blinden
Religionseifer.
Ia-02-1778-0141
"Der
blinde Eifer in der Religion entspringt aus irrigen und gefährlichen Gründsäzzen.
– Dienenigen, die sich von demselben regieren lassen, glauben, daß Gott
seine Liebe in der besondern Sekte einschränke, zu welcher sie zu gehören
das Glük haben. Sie bilden sich ein, daß sie
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81.
das einzige Volk
sind, das Gott mit der Erkentnis seiner Wahrheit
zu erleuchten gewürdigt hat, und daß alle andre um sie her sich in der
bejammernswürdigsten
Finsternis und Irthum befinden. Sie sehen ihre kleine Anzahl als ein auserwähltes
Häuflein an, auf welches Gott mit partheischer
Güte herabsieht, und sie betrachten den übrigen Theil der Welt als eine
blin wilde und unfruchtbare Wüste, die mit dem
Unkraut der Unwissenheit und des Lasters bewachsen ist. Kein Wunder ist
es daher, daß sie sich aus blosser Menschlichkeit
bestreben, andre zu ihrer glüklichen Heerde zu ziehen. Kein Wunder, daß
die abergläubischen Juden zu den Zeiten unsers Heilandes, und daß die
blinden Eiferer zu allen Zeiten und in allen
Ländern See und Land durchstrichen haben, um einen Proselyten zu machen.
– Allein solche Leute schmeicheln und betrügen sich in der That auf die
gröbste Art. Denn ist Gott nicht der Vater aller Familien der Erde? Haben
nicht alle Bewohner der Welt, selbst die wildesten und ungesittesten,
ein gleiches Recht, auf seinen Schuz und auf seine Gnade zu hoffen? Und
theilt er nicht in der That die Gaben der Natur
und die Geschenke seiner Vorsehung weit und breit, und ohne Einschränkung,
aus? Erfreuet er nicht einen jeden Himmelsstrich und ein jedes Geschöpf
mit dem Lichte der Sonnen? Wie kan also ein Mensch auf die Gedanken gerathen,
daß seine Gnade in irgend einem besondern Stam, oder Volk, eingeschränkt
sei; oder daß er die nöthigen Hülfsmittel der
Tugend und Glükseeligkeit nur einem kleinen und unbeträchtlichen Theil
Manuskriptseite
82.
der Menschen mittheile?
Gott ist sowohl in den Wohnungen der Wilden als bei den gesittesten Völkern
der Welt gegenwärtig. Er ist der gemeinschaftliche Vater aller Menschen.
Und nichts kan ungereimter und ungegründerter – eitler und übermüthiger
sein, als wenn eine kleine und unerhebliche Anzahl von Menschen die Gnade
Gottes an sich zu reissen sucht, als ob sie allein die einzigen wären,
die seelig werden solten. Die Thorheit dieses Vorgebens fält zu sehr in
die Augen, als daß wir uns dabei aufzuhalten nöthig hätten. Und doch ist
auf diesem schwachen Grunde der blinde Eifer in der Religion oft gebauet
worden. Eine andre Meinung, die zu vieler Lieblosigkeit und Verfolgung
Anlas gegeben hat, ist diese, daß niemand, der nicht, in de wichtigsten
Punkten, mit uns denselben Glauben annimmt, was er auch sonst für gute
Eigenschaften an sich haben mag, sich Hofnung machen kan, von Gott zu
Gnaden angenommen zu werden. Die Menschen haben
sich von dem eitlen Wahn einnehmen lassen, daß etwas anders als eine rechtschaffene
Gesinnung und ein frommes Leben nöthig sei, um jemanden zu dem Namen eines
wahren Christen zu berechtigen, und ihn des
Besizzes der im Evangelium verheissenen Seeligkeit
zu versichern – und daß dasjenige, das allen seinen Tugenden den rechten
Wehrt ertheilen, und vorzüglich ihn der Gnade Gottes empfehlen kan, ein
eifriges Bekentnis besondrer Lehrbegriffe des Glaubens und eine strenge
Anhänglichkeit an besondern Gebräuchen des Gottesdienstes sei. Diese ungereimte
und seltsame Meinung ist in den Herzen vieler, selbst unter den Christen,
Manuskriptseite
83.
so tief eingewurzelt,
daß sie nicht im Stande gewesen sind, Leuten von einer verschiednen Religion
oder Sekte mit Freundlichkeit und Höflichkeit zu begegnen, und daß sie
allen vertraulichen und freundlichen Umgang
mit denselben, als eine Versündigung gegen die Strenge und Heiligkeit,
die ihr christliches Bekentnis erfordert, vermieden
haben. Aus dem, das bisher gesagt worden, läst sich leicht schliessen,
zweitens: daß der blinde Eifer in der Religion
sehr enge und eingeschränkte Gesinnungen verrathe. Wenn die Menschen sich
einmal entschliessen, die Grundsäzze der Religion mit einem freien Gemüthe
zu untersuchen, so werden sie *...*
bald in dieser Sache solche richtige und vernünftige Begriffe bekommen,
und von der Wichtigkeit der Tugend über alles andre so völlig überzeugt
werden;– sie werden die Schwierigkeiten, die mit einem jeden spekulativischen
Lehrbegrif und eingeführten System verbunden sind, so deutlich einsehen,
und ihre eigene Unwissenheit so gut erkennen
lernen, daß sie nicht sehr geneigt sein werden, andre, wegen einer Verschiedenheit
in Meinungen, zu tadeln und zu verdammen. Es wird ihnen nicht möglich
sein, ihren Brüdern blos dieserhalb mit dem geringsten Grade der
Verachtung und des Mistrauens zu begegnen, wenn übrigens ihre Gesinnung
und ihr Karkater Hochachtung zu verdienen scheint. Wenn die Menschen Gelegenheit
gehabt, zu einer grossen Kentnis der Welt zu gelangen und erfahren haben,
daß in ** allen
Religionspartheien Leute von Verdiensten und von Tugend, und zugleich
Manuskriptseite
84.
auch solche anzutreffen
sind, die einer jeden Geselschaft Schande machen würden; so lernen sie
bald alle spekulativischen Streitigkeiten und alle Verschiedenheiten der
Partheien mit der Gle*
Gleichgültigkeit und Verachtung, die sie verdienen, zu betrachten; – so
werden sie bald überzeugt werden, daß es nur wirkliche Rechtschaffenheit
des Karakters sei, die unsre vornehmste Achtung verdienet, und daß diese
keinesweges in irgend einer besondern Geselschaft von Christen, oder von Menschen, eingeschränkt
sei. Es sind nur solche, die niemals genug *…*
gedacht haben, um an etwas zu zweif*...*
zweiffeln, und solche, die niemals Gelegenheit gehabt, den kleinen Kreis,
in welchem sie gebohren und erzogen worden sind,
zu verlassen, auf welche der Geist des blinden Religionseifers und der
Lieblosigkeit einen starken Einflus haben kan. Und wir können gewis versichert
sein, daß unsre Mässigung und Menschenliebe allezeit in einem genauen
Verhältnis mit unserm Wachsthum in der Kentnis der Menschen und der Sachen
zunehmen wird. Um die häs häsliche Gestalt des
blinden Religionseifers recht zu entdekken, last uns drittens
auf die unglüklichen Folgen desselben Acht haben. Die schädlichen
Wirkungen der Lieblosigkeit und des Verfolgungsgeistes in der christlichen
Kirche haben wir bereits gesehen. Hiezu kommet
komt noch, daß ein vom blinden Religionseifer
eingenommenes Gemüth einen Menschen in sich
selber unglüklich, mit der Welt unzufrieden – und unfähig macht, die erhabenen
und grosmüthigen Gesinnungen eines unumschränkten Wohlwollens zu fühlen,
und das Vergnügen, alle Menschen als seine Brüder
zu lieben, kennen zu lernen. Es macht ihn unruhig in der Geselschaft derer,
die vielleicht viel besser und weiser, als er, sind. Es verstopft ihm
unzählige Quel
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85.
len der Freuden,
die derjenige geniest, der einen jeden rechtschaffenen Menschen als seinen
Freund und Bruder liebt, und der mit einem ehrlichen und verständigen
Man sich in Geschäfte einlassen, ihm Dienste erwiedern, oder sich mit
ihm eine Stunde freundschaftlich unterhalten kan, ohne zu wissen, oder
wissen zu wollen, zu welcher Kirche oder Sekte er gehöret, oder durch
welchen Namen sich seine Parthei unterscheidet. ––" Seit.
65. 66. 67. 68. 69. 70. 71.
Ia-02-1778-0142
VI.
Ia-02-1778-0143
Von
der *...*Predigten
von protestantischen Gottesgelehrten.
Vierte Samlung. Berlin bei August Mylius, Buchhändler
in der Brüderstrasse 1774.
Ia-02-1778-0144
1) Von der Almacht
Gottes.
Ia-02-1778-0145
"Ein bedachtsamer
Blik auf den unermeslichen Umfang der Geschöpfe kan uns lehren,
was die almächtige Hand Gottes auszurichten vermag; und *
seine Weisheit ist so darin eben so sichtbar vor unsern Augen. Die ganze
Welt ist dadurch entstanden, daß er gewolt hat, und dadurch hat sie auch
noch bis in ihre kleinsten Theile ihre Erhaltung und ihre Ordnung. Die
Sonne, die am Himmel glänzt, und der Wurm, der auf der Erde kriecht, die
sind, eines sowol als das andre, sein Werk. Wohin unser Auge und unser
Verstand reichet, das ist nur der kleinste Theil von demjenigen, worauf
Manuskriptseite
86.
sich seine Erkentnis
und Macht, aber auch seine Aussicht und Fürsorge erstrekt.
Es darf uns gar nicht wundern, daß wir Menschen
uns von der Art und Weise, wie Gott würkt, wie er herscht, keine Vorstellung
machen könen. Denn wenn wir das könten, so wären wir nicht schwache eingeschränkte
Kreaturen, und er, unser Schöpfer und Regierer, wäre nicht Gott. Uns ist
es genug, daß wir die Nothwendigkeit, die Wahrheit dieser seiner höchsten
Obergewalt einsehen, und mit David sagen: Unser
Gott ist gros und von grosser Kraft, und ist ungegreiflich, wie er regiert.
So bald wir das nur einigermassen mit Aufmerksamkeit bei der Benennung
Gottes im Sinne haben, so mus es ohnfehlbar den tiefsten Eindruk
der Demuth und der Verehrung in unser Herz machen. Dir, Herr, ist Niemand
gleich. Du bist gros, und dein Name ist gros,
und kanst es mit der That beweisen. ––" Seit. 8. 9.
Ia-02-1778-0146
2) Von den Vergnügungen
der Seele.
Ia-02-1778-0147
"Einem volkommen
gesunden Körper ist die schlechteste Speise schmakhaft; und einer Seele,
die durch die Religion recht gestimt ist, verschaft alles Vergnügen. Der
Aufenthalt auf dem Lande, die häusliche Stille, freundschaftliche Unterredungen,
gelehrte Beschäfti Bemühungen, philosophische
Untersuchungen, Werke des Verstandes und der Einbildungskraft; ja selbst
die stillen Schönheiten der ungeschmükten Natur, ein h*
heitrer Tag, ein stiller Abend, ein gestirnter Himmel, das alles sind
Quellen reiner Vergnügungen für diejenigen, deren Geschmak nicht durch
strafbare Verwöhnungen verdorben, oder durch
nichts
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87.
bedeutende
erniedrigt ist. Und wenn ihr euch von diesen zu den noch vernünftigern
und vortreflichern Vergnügungen der Tugend erhebt: zu der Zufriedenheit
mit euch selbst, die in der Seele durch das Bewustsein entspringt, daß
ihr der Würde eurer Natur gemäs gehandelt, und alle eure Kräfte angewendet
habt, eure Fehler zu bessern, eure Leidenschaften
zu bezähmen, eure Einsichten zu vermehren, eure
Neigungen zu erhöhen und zu reinigen, die Wohlfart eurer Nebenmenschen
zu befördern, euren Schöpfer zu lieben, und ihm zu gehorchen; dann ist
die menschliche Glükseeligkeit bis auf den höchsten Gipfel gestiegen,
und dann hat diese Welt keine höhere Vergnügungen zu gewähren. –" Seit.
40. 41.
Ia-02-1778-0148
VII.
Ia-02-1778-0149
Das
Grab des Aberglaubens. Dem Ros eine Geissel, und dem Esel
ein Zaum, und dem Narren eine Ruthe auf den Rücken. Salomon. Erste Samlung. Frankfurt und
Leipzig 1777. bei J. B. Mezler.
Ia-02-1778-0150
1) Der Aberglaube
ist ausgebreiteter, als man vermuthet.
Ia-02-1778-0151
"Der Aberglaube
ist ausgebreiteter, als man vermuthet. Er kehrt
zwar mehr in Hütten ein, und wächst am geschwindesten in einem einfältigen
oder düstern Kopf; jedoch trift man ihn auch
in Pallästen an. Der Herr erblast, wenn ihm sein Trinkglas unvermuthet
zerspringt, und der Niedere bebt, wenn er
Manuskriptseite
88.
die Eule auf seinem
Hause schreien hört. – Der Aberglaube mischt sich auch in die Religion
ein. Der Pharisäer wäscht aberglaubig seine Hände. Julian,
der Feind des Herrn, opfert aus Aberglauben fast alles Vieh seines Reichs
den Gözen, um durch der Bökke und der Kälber Blut selig zu werden. Der
Aberglaube baut prächtige Tempel, verschliest tyrannisch den Menschen
zwischen vier Wände, bildet ihn zum Phantasten um, daß er Erscheinungen
sieht, Stimmen hört, und seine Träume für untrügliche Wahrheiten hält.
Er richtet aus heiliger Einfalt dem Nebenmenschen einen Scheiterhaufen
auf, und mordet sich an dem Regenten zuversichtlich in Himmel hinein.
–" Seit. 4. 5.
Ia-02-1778-0152
2) Von Lissabons
Erdbeben und von Kometen.
Ia-02-1778-0153
"Wenn ich auf die
grosse Begebenheit im Naturreiche, auf das Erdbeben, zurüksehe, welches
Lissabon zu Grunde gerichtet hat, welcher Aberglaube ist nicht bei dieser
Gelegenheit wach worden? Portugal hat nicht nur eifriger seine Heiligen
angerufen, sondern noch dazu einen neuen Schuzherrn unter den Seligen
in der Geisterwelt gesucht. Andre haben eben so aberglaubisch, als lieblos,
Lissabon als ein zweites Sodom ausgeschrien,
und nicht bedacht, daß noch grosse Städte stehen, die, wo nicht ärger,
doch eben so grosse Sünderinnen sind, als Lissabon; wenigstens sind die
Städte in grösserer Verdamnis, die bei grösserer Glaubensfreiheit und
hellerem Lichte der Wahrheit eben so leben, als die armen Lissaboner gelebt
haben sollen. – So bald sich ein Komet sehen läst, oder eine andre Lufterscheinung
entstehet; so entstehen auch aberglaubische Auslegungen, die bei so aufgeklärten
Zeiten
Manuskriptseite
89.
billig wenigen Beifal,
und höchstens bei dem untersten Pöbel und dem
alten Frauenzimmer nur noch Glauben finden solten. ––" Seit.
11. 12.
Ia-02-1778-0154
3) Viel Aberglaube
ist schon verloschen.
Ia-02-1778-0155
"Gottlob, die Scheiterhaufen
der Hexen sind umgestürzt. Feurige Drachen läst man heutiges Tages kaum
noch Häuser anzünden, und entsezt sie alles teuflischen Ansehens. Die
Sterndeuterkunst, die Tochter der Unwissenheit und des Aberglaubens,
ist in diesem aufgeklärten Jahrhundert in die äusserste Verachtung gerathen,
und hat weder in Frankreich noch Engelland und sonsten einen Vertheidiger,
der sich zu nennen getraute. Die strafbare Art des Aberglaubens, sich
fest zu machen, und vor Hieb und Stich in Sicherheit zu sezzen, oder die
sogenante Passauerkunst, die sonst zu Kriegszeiten
den Betrügern viel Geld einbrachte, ist wohl izt kaum mehr zu finden,
sie müste denn bei solchen Völkern noch geübt werden, die von Jugend auf
zu tausend abergläubischen Dingen selbst in der Glaubenslehre
angeführt werden. So viel ist gewis, daß die sogenante Andreasthaler,
nebst gewissen mansfeldischen Gülden und Thalern, die der Aberglaube bei
Kriegszeiten mit vierfacher Bezahlung einhandelte
und aufsuchte, nunmehr völlig ihr Ansehen verloren haben, und nur noch
in den Samlungen seltener Münzen zum Andenken des alten thörichten Gebrauchs
derselben aufbehalten werden, u.d. –" Seit. 17. 18.
Manuskriptseite
90.
Ia-02-1778-0156
4) Vom Schlafen
und Träumen.
Ia-02-1778-0157
"Schlaf und Träume
sind unerkante Wohlthaten Gottes. Jener wird dem matten Leib zur Stüzze,
und strömt ihm neue Kraft zu, diese stellen unsre geheime Neigungen im
Schattenris vor, und entdekken uns die Anglage unsers Herzens. Der Aberlaube
hat die Träume sich eigen gemacht, und herscht durch sie über d**
den Menschen unumschränkt. Mir hat geträumet! Mir hat
geträumet! es bedeutet – halt inne schwermende Gertrudis!
es bedeutet, daß dein Geschwäz ein Getöse von leeren Tönen werden wil,
und du nicht werth seiest, ferner unter den Menschen geduldet zu werden.
Träumender! wirf das Joch des Aberglaubens ab, und halte dich an mich;
ich wil freimüthig den wahren Werth der Träume *
izzo bestimmen. Träume sind Vorstellungen in der Seele, wenn der Leib
schläft. Sind wir uns dieser Vorstellung beim Erwachen nicht bewust: so
nennen wir den Traum dunkel, welches gemeiniglich
stat findet, wenn wir auf aus dem ersten, tiefen
Schlaf kommen. Sind wir aber uns ihrer umständlich bewust: so ist es das
Gegentheil. Die Seele ein ungemein geschäftiges
Wesen; wenn jederman des Nachts der Ruhe pfleget: so thut doch sie es
nicht, und denket im Traum an dem Faden fort, den sie den Tag über angesponnen
hat. Sie denket um so freier, als die äusserlichen Sinne im Schlaf
ihr keine neue Gegenstände vorhalten, und ihr auf keinerlei Weise Schranken
sezzen." Seit. 45. 46. 47.
Ia-02-1778-0158
5) Von Irwischen.
Ia-02-1778-0159
"Irwische bestehen
aus einer Materie, die aus der
Manuskriptseite
91.
Erde ausdünstet,
und sich nicht entzündet, sondern nur im Finstern leuchtet. Sie haben
ja doch auch schon Johanniswürmgen, Faulholz, oder auch
faule fette Seefische gesehen. Ohnfehlbar ist dort ein sumpfigter
und morastiger Ort, oder ein Schindanger, oder dergleichen etwas. Was
ängsten sie sich vergebens? Wer Muth hat, komme mit mir, wir wollen auf
diese Geister losgehen, und sie genau betrachten. Nein das thue ich nicht,
sagt Simplicius, ich weis, daß man von diesen
Geistern in Sumpf geführt und elendiglich mishandelt werden kan; und fluchen
und poltern mag ich auch nicht, ob man sie gleich, wie es heist, damit
vertreiben kan. Man kan sie freilich damit vertreiben, erklärt sich Redlichstein;
denn wenn einer fluchet und poltert: so stöst er die Luft stark heraus,
und macht mit Händen und Füssen einen Wind; eben, wie wenn einer in Furcht
ist, und mit starkem Seufzen betet, er die Luft an sich ziehet, wodurch
also auch das Irlicht, wenn es nicht alzuweit von Einem ist, mit der zuschiesenden
Luft näher herzugezogen wird. Es folgt der Bewegung der Luft, und ist
eben so beschaffen, wie die Bewegung einer Blase von Seiffenwasser, die
von der Luft hin und her gerissen wird. Es können daher wohl einige Zufälle
Anlas gegeben haben, daß man geglaubt hat, durch Beten würden die Irlichter
zu Einem gezogen, durch Fluchen aber vertrieben. Überdies weil sie sich
an morastigen Örtern, auf Schindangern u.d. sehen lassen: so ist es kein
Wunder, wenn diejenigen, so es für ein Licht im Dorf, oder für eine Fakkel
eines Reisenden halten, und ihm nachgehen, in Morast, auf den Schindanger
u.d. geleitet werden. –" Seit.
138. 139. 140.
Manuskriptseite
92.
Ia-02-1778-0160
6) Von lechzenden
Flammen.
Ia-02-1778-0161
"Die lechzenden
Flammen brennen nicht, sondern leuchten nur. Man sieht sie an dem
Haupt und Haaren von denen, so im Finstern gekämt werden.
Streicht man die Kazzen: so sprizt eben diese Flamme weg. Blos die Ausdünstungen
aus dem Leib der Thiere und Menschen leuchten; daß aber der Schweis leuchten
könne; siehet man aus der Verwandschaft, in welcher er mit dem Urin stehet.
Je mehr wir schwizzen, desto weniger geht Urin
geht ab. Aus dem Urin aber wird der Phosphorus,
der eine leuchtende Materie ist, durch Kunst
bereitet. –" Seit. 141. 142.
Ia-02-1778-0162
7) Von verschiednen
Lufterscheinungen.
Ia-02-1778-0163
"Der fliegende
Drache oder ziehende Alp,
die fliegende Funken, die springende
oder hüpfende Ziegen, die brennende
Fakkeln und Balken sind an sich einerlei,
und bekommen eine ohngefähre Figur, nachdem die Menge der ausgedünsteten
Materie oder der Widerstand der Luft es mit sich bringt.
Die brennenden Kugeln oder Feuerballen,
die man öfters vom Himmel fallen gesehen, und schon, wie der Bliz angezündet
haben, sind ein Klumpen, der aus schweflichten und andern dazu gekommenen
Materien bestehet, der, wenn das Feuer sich zertheilet und von einander
fähret, das Ansehen einer zerspringenden Bombe hat. Dem fliegenden Drachen
haben die Unverständigen viel seltsames angedichtet. Er ziehet sich gerne
gegen die Schorsteine. die Schorsteine aber sind die engen Pässe, durch
welche die Hexen und Unholden defiliren müssen, wenn sie auf den Heuberg,
Bloksberg, oder
Manuskriptseite
93.
auf die Kreuzstrassen
kommen wollen. Näherte sich nun der Drache einem Schorstein: so konte
dieser Niemand anderst, als der Teufel sein, der vor demselben die Hexen
in seine Suite nehme; daher ehemals der Zuschauer den Drachen nicht ohne
Zittern und Beben wahrnahm. Äusserst verdächtig aber war der Inwohner
des Hauses, gegen dessen Kamin der Drache sich zog. Er muste mit zu den
irregulairen Trouppen des Teufels gehören, und
zum Scheiterhaufen zeitig sein. Heil dem Thomasius,
dem ersten Helden, der Muth und Einsicht genug hatte, die Scheiterhauffen
umzustürzen, die man für arme Männer und Weiber erbauet hatte, wenn
sie so unglüklich waren, alt und triefäugig zu sein. Welche Zerrüttung
hat nicht der Aberglaube von je her angerichtet? in der Finsternis triumphirt
er noch immer. Der gemeine Man, der sich was gefährliches bei den ermeldten
Lufterscheinungen einbildet, wird so lange dafür
erschrekken, als er die natürlichen Ursachen davon nicht weis; hingegen
aufhören, einem bösen vermeinten bösen Geist
ein solches Feuerwerk zuzuschreiben, so bald er ins Klare siehet. –" Seit.
146. 147. 148.
Ia-02-1778-0164
8) Von der Toden=Uhr.
Ia-02-1778-0165
"Es ist ein algemein
herschendes Vorurtheil, daß eine Art von Mükken, welche in den Häusern
das Getöse einer Sakuhr von sich gibt, von einer bösen Bedeutung sei,
und den Tod eines Inwohners vorher verkündigen sol, wodurch sich die hasenschrekkischen
Gemüther unnöthiger Weise in Furcht
Manuskriptseite
94.
und Schrekken sezzen
lassen. Das Thier, welches dieses Getöse macht, ist ein kleines graues
Insekt, das doppelte Flügel hat, und sich den Sommer hindurch im Getäfel
oder anderm Schreinwerk aufhält. Ich habe ihrer viele gefangen, und sie
in sehr dünnen Schächtelgen aufbehalten. Ich
habe genau gesehen, wie sie mit ihrer Schnauze wider die Wand des Schächtelgens
gestossen, und gemeiniglich neun oder eilf Stösse nacheinander gethan
haben, besonders beweisen sie sich geschäftig,
wenn die Witterung warm ist. Es haben daher die Grosmütter und Ammen nicht
nöthig, durch solche unschuldige Thiergen sich
in Unruhe sezzen zu lassen, und zu glauben, es habe der Tod ihre schreiende
Kinder schon unter der Sense, wenn sie die Toden=Uhr hören. – – " Seit.
211. 212.
Ia-02-1778-0166
VIII.
Das Grab des Aberglaubens.
Disce, seo ira cadat naso rugosague sanna, dum veteres
avias tibi de pulmone revello. Persius.
Zweite Samlung. Frankfurt und Leipzig 1777. Bei
J. B. Mezler.
Ia-02-1778-0167
1) Die Schädlichkeit
des Aberglaubens.
Ia-02-1778-0168
"Der Aberglaube
ist eine Pest, die das menschliche Geschlecht
in unendliche Übel gestürzt hat. Er verfinstert nicht nur den Verstand
des Menschen, und verleitet ihn so gar die allerdumsten und abgeschmaktesten
Irthümer auf eine
Manuskriptseite
95.
andächtige Art anzunehmen,
und mit Gefahr des Lebens zu vertheidigen, sondern er vergiftet auch den
Willen und treibt einen Menschen an, die allerschändlichsten und lächerlichsten
Handlungen vorzunehmen. Nicht nur Bayle,
sondern auch der grosse Bako,
und was sage ich? selbst einer der aufgeklärtesten unter den Heiden, Plutarch,
haben behauptete, daß der Aberglaube so wol seiner Beschaffenheit, als
noch vielmehr seinen abscheulichen Folgen nach schlimmer, gefährlicher
und verabscheuungswürdiger sei, als die gänzliche Verleugnung
Gottes. Der Atheist erweiset deswegen Gott keine Ehre, weil er keinen
Gott glaubet; der Aberglaubische hingegen beschimpfet den Gott, den er
glaubet und äusserlich bekennet, und misbrauchet seinen Namen
und die Religion zu den allerlasterhaftesten und unmenschlichsten Handlungen.
Ein Atheist kan in Absicht auf die menschliche Geselschaft viel erträglicher
und in manchen andern Stükken viel besser sein, als der Aberglaubische,
weil dieser alle Regeln der Gerechtigkeit und Erbarkeit so gar kühnlich
übertrit, und im Stande ist, seinen König zu ermorden, wenn sein Aberglaube
es erfordert. Johan Chastell
sticht mit einem Messer nach dem Könige, Heinrich,
dem vierten, der sich durch seine
ausserordentliche Fähigkeiten und Thaten den Namen des Grossen, und nach
Bayle Bericht über 50 Lobredner erworben hat.
Allein er bricht ihm nur einen Zahn aus, weil sich derselbe zu gutem Glük
bükte. Warum begieng
er diese Frevelthat? Die Hofnung, wie er sagte, von Gott Vergebung
und Gnade wegen seinen abscheulichen Jugendsünden zu erlangen, hatte ihn
verleitet, einen Herrn zu ermorden,
Manuskriptseite
96.
mit dem die katholische
Klerisei so übel zufrieden,
und der mit der Kirche als ein ehmaliger Kezzer noch nicht ausgesöhnt
wäre. So sucht der aberglaubische Frevler den beleidigten Gott mit neuen
Frevelthaten zu versöhnen, und sein volgestricheltes Kerbholz zu zerbrechen.
–" Seit. 5. 6. 7. 8.
Ia-02-1778-0169
2) Von der Eule.
Ia-02-1778-0170
"Der Schöpfer hat
die Eule zum Nachtvogel bestimt, dessen angeborne Art, wie aller übriger
Nachtvögel, es ist, mit einem furchtbaren Geschrei
nach eingebrochner nächtlicher Finsternis hervorzubrechen, und die vom
Schlaf auftaumelnde Vögel hinterlistig und plözlich zu überfallen, und
zu erwürgen. Daher haben auch die Nachtvögel vor den Ohren bewegliche
Dekkel erhalten, welche den Gehörgang erweitern, und ihnen das geringste
Geräusch verstärkt anzeigen. Vermittelst dieser Höle entdekket auch die
Eule die geringste Bewegung eines Vogels und
einer auf Streifereien ausgehenden Maus; wie sie denn von vielen Leuten
zum Mäusefangen höher als die besten Kazzen gehalten werden. –" Seit.
82.
Ia-02-1778-0171
IX.
Ia-02-1778-0172
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des zwei und dreissigsten Bandes zweites
Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai.
1777.
Ia-02-1778-0173
1) Beweis,
daß des Nabals Betragen gegen David
nicht vom Geize herrührte.
Ia-02-1778-0174
"Nabals
Betragen gegen David stehet hier, wie in allen
moralischen Kompendien und Systemen, als ein Beispiel vom
Manuskriptseite
97.
Geizze. Zu seiner
Vertheidigung oder Entschuldigung liesse sich vielleicht folgendes sagen:
wir versezzen Uns nicht immer sorgfältig genug in die Lage und Denkart
jener Menschen und Zeiten, – sehen im David
überal den Gesalbten der Herrn;
Davids königliche Würde
und Gewalt war damals noch nicht so algemein anerkant und geachtet, als
gewöhnlich dafür gehalten wird; Nabal
sahe den David mit seinen
Leuten für herrenloses, herumstreichendes Gesindel, für eine Räuberbande
an, welcher von dem Seinigen Etwas zu geben Verschwendung
sei; zwar hätten sie seine Heerden gegen andere
Räuber geschüzzet, aber nicht aus Wohlwollen,
sondern aus Neid – ehe sie solche andern
überliessen, solte sie lieber der Eigenthümer
behalten; – oder aus Eigennuz, um sie etwan künftig
einmal, bei einer andern Gelegenheit, für sich zu brauchen; schlägt doch
Mancher heut zu Tage Leuten, die er für Vagabunden
u.s.w. hält, Etwas ab, ohne deswegen zum Geizigen,
zum Filze, wie Hr. Miller
sich ausdrükt, gebrandmarkt zu werden; aber es hätte Nabal
aus Klugheit wenigstens Etwas von dem begehrten
mittheilen, besonders seinen Abschlag nicht mit solchen Worten begleiten
sollen. Hierauf kan geantwortet werden: vielleicht hielt er Davids
Leute nicht für so zahlreich und fruchtbar, glaubte sich ihnen, im Falle
eines Angrifs, mit seinen Knechten und andern widersezzen zu können. Einige
dürften hinzusezzen: Die
Karakterisirung Nabals
1 Sam. 25, 3. rühre
von einem erklärten Anhänger Davids her, sei also zu nehmen, wie jeder
Bericht eines Partheiischen von den (angeblichen
oder wirklichen) Feinden seines Helden, und
was das Urtheil der Knechte von ihrem Herrndem
Nabal ( 1 Sam.
25. 14. 17.) betreffe, so sei dieses von keinem Belange; denn einen Herrn,
der auf Ordnung hält, einen harten,
heillosen, Mann schelten, sei unter
Knechten nichts seltenes, u.s.f. –" Seit. 365. 366.
Manuskriptseite
98.
Ia-02-1778-0175
2) Erklärung einer
gewissen Schriftstelle.
Ia-02-1778-0176
"Was sollen die
Worte aus unsrer eingeführten Bibelübersezzung
heissen: Aber über dem Wasser schwebe
der Geist Gottes. Was für grobe Begriffe müssen bei Lesung derselben
in der Kinderseele keimen? und wie wenige Eltern, auch wohl Lehrer, werden
fähig sein, durch gesunde Erklärung der ganzen Stelle jenen vorzubeugen?
Wer nicht mit Aben=Esra,
Luther, ( Ausg. von
1523. ) Mascho, Damm,
u. a. starker Wind übersetzen wil: dem beut sich
eine andre dar, die durch den biblischen Sprachgebrauch, besonders Ps.
33,6 unterstüzzet, von verschiedenen Vätern gegeben, auch Grotius
angenommen hat, der aber dafür freilich von Kalov,
nach seiner Art, weidlich angeschnaubet, ein Socinizante
genennet worden. Sie ist diese: Gott ordnete und bereitete
durch seine albelebende Kraft, die rohe Materie zur Hervorbringung der
von ihm bezielten Dinge zu. – " Seit. 366. 367.
Ia-02-1778-0177
3) Von der Inspiration
der Bibel.
Ia-02-1778-0178
"Wenn ein König
seinen Gesandten hinlänglich von seinem Willen unterrichtet, und ihn darauf
an einen fremden Hof abgehen läst: wird man wohl zweifeln, daß alle mündliche
und schriftliche Vorstellungen, welche der Gesandte daselbst thut, seines
Herrn Wille sei? DieWahrheit der apostolischen Vorträge
bleibt also allezeit sicher. Wenn der Verf. anführt, daß die Eingebung
der Sachen durch Worte geschehen sein müsse: so beweiset solches nicht,
was es beweisen sol. Der Gesandte hat seine Instinktion von seinem Herrn
auch durch Worte. Wenn er aber an dem fremden Hofe weitläuftige Vorträge
zu thun, und Einwürfe zu beantworten hat: so
mus er sich bald hier,
Manuskriptseite
99.
bald da, ausdehnen,
und andere Wörter und Konstruktionen gebrauchen. Der Schlus aus Matth.
10, 19 ist ganz unrichtig. Man wil a minori ad majus
schliessen, und schliesset offenbar a majori ad minus.
Für geringe und furchtsame Leute, als die Apostel damals waren, ist es
weit schwerer, sichvor
erzürnten Fürsten in Lebensgefahr sich geschikt zu verantworten, als mit
ruhiger Überlegung bei aller möglichen Sicherheit in seinem Zimmer eine
erlebte Geschichte aufzusezzen, oder einen Brief an Freunde zu schreiben.
Ich dächte, der Augenschein bewiese genug, daß die Worte und die Konstruktionen
der Bibel nicht von Gott diktirt sein könen.
Nicht nur die Schreibart ist verschieden, sondern auch oft so schwankende
und so voller Einschiebungen, daß daher viel Undeutlichkeit entsteht.
Wenn Gott diktirt hätte, würde alles leicht
und deutlich sein. Gott, der mit Fleis schlechte Leute zu Lehrern der
ganzen Welt erwählte, lies ihnen mit weislich
ihren schlechten Stil, damit derselbe ein beständiger Beweis bliebe, daß
die Apostel unstudirte Leute gewesen, und daß die götliche Weisheit nicht
aus ihrem Gehirne entsprossen, sondern einen
götlichen Ursprung habe. – " Seit. 378.
Ia-02-1778-0179
4) Vom heil. Abendmale.
Ia-02-1778-0180
"Wenn es daraus
folgen solte, daß wir im heil. Abendmale
das Fleisch Christi
geniessen, weil er Joh.
6, 55. eine wahrhaftige (a?????) Speise heist: so müste er auch ein wirklicher
Weinstok sein, weil er Joh.
15,1. ? ?µpe??? ? ??????? heist. –" Seit.
383.
Ia-02-1778-0181
5) Vom biblischen
Ausdrukke "Begraben."
Ia-02-1778-0182
"Daß in dieser Vorstellung
(in Christo begraben sein) nichts
Manuskriptseite
100.
mehr als Allegorie
liegen könne, erhellet aus Tit.
3, wo die Taufe als Besprengen vorgestelt, und dadurch die moralische
Reinigung, die das Christenthum bewirken sol,
angedeutet wird, so daß also das Begraben nichts
wesentliches sein kan, sondern ebenfals nur Schwächung unserer unsitlichen
Gewohnheiten bezeichnen mus. –" Seit. 384.
Ia-02-1778-0183
6) Erklärung einer
Schriftstelle.
Ia-02-1778-0184
"Johannes
sagt: ein Kind Gottes, (oder ein Mensch, der Gottes
und seines evangelischen Unterrichts würdige, angemessene und dadurch
hervorgebrachte Gesinnungen hat,) überwindet die Welt,
(läst seine moralische Urtheilskraft nicht durch die Scheingüter der Sinlichkeit
berükken). –" Seit. 384.
385.
Ia-02-1778-0185
7) Von Jesu,
wie er die Welt erleuchtet hat.
Ia-02-1778-0186
"Allerdings sind
diese Stellen ( *Joh. 1,4 vergl.
Joh. 12, 46. 47.)
Hauptstellen, und es erhellet deutlich aus denselben, daß Jesus
die Menschen erleuchte und beglükke:
wir wüsten auch nicht, daß ein Gottesgelehrter, der das erstere erkent,
das leztere läugnen werde; vielmehr ist zwischen beiden eine wesentliche,
unzertrenliche Verbindung. Die ganze Sache wird
durch das Bild aus der Körperwelt nicht deutlicher, wenigstens erhellet
nicht aus demselben, daß eins ohne das andere sein könne. Die Naturforscher
haben noch nicht *
ausfinden können, ob die belebende Kraft von der leuchtenden Kraft des
Lichts verschieden sei: wahrscheinlich ist es nicht. Dem sei aber
wie ihm wolle, so ist gewis, daß die ganze Untersuchung für den gemeinen
Gebrauch unnüz ist, da ich wissen wil, was ich zu thun
Manuskriptseite
101.
habe. Wenn ich da
frage, wie mache ich es, daß ich Jesum als ein
belebendes, beglükkendes Licht nuzze: so kan ich nicht anders antworten,
als: gebrauche ihn als ein erleuchtendes Licht.
–" Seit. 385. 386.
Ia-02-1778-0187
8) Von den Geschichtsbüchern
des A.T.
Ia-02-1778-0188
"Es ist auch ein
offenbar falscher Lehrsaz, wiewohl ihn der Verf. mit andern immer als
unläugbar voraussezt, daß die götliche Wahrheit des Christentums
auf der Authenticität aller im Kanon des A.T.
befindlichen Geschichtbücher, auf der genauen Wahrheit aller darin befindlichen
historischen Nachrichten beruhe. Das Buch Esther
habe ein kanonisches Ansehen oder habe keins; die Umstände des abgewendeten
Bludbades, so den Juden im persischen Reiche
zugedacht war, mögen genau so sein, wie sie da erzählt werden, oder etwas
verändert, was können die vortreflichen Lehren Jesu, deren Götlichkeit
sich durch sich selbst empfiehlt, bei dem einen gewinnen, *
oder bei dem andern verlieren? – –" Seit. 294.
Ia-02-1778-0189
9) Vom Teufel.
Ia-02-1778-0190
"Schon andre einsichtsvolle
Männer, unter andern Farmer,
dessen Meinung von dämonischen Leuten durch die Bambergerische
Übersezzung bekant ist, haben gezeigt, was man in vorigen Zeiten unter
Dämonen verstanden hat; gezeigt, daß die gemeine Meinung von den Einwirkungen
des Teufels
mit derWeisheit und
Güte Gottes streitet, und daß die Lehre vom
Teufel nicht so genau als man als insgemein vorgeben
wil, mit der christlichen Religion verbunden ist. Was
Manuskriptseite
102.
man aus Christi
Zeugnissen dagegen einwendet, läst sich wohl noch beantworten. Zur Ersparung
des Raums verweisen wir jezt nur auf das, was ein andrer Recensent in
dieser Alg. deutschen Biblioth.
kurz berühret hat. Christus hatte keine Zeit,
tief eingewurzelte (nach der damaligen Denkart
unschädliche) Vorurtheile aus jüdischen Köpfen durch metaphysische Vorlesungen
zu verbannen: glükliche Aufklärungen überlies er der almäligen Anstrengung.
Viele gestehen, daß die meisten biblischen Sprüche eine mit den götlichen
Eigenschaften verträglichere Erklärung leiden; nur die Geschichte von
Christi Versuchung scheint ihnen entscheidend:
hier werden dem Teufel als einer Person wirkliche Reden und Handlungen
beigelegt. Wir wollen izt etwas davon erwähnen. Vielleicht geben wir einen
Anlas zu weitern Nachdenken. Markus gedenkt
der Versuchung Kap. 1, V. 12. nur im Vorbeigehen
mit wenigen Worten, es sei nun daß sie ihm zu dunkel oder zu unwichtig
schien, viel davon zu reden. An zween Orten Matth.4,
und Luk. am 4, wird
sie volständig erzält, aber so, daß durch alles
Dunkle, Empörende und Abweichende, grosse Zweifel entstehen, z.B. Christus
ward vom Geist geführt (von welchem?
wie? mit, oder wider seinen Willen? Lukas
sagt: im Geist; war es etwa ein blosses Entzükken?) daß
er versucht würde, (bedurfte er einer Prüfung? war seine Weisheit
und Treue zweifelhaft? oder solte der Teufel dadurch belehrt werden?)
Warum hungerte ihn erst nach 40 Tagen? Bei der Versuchung selbst spielt
der Teufel eine lächerliche Rolle. Andre Sprüche legen ihm grosse List,
Macht und Kentnis bei; auch hier zeigt er seine Bekantschaft
Manuskriptseite
103.
mit der Bibel; gleichwohl
redet und handelt er wie ein dummes Kind. Ja Kinder mögen auf solche läppische
Art einander auf die Probe stellen, aber nicht Geister von höherer Art.
"Mach aus Stein Brod! Spring hinunter! Bete mich an!" O der einfältige
Teufel! wust er nichts bessers gegen einen Man vorzubringen, den er selbst
einen Sohn Gottes nent? Man mache mit einem 10jährigen Knaben den Versuch,
ob er sich zum Spas von einer beträchtlichen Höhe wird herabstürzen. Und
doch beweist man noch immer in Predigten steifweg aus dieser Geschichte
die grosse Weisheit Christi. – Noch auffallender
ist die grosse Verschiedenheit in der Erzählung. Matthäus
läst den Teufel erst nach 40 Tagen kommen: Lukas
läst die Versuchungen die 40 Tage hindurch dauern, und in einer ganz andern,
fast möchte man sagen unschiklichen, Ordnung auf einander folgen. Bei
jenem entfernt sich der Versucher gleich auf den Befehl: hebe
dich weg! aber nach des Lukas
Bericht war er nicht so gehorsam; auf den Befehl: hebe dich weg! führte
er Christum auf des Tempels Zinne:– Zween Zeugen,
deren keiner zugegen gewesen ist, und die so
sehr in ihrer Aussage von einander abweichen, schreiben offenbar nach
Hörensagen, nicht aus götlicher Eingebung; oder Gott muste sich bei dem
einen sehr geirret haben: das wäre Lästerung. – Was Semler
überhaupt von der götlichen Eingebung behauptet, und was Andre von den
4 ersten Kapiteln des Matth.
erinnern, wissen unsre Leser. Lukas
schrieb ohnehin blos aus eingezogenen Nachrichten. (Kap. 1, V. 3.) – Aus
einer solchen zweifelhaften dunkeln Geschichte, für das Dasein und den
Einflus des Teufels einen Beweis zu führen, wäre immer zu viel gewagt.
– Was wir noch beifügen könten, wird ein aufmerksamer Leser selbst hinzu
denken." Seit. 396. 397. 398.
Manuskriptseite
104.
Ia-02-1778-0191
10) Von der Ergreifung
des Verdienstes Jesu.
Ia-02-1778-0192
"Im Ernst, wir fragen
noch einmal, wie sollen alle diese Säzze unter einander vereiniget werden?
Gott sol durch das Blut Jesu völlig versöhnt
und durch die Heiligkeit dieses unsers Erlösers alles hinlänglich ersezt
sein, und dennoch sind auf unserer Seite nicht nur Reue und Glauben, d.i.
Ergreifung des Verdienstes Jesu, nach des Verfassers
Begrif, sondern auch Genugthuung an den Nächsten zur Erlangung der Seeligkeit
nöthig. Hat Christus alles ersezzet, wozu
sol ichs noch ersezzen; wird mir seine volkommene Heiligkeit durch den
Glauben zugeeignet, was bedarf ich denn eigner Verdienste?–" Seit.
401.
Ia-02-1778-0193
11) Eine Bemerkung
am menschlichen Herzen.
Ia-02-1778-0194
"Nur der entdekt
oft einen Fehler, der aus Argwohn scharf darnach siehet, und nur der argwohnet
ihn, der des Fehlers Möglichkeit bei sich selbst *...*
erfahren hat; Unschuldigere können ihn sich kaum denken, also auch nicht
vermuthen. Darauf gründet es sich, wenn der tragische Dichter
sagen läst: O Norton,
du must ein grosser Bösewicht gewesen sein, daß
du mich so erräthest." Seit. 455.
Ia-02-1778-0195
12) Von menschlichen
Tugenden.
Ia-02-1778-0196
"Der Geist unsrer
Modemoralisten mus aus dem Kamel des Arabers (es ist eine gewisse
Fabel, auf die hier gezielt wird) gesprochen haben, die uns
in Thiere verwandeln wollen, weil wir nicht Engel sein können. Auch Tugenden,
denen die Menschheit anklebet, sind besser für die Welt, als gar keine.
– –" Seit. 456.
Manuskriptseite
105.
Ia-02-1778-0197
13)
Ia-02-1778-0198
Von der Erkentnis,
die Menschen haben.
"Du eile, liebster Freund! und koste bald die Freude,
Die aus Entdekkung quilt! – Vom Siz der ewgen Ruh:
"Auch du, mein Sohn, arbeitest an dem Weltgebäude!"
Ruft dir der grosse Kepler
zu.
Welch einen Namen nenn' ich dir? Ach Freund, hier fliesset
Des Unmuths Thräne mir die glühnde Wang' herab
herab.
Bei Königen schläft Newton;
Newtons Lehrer misset
In seinem Vaterland ein Grab.
Als er den kühnen Flug bis zu dem Irstern wagte,
Und seine Laufbahn fand; sah ihm von seiner
Sphär' Ein höhrer Geist halb eifersüchtig zu, und sagte:
" Den Sterblichen ist nichts zu schwer.
Einst wagten sies, den Thron der Götter anzufechten
Da noch ihr Arm entwurzelte Gebürge wog,
Bis hoch herab aus Jupiters geschwungner Rechten
Der Bliz auf ihre Scheitel flog.
Izt weicht dem schwachen Volk kein Berg mehr aus der Erden,
Allein ihr Geist erstarkt, und wird erfindungsreich.
Durch ihn erheben sie sich von dem Staub, und
werden
Den Bürgern des Olympus gleich."–
Der Donnerer vernahms, und lies die Stimme hören:
"Mir ist die Geisterwelt von Ewigkeit bekant.
Mit Weisheit zeichnet' ich den Wesen ihre Sphären,
Und gab dem Menschen den Verstand.
Manuskriptseite
106.
Und wer den Trieb
ernährt, die Wahrheit auszuspähen,
Dem räum' ich einen Plaz bei höhern Wesen ein.
So sol der Mensch, wie ihr, von Stuf zu Stufe
gehen,
Und ich nur werd' unendlich sein." – " Seit. 470. 471.
Ia-02-1778-0199
14)
Ia-02-1778-0200
Der Morgen!
"Er aber, der der Sphären ewge Bahn
Mit feurgem Blik bewacht,
Gott rührt den Erdenkreis almächtig an,
Und dreht ihn aus der Nacht.
Indem er stil um seine Spindel rolt,
Wird alles übersont.
Der Berge gipfel sind ophirisch Gold,
Sapphir der Horizont.
Ein Meer von Regenbogen brent im Thal,
Gen Himmel schikt die Flur
Den Balsamrauch aus Blumen ohne Zahl,
Ein Opfer der Natur."
– Seit. 473.
Ia-02-1778-0201
15) Von Pflanzen.
Ia-02-1778-0202
"Die Luft ist den
Pflanzen eben so nothwendig wie den Thieren, weil
sie zur Beförderung ihres Wachsthums mit ihrem
Gewicht, Schnelkraft,
Wärme, Feuchtigkeit, Trokkenheit u. s. w. mannigfaltig reizt, und noch
mehr, weil sie selbige durch die Substanzen, die sie enthält; ernähret.
Dies leztere wird dadurch bewiesen, daß selbst
der Dünger und
Manuskriptseite
107.
die Bearbeitung
der Erde nur schwache Werkzeuge der Fruchtbarkeit sein würden, wenn nicht
aus der Atmosphäre unaufhörlich feine geistige Substanzen abgesezt würden,
welche die gröbern Theile des Düngers und der Erde zur Pflanzennahrung
geschikt machten, und solche z**
den Wurzeln derselben zuführten. Noch mehr aber
wird dieser Saz bestätigt, wenn die Beobachtungen des Hales,
Guetard, Bonnet, Duhamel,
u. a. m. darthun, daß die Pflanzen durch Hülfe der Poren, und anfangenden
Gefässe der Rinde und der Blätter, eine saftige und körperliche Feuchtigkeit
zur Nahrung aus der Luft anziehen. Die Zweige und Blätter derselben sind
ihre Wurzeln in der Luft. Newton
und nach ihm Franklin,
glauben, daß die Pflanzen ausser der Luft auch noch Licht= und Feuertheilchen
einziehen, welche sich mit den feinern flüssigen
Körpern in der Pflanze festsezzen, und vermuthlich den angenehmen Geruch
und Geschmak der Blumen und Früchte, und andere geistige Eigenschaften
der Pflanzen hervorbringen. Dem Wachsthum ist nichts günstiger, als eine
feuchte Wärme; die Feuchtigkeit giebt die Materie, die Wärme die Bewegung.
Der Grund hievon ist die elektrische Materie, welche bei feuchter warmer
Witterung sich den Pflanzen mehr mittheilet, und ihre feinsten Haarröhrchen
Haarröhrchen durchdringet,
und daher nur mit mit Mühe durch die Maschinen
alsdenn konzentrieret werden kan, weil sie von
den feuchten Dünsten der Luft absorbiert wird.
– Die Winde befördern in den Bäumen und Pflanzen die Zirkulation, die
Absonderung und Ausdünstung der Säfte, und sind für die Pflanzen das,
was Bewegung, Lauf und Leibesübung den Thieren ist.
Manuskriptseite
108.
So wie die Materien
beschaffen sind, die sie herzuführen, so sind sie dem Wachsthum
nüzlich oder schädlich, und geben überhaupt zu jeder Art von Witterung
den Ausschlag. Der Regen enthält alles, was zum Wachsthum der Pflanzen
erforderlich ist, feste Theile, geistige Theile und das Vehikulum, den
Keim dieser beiden Elemente, nemlich das Wasser. Der Thau enthält wie
der Regen, viele fremdartige Theile, die von allen Körpern, hauptsächlich
aber von den Pflanzen, ausdunsten, und wie diese Theile ihrer Natur nach
beschaffen sind, so ist er zum Wachsthum nüzlich oder schädlich; überhaupt
aber ist er fruchtbarer als der Regen, so wie
der Regen fruchtbarer ist, als gemeines Wasser. Mit dem Nebel
hat es gleiche Bewandnis. Der Schnee, welcher mit dem Regen fast gleiche
Bewandnis Bestandtheile hat, erwärmet die Erde,
indem er die auch im Winter ausdunstende Wärme, welche sich sonsten
zerstreuen würde, zurükhält." Seit. 598. 599. 600.
Ia-02-1778-0203
X.
Ia-02-1778-0204
Algemeine
Deutsche Bibliothek. Des ersten Bandes erstes Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1765.
Ia-02-1778-0205
1) Von der Angst
über Gottes Zorn.
Ia-02-1778-0206
"Die grosse Angst
über Gottes Zorn ist oft übertrieben, man
solte mehr über die Strafwürdigkeit als über die
Strafe seiner Sünden unruhig
sein; die heilige Schrift fordert auch solch gewaltiges Gefühl der Angst
nicht, noch viel weniger ganz algemein das Gefühl der Hölle und der Verdamnis,
denn sie mildert uns dieses Gefühl selbst gleich durch die Bekantmachung
der götlichen BarmherzigkeitJesu
Christo. Auch die lebendige Vorstellung der grossen Liebe Gottes
Manuskriptseite
109.
kan uns zur Reue,
Schaam und Bekehrung bringen, (und sol es vornehmlich
nach dem Evangelium; möchten wir hinzusezzen.)–" Seit.
11.
Ia-02-1778-0207
2) Einige Fehler
desbei dem gewöhnlichen Unterricht
der Kinder im Christenthum.
Ia-02-1778-0208
"1) Man lehrt die
Kinder beten, wenn sie von Gott und der Ehrwürdigkeit dieser Unterredung
mit ihm noch nichts vestehen; man lehrt sie solche Gebete hersagen, deren
Bedeutung sie ohne Einsicht in die Geheimnisse des Christenthums
nicht fassen können; daraus der Schade entsteht, daß das Kind auch dann,
wann es erwachsen ist, die Gewohnheit behält,
ohne Verstand und Empfindung zu beten und nur Worte her zu plappern. 2)
Es ist schädlich, daß die Kinder bei dem, was
zur Religion gehört, lesen, schreiben und memoriren
lernen; denn der Verdrus und Ekel, den sie bei dem leztern erfahren, bleibt
ihnen gegen die Religion selbst. 3) Die Kinder werden auf die Werke der
Natur, auf die Absichten, die sich darin finden, und auf das viele gute,
das wir geniessen, nicht aufmerksam genug gemacht. 4) Sie müssen die Wahrheit
solcher Säzze heilig halten, damit sie noch keine Gedanken verbinden können;
welches oft hernach die Ursache des Aberglaubens oder des Unglaubens wird.
Denn man hält sie entweder so heilig, daß man
gar nicht prüfen wil, und also blind mit glaubt, was die Kirche glaubt;
oder man fängt an zu prüfen, und findet keinen Grund der Grund von den
bisher heilig gehaltenen Säzzen, und wirft also gleich alles als ungegründet
hinweg. Der Verf. sieht zwar selbst ein, daß es von verschiedenen Wahrheiten
solche Beweise giebt, die ein Kind nur auf Autorität annehmen mus, weil
es die Kraft derselben noch nicht fassen kan; aber er wil, daß diese Beweise
so bündig und angemessen richtig sein sollen, daß der in der Kindheit
genossene Unterricht mit der Einsicht nach eigner Untersuchung in erwachsenen
Jahren übereinstimme, und also von der prü
Manuskriptseite
110.
fenden Vernunft
einst richtig befunden werde: und wir wolten noch wohl hinzusezzen, daß
man in solchem Fal die leichtern Säzze des Unterrichts den Kindern desto
faslicher und überzeugender machen mus, um für
schwerere und noch nicht fasliche desto mehr Zutrauen gegen die Autorität
zu erwekken. 5) Man fängt den Unterricht in der Religion, bei den Geheimnissen
an, da man doch umgekehrt von der Erkäntnis der Natur zur natürlichen
Religion, von dieser zur natürlichen Offenbarung
fortschreiten, und zul zulezt erst auf die Geheimnisse
kommen solte. 6) Man bleibt bei der alten Methode, ob man gleich sieht,
daß die mehresten dabei nach ihrer Erkentnis
unfähig zum heiligen Abendmal bleiben. 7) Man zwingt die ganze Moral in
die zehn Gebote, welche doch der Form und dem
Umfange nach mehr für ein Gesez anzusehen sind, das besonders den Juden
gegeben worden. 8) Man fordert von allen, ohne Unterschied, das ganze
A.T. zu lesen, das doch nur in besondern Stellen
und Büchern algemein verständlich und erbaulich ist; man behält auch in
den Lehrbüchern noch immer die Beweisstellen der Schrift bei, von denen
doch nach richtigerer Auslegung bekant ist, daß sie die daraus bisher
gefolgerte Lehre nicht beweisen. 9) Der Beweis von der Wahrheit des Christenthums
und von der Götlichkeit der heiligen Schrift ist in den meisten Lehrbüchern
der Kinder schlecht oder gar versäumt."– Seit. 28.
29. 30.
Ia-02-1778-0209
3) Etliche Bemerkungen.
Ia-02-1778-0210
"Die Almacht und
Alwissenheit Gottes erstrekt sich über alle Örter, und darum heist er
algegenwärtig."– "Nachdem Gott ausser sich zu wirken angefangen, sind
seine Handlungen und die Vorstellungen davon aufeinander folgend, und
nicht so unveränderlich als sein Wesen." Seit.34.
Manuskriptseite
111.
Ia-02-1778-0211
4) Von der götlichen
Eingebung der heil. Schrift.
Ia-02-1778-0212
"Die
Sprüche der Bibel, die zum Beweise ihrer götlichen Eingebung angeführet
werden, sind mit Recht ihrem Zusammenhange nach, nur auf das A.T.
zu deuten." S. 38. 39.
Ia-02-1778-0213
"In der Hauptsache
wird es zur Autorität der Schrift genug sein,
zu glauben; daß Worte Gottes selbst, und Nachrichten, welche die heiligen
Verfasser sonst nicht hätten wissen können, unmittelbar von Gott geoffenbart
sein; daß die Gesandten Gottes, nachdem sie
einmal von Gott in den Lehren, die sie verkündigen
sollen, unterrichtet waren, hernach auch ohne einen ausserordentlichen
Beistand davon haben reden und schreiben können; daß
sie manche historische Nachrichten ohne Offenbarung haben wissen,
und sie auf erhaltenen Befehl von Gott aufzeichnen können,
und daß man Worte Gottes selbst, und Reden derer in der Schrift angeführten
Personen, immer sorgfältig von einander unterscheiden müsse. Jedes Urtheil
eines heiligen Geschichtschreibers; jedes
erzählte Gespräch zweier Personen; jedes affektvolle
Lied, jeder Ausspruch Hiobs,
oder seiner Freunde, ist nicht für einen götlichen Ausspruch zu halten.
Es fehlt uns nur noch an einer genau bestimten hermenevtischen
Regel, die götlichen Aussprüche von den blos
erzählten menschlichen Reden in jedem Fal
zuverlässig zu unterscheiden. Der V. sieht
verschiedene Stükke des A.T. als historische
Beilagen an, z. E. das hohe Lied Salomons
ist nach seiner Meinung eine solche Beilage,
zum Zeugnisse, wie sehr sich dieser König durch
heidnische Weiber zur Wollust und dadurch zur
Abgötterei verführen lassen." Seit.
39. 40.
Ia-02-1778-0214
5) Von der Gotheit
Christi.
Ia-02-1778-0215
"Es erhellet aus
der Schrift, daß der Vater Jesu Christi
Manuskriptseite
112.
der einzige wahre
Gott, der Gott über alles sei, und wo er mit
im N.T. mit dem Sohn oder mit dem heiligen
Geist zusammengesezt werde, nur der Vater und kein andrer Gott genant
werde, daß aber Christus in Betrachtung unserer
und der Welt, nicht aber in Betrachtung seines Vaters allerdings gleichfals
Gott, und götlich zu verehren sei, aber in einer andern Bedeutung Gott,
auf irgend eine Art abstammend, Gott von Gott, nicht so volkommen Gott
über alles, wie der Vater, oder besser, Gottes Sohn sei, daß er unvergleichbare
Hoheiten habe, und mit dem Vater auf eine unvergleichbare Weise eins
sei. –" Seit. 40.
Ia-02-1778-0216
6) Von der Taufe.
Ia-02-1778-0217
"Die Taufe ist nichts
weiter, als ein von Christo eingesezter heiliger
Gebrauch, sich öffentlich zu den Lehren des Evangeliums zu bekennen, und
zur Verehrung der im Evangelium geoffenbarten Gotheit zu verpflichten."
Seit. 46.
Ia-02-1778-0218
7) Etwas vom Folgen
Falle Adams.
Ia-02-1778-0219
"Die Ursache
des götlichen Verbots war, daß des Menschen gute Fähigkeiten durch öftere
Übung gestärkt werden solten. Wohl! Aber es war nicht die einzige Ursach;
der Mensch solte dadurch in dem Gedanken erhalten werden, daß er unter
Gottes Aufsicht stehe; ohne diesen Gedanken ist kein vernünftiges Geschöpf
fähig, wahrhaftig glükseelig zu sein. Das vierfache natürliche Übel, daß
auf den Fal erfolgt ist, geben wir zwar aus der Erfahrung zu; aber wir
sehn nicht daß ein, daß es unmittelbar daraus
folgen müsse. Diese Übel bestehn in habituellen Mängeln, die aus einer
einzigen Handlung, als die Übertretung Adams
war, nicht natürlicher Weise folgen
Manuskriptseite
113.
musten. Hier müssen
die Verändrungen in dem Menschen, der zu sündigen anfängt, und in dem,
der darin fortfähret, genauer studirt werden. –" Seit.
85.
Ia-02-1778-0220
8) Von der Erbsünde.
Ia-02-1778-0221
"Die Mängel in dem
Vortrage der Lehre von der Erbsünde haben auf den Wandel der Christen,
*u*
und auf die Abneigung der Ungläubigen so mancherlei schädlichen Einflus
gehabt, daß der Muth, womit sie der Verf.
(Teller) angezeigt und verbessert hat, liebenswürdig
ist. Die Erklärung der Erbsünde selbst, die der Verf. in der herschenden
bösen Lust, oder Temperamentssünde, die jedem
Menschen eigen ist; der Beweis für
ihrer Fortpflanzung durch die leibliche Geburt; des aus ihr entspringenden
Übergewichts der Sinlichkeit, und Mangels thätiger und anhaltender Entschliessungen
zum Guten u.s.w. ist der Schrift und Erfahrung so gemäs, und aus beiden
so deutlich entwikkelt, daß nur der, der beide
nicht satsam geprüft hat, dem V. seinen Beifal nicht
versagen kan. Was wir aber oben *n Absicht
der Folgen des Fals erinnert haben, müssen wir hier in Absicht der Folgen
der Erbsünde, doch mit der Einschränkung wiederholen, daß sich diese Folgen
bei dem habituellen Fortgange der Erbsünde deutlicher gezeigt haben, als
es aus der ersten Sünde Adams begreiflich zu
machen ist. So sehen wir auch nicht ein, wie das, was der V. von dem gänzlichen
Unvermögen des Menschen zum Guten behauptet, mit der vorhergehenden genauern,
und unsrer Meinung nach sehr richtigen Bestimmung des
Manuskriptseite
114.
natürlichen Verderbens
bestehen könne. Denn einmal, wenn auch die Sinlichkeit, und zwar, welches
wohl zu merken, die sich nur auf gewisse bestimte Gegenstände überwiegend
neigt, über den Verstand und Willen herschet, so folgt doch nicht, daß
sie es jenem ganz unmöglich mache, Dinge zu begreifen, und *...*h
diesem Dinge zu verlangen,
die ausser ihrem Bezirk sind. Die Erfahrung aller Zeiten lehrt es vielmehr,
daß der Mensch die Rechtmässigkeit und Güte der Tugend nicht alleine einsehen,
sondern auch diesem gemäs seine Handlungen einrichten könne, so lange
seine herschende Lust nicht in Kollision kömt. Wir wolten also lieber
sagen, das natürliche Unvermögen bestehe darin, daß die herschende Sinlichkeit
den Menschen durch ihr Übergewicht allezeit
verhindere, sichere und beständige Grundsäzze zu fassen, darnach er sich
zum Guten entschliessen könne, und also der Mensch an Volbringung des
Guten, so bald die herschende böse Neigung mit ins Spiel geräth, gestöret
werde. Und so scheint Paullus auch gedacht zu
haben, Röm. 7, 18. u.f. Wenn die Schriftbeweise
des V. wirklich das Gegentheil hievon sagten, so müsten wir die Hand auf
den Mund legen. Aber wer den Zusammenhang von 1 Kor.
2, 14. und den Anfang des folgenden Kapitels geprüft hat, wird dem V.
nicht zugeben, daß ??????? ?????p?? der animalische Mensch
heissen müsse. Blind und verfinstert waren die Epheser vor ihrer Bekehrung
gar sehr gewesen; auch tod in Sünden; Knechte der Sünde; die jezzigen
Heiden sind es auch noch. Aber unbekehrte Christen
sind es nicht in dem Grad; welches nicht satsam unterschieden wird. Und
überdem weis ja der V. aus der Analogie der Sprachen, darauf er sich so
oft beruft, wohl, daß das eigentliche in einer Metapher niemals in seiner
ganzen
Manuskriptseite
115.
Ausdehnung auf das
darunter abgebildete dogmatisch gedeutet werden darf, wo es nicht die
Natur der Sache, oder der Ausspruch des Verf. in eigentlichen Worten,
nothwendig macht. Der Mensch heißt doch bei obiger Erklärung mit völligem
Rechte tod in Sünden, und ein Knecht derselben, wenn gleich keine gänzliche
Unmöglichkeit zum Guten von ihm behauptet wird; Phil.
2, 13. ist sehr wahr, aber der 12. Vers mus doch auch neben ihm wahr bleiben,
Joh. 15, 5. wird
ja das Bleiben am Weinstok von den Reben erfordert,
wenn sie durch ihn Furcht Frucht bringen sollen.
Es ist auch noch die Frage, ob dieser Vers so algemein gedeutet werden
könne, als ihn der V. nimt. – Überhaupt wird man den V. in diesem ganzen
Abschnit nicht in jedem einzelnen Urtheil übereinstimmend
mit sich finden. – Von der Zurechnung der Sünde Adams
sagt die heilige Schrift nichts; vielmehr kan aus 2 Kor.
5, 19. das Gegentheil geschlossen werden: das
System hat sie hienein getragen, und der V. thut wohl, solche hineingedichte
Lehren wieder heraus zu weisen."– Seit. 91. 92. 93.
Ia-02-1778-0222
9) Der Grund, warum
Gott die Offenbarung nicht mit augenscheinlichern Beweisen versehen hat.
Ia-02-1778-0223
"Der Grad der Gewisheit,
mit welchem die Offenbarung Gottes in der heiligen Schrift versehen ist,
hat auf einer freien Wahl Gottes beruht, und mus aus dem Endzwek erkant
werden, welchen Gott bei demselben hatte. Dieser war nun nicht sowohl
dahin gerichtet, durch sie ein Mittel zur Seeligkeit der Menschen an sich
und überhaupt, als vielmehr ein Mittel zu einem höheren Grade der Seeligkeit
derselben zu stiften; denn zur Seeligkeit an sich und überhaupt führet
er die Menschen bereits durch eine natürliche Offenbarung, und es ist
unläugbar, daß sich seine übernatürliche Offenbarung in der Schrift
Manuskriptseite
116.
als ein Mittel zu
einer höhern und grösseren Seeligkeit verhält. Solte sie aber dergleichen
dem Endzwek Gottes gemäs wahrhaftig sein, so muste alles in und bei derselben
dahin eingerichtet werden, daß die Menschen Gelegenheit erhielten, mehrere
und grössere Tugenden auszuüben, und also grösserer Gnadenbelohnungen
empfänglich zu werden. Bei diesem von Gott beliebten Grade der Beweisthümer
erhalten sie dieselbe, indem dabei ihr Glaube selbst eine Tugend
werden kan; nämlich durch den ehrerbietigen Gehorsam, welchen sie um des
überwiegenden Ansehns götlicher Zeugnisse willen, der Offenbarung leisten.
Bei einem höheren Grade der Beweisthümer hingegen würde nicht nur der
Glaube selbst, sondern es würden auch alle damit zusammenhängende Tugenden
geringerer Belohnungen empfänglich sein, weil die Erkäntnis der Religion
alsdenn anschauend, mithin unwidersezlich, der Glaube völlig evident und
mit seinen Früchten keiner eigentlichen Zurechnung an die Menschen fähig
gewesen sein würde. Gott konte also seinem bei der Offenbahrung in der
Schrift gehabten Endzwek gemäs, ihr keinen höheren Grad der Gewisheit
beilegen, als sie wirklich für die izt lebenden Menschen hat. Folglich
ist auch erwiesen, daß ein höherer Grad derselben der volkommensten Weisheit
und Güte Gottes unanständig gewesen sein würde."– Seit.
133. 134. 135
Ia-02-1778-0224
10) Was heißt "mit
der Bibel reden"?
Ia-02-1778-0225
"Mit der Bibel reden
kan nichts anders heissen, als diejenigen Wahrheiten, welche in der heiligen
Schrift auf hebräisch und griechisch vorgetragen worden, mit
solchen deutschen Worten und Redensarten ausdrukken, wodurch bei dem Zuhörer
eben die Vorstellungen erwekt werden, welche
die heil. Verfasser bei jederman erwekt wissen wollen. – –" Seit.
175. 176.
Manuskriptseite
117.
Ia-02-1778-0226
11) Von einem Ausdrukke,
der falsch ist.
Ia-02-1778-0227
"Läst sich der Ausdruk
Gott am Kreuze, wohl rechtfertigen, und ist er
nicht unbehutsam, ja falsch, da der Mensch, Jesus Christus,
nicht und nicht der Gott gekreuzigt wurde?––"
Seit. 265.
Ia-02-1778-0228
XI.
Ia-02-1778-0229
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des ersten Bandes zweites Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1765.
Ia-02-1778-0230
1) Von der menschlichen
Seele.
Ia-02-1778-0231
"Die denkende Seele
schwingt sich mit ihren Gedanken über die Erde, erforschet die Bahn der
Sterne, spürt den Grundursachen der Dinge nach, entdekt sie aus den Wirkungen
der Natur ihrer verborgenen Wesen; steigt bis zu dem Urheber aller erschaffenen
Dinge, ist unersätlich im Erforschen, ihre wahre Wollust ist Wissen, und
ihr höchster Wunsch ist alles zu wissen. Wenn sie im Gegentheil von den
Sinnen bethört wird, daß sie vergängliche Eitelkeiten für die Mittel wahrer
Glükseeligkeit ansieht, und erlangt dieselben,
so sättiget sie keine; sondern sie strebt immer nach mehrern; und wenn
sie auch jeden Wunsch darinnen erreicht, so wird sie bald der höchsten
Ehrenstaffeln, wie der Schäzze und wollüstigen
Freuden überdrüssig, und bleibt auf dem Gipfel der Eitelkeiten, wir unten
auf der ersten Stufe unruhig, alles scheint ihr zu klein, und sie findet
nichts, was ihr Vergnügen befestigen kan. – Dagegen brennen *
in ihr lauter Begierden nach Freiheit, Volkommenheit und Unsterblichkeit,
die alle unermeslich weit sich über dies
Manuskriptseite
118.
Wohnhaus der Erde
erhöhen. Ihre Kräfte sind auch gar nicht auszumessen, sondern je weiter
sie im Denken und im Wissen steigt, so eröfnet sich ihr immer noch ein
grösseres Feld, und noch ein ferneres Ziel für ihren Fleis, gegen welches
ihre erstiegene Höhe ihr niedrig und verächtlich wird. – Allemal aber
in der eifrigsten Arbeit, in der heftigsten Begierde, und oft bei der
besten Zubereitung in den Grund und Wesen der Dinge zu dringen, komt der
Tod, und führt die Seele von ihrem Stande auf der Erde hinweg, von welchem
sie die Werke Gottes betrachtete."– Seit. 40. 41.
Ia-02-1778-0232
2) Eine Erklärung
einer Schriftstelle.
Ia-02-1778-0233
"Die Gotlosen werden
denn hingehen in die ewige unbestimte Strafe (wie
wir einen ewigen Frieden nennen, einen solchen,
da nichts bestimt wird, wie lange er währen solle, oder da man nicht vorher
siehet, wie lange er währen kan) die Gerechten hingegen in das ewige
und ohne Ende fortdaurende Leben. Denn hier
ist bei dem Worte ewig kein sonderlicher
Zweifel, ungeachtet auch, hier nicht offenbaret ist, in wie mancherlei
oder wie oft abwechselnde Einschränkungen dieser unser Geist gesezt werden
solle; denn auch vom ewigen Leben redet die gemeine Orthodoxie gar zu
dreiste."– Seit. 92.
Ia-02-1778-0234
3) Etwas
aus der Historie des vorigen Jahrhunderts.
Ia-02-1778-0235
"Im vorigen Jahrhundert,
da der Geist des Streiteifers fast die ganze
protestantische Kirche eingenommen hatte, und die Gotseeligkeit
beinache darüber vergessen ward, traten redliche Männer auf, welche es
einsahen, daß die Religion nicht blos für den Kopf, sondern vornämlich
für das Herz
Manuskriptseite
119.
gegeben sei. Sie
fingen an, mit desto grösserm Eifer auf die
gotseeligen Empfindungen des Christenthums zu treiben, je mehr dieselben
bis dahin aus den Augen gesezt worden. Es geschahe mit grossem Beifal,
denn der Mensch empfand nun das reelle der Religion. Natürlicher
Weise geriethen sie mit denen, die das Zanken zur Hauptsache machten,
in Streit; und die Hizze des Streits, der Mangel hinlänglicher exegetischer
Einsicht, die Schwierigkeit, sich über Empfindungen deutlich und bestimt
auszudrükken, und die Realität dessen, was sie doch wirklich bei sich
empfanden, verursachten, daß sie ihre Lehrart übertrieben,
alle Kentnis, welche nicht von denen Empfindungen, die sie bezeichneten,
begleitet wurde, tod, heidnisch u.s.w. nanten; das Götliche und Natürliche
vermischten; alles, was nur Empfindung war, priesen; und auf eine unbestimte
Weise einen gewissen Gang von Empfindungen zur Bekehrung und zur Seeligkeit
für nothwendig zu halten schienen. Andre redliche Männer folgten ihrer
Bahn, und besserten theils, theils verdarben sie; je nachdem mehr oder
weniger Licht in ihrem Kopf war. Der grosse
Haufe, der hier was reelles zu finden meinte und zum Theil auch wirklich
fand, folgte nach; die Unwissenheit erlernte
mit leichter Mühe die Sprache dieses Systems, und verbarg sich hinter
den vol Bedeutung scheinenden Worten, und schalt aus Einfalt, aus Partheieifer
und Dünkel auf alle, die sich bemüheten,
das Licht von der Finsternis zu scheiden. Die Heuchelei ergrif dieses
bequeme Mittel, Beifal zu zu erlangen, und über
andre zu herschen: und der gemeine Man, der die Gabe der Unterscheidung
in Sachen des Gefühls am wenigsten besizt, lies sich durch die Stärke
der
Manuskriptseite
120.
ersten Eindrükke,
die diese Methode natürlicher Weise machen muste, hinreissen; zu glauben,
daß er das einzige Nothwendige zur Seeligkeit nun gefunden habe. Aus allen
diesen Ursachen wurde es ein herschender Ton in der Kirche. Solte es denn
nun nicht wichtig sein, die Richtigkeit oder Sicherheit oder Algemeinheit
solcher Methode zu prüfen, da sie von vielen redlichen Männern, aber auch
von noch mehrern Heuchlern und Unwissenden,
als die einzige heilsame angepriesen wird? und schikte es sich nicht,
dieses mit Bescheidenheit, Anstand und kaltem Blute zu thun?––" Seit.
120. 121. 122.
Ia-02-1778-0236
4) Von
der Seele.
Ia-02-1778-0237
"Kan der, der über
die moralische Beschaffenheit seiner Natur nachdenkt, sich wohl eines
edlen Stolzes erwehren, der ihn über die sichtbare Schöpfung erhebt,
ihn mit einem grossen Gefühl seiner Würde und
Vorzüge begeisterte, und diese Betrachtung
auch Begeisterung auch auf die fortpflanzt, *
die seinen Betrachtungen folgen?–" Seit. 158.
Ia-02-1778-0238
5) Etliche Fragen,
die beim Buche Hiob
zu untersuchen sind.
Ia-02-1778-0239
"Die erste Frage;
ob nicht das ganze von K. 3. Hiobs
an, ein dramatisches Stük sei und ob Herr Lowth
Recht gehabt habe, es neuerlich zu verneinen; die zweite, ob, wenn auch
dies nicht wäre, nicht wenigstens eine Erweiterung derselben von dem Schriftsteller
sei vorgenommen worden? Die dritte, ob man nicht selbst die wechselsweise
Unterredung Gottes mit dem Satan für eine parabolische Vorstellung des
von von neidischen
und übelgesinten Menschen dem rechtschaffenen Manne zugefügten Unheils
und andrer Unglüksfälle halten könne, dabei immer noch nicht geleugnet
werden dürfte, daß ein Hiob gelebt, der ansehnliche
Manuskriptseite
121.
Besizze gehabt,
durch eine Menge unglüklicher Vorfälle in Verfal gerathen, von seinen
besten Freunden an seinem moralischen Karakter angegriffen worden sei
und und endlich durch Standhaftigkeit gesieget habe? Die vierte, ob es
nicht am wahrscheinlichsten sei, daß das Lehrende der ganzen Geschichte
dieses sei, es gebe eine Vorsehung, die sich gegen den
Frommen allezeit wohlthätig erweise und ihn
durch Labyrinthe von Elend doch endlich auf die schöne Ebene der Freuden
hindurch führe? Die fünfte, ob man nicht
aus gewissen uralten Ausdrükken auf die Spur des eigentlichen Alters des
Hiobs kommen könne? So gehört z. E. die Benennung der Kinder
Gottes, nach der hier anzunehmenden Bedeutung zu der ehrwürdigen
alten patriarchalischen Sprache." Seit. 191. 192.
Ia-02-1778-0240
6) Vom Essen, Trinken
u. d. g. *
Ia-02-1778-0241
"Die Verdauung nimt
ihren Anfang im Munde, der Speichel, welcher mehr nach mechanischen Bewegungen,
als nach einem blossen Reize zufliest, löset die Speisen auf und erleichtert
ihren Weg nach dem Magen. Es ist daher die Verschwendung dieses Safts
höchst nachtheilig." Seit. 193.
Ia-02-1778-0242
"Mittags sol man
mehr als Abends essen, und den uns drauf übereilenden
Schlaf nicht fliehen. Feld= und Gartenfrüchte,
unterhalten zwarwegen eine feinere
Ausarbeitung der Säfte, allein wegen der Kräfte und der nöthigen Auflösung
des Schleimes ist das Fleisch unentbehrlich. Unter allen Arten des Getränks
erhält das Wasser sowohl in Absicht auf die Erhaltung der Gesundheit,
als auch auf die Bestreitung hizziger Fieber
Manuskriptseite
122.
gefährlicher Zufälle,
als des Blutauswurfs und hizziger Fieber den
Vorzug. Der Wein sol zur Stärkung, Gewürze und Salz aber blos mässig,
wegen der zu besorgenden Austroknung, gebraucht
werden." Seit. 194.
Ia-02-1778-0243
7)
Ia-02-1778-0244
Etwas von der –
Liebe.
"Man denkt, ein Blik von Ferne, von der Seiten,
Ein blosser Blik hat wenig zu bedeuten:
O glaubet mir, ihr habt schon viel gethan,
Der erste Blik zieht stets den andern an."– Seit. 288.
"So sieht und liebt nach Plutons
Lehren
Der junge Kallias in seiner Tänzerin
Das höchste Gut, womit sich unsre Geister nähren,
Eh sie, Gott weis warum, in
diese Leiber ziehn,
Singt ihm, den Grazien zu Ehren,
Ihr süsser Mund ein Tejisch Liedchen vor:
So glaubt euch der entzükte
Thor,
Er höre den Gesang der Sphären
Ein Druk von ihrer weichen Hand,
Ein Florentinerkus der buhlerischen Zungen
Erwekt von seinem Götterstand
Die schlummernden Erinnerungen;
Auf einmal ists, ob um ihn her,
Der blaue Himmel offen wär
Er sieht die Sterne doppelt blikken;
Er steigt; verliert sich in den Schwarm
Der Geister, welche Nektar trinken,
Glaubt in den Quel des Lichts zu sinken
Und sinkt – in Phrynens Arm. –" Seit. 226.
Manuskriptseite
123.
Ia-02-1778-0245
XII.
Ia-02-1778-0246
Algemeine
deutsche Bibliothek.
Des zweiten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin,
verlegts Friedrich Nikolai, 1766.
Ia-02-1778-0247
1) Widerlegung des
Vorurtheils, da man sagt: "man habe fromme Leute gesehen, die zur Verwunderung
aller aus ihrer Frömmigkeit trefliche Einsichten in ihren Berufsgeschäften
bekommen, ob man sie sonst gleich nicht von ihnen erwartet".
Ia-02-1778-0248
"Last uns einmal
die Begriffe untersuchen. Es giebt wahre Fromme und anmasliche Fromme.
Die erstern finden sich in allen Religionen. Ihr Karakter besteht in einer
solchen durch Übung erlangten Richtung des Herzens,
der zu Folge die Ehre und der Dienst des von ihnen erkanten Gottes, der
oberste Bestimmungsgrund aller ihrer Handlungen, die eine solche Aufmerksamkeit
verdienet, ist und bleibet. Da die Klugheit in den Geschäften theils
auf eine leichte Erfindung der nöthigen Werkzeuge, theils auf die richtige
Unterordnung der Zwekke, theils auf die geschikte Verbindung der Mittel
mit den Absichten ankömt: so ist unbegreiflich, daß die Übung einen gewissen
obersten Zwek sich zu denken auch einen nothwendigen Einflus auf die leztbenante
drei Stükke haben, und dieselbe unvermeidlich nach sich ziehen solte.
Mit andern Worten: Frömmigkeit wirkt nicht unausbleiblich die Geschäftsklugheit.
– Aber vielleicht den Verstand der zu den Wissenschaften gehört? Dieser
ist nichts anders als eine für jeden Inbegrif von Käntnissen schiklich
abgemessene Zusammenfügung der mancherlei Seelenkräfte, und diese Zusammenstimmung
der Seelenkräfte wird ja nicht durch die blosse und feste Vorstellung
des richtigsten Bewegungsgrundes unsrer Handlungen gewirket. Es kan jemand
Gott vor Augen haben, ohne des
Manuskriptseite
124.
wegen eine lebhafte
Einbildungskraft, ein fertiges Gedächtnis und Wiz und Scharfsin zu besizzen.
Die Anwendung auf die Frömmigkeit des Christen ist leicht. Nun kommen
aber zwo Einwendungen zum Vorschein: 1) "Der Fromme ist vor Leidenschaften
bewahrt, und sein Verstand heiter." *
Gut! vor einigen Leidenschaften; aber vor allen? niemals Schwachheiten
und niemals Vorurtheile? Überdies verschaffen
einige gute und richtige Urtheile noch nicht die Öfnung des Kopfes, welche
erst durch ein gewohntes Nachdenken über die verwikkelteste Verknüpfungen
erworben wird. 2) "Eine übernatürliche Kraft, die den Frommen erleuchtet,
kan viel thun." Ja, aber zu ihrem Zwekke, und nichts, was dazu nicht gehört.
Nun ist es algemein zugestanden, daß tiefe Einsichten und Klugheit in
Geschäften gar nicht wesentlich zur Bildung des Christenthums
sein: folglich wird auch derjenige, der es in
den Seelen vermehrt, auf die erstere seine übernatürliche Kraft gar nicht
verwenden. Der anmasliche Fromme hat noch weniger
Anspruch auf Verstand – blos seiner Frömmigkeit
wegen. Er beschäftigt sich, wie er sagt, einzig und allein mit dem Gedanken
an seinen Heiland, ihm betet, ihm singt er, von ihm spricht er mit andern
auserwählten Seelen, seine Liebe für diesen
Heiland prüft er an sich und andern, und jede Käntnis, jede Unterredung,
die nicht auf diesen Heiland unmittelbar führet, hält er für sündlich
oder doch für höchst unnüzze. Ich sage nichts vom Handeln, weil dies sehr
oft bei Singen, Seufzen und Reden wegzufallen pflegt, und höchstens in
Manuskriptseite
125.
Enthaltungen, selten
in wahren Ausübungen zum Besten des Nächsten bestehet. Dies ist eine wahre
Beschreibung von Leuten, die boshaft genug sind, um gesunde Vernunft für
eine Feindschaft gegen das Christenthum auszugeben,
und einfältig genug, um sich nicht anders belehren
zu lassen; die einen gewissen Kant
auswendig lernen, und sich daran wie an Handwerkswörtern
erkennen, jede andre Sprache aber für ungötlich halten, und die zum Glük
durch ihre Lehren zu sehr verrathen, daß ihre Religion nicht von Gott
sei, weil sie die wahre Bestimmungen des Menschen aufheben würde, wenn
man sie befolgen müste. Es mag einem veralteten gnädigen Fräulein leicht
fallen, ihren Müssiggang auf eine solche Art
zu verandächteln: aber wer in den verschiedenen Ständen des Lebens der
götlichsten Bestimmung nach dienen mus, kan
unmöglich Jesumzunächst ohne
Aufhören in Gedanken haben. Armenrechnungen durchsehen und sie
beschleunigen, ist besser als auf die Blähungen
des Magens und Veränderlichkeit der Laune Acht geben, ist
und eine Anstalt für Nothleidende treffen, ist Gott angenehmer, als ein
einem Freunde oder einer Freundin, die noch
zuweilen wiederkommenden Versuchungen des Fleisches
mit frommer Beklemmung offenbaren. Und dergleichen Geschwäzze unter Leuten,
die eine zugestandene Unwissenheit in Beurtheilungen der Seele haben,
dergleichen Geschwäzze solte ihre Einsichten vermehren? Ihr Verstand,
dessen pflichtmässigen Anbau sie vorsäzlich
verabsäumen, ja wohl gar an sich unmöglich machen, ihr
Verstand solte durch die Bilder von Braut und Bräutigam, die sie sich
machen, klärer werden?"– Seit. 7. 8. 9. 10.
Manuskriptseite
126.
Ia-02-1778-0249
2) Eine Vertheidigung
der Liebe.
Ia-02-1778-0250
"Ich bin izt dreuste
genug zu behaupten, daß eben das Denken an die Liebe den Unterschied zwischen
Menschen und Thieren in diesem Stükke ausmache. Da keine Religion den
Trieb zur Fortpflanzung sich aufheben kan; da
auch die frömsten Menschen sich entweder
verehlichen dürfen, oder sich verehlichet haben:
so ist offenbar, daß ihnen dieser Gegenstand zuweilen in Gedanken schwebe.
Ihn als blossen Instinkt in der Seele zu haben, würde sie zu Thieren erniedrigen.
Sie werden ihn also wie geistige Wesen verfeinern, das heist, die
Liebe mit allen feinern Empfindungen, oder schön
denken müssen. Es giebt keinen Einwurf dagegen, wenn man nicht auf die
zween Auswege verfält, die freilich alles abschneiden,
entweder die Ehe und folglich alle Liebe als eine Unreinigkeit zu verwerfen
(die Ausflucht der Gnostiker und Mönche) **
oder ihre Volstrekkung zu e***r
einer gottesdienstlichen Handlung zu machen (wie die Herrnhuter und überhaupt
alle Gnostiker). Auch unsre frömste und heiligste
Theologen haben am meisten gegen diesen Punkt
der zinzendorfischen Gesezgebung geschrien,
ohne zu bedenken, daß vielleicht dies das allerfeinste am ganzen System
sei, wenigstens demselben am zuträglichsten: da alle andre sich eben dadurch
in offenbare Widersprüche verwikkeln. Aber wenn man nun auch an die Liebe
denken darf, mus man denn auch davon sprechen? Ich weis nur dies: da die
beiden Geschlechter ihre Neigung einander müssen zu erkennen geben: da
die Leidenschaft ganz nothwendig die Sprache aus der Brust hervortreibt
und Entzückkungen am Ende in
Manuskriptseite
127.
Worten her
ausströmen: so wird ganz gewis eines dem andern in Worten den Antrag thun,
und diese Worte können edel sein, die Gedanken können feurig sein; die
Ordnung derselben kan blos in Empfindungen gegründet sein; kurz, der nothwendigste
und unentbehrlichste Liebesantrag kan wohl gar
eine Ode werden! und wahrhaftig, wenn er je geschehen
darf: so sehe ich nicht, wo denn das Unglük herkömt, wenn er schön wird,
wenn er eine Ode wird. Gut; aber so bleibe er denn unter zweien? Dies
ist nun auch wahr. Man müste denn sagen, daß man besser thue, gute Muster
andern vorzulegen, als jeden seinem eigenen Nachsinnen dabei zu überlassen;
daß unter den Menschen allezeit von Liebe werde gedichtet werden, und
daß es jungen Gemüthern heilsamer sei, ihnen, da sie doch Bilder der Liebe
suchen, mit Gratien und Liebesgöttern, die eine nakte Venus mit Blumen
bestreuen, vorzumahlen, als sie der
ersten besten Unfläterei auszusezzen. –" Seit. 16.
17. 18.
Ia-02-1778-0251
3) Vom Verdienste.
Ia-02-1778-0252
"Das Verdienst eines
Menschen besteht in der Thätigkeit, die er aus eigner Entschliessung und
aus Wohlwollen, andern zum erheblichen Nuzzen, durch seine Seelenkräfte
beweiset. Es gehört also zu der Thätigkeit, welche
das Verdienst ausmacht, eine Neigung andern
nüzlich zu sein, und ein Vermögen des Geistes, es auch sein zu können.
Daher rechnet Hr. A. folgende drei Stükke zu
den Bestandtheilen des Verdienstes: Grösse des Geistes,
Stärke der Seelen und das Wohlwollen. Wer kan die Grösse
des Geistes untersuchen, finden und anschauen, und nun davon reden,
ohne warm, ohne begeistert zu werden?
Manuskriptseite
128.
Der V. sieht die
Thore an dem Tempel des Nachruhms plözlich aufspringen, und die Genies
aller Nationen hervortreten: er fühlt ihre Gegenwart.
Nur die philosophische Furcht, durch ihren ehrwürdigen
Anblik und durch den süssen Klang ihres Nachruhms zu partheiisch in seinem
Urtheil zu werden, ruft ihn aus seiner Entzükkung zurük. – Der Geist ist
gros, der grosse Dinge, die eine besondere Anstrengung
der Kräfte erfordern, überdenken kan; und wenn man die grossen Sachen
nach ihren verschiedenen Klassen, und ihren Unterschied von dem, was nur
schwer ist, kennete; und die Art und Weise verstünde, nach welcher sich
ein Geist damit beschäftiget, (welches lezte gerade das schwerste ist)
so würde man die Natur des grossen Geistes aufgedekt vor sich haben. Wir
nennen aber diejenigen Sachen gros, wo wir verschlungene Anstalten, verflochtene
Mittel, ausgedehnte Zwekke und eine leicht trenbare Verbindung unter beiden
wahrnehmen; und der Geist, der sich mit Gedanken von solchen Dingen beschäftigen,
und sie zu rechter Zeit und am rechten Ort zusammenfügen, und ein Ganzes
daraus machen kan, ist grss gros, es mag nun
in der Spekulation oder in der Ausübung sein.
Aber das Denken grosser Gegenstände macht nicht allein den grossen Geist
aus. Denn was ist grösser als Gott? Und von wem wird wohl am häufigsten
niedrig gedacht? Die Grösse des Geistes mus sich also auch durch die Art
zu Tage legen, wie er diese Gegestände behandelt. Die Natur macht hier
einen Unterschied unter den Genies, der schwer
zu bestimmen ist. Man mus es daher dem V. der diese Schwierigkeit fühlt,
nicht verdenken, wenn er sich nicht deutlich und volständig darüber zu
erklären weis. In magnis voluisse sat est.
Manuskriptseite
129.
Hier sind die Hauptzüge,
die er davon angiebt. Ein grosser Geist, sagt er, breitet
sich mehr aus, der starkestrenget
sich mehr an. Jener sieht mehr Gegenstände auf einmal neben einander,
er sieht ihre Beziehung auf einander klar und lebhaft, und ergreift den
glüklichen Augenblik, der das meiste Licht über dieselben verbreitet:
und so zeigt sich ein Kromwell.
Der V. sucht den Gang, den der grosse Geist in der Spekulation so wohl
als Ausübung bei dieser seiner Arbeit nimt, zu zeichnen; er erräth ihn
aber mehr, als daß er ihn findet. Man mus auch in der That nicht allein
selbst ein grosser Geist sein, sondern auch auf die mannigfaltige Wendung
seiner eigenen Thätigkeit genau merken; die Kraft, des Eindruks jeder
Gelegenheit fühlen; die Triebfedern die dadurch in schnelle Wirkamkeit
gesezt werden, sehen; und die plözlichen, oft unerklärbaren Ausbrüche
des erfindenden Genies, die den ganzen Umfang seiner Thätigkeit in Bewegung
sezzen, und die Geburten hervorbringen, die Bewunderung und Erstaunen
auspressen, man mus sie gleichsam auf der That erwischen, wenn man dem
Wege, den der grosse Geist geht, nachspüren wil. So viel ist gewis, daß
er niemals ohne eine äussere Gelegenheit in solche Arbeit
geräth. Bei solchen Gelegenheiten müssen wir
ihn also beobachten, und auf die Entwikkelungen lauren, wozu sie ihn veranlassen.
Oder noch besser, der grosse Geist mus uns selbst ehrlich erklären, durch
welche Gelegenheit und wie er zum Gefühl seiner
Grösse gelangt ist. Wir kommen auf die Stärke
der Seele. Grosse Geister scheinen tauglicher zum Rathschlagen,
starke Seelen zum Volführen. Wer den Muth hat, ein Unternehmen,
zu denken,
Manuskriptseite
130.
wofür gemeine Seelen
erschrekken, und so wie Hannibal,
Rom in Italien zu bekriegen; wer es mit heiterm
und unerschrokkenem Geiste ausführt, und bei allen Wendungen, die
es bekömt, ruhig bleibt; wer die Stetigkeit des Willens behält, troz aller
Hindernisse und Schwierigkeiten von seinem Unternehmen nicht abzulassen,
bis es ausgeführt ist, welche eigentlich in der Wirkung der Seele auf
sich selbst besteht, sich gegen ihren eignen
Wankelmuth, eigenes Zagen und eigene Empfindung zu Hause zu wafnen; wer
die Gedult hat bis zum Ziel auszudauern; und herzhaft genug ist, äusserlichen
Gefahren, die dabei aufstossen, entgegen zu gehen, und innerlich seine
eigne Meinungen, Vorurtheile und Neigungen zu besiegen; der besizt
Stärke der Seele. Der V. sucht den Pukt auf, darin alle diese Eigenschaften
gemeinschaftlich zusammen laufen, und findet ihn darin, daß eine gewisse
Anzahl Vorstellungen über einen erheblichen Vorwurf, vorzüglich vor allen
andern den Willen beherschen müssen. Er sezt daher die Stärke der Seele
in ihrer Leichtigkeit, diese zum Vortheil wichtiger Ideen nöthige Herschaft
über den Willen zu erhalten. Woher entsteht nun aber diese Leichtigkeit?
Der H. V. hält sie mehr für etwas angebohrnes, als erworbenes; und in
den meisten Fällen ist es auch so. Er glaubt daher, daß bei eingien Seelen
die Vereinigung zwischen Verstand und Willen stärker sei als bei andern;
und daß die eine Seele ihre Vorstellungen eher als die andere
zu einer Entschliessung erheben könne. Diese Anmerkung scheint ihm die
Sache eben so klar zu machen, als sie es durch die Erklärung der so genanten
lebendigen Erkentnis werden kan. Wir wolten ihm darin beistimmen, wenn
er uns nur einen Wink
Manuskriptseite
131.
gegeben hätte, worin
wir die Bestimmungskraft der Entschliessungen nach seiner Meinung eigentlich
suchen solten? Bisher hat man sie in der Kraft und Art der Vorstellungen
zu finden vermeinet. Er nimt diese weg, die
doch viel Wahrheit vor sich hat, und sezt keine andere an deren Stelle.
– Daß das Temperament viel Einflus auf die Stärke
der Seele habe, wird wohl nicht geläugnet werden. Auch die öftere Erfahrung,
Schwierigkeiten, Hindernisse und Gefahren überwunden zu haben, macht es
zur Gewohnheit, ähnliche Thaten mit einer gewissen
Zuversicht zu übernehmen, sie mit Ruhe und Gleichmüthigkeit zu verfolgen,
und bis zu ihrer Vollendung standhaft auszudauern. Doch davon ist hier
eigentlich die Rede nicht. Nun, warum solten wir denn nicht glauben, daß
die Natur in Absicht des Willens eben den Unterschied unter den Seelen
mache, den wir ihr in Absicht des Verstandes
zuschreiben? Sie hat, wie wir nicht ohne Grund dafür halten, einem
mehr, dem andern weniger Fähigkeit gegeben, zum Begreifen. Einer hat weit
mehr Leichtigkeit der Vorstellung als der andere u.s.w. Warum solte sie
nicht auch einem Menschen mehr Leichtigkeit
des Gefühls gegeben haben, als dem andern? Und aus diese Leichtigkeit
entsteht eine hurtigere Beweglichkeit zur Entschliessung, und eine Dauer
und Festigkeit derselben, die dem Grade der herschendbleibenden Lebhaftigkeit
jenes Gefühls proportionirt ist. Wenigstens denken wir sehr unrichtig,
wenn wir den Willen gleichsam als eine tode Masse betrachten, der erst
von der Vorstellungskraft
belebt wird. Er mus immer von der Natur harmonisch
mit dieser gestimt sein. Hat sie dieser ein schnelleres, wirksamers und
leichter
Manuskriptseite
132.
thätiger Leben ertheilt,
so mus auch jener eine feinere Empfindlichkeit, fertigere Triebe und eine
schnellere Bewegung von ihr erhalten haben. Ja der Wille äussert
sein Leben eheeher
als der Verstand. Wenn wir an Kindern das Genie
noch nicht wahrnehmen, können wir schon aus der Thätigkeit ihres Willens
auf jenes zurükschliessen, und sicher; zum gewissen Beweise, daß die Natur
beide zugleich dotirt, und den Willen schon angebauet hat, ehe er noch
vom Verstande hat bearbeitet werden können. Aber wie ungebaut liegt dieser
Theil der Seelenlehre noch!– –" Seit. 44. 45. 46. 47.
48. 49.
Ia-02-1778-0253
4) Was die Heiterkeit
und Unerschrokkenheit des Gemüths ist.
Ia-02-1778-0254
"Die Natur giebt
manchen Menschen eine solche Fassung, daß sie
durch keine entgegengesezte Vorstellung gehindert werden, eine Idee, die
sie einmal ins Auge gefast haben, mit unverrükter Aufmerksamkeit
und in gleicher Klarheit darin zu behalten. Denn in dieser unverrükbaren
Aufmerksamkeit besteht das, was man Heiterkeit und Unerschrokkenheit des
Geistes nennen kan. Darauf past auch das bekante
Exempel von Turenne,
das der Verf. gleich darauf aus den Nachrichten des Kardinals
von Rez anführt, und das vom Sokrates.
Diese Fassung des Gemüths ist ein Geschenk der
Natur. Zwar strebt der Weise durch einen langen
Kampf nach diesem Nicht=entsezzen. Vorschriften,
Regeln, wiederholte Betrachtungen sollen ihm das Gleichmüthige, Unwankende
verschaffen, das alleine glüklich machen,
Manuskriptseite
133.
und auch glüklich
erhalten kan. Unstreitig gelangt er endlich zu dieser Gemüthsfassung,
zwar leider oft erst, wenn sie bald unnüzze wird: jedoch gelingt es ihm
in so weit, daß er nicht mehr umfält, sich aufrecht erhalten kan, und
höchstens nur mit einer Hand noch stemmen darf. Aber die erste Anwandlung
des Schrekkens vermeidet er selten, die erste Bestürzung, die Abwesenheit
des Geistes auf einen Augenblik, die einer Verfinsterung und Verdunkelung
aller Ideen so nahe ist. – Sind denn also die
Bemühungen des Weisen um die Ruhe, um die Gelassenheit, welche er sucht,
ganz überflüssig? Nein. Die Absicht seiner Bemühungen geht weiter. Sie
wollen der Seele nicht nur das Dauerhafte gegen das Reiben neuer von aussenher
kommender Ideen verschaffen, sondern sie auch in Absicht ihrer eigenen
Wünsche und Vorstellungen im Gleichgewichte erhalten. Eben der Turenne,
den von aussenher nichts aus seiner Fassung bringen konte, litte in sich
selbst die stärksten Umwälzungen, da er sich bald zu dieser, bald zu jener
Parthei schlug, und so gar von Weibern geleitet wurde. – Und an der Ruhe
des Gemüths, welche von der Weisheit gewirket
wird, und das Werk der Vernunft, Überlegung und Erfahrung ist, erkent
man auch bald ihren Ursprung; denn sie führt etwas gleichförmiges, etwas
gleichgespantes durch das ganze Leben des Menschen hindurch, das sich
von jeder Seite, und unter allen Umständen darin antreffen lässet."– Seit.
50. 51.
Ia-02-1778-0255
5) Von
Empfindung und Empfindnis.
Ia-02-1778-0256
"Um sich zur Erklärung
des Wohlwollens den Weg
Manuskriptseite
134.
zu bahnen, bemerkt
der V. den Unterschied, den die Franzosen zwischen Sensation
und Sentiment machen. Jenes drukt er zu deutsch
durch Empfindung, dieses durch Empfindnis
aus. Die Empfindung beziehet nach eine Sache
lebhaft auf uns vermittelst der Sinne, das Empfindnis
hingegen vermittelst der Einbildung. Im erstern
Falle beschäftiget uns die Sache wie gegenwärtig;
im andern Falle thut es mehr ihr Bild.
Aus den Empfindungen entspringen die Empfindnisse. Ie lebhafter die Fantasie
ist, desto reicher ist man auch an Empfindnissen; doch werden aus den
durch die Fantasie vorgestelten Bildern nicht ehr Empfindnisse, als bis
man sich ihre Beziehung auf sich selbst hinzudenkt; man denkt sich aber
die Beziehungen, wenn man die vorgestellten Sachen als Beiträge zu seinem
Ich ansehen lernt, und hierzu gelangt man, wenn
man durch den Gebrauch mehrerer Sinne sein Ich
zwar von Vorstellungen andrer Dinge unterscheidet, aber ihre Ähnlichkeit
und Verwandschaft mit uns zugleich wahrnimt.
Die Organisation des Körpers trägt also auch zum Empfindnisse sehr viel
bei, und ist zu ihrer natürlichen Anlage nach der Einbildungskraft das
zweite Stük. Die Grade ihrer Feinheit machen
den Grund des Unterschiedes in den Empfindnissen der Menschen. Einige
von den Dingen, die wir in Beziehung auf unser Ich
denken, sind uns aus einem Reize, dessen Ursach uns verborgen ist, angenehm
(und wir wolten lieber sagen, weil sie sich zu der individuellen Struktur
unsrer Seele so genau passen;) sie sind uns so angenehm, daß
wir die Vorstellung von ihrer Beziehung nicht allein wiederholen, so oft
wir nur können, sondern sie auch zu unserm Ich
rechnen, und sie auf uns nicht blos als Ähnlichkeit,
sondern
Manuskriptseite
135.
als ein Eigenthum
beziehen, und dan wird das Empfindnis zur Leidenschaft. Und daraus zieht
der V. den Schlus: daß nur fruchtbare Fantaseien, wenn sie bei feinen
Organisationen, ohne herschende Leidenschaft bleiben, daß nur sie, an
Empfindnissen für andere einen Überflus haben.
Und nun kömt der V. zur Erklärung des guten Herzens,
welches er in der Leichtigkeit der Empfindnisse sezt, die aus einer blühenden
Fantasei und feinen Organisation entspringt, und durch keine tyrannische
Leidenschaft überwunden wird." – Seit. 53. 54.
Ia-02-1778-0257
6) Vom
angebohrnen guten Herze.
Ia-02-1778-0258
"Das angebohrne
gute Herz ist also da anzutreffen, wo entweder einige Leidenschaften
gar nicht stat finden, oder doch nicht zu einer gewissen Stärke anwachsen.
Dieses gute Herz hat zwei Grade, die sehr weit von einander abstehen.
Es ist weich, das heist, es wird durch den Zustand
andrer leicht gerührt; aber es ist auch bei
vielen Menschen nichts weiter als weich. Unendlich
weit davon ist das gute Herz verschieden, das auch geschäftig wird zum
Helfen, und den Zustand anderer, wodurch es
gerühret worden, zu verbessern. Zu dieser Thätigkeit wird das gute Herz
vornemlich durch das Wohlwollen erhoben, und seine
Geschäftigkeit beständig gemacht und geadelt. Dieses berichtigt
die Beziehungen, hebt die unnöthigen auf, verstärkt die wahren und vortreflichen,
sieht anstat zu fühlen,
geht auf das Entfernte, wie auf das Nahe,
erstrekt sich auf die Zukunft,
wie auf die Gegenwart, wird nicht blos durch
Manuskriptseite
136.
den Schmerz
gerührt, sondern auch durch das Unglük; und, um
alles mit einem male zu sagen, wirkt in uns als eine Nachahmung
der Gotheit, und nicht blos als eine Folge der
Menschheit. Zu dieser Höhe bringt es die Deutlichkeit
der Überlegung, und ohne sie mus sich oft der Verstand des besten
Herzens schämen. Sol das gute Herz in Wohlwollen verwandelt werden, so
mus man sich aus dem kleinen Zirkel, darin man lebt, herausschwingen,
den ganzen Erdkreis übersehen, und deutlich erkennen, wir gehören alle
einem Herrn an; sein alle zum Frieden als Nebenunterthanen erschaffen;
durch tausend Bande vereiniget; durch jedes stärker angezogene Band glüklicher;
durch jede Wohlthat volkommener; gegen alle Dinge ausser uns zur Dankbarkeit
verpflichtet. – Aus der Vereinigung aller dieser Gedanken entsteht der
Vorsaz dieser Erkentnis gemäs zu wollen; eine Richtung des Willens zum
friedlich sein, zum Hülfe leisten, zum Wohlthun; eine Spannung aller Kräfte
mit einer beständigen Rüksicht auf den Vortheil anderer Dinge ausser uns;
eine Freude über den Beitrag, den man ihnen abliefert; ein Eifer, ihn
richtig abzutragen; eine Klugheit, ihn gehörig und verhältnismässig auszutheilen:
kurz, das Wohlwollen. – Die Grösse des Wohlwollens
hängt von der Menge der Menschen ab, welche es umfasset; von den Gütern,
die es ihnen zu verschaffen sucht; von der Neigung womit dies geschieht.
Das Wohlwollen ist algemein in den Grundsäzzen und in desselben
Ausbreitung; aber jederzeit thätig in einzel
Manuskriptseite
137.
nen Fällen, wo die
Gelegenheit ist, nach diesen Grundsäzzen zu handeln. Grosse, ausgebreitete
Gelegenheiten zur algemeinen Wohlthätigkeit hat beinahe nur der Vater
des Vaterlandes durch den Einflus seiner Anordnungen; der Fürst durch
sein Exempel; der Weise durch seinen Unterricht."– Seit.
54. 55. 56. 57.
Ia-02-1778-0259
7) Der sterbende
Held für das Vaterland!
Ia-02-1778-0260
"Wenn diesem kriegerischen
Erdenklose ein lebendiger Odem eingeblasen wird, wenn er Einsichten für
den Verstand, und redlichen Diensteifer für das Herz kriegt, wenn er wie
Anführer denkt, und wie ein rechtschaffener Bürger empfindet, wenn er
Wunden und Tod nicht scheuet um der Brüder willen, und sein Leben nicht
theuer achtet um des Vaterlandes willen, das ihn sendet; wenn ihm seine
Tage wirklich abgefordert werden, und er sie freudig dahin giebt. – Ja,
da liegt er auf dem Bette der Ehren, des bleibenden
Nachruhms, der Verdienste! Tretet näher, Jünglinge:
Ihr habt nicht immer einen solchen Anblik! prägt euch die Bildung des
wakkern Mannes tief ein. Vergesset nicht der
Rührung, die ihr in diesem Augenblik habt: werdet nicht neidisch
– es ist schwer, ein solches Verdienst zu übertreffen; denn seine Mitbürger
bis zum Tode lieben, und für sie bluten, dies ist das gröste Wohlwollen!
– " Seit. 60. 61.
Ia-02-1778-0261
8) Gott
ist alwissend!
Ia-02-1778-0262
"Gott
ist alwissend; eine Wahrheit, welche leicht ausgesprochen und erwiesen
ist, deren Begrif aber alle Kräfte
Manuskriptseite
138.
aller endlichen
Geister unaussprechlich weit übersteigt! Eine Erkentnis ohne
alle Gränzen; unendlich in ihrem Umfange; unendlich in ihrer Deutlichkeit;
unendlich in ihrer Richtigkeit; unendlich in ihrer Gewisheit! Welch eine
unergründliche Tiefe! Wie gewis ist der Ausspruch der götlichen Offenbarung,
daß Gott in einem Lichte wohne, zu dem Niemand kommen kan! Eher kan ich
alle Tropfen des Weltmeers, e*
eher alle Sterne am Himmel, eher jedes Sandkorn
an den Ufern aller Seen, eher alle Stäublein
des Erdbodens, eher alle Gedanken aller Menschen in allen Jahrhunderten,
eher alle Augenblikke der Zeit zählen und übersehen, ehe ich nur einen
schwachen Begrif von der Unendlichkeit der götlichen Erkentnis erhalten;
ehe ich mich der grossen Vorstellung, daß Gott ein alwissender sei, nur
von ferne nähern kan. Jemehr ich diesen erhabenen Gedanken zu erweitern
suche, desto unermeslicher wird er; desto tiefer der Abgrund, an dem ich
stehe; desto stärker meine Empfindung, daß es kaum eines
Wörtlein sei, was ich von der unaussprechlichen Erkentnis meines Schöpfers
vernommen habe."– Seit. 193.
194.
Ia-02-1778-0263
9) Vom Enthusiasmus.
Ia-02-1778-0264
"Die Begeisterung
(oder: der Enthusiasmus) ist die algemeine Anstrengung aller Seelenkräfte,
sich mit dem Gegenstande, zu beschäftigen, und
alles auf dessen Idee zu beziehen, der einen Affekt, oder eine lebhafte
Empfindung in uns erregt hat. Daher drängen sich die Gedanken, denn die
ganze
Manuskriptseite
139.
Seele ist in Arbeit,
und auf einen Pu*kt
Punkt gericht; daher ist der Mensch in der Begeisterung für alles, was
nicht auf diesen Punkt zielt, abwesend; daher das Feuer, das in seinen
Adern glüht, denn der Körper kömt harmonisch in eine gleich algemeine
Bewegung; daher scheint sich der Mensch über sich selbst zu erheben, über
seine Sphäre zu gehen, einen Hauch der Gotheit zu fühlen, weil die algemeine
harmonische Arbeit seiner Seelenkräfte nothwendig ausserordentlichere
Wirkungen hervorbringen mus, als wenn er wenig Antrieb zur Thätigkeit
hat, oder jede von seinen Kräften gleichsam ihr eigenes Geschäfte treibt.
– Nach dem Grade der Lebhaftigkeit des Affekts, nach Verschiedenheit des
Temperaments, des Karakters,
der herschenden Fähigkeit, der erlangten Übung durch oft wiederholte ähnliche
Handlungen, wird auch der Enthusiasmus verschieden sein; und theils stark,
theils schwach; theils anhaltend, theils vorübergehend; theils rednerisch,
poëtisch, martialisch u.s.w. sein; jeder wahre Enthusiasmus mus immer
etwas ihm eigenes unterscheidendes, folglich neues, haben, das in dem
Gepräge besteht, welches ihm die individuelle Beschaffenheit der begeisterten
Person eindrukt. Dies scheinen uns die innern Grundzüge des Enthusiasmus
zu sein. Äusserlich mus er sich durch Worte,
Handlungen u.s.w. zu erkennen geben; und diese
sind der innern Geschäftigkeit der Seele so angemessen, daß
sie nicht allein den Enthusiasmus mahlen, sondern auch andere in einen
ähnlichen Enthusiasmus versezzen. Wo diese Wirkung nicht erfolgt, da ist
der Enthusiasmus entweder falsch und blos gemacht; oder die Zuhörer und
Zu
Manuskriptseite
140.
schauer alles Gefühls
beraubt. Dies ist also der Probierstein, daran man die wahre Begeisterung
erkent. Wer andre begeistert, ist es gewis auch gewesen; wer niemand begeistert,
hat auch selbst keinen Enthusiasmus empfunden."– Seit.
232. 233.
Ia-02-1778-0265
XIII.
Ia-02-1778-0266
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des zweiten Bandes zweites Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1766.
Ia-02-1778-0267
1) Von
Sinnen.
Ia-02-1778-0268
"Unter unsern Sinnen
ist der merkwürdige Unterschied, daß wir beim sehen und hören uns der
Berührung der sinlichen Werkzeuge nicht bewust sind, sondern die Empfindung
nur innerlich haben, dahingegen mit den übrigen sinlichen Werkzeugen
Empfindungen allezeit das Bewustsein dieser Berührung verbunden ist, und
der Gegenstand zugleich ausser uns, ja mehr ausser uns als in uns empfunden
zu werden scheint. Die Ergözzungen der Augen und Ohren haben also eine
höhere Würde, als die Ergözzungen der übrigen Sinne, und eine nähere Verwandschaft
mit den Ergözzungen des Verstandes; sie machen zwischen beiden einen Mittelrang
aus, denn sie sind sanfter als jene, und nicht so anstrengend als diese:
daher sind sie auch sowohl geschikt, jener Heftigkeit
zu mässigen und die dadurch gesunkene Lebensgeister zu heben, als auch
sie langsam abzuspannen und zu erquikken, wenn sie durch die leztern zu
sehr angestrengt und überspant sind. – Selbst die Natur beobachtet diesen
Fortgang der Ergözzungen im Menschen. Er fängt bei dem sinlichen an, geht
zu den Ergözzungen
Manuskriptseite
141.
der Augen und Ohren
fort, und wird dadurch zubereitet, an innerlichen Gegenständen und Beschäftigungen
des Verstandes Vegnügen zu finden. – Den Geschmak für Gegenstände der
Natur bringen wir schon in seiner Volkommenheit mit auf die Welt, aber
nicht für die Gegenstände der Kunst, welche vornämlich
beide feinern Sinne vergnügen sol. (Und warum nicht? Solte nicht das die
Ursach sein, daß der Schöpfer unsere Seele für Gegenstände
der Natur schon sympathetisch gestimt hat; da wir hingegen die Gegenstände
der Kunst erst mit jenen vergleichen, ihre Übereinstimmung wahrnehmen,
und also erst durch Hülfe von Schlüssen uns zum Gefühl der Ergözzung darüber
habituiren müssen? Wenigstens je mehr sich die Kunst der Natur nähert,
und den Übergang der Vergleichung erleichtert, desto algemeiner ergözt
sie auch alle Menschen.) Der Geschmak an den Künsten hat also Wartung
nöthig, und mus durch Nachdenken und Kunst schöner
gezogen, die Grundsäzze der schönen Künste in dem empfindenden Theil der
menschlichen Natur studirt, und aus ihr entwikkelt werden, welche Gegenstände
angenehm oder unangenehm, niedrig oder erhaben, schiklich oder unschiklich
u.s.w. sind. Nach diesen Grundsäzzen kan man über den Geschmak philosophiren.
Wer nicht nach denselben urtheilt, sondern blos nach Empfindung, der urtheilt
unsicher; die schönen Künste haben keinen Reiz für ihn. –" Seit.
4. 5.
Ia-02-1778-0269
2) Eine Bemerkung.
Ia-02-1778-0270
"Das Genie geselt
sich zu einem hizzigen Temperamente, daher es oft bei Leuten ist, die
ein Raub aller Leidenschaften sind; ein feiner Geschmak hingegen ist mit
einer ruhigen Seele verbunden."– Seit. 6.
Manuskriptseite
142.
Ia-02-1778-0271
3) Untersuchung
wie die Ideen und Empfindungen in der Seele auf einander folgen.
Ia-02-1778-0272
"Die Reihe der Vorstellungen
wird einmal durch die
Verhältnisse bestimt, wodurch die Gegenstände in der Natur mit einander
verbunden sind. Alles ist nach diesem Grundgesez Kette in der Seele, und
wir haben keine Gewalt über irgend eine Vorstellung, die nicht mit dieser
Kette zusammen hienge. Nur selten beut sich eine Vorstellung dar, ( und
das sind Einfälle, ) die, so weit man es entdekken kan, mit dem vorhergehenden
keine Verbindung hat. (Wir wolten lieber sagen: Hier gilt gar keine Ausnahme,
nur die Verbindung ist zu fein, als daß wir sie bemerken solten.) Die
Reihe der Ideen geht nach der natürlichen Ordnung der stärksten Verbindung
unter den Gegenständen fort; unser Wille kan dieselbe wohl verändern,
aber nicht ganz auflösen, noch die Gedanken ohne Verbindung
fortsezzen; sondern nur ihre Ordnung anders
bestimmen. – Die Reihe der Vorstellungen hängt aber auch zweitens
von der verschiedenen Bildung der Seele ab. Gewisse Seelen denen es an
Unterscheidungskraft fehlt, häufen sich Gedanken und Umstände durch die
leichteste Verbindungen auf einander, und bekommen einen grossen Umfang
von Ideen. Andere, die richtig urtheilen, haben keinen grossen Zuflus
von Ideen, weil Verbind schwächere Verbindungen
keinen Eindruk auf sie machen. Daher kömt es, daß ein
richtiger Verstand der Deklamation, oder einer wortreichen Beredsamkeit,
selten günstig ist. Andere, welche viel Wiz haben, und also Dinge
durch entfernte und phantastische Verhältnisse verbinden, machen uner
Manuskriptseite
143.
wartete Verbindungen;
jedes Verhältnis ist ihnen wilkommen. Wiz und Gedächtnis sind deshalb
oft, aber eins von beiden selten mit gründlichem Verstande vereinigt.
– Die Reihe der Vorstellungen hängt endlich auch
von der Empfindung der Ordnung ab, die wir haben. Bei Dingen von ungleichem
Range führt uns der Hang unsrer Seele, das wesentliche vor dem zufälligen,
das höhere vor dem geringern, das Ganze vor den Theilen zu betrachten.
Bei natürlichen Handlungen geht dieses Gefühl in gleichem Schritte mit
der Ordnung der Natur: die Seele fält mit einem schweren
Körper, fliest mit einem Flusse, steigt mit dem Feuer u.s.w. Bei historischen
Begebenheiten folgt sie der Ordnung der Zeit, von den Ursachen auf die
Wirkungen. In den Wissenschaften lieber umgekehrt, d. i. analytisch, und
warum? Der Geschmak der Seele an solcher Ordnung ist das Vergnügen, das
sie aus der Stellung der Gegenstände und Ideen in ihrem natürlichsten
Verhältnisse empfindet."– Seit. 6. 7. 8.
Ia-02-1778-0273
4) Die Ursachen
der Leidenschaften und Bewegungen.
Ia-02-1778-0274
"Die Gegenwart gewisser
äusserlichen Dinge und ihre Eigenschaften, die innerlichen Eigenschaften,
und die Handlungen empfindender Wesen, auch die Absichten ihrer (wilkührlichen)
Handlungen, die wir durch Nachdenken herausbringen, doch nie in abstrakto
für sich, sondern anschauend erkant, machen
angenehme oder unangenehme Eindrükke auf uns. Eben diese Eindrücke erfolgen
auch, nur schwächer, wenn wir diese Ursachen durch die Einbildungskraft,
oder durchs Gedächtnis wieder in die Seele zurük rufen. Diese Eindrükke
sind (Gemüths=) Bewegungen. – Sind sie mit Verlangen
Manuskriptseite
144.
verbunden, so sind
es Leidenschaften. Jene sind ruhig, diese treiben zu Handlungen, sie haben
also einen Gegenstand, welches eben der ist, der sie zuerst erregt hat.
Ist die Handlung selbst der Zwek, so ist kein Nachdenken dabei, sondern
es sind Triebe oder instinktmäsige Leidenschaften, oder sie ist ein Mittel
zum Zwek, und denn sind es überlegende Leidenschaften,
die ihren Bewegungsgrund haben, welcher in der Versicherung besteht, daß
die Handlung zur Erreichung des Zweks führt. Die leztern sind also mit
dem denkenden Theile verbunden, jene hängen vom empfindenden ab. –" Seit.
9. 10.
Ia-02-1778-0275
5) Von der sympathetischen
Bewegung der Tugend.
Ia-02-1778-0276
"Tugendhafte Handlungen,
die wir sehen, oder aus der Geschichte kennen lernen, billigen wir nicht
allein, schäzzen und lieben nicht allein die handl
handelnde Person, sondern fühlen auch etwas ähnliches
davon; unsere Seele wird auf eben den Ton gestimt, und wir werden, ohne
einen Gegenstand zu haben, begierig, unser Verlangen, eben solche That
zu thun, zu befriedigen, so wie wir den Instinkt des Hungers zu
befriedigen begierig sind. – Diese sympathetische
Bewegung fühlen wir nicht bei lasterhaften, nur bei tugendhaften Thaten;
bei jenen fühlen wir Abscheu. Sie sind Reizungen zur Tugend, die Gott
in unsre Seele gelegt hat. Sie enthalten den Grund von der Kraft guter
Beispiele. Sie sind gewissermassen Vorübungen derzur Tugend; wenigstens eine innerliche Übung; die öftere Wiederholung
derselben kan eine Fertigkeit wirken; und jeder kan sich vermittelst derselben,
durch den Umgang mit würdigen Personen, Lesung
der Geschichte edler Thaten u.s.w. eine Übung zur Fertigkeit und zur Befestigung
in der Tugend erwekken.
Manuskriptseite
145.
Wie vortreflich
kan auch diese Anlage Gottes in der Erziehung genuzt werden!–" Seit.
10. 11.
Ia-02-1778-0277
6) Beantwortung
der Frage. "wie können Erdichtungen Leidenschaften verursachen?"
Ia-02-1778-0278
"Wenn wir uns vergangene
Dinge mit allen ihren Umständen lebhaft wieder vorstellen, so vergessen
wir, daß sie vergangen sind, wir bringen sie uns in einer
idealen Gegenwart gleichsam vor Augen, und werden eben so (nur
nicht ganz so stark) dadurch gerührt, als das erstemal, da uns die Sache
wirklich gegenwärtig war. Dies ist gleichsam ein wachender Traum. Reden,
Beschreibungen, Gemälde geben uns auch diese ideale Gegenwart; sie machen
uns zu Zuschauern, und versezzen uns in die Umstände
und Zeit selbst hinein. (Was ist das anders? als, sie bringen eine anschauende
Erkentnis hervor.) Die Gewalt der Rede hängt gänzlich von dieser Kunst
ab; nie wird die Leidenschaft des Lesers erregt, wenn er nicht in diese
Art der Träumerei vesezt wird; als denn verliert sich das Bewustsein des
gegenwärtigen; er ist Augenzeuge von der beschriebenen Sache. Es mag Geschichte
oder Fabel sein, das was diese ideale Gegenwart hervorbringt,
ist gleichviel. Durch die ideale Gegenwart wird die Sympathie
erregt, und das Nachdenken und die Untersuchung, ob die Personen der Geschichte
wirklich noch leben, oder gar vorhanden gewesen, kömt erst hinter her.
So bald der Geschichtschreiber mir Zeit zum Nachdenken läst, daß
die Personen nicht mehr leben, oder der Dichter
mich durch Unwahrscheinlichkeit
Manuskriptseite
146.
die Erdichtung blikken
läst, verschwindet die ideale Gegenwart, nebst den sympathetischen Eindrükken,
die sie gemacht hatte. Nichts thut also der Erdichtung so viel Schaden,
als die Unwahrscheinlichkeit, denn sie vernichtet gleich die ideale Gegenwart.
Hieraus erhellet, wie nothwendig die Wahrscheinlichkeit theatralischer
Vorstellungen sei, welche das kräftigste Mittel ist, ideale Gegenwart
zu bewirken. – Kan uns der Geschichtschreiber in dieselbe versezzen, so
nimt er auch unsern Verstand ein, und stärkt unsern Glauben. ––" Seit.
13. 14.
Ia-02-1778-0279
7)
Einige Beobachtungen über den Wachsthum und Abnahme der Leidenschaften.
Ia-02-1778-0280
"Bewegungen von
fühllosen Gegenständen erregt, kommen fast in
einem Augenblik zur Volkommenheit, und dauern lange wider die gemeine
Regel: quod cito sit, cito perit. – Liebe und
Has und einige andere steigen stuffenweise bis zu einem gewissen Grade,
von dem sie wieder nach und nach herabsinken. – Einige werden durch einen
Aktus der Befriedigung erschöpft, andere verlangen öftere Befriedigung.
– Leidenschaften entstehn meistens in ihrer ganzen Volkommenheit, wenn
die Natur velangt, daß sie schnel entstehen;
als z. B. Furcht und Zorn, Verwunderung und Erstaunen; aber wiederholte
Eindrükke erschöpfen sie. – Leidenschaften, die einen ursprünglichen Hang
zum Grunde haben, kommen bald zur Volkommenheit, und werden
schwerlich ausgerottet. – Was schnel zunimt, nimt schnel wieder ab, die
Furcht abe ausgenom
Manuskriptseite
147.
men, welche wider
die Regel cessante causa etc. oft n*h
noch dauert, wenn ihre Ursach schon gehoben ist. Sonst hören die Leidenschaften
auf, wenn sie ihren Zwek erreicht haben. Einige haben einen besondern
Zwek, der durch eine einzelne Handlung erreicht wird, als Dankbarkeit
und Rache; andere einen algemeinen, der unzählbare Handlungen erfordert,
und selten völlig erreicht wird. Die Neigung gegen Kinder ist vielleicht
von der längsten Dauer. – Der gröste Theil unsrer Leidenschaften ist Neigung,
d.i. Liebe oder Has, die durch Umstände zu Leidenschaften entflamt werden.
Die Liebe zum Sohn wird Furcht, wenn er in Gefahr ist; Hofnung, wenn er
was rühmliches thut; Scham wenn er unrecht handelt, u.s.w. –" Seit.
15. 16.
Ia-02-1778-0281
8) Von der Koexistenz
der Bewegungen und Leidenschaften.
Ia-02-1778-0282
"Gleichartige Bewegungen,
d. i. solche, die auf einerlei Ton der Seele gestimt sind, vereinigen
sich leicht, und machen gleichsam nur eine Bewegung aus, so wie gleichstimmige
Töne einen harmonischen Ton ausmachen; ihre Ursachen mögen übrigens ähnlich
oder verschieden sein. Ungleichartige können nicht zugleich existiren,
sondern müssen auf einander folgen, es kan aber schnel sein. Die Verbindung
der Ursachen kan aber auch zwischen ungleichartigen eine Art der Verbindung
Vereinigung erzwingen, z. E. das Unglük der Geliebten macht süsses Leiden
(holde Wehmuth). Diese Art der Vereinigung macht eine Art von Misklang
in der Seele, es ist ein dunkeles, unvolständiges Gefühl von verschiedenen
Tönen, die zugleich in der
Manuskriptseite
148.
Seele erregt werden.
z. E. Grösse und Schrekken; Mitleid und Verdrus.
Dies sind die geschiktesten Subjekte zu Trauerspielen. -
Eben dieses gilt auch von den Leidenschaften. – Leidenschaften z.E. von
entgegengeseztem Hange können aus einerlei Gegenstande entstehn, z.E.
Liebe und Unwillen; aber sie sind nicht neben einander, sondern folgen
wechselsweise auf einander, und meistentheils behält eine im Streit die
Oberhand; und dies ist eine Quelle der schönsten
Situationen für die Dichter. –" Seit. 16. 17.
Ia-02-1778-0283
9) Von
der Simplizität.
Ia-02-1778-0284
"Die Simplizität
ist deswegen schön, weil siesie die
Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand zusammenfast, und einen volständigen
Eindruk macht, der gleichsam mit einem Schlage trift. Aber alles, was
nicht simpel ist, zerstreut die Aufmerksamkeit, und macht einzelne kleine
Eindrükke, die auf einander folgen. Ist das simple zugleich gros, so verstattet
der Eindruk der Hoheit, der Seele keine Beschäftigung mit niedrigern Schönheiten.
Darum müssen grosse Schönheiten simpel sein, und leiden keine Zierathen.
–" Seit. 19.
Ia-02-1778-0285
10) Vom Grossen
und Erhabenen.
Ia-02-1778-0286
"Grosse Gegenstände
erweitern nicht allein die Seele, sondern treiben auch die Brust auf,
der Zuschauer sucht seine Gestalt zu erweitern; und bei dem Anblik des
Hohen sich zu r**hren
erhöhen. – Grösse und Höhe macht für sich Eindruk auf die Seele, und allezeit
ergözzende
Manuskriptseite
149.
Bewegungen. Deswegen
aber macht das kleine und niedrige (an sich selbst) nicht verdriesliche
Bewegungen, sondern es ist gleichgültig. (Wir verstehen das so, so lange
das kleine nicht mit dem grössern verglichen wird, kömt die Kleinheit
und Niedrigkeit des Gegenstandes gar nicht in Anschlag; wenn es aber mit
homogenen Dingen verglichen wird, verliert es allezeit dabei, und bekömt
einen Zug von Unannehmlichkeit.) – Gros und erhalben, niedrig und klein
in figürlichen Verstande wird alles das genant, was die Seele auf eine
ähnliche Weise erhebt oder niederdrukt, als das sichtbare und eigentliche
grosse oder kleine; welches der V. in vielen Beispielen erläutert. – Wichtig
ist die Anmerkung, daß auch selbst das wahre erhabene seinen gehörigen
Eindruk nicht macht, wenn es über unsern Gesichtskreis hinausgeht. Die
Seele mus es mit einem Blik überschauen können, sonst sieht sie es nicht
ganz, sondern stükweise; oder wenn sie es ganz sehn wil, wird es ihr dunkel,
weil sie sich nicht so erweitern kan, es deutlich zu fassen. (Hieraus
erhellet, wie nothwendig das erhabene auch simpel
sein müsse.) – Die Seele kan in einem hohen Grade belebt werden, und fühlt
doch nichts von einer erhabnen Bewegung. Das erhabene erhebt, bezaubert,
ist immer angenehm und macht gegen geringere Mängel des Gegenstandes unaufmerksam
(oder partheiisch.) – Die Regel, das erhabne in den Werken der Kunst zu
erreichen, ist diese; "man mus nur die Theile und Umstände eines Gegenstandes
fühlen wählen, welche die gröste Figur machen,
und alles was niedrig und gemein ist, aus den Augen entfernen." Dies kan
man die grosse Manier nennen,
Manuskriptseite
150.
und dadurch kan
der Künstler die Natur übertreffen. – Bilder die im Fortgange immer stärkern
Eindruk machen, geben im Ganzen eine grössere
Empfindung, als einzelne Ausdrükke (oder auch einzelne Gegenstände.) –
Das grosse und erhabene mit einem demüthigenden Umstande verknüpft, ist
das wirksamste Mittel, die Seele niederzuschlagen. –" Seit.
20. 21. 22.
Ia-02-1778-0287
11) Vom Wiz.
Ia-02-1778-0288
"Der Wiz verbindet
Dinge mit einander durch entfernte, und in der Einbildungskraft erzeugte
Verhältnisse, die uns in Erstaunen sezzen, weil sie unerwartet sind, er
kan sich nur in Gedanken oder in Worten zeigen. Der Wiz in Gedanken zeigt
sich in scherzhaften Bildern, in scherzhaften Verbindungen und Entgegensezzungen
z. E. phantastischer Ursachen mit natürlichen Wirkungen, phantastischer
Folgerungen natürlicher Ursachen, in Verbindung kleiner Dinge mit grossen,
ferner in Verbindung entgegengesezt scheinender
Dinge, in dem Betruge der Erwartung des Lesers u. s. w. seine N
mannigfaltigen Gattungen lassen sich leicht aus der Beobachtung der verschiedenen
Anwendung des Wizzes vermehren. – Der Wiz im
Wizin Worten machtin Wortspiele,
die meistentheils aus der Wahl solcher Worte, die verschiedene Bedeutungen
haben, entstehen. Je mehr eine Sprache zur Reife gelangt ist, und die
Bedeutung ihrer Worte genauer bestimt wird,
verlieren sich auch die Wortspiele." Seit. 28. 29.
Manuskriptseite
151.
Ia-02-1778-0289
XIV.
Ia-02-1778-0290
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des dritten Bandes erstes Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1766.
Ia-02-1778-0291
1) Von den einfachen
Begriffen.
Ia-02-1778-0292
"Einfache Begriffe
sind, die, die nicht aus mehrern innern Merkmalen zusammengesezt, daher
auch keiner Zergliederung fähig sind; sondern
an und für sich nicht anders als klar gedacht werden können. Von dieser
Art sind z.E. Schal, Farbe, Gefühl, Geschmak, Zeit, Raum, Kraft, Dasein,
Ausdehnung u.s.w. die ihrer Natur nach, für an sich selbst gedenkbar,
aber unerklärbar sind. Sie können gleichwohl an Grösse und Graden verschieden
sein, auch sonst verschiedene Verhältnisse haben; nur sind sie an und
für sich so homogen, daß keine innerliche gemeinsame Merkmale in denselben
anzutreffen sind, sondern ein jeder ist sein eigenes inneres
Merkmal, und unter sich haben sie nichts gemein, als *...*
etwa äusserliche Verhältnisse. Indessen gestehet Hr. L.
(Lambert) daß die Bewegungen und Verändrungen,
welche in den Gliedmassen vorgehen, so oft in den Sinnen ein einfacher
Begrif erregt wird, allerdings zusammengesezt sind; allein die sinlichen
Empfindungen, in so weit es Begriffe in der Seele sind, können gleichwohl
einfach sein, und gar nichts
Manuskriptseite
152.
zusammengeseztes
haben. Er glaubet also nicht, daß die Vorstellung in der Seele ein treues
Bild alles dessen sei, was in den Gliedmassen unsrer Sine vorgeht; denn
seiner Meinung nach, können in den Werkzeugen der Sinne vielfältige Veränderungen
und Bewegungen vorgehen, denen zusammengenommen ein einfacher, unauflöslicher
Begrif in der Seele entspricht, In diesem einfachen Begriffe kan also
nichts anzutreffen sein, das jenen einfachen Bewegungen und Veränderungen
in den Gliedmassen, durch deren Zusammensezzung er veranlasset worden,
entsprechen könte. –" Seit. 16. 17.
Ia-02-1778-0293
2) Vom Genie.
Ia-02-1778-0294
"Das Genie zeigt
sich nicht blos von Seiten der Einbildungskraft, es beruht zugleich auf
dem ganzen Umfange des Verstandes. Ganze Reihen Begriffe zu übersehen;
sie zu ordnen; das Ganze bis an das untheilbare aufzuschliessen; dieses
mit andern wiederum in einem Ganzen zu denken, weite Felder angehäufter
Bilder zu durchlaufen, an allen etwas, und alle nach Gefallen in Bewegung
zu sezzen, dieses alles sind Wirkungen des Genies, aber auch zugleich
des Verstandes und nicht der blossen Einbildungskraft, denn diese überschreitet
in ihrem ganzen Feuer gedacht, die Grenzen des
Verstandes; also begegnet die Einbildungskraft dem Verstande auf der höchsten
Stuffe; beide vereinigen sich; und werden Genie.
Der Wiz steht mit dem Genie in
Manuskriptseite
153.
nähern Verhältnis
als der blosse Verstand. Dieser begreift die ihm gezeigte Wahrheit; jener
bemerkt und entdekt an dieser Wahrheit ganz besondere Umstände, das Genie
erfindet die Wahrheit. Es giebt verschiedene Stuffen
auf welchen das Genie volkommener gedacht werden kan, und jede Stuffe
fasset verschiedene Arten des Genies. Herr Zimmermann
bestimt diese Arten dreifach. Das Genie der Dichter und Mahler verräth
mehr Einbildungskraft als Verstand. Das Genie der Naturlehrer und Mathematiker
mehr Verstand als Einbildungskraft; ein Staatsman, ein General, ein Arzt
wird durch dasjenige Genie gros, an welchem
Verstand und Einbildungskraft gleich starken Antheil nimt. Verschiedene
Arten des Genies sind oft glüklich mit einander verbunden. Ein grosser
Arzt kan niemals ohne Genie gedacht werden; es fehlt ihm oft an Regeln;
und diese sind nach Trüblets Meinung grossen
Genies hinderlich. Das Genie ist die Seele der Erfahrung, es sieht stark
und viel auf einmal. Das Genie der Arzneikunst ist in seine ersten Begriffe
aufgelöst, die Kunst, eine grosse
Menge zerstreuter Begebenheiten plözlich zu übersehen und zu verbinden,
von diesen Vebindungen auf lichtvolle Schlüsse, und von dem bekanten auf
das unbekante zu kommen. Oft mus der Arzt bei verborgenen Krankheiten
alle Umstände genau verbinden und ihr Wesen entweder wahrscheinlich denken
oder gar erfinden. – Genau bestimt ist das Genie eines grossen Arztes,
das Vermögen die Ähnlichkeit der Fälle zu finden;
dieses Vermögen wird zu einer Fertigkeit und diese zulezt zu einer Art
von Induktion."– Seit. 25.
26.
Ia-02-1778-0295
3) Beantwortung
der Frage: "Haben die Apostel vor
Manuskriptseite
154.
der Auferstehung
Jesu den lebendigen Glauben an sein Verdienst
gehabt?" – und einige daraus geleitete Folgerungen.
Ia-02-1778-0296
"Nach der evangelischen
Geschichte ist diese Frage nicht anders zu beantworten;
als daß die Apostel nichts vom Tode Jesu, noch
weniger von seinem verdienstlichen Tode, gewust; ihn folglich auch nicht
geglaubt, noch die Art ihrer Erlösung verstanden haben: sondern ihr Glaube
bestand darin, daß sie ihn als den grossen Gesandten Gottes, als den verheissenen
Messias, mit fester Überzeugung und mit redlichem Herzen annahmen, und
alles Gute, das sie von Gott hoffeten, durch ihn
von Gott erwarteten. Und konten sie bei diesem Glauben, der auf die Vorstellungen
von der Versöhnung, vom Opfer Christi, von der
Erlösung durch sein Blut, keine Beziehung hatte, seelig werden, wenn sie
darin verstorben wären? Dies kan man nicht läugnen; daß
es ist gewis, daß sie seelig geworden wären.
Ia-02-1778-0297
Nun wollen wir einen
Schrit weiter gehen. Die Apostel predigen, als sie das Evangelium von
Christo zu verkündigen anfangen, daß Gott denJesum, der in Judäa gekreuziget worden, zum
Herrn und Christ gemacht habe, daß er durch
ihn jederman Vergebung der Sünden anbiete, daß alle, die an ihn glauben,
seelig werden sollen. Auf genauere Bestimmungen, wie diese Vergebung bewirkt
worden, lassen sie sich nicht ein. Nachdem die Gemeinen auf diesen Glauben
gegründet waren, unterrichteten sie sie näher von der Art und Weise, wie
diese Vergebung durch ihn vermittelt worden ist. Sie sagen, es sei
Manuskriptseite
155.
durch seinen Tod
und durch sein Blut geschehen; sie nennen dies eine Erlösung, eine Reinigung
von Sünden, eine Versöhnung mit Gott, eine Rechtfertigung,
die uns Gott durch ihn darbiete; sie sezzen aber immer das Resultat dieser
seiner vermittelnden Handlung hinzu: nämlich
die Vergebung der Sünden. Der wesentliche Punkt des Glaubens scheint also
nach allen ihren Schriften und nach ihrem eigenen
Lehrvortrage darauf anzukommen; daß der Mensch die Zusage
Gottes von der Vergebung seiner Sünden annehmen, und Jesumals
den Stifter derselben ehren solle, der sie durch seine
Lehre und Liebe vermittelt und bekräftigt
bewirkt und durch seinen Tod bekräftigt habe. Daß man die Art und
Weise, wie Jesus sie vermittelt habe, und was
er eigentlich seinem himlischen Vater zu leisten, und mit ihm darüber,
wenn wir so sagen dürfen, abthun abzuthun gehabt
habe; ob es eine Ersezzung, eine eigentliche und rechtliche Genugthuung,
eine Stillung des Zorns im eigentlichen Verstande, eine Versöhnung und
Aufhebung seiner Feindschaft gegen uns gewesen sei, u.s.w. daß man, sagen
wir, diese Art und Weise in diesem und oder jenem
bestimten Verstande nehmen und glauben müsse, wenn man
seelig werden wolle: das scheinen sie nirgends von den Christen
überhaupt zu fordern. Es ist wahr, sie erwähnen auch dieser Art und Weise,
aber nicht so wohl als wolten sie das Verhalten
Gottes und Christi gegeneinander bei diesem
Erlösungswerk ausdrüklich
Manuskriptseite
156.
vorstellig, und
diese Vorstellungsart zur algemeinen Glaubensregel machen; sondern bei
Gelegenheit der Streitgkeiten, welche durch die Religionsmengerei der
Jüdischgesinten verursacht wurden, brachten sie in Rüksicht auf diese
Streitigkeiten, und in Beziehung auf die Haushaltung des A. B., so viel
zur Erläuterung dieser Sache bei, als denen, welche beide Haushaltungen
satsam verstanden, nöthig war, den Ungrund der erregten Streitigkeiten
und Irthümer der Gegner einzusehen. Dieses war ein Unterricht für erwachsene
Christen, welche beide Religionen hinlänglich
mit einander vergleichen konten; wie es aus dem Inhalt der Briefe Paulli
an die Römer und Hebräer deutlich erhellet.
Ia-02-1778-0298
Wozu sol, wird man
fragen, diese Betrachtung? Dazu, um diese Frage zur Prüfung vorlegen zu
können: Ob Gott allen Christen ohne Unterschied, den schwachen sowohl
als den starken, den einfältigen und tiefsinnigen, den fähigen und unfähigen,
eine gewisse Vorstellungsart von dem modo ihrer
Erlösung vorgeschrieben habe, die sie nothwendig haben müssen, wenn er
sie seelig machen sol: oder ob er vielmehr dieselbe in einem jeden nach
dem Maas seiner Fähigkeiten und der gewissenhaften Anwendung derselben
richte und zurechne? Ob es also zum wesentlichen Glauben, der da seelig
macht, für den Christen, als Christen
betrachtet, nicht genug sei zu wissen und
Manuskriptseite
157.
es dem Worte Gottes
zu glauben, daß Gott ihm die Vergebung seiner Sünden und die Seeligkeit
durch Christum aus Gnaden schenken wolle, und
hierzu fordern, daß man Christo und seiner Liebe
bis zum Tode für diese Wohlthat verpflichtet sein solle?
Ia-02-1778-0299
Mit dieser Frage
sind einige andere verbunden, die zugleich beantwortet werden müssen.
Waren die Apostel Jesu, so lange sie nicht wusten
und verstanden, ja es sogar leugneten, daß der Tod Jesu
die Ursach ihrer Seeligkeit sei, unter dem Urtheil der Verdamnis? Sind
diejenigen bekehrten Heiden unter den ersten Christen, welche wahrscheinlicher
Weise zwischen dem *...*
alten und neuen Bunde keine volständige Vergleichung anstellen konten,
und also die Art und Weise ihrer Erlösung nicht bestimt verstanden haben;
sondern simpel und dankbar glaubten, daß Gott ihnen durch Jesum,
den sie für ihren Herrn und Christ, für den
Stifter ihres Friedens und ihrer Seeligkeit annahmen, Vergebung und Seeligkeit
schenke: sind sie, sagen wir, nicht im seeligmachenden Glauben
gewesen? Sind die ersten Väter der Kirche, welche über die Ursachen des
Todes Jesu ganz anders philosophirten, als wir,
und von einer Genugthuung, in dem Sinne, wie
wir sie erklären, grossentheils nichts wusten; sind sie um deswillen verlohren
gegangen? Ist es für den Christen zu seiner
Beruhi
Manuskriptseite
158.
gung in der Bekehrung
nothwendig, daß er wisse, ob seine Sünden durch eine Genugthuung, Ersezzung,
Bezahlung, Aufhebung des Schadens, Befriedigung der götlichen Gerechtigkeit
u.s.w. abgethan sind; oder ist das Gottes Sache, und für den Menschen
hinreichend, überzeugt zu sein, daß sie abgethan sind? Ist es blos erlaubt,
über das Verhältnis Gottes und Christi bei diesem
Gnadenwerk sobrie zu philosophiren, oder ist es
für alle und jede ein Glaubenspunkt, dieses Verhältnis in einem bestimten
modo zu denken? Sind also alle die diesen modum
aus Mangel der Fähigkeit nicht denken können; aus entstandenen Zweifeln,
oder aus alzuvielem raffiniren darüber, oder
aus Vorurtheilen und Grundsäzzen, die sie durch die Erziehung eingesogen,
ihn entweder Gott nicht anständig, oder nicht ganz vernunftmässig
halten, oder zu keinen festen Begriffen davon gelangen können, wegen eines
Irthums zur Verdamnis vor Gott verwerflich? Ist aller Irthum in der Vorstellungsart
vom Erlösungswerke sündlich und verdamlich, von denen an, welche in dem
vergossenen leiblichen Blute Jesu
und seinen körperlichen Wunden die Ursach ihrer Begnadigung auf eine alzu
sinliche Weise suchen; bis zu denen, welche entfernt von aller Sinlichkeit
in dem Tode Jesu ein Exempel des heiligen Abscheues
Gottes gegen alle Sünde verehren? Ist der Geist des Menschen so gleichförmig
von Gott gebildet, daß er in irgend einer Sache eine gleichförmige Vorstellungsart
von allen fordern kan? – – – – – – – *...*.
–
Ia-02-1778-0300
Durch Entscheidung
dieser Fragen würde man
Manuskriptseite
159.
eine genauere Bestimmung
der Gränzen, die zwischen dem Glauben und zwischen der Philosphie des
Glaubens sind, veranlassen. Man würde lernen, in wie fern man das Gewissen
gemeiner Christen ohne Noth beschwere, und sie durch den Vortrag solcher
Lehrsäzze, über deren Nachgrübeln sie schwindlicht werden, entweder zur
unreinen Mystik, oder zu Zweifeln und Irthümern verleite: und in wie fern
man diesem Abweichungen durch Einschränkungen des für sie bestimten Lehrbegrifs
vorbeugen könne und dürfe. Man würde die so nothwendige Mittelstrasse,
die zwischen dem eigentlichen gelehrten System
und zwischen dem, was Religion ist, gehalten werden sol, näher treffen.
Der algemeine Unterricht könte kürzer, faslicher und für den Wandel verbindlicher
und einleuchtender werden. Die Gradation, welche Gott undChristus
und seine Apostel bei der Verkündigung der Wahrheiten des Heils beobachet
zu haben scheinen, würde auch uns zum Muster und
zur Nachfolge dienen. Vielleicht erkenneten wir, daß Gott gegen die verschiedene
menschliche Vorstellungsart der von ihm geoffenbarten Wahrheiten sehr
tolerant sei, und um der verschiedentlich von
ihm selbst ausgetheilten Gaben, Verhältnisse und Umstände willen nicht
anders als tolerant dagegen sein könne: und wir würden eben die Toleranz
von ihm lernen, welche wir andern Vorstellungsarten, als menschlichen
Schwachheiten, schuldig sind; als die wir wieder von andern eben dieser
Toleranz für unsre Vorstellungsart, die auch irrig sein kan, bedürfen.
Wir würden es Gott, dem Herzenskün
Manuskriptseite
160.
diger überlassen,
ob eine irrige Vorstellungsart ein Fehler des Verstandes oder des Herzens,
verzeihlich oder strafwürdig sei? Wir würden ruhiger, und ich kan wohl
sagen, menschlicher, über solche Punkte streiten, von welchen es ausgemacht
wäre, daß sie nicht wesentlich zur Seeligkeit gehörten, sondern daß sie
eine mehr menschliche, als nothwendige Philosophie über die Anstalten
wären, die Gott um sein selbst willen zur Seeligkeit der Menschen getroffen
habe, oder unsern schwachen Einsichten nach, habe treffen müssen. Die
ruhige Untersuchung würde alle Partheien der Wahrheit näher bringen; manche
Streitigkeiten würden ihr religioses Gewicht
verlieren; und des Streitens, des Verdammens, des Zweifelns
und Irrens würde weniger sein. – – " Seit. 33. 34.
35. 36. 37. 38. 39. 40.
Ia-02-1778-0301
4) Von den Meinungen
in Religionssachen.
Ia-02-1778-0302
"Kan die Religion,
die für alle Menschen passend sein sol, in einem unverlezlichen System
von Lehrsäzzen und Meinungen bestehn, die von Vater auf Sohn ohne Untersuchung
forterben müssen? Wir antworten: Nein. Die verschiedene
vom Schöpfer selbst gegebene Karaktere und Fähigkeiten,
die verschiedene Lage der Menschen, die stärkere oder schwächere Veranlassung
zur genauern Untersuchung, die mehrere oder
mindere Trägheit, der grössere oder mindere Eifer,
der Wahrheit nachzuforschen, eingesogene und schwer zu kennende und zu
überwindende Vorurtheile u.s.w. machen
Manuskriptseite
161.
es unmöglich, daß
die Vorstellungsart aller für Religion angenommener
Lehrsäzze bei allen einerlei sein und bleiben könte. Die Vorstellungsart
der Lehrsäzze der Religion kan und sol also
nicht forterben, noch weniger ein algemein verbindlicher
Glaubensartikel sein; und wir gestehn es gern, daß es ein Fehler aller
symbolischen Bücher sei, daß sie doch allen und jeden Christen
als verbindlich aufdringen wollen. Selbst unter den Gelehrten, die doch
das ganze System wissen sollen und annehmen, ist diese theoretische Vorstellungsart
nicht übereinstimmend; und kan es nicht sein, so lange noch verschiedene
Fähigkeiten unter den Menschen sind. So hat also ein jeder Recht zur Untersuchung?
Allerdings. Ja wir sezzen noch hinzu; jeder ist nur Gott über diese Vorstellungsart
Rechenschaft schuldig, und wird und kan darüber nur nach
seiner ganzen Lage beurtheilt werden. Dies ist nicht
das Werk eines Menschen. –" Seit. 120. 121.
Ia-02-1778-0303
5) Vom Hauptwerke
der Religion.
Ia-02-1778-0304
"Die Religion ist
für alle Menschen; für den gemeinen Haufen sowohl, als für die Gelehrten.
Was den Begrif des gemeinen Mannes übersteigt, das kan nicht zum Heile
des Menschen gehören, und kein Fundamental=Artikel sein. Ferner die Absicht
der Religion ist unsre Heiligung und Zuversicht. Alle Fragen also, die
so und anders beantwortet
werden können, ohne die Nothwendigkeit
der Heiligung und die Zuversicht zu der verheissenen Vergebung der Sünden
und ewigen Seeligkeit zu verringern; sind kein
wesentlicher Theil des Grundes der christl.
Religion." Seit. 125.
Manuskriptseite
162.
Ia-02-1778-0305
6) Aus dem Young vom Menschen.
Ia-02-1778-0306
"Der Mensch bleibt
hier, auf diesem fremden Felde unzufrieden, wo
er nicht auf seinem rechten Plazze ist,
wo ihn die Natur mit anderm Futter nährt, als
zur Sättigung seiner Begierden bestimt ist; arm im Überflusse, und verhungernd
bei einem Gastmale, seufzt er noch immer nach mehr, wann
er am meisten geniest. – – – " Seit. 198. 199.
Ia-02-1778-0307
XV.
Ia-02-1778-0308
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des dritten
Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin,
verlegts Friedrich Nikolai, 1766.
Ia-02-1778-0309
1) Von Monaden.
Ia-02-1778-0310
"Ein Aggregat von
Monaden kan eine Empfindung verursachen, die mit der deutlichen Vorstellung
von denselben nichts gemein hat, so wie die Empfindung, die wir von den
Farben haben, demjenigen nicht ähnlich ist, was wir durch deutliche Erkentnis
von den Lichtstrahlen wissen. Der unendliche Geist sieht in
jedem einfachen Dinge, das ein Theil der Welt ist, den Zustand des ganzen,
wie ein mittelmässiger Rechenmeister begreift, daß wenn 23 das 12te
Glied einer arithmetischen mit der Einheit anfangenden
Progression ist, sie aus den ungeraden Zahlen
bestehen, oder ihr Unterschied zwei sein müsse. Das nente Leibniz,
jede Monade stelt den Zustand der Welt vor." Seit.
47. 48.
Manuskriptseite
163.
Ia-02-1778-0311
2) Wie wir die Idee
der Solidität erlangen.
Ia-02-1778-0312
"Die Idee der Solidität
erlangen wir durch die Empfindung des Widerstandes bei der Berührung.
Dieser Widerstand kan mehrere Ursachen haben, die Undurchdringlichkeit,
das was Kepler und
Deskartes
die vim inertia nanten, die Wucht, und das Zusammenhängen.
Die Sinnen können uns also zur Entdekkung der Solidität wohl behülflich
sein, aber einen deutlichen Begrif derselben könten wir blos vom Verstande
erwarten. Es wäre gut, wenn man hart und weich,
feste und flüssig einander entgegen sezte.
Lokke bemerkt mit Recht,
daß die Ausdrükke hart und weich nur eine Beziehung auf die Beschaffenheit
unsers Körpers haben, und gar keine absolute Eigenschaften sind. Der Hr.
von Leibniz sezt hinzu,
daß man sich eben so wenig eine volkommene Festigkeit und Flüssigkeit
denken könne. Und folglich sind die Atomen des Epikurs
und die volkommen flüssige Materie des Deskartes
Hirngespinste. – –" Seit. 59.
Ia-02-1778-0313
3) Eine
Übersezzung (Eph.II, 1=3.)
Ia-02-1778-0314
""Aber euch Heiden,
die ihr tod waret in Übertretungen und Sünden, denen ihr ehemal ganz
ergeben waret dem heutigen Weltlauf gemäs, ganz überwältigt von der Macht
der Finsternis, und dem Sin, der izt vornehmlich die Ungläubigen beherschet,
unter welchen wir auch wie ehemals lebten nach
den Begierden unsers
Manuskriptseite
164.
sinlichen Theils,
nichts als die Reizzungen der Sinlichkeit und daraus entstehender verkehrter
Vorstellungen volbringend, und waren eben so wohl als die Übrigen (Heiden)
in Ansehung unsers unbekehrten Zustands dem Zorn Gottes unterworfen. (Auch
euch, sage ich) hat der an Erbarmung reiche Gott durch seine grosse Li**
Liebe, mit der er uns geliebet hat – auch uns hat er, da wir tod waren
in Übertretungen (daß ich es noch einmal wiederhole) lebendig gemacht,
nach der Ähnlichkeit des von den Toden nach dem Leibe lebendig gemachten
Christus." So würden wir ohngefähr diese Stelle
übersezzen, und etwa noch in der Anmerkung kurz sagen: Was der Apostel
in seiner eigenen Sprache von Wort zu Wort, noch
den Herscher der Macht der Finsternis nent, das heist unsern Sprachgesezzen
gemässer, nach der Herschaft der Macht der Finsternis,
(worinnen die Heiden dazumal lebten) ganz überwältiget
u. s. f. Das Wort welches Luther,
Luft übersezt, hat auch die Bedeutung der Finsternis: Und
so erklärt es Paullus selbst Luk.VI. V.12. Es führt ihm
übrigens seine reiche Einsicht auf einmal so viele Ideen zu, daß, da er
Anfangs nur schlechtweg sagen wolte: auch euch, die ihr
tod waret in Sünden, hat Gott lebendig gemacht,
er, nun eine Menge Nebenvorstellungen einschiebt, und erst nach einigen
Perioden den Hauptsaz wieder aufnimt. – – " Seit. 190.
191.
Manuskriptseite
165.
Ia-02-1778-0315
XVI.
Ia-02-1778-0316
Briefe
an eine deutsche Prinzessin über verschiedene Gegenstände aus der Physik
und Philosophie. Aus dem Französischen übersezt. Erster
Theil. Zweite Auflage. Leipzig, bei Johann Friedrich
Junius, 1773.
Ia-02-1778-0317
1) Von der Geschwindigkeit.
Ia-02-1778-0318
"Um sich eine gehörige
Idee von der Geschwindigkeit zu machen, mus man auf zwei Arten von Grösse
zu gleicher Zeit Acht haben; auf den Weg der zurük gelegt worden, und
auf die Zeit die verlaufen ist. Also ein Körper, der in derselben Zeit
doppelt so viel Weg zurük legt, hat eine doppelt so grosse Geschwindigkeit;
und wenn er in derselben Zeit einen dreimal grössern Weg durchläuft, so
wird seine Geschwindigkeit dreimal grösser geschäzt u.s.w. Man wird also
die Geschwindigkeit eines Körpers wissen, wenn man den Weg weis, den er
in einer gewissen Zeit durchläuft. So, um die Geschwindigkeit meines
Ganges zu wissen, wenn ich nach Lizzow (ein Dorf, eine Meile von Berlin)
gehe, habe ich bemerkt, daß ich 120 Schritte in einer Minute mache, und
beträgt einer von meinen Schritten 2 1/2 Fus; also ist meine Geschwindigkeit
von der Art, daß ich einen Weg von 300 Fus in einer Minute durchlaufe,
und in einer Stunde volbringe ich einen sechzigmal grössern Weg,
Manuskriptseite
166.
oder 18000 Füsse,
welches noch keine Meile beträgt, die 24000 Fus enthält, und zu der ich
also 1 Stunde 20 Minuten nöthig hätte. Also, wenn ich von hier (Berlin)
nach Magdeburg gehen wolte, so würde ich gerade 24 Stunden
brauchen. Hier habe ich d*...*h
demnach einen genauen Begrif von der Geschwindigkeit, mit der ich zu gehen
im Stande bin; und daraus begreift man leicht,
was eine grössere oder kleinere Geschwindigkeit sei. So, wenn ein Kourier
von hier nach Magdeburg in 12 Stunden gienge, so wäre seine Geschwindigkeit
zweimal so gros als meine. Wir werden in der Welt einen sehr grossen Unterschied
unter den Geschwindigkeiten gewahr. Eine Schildkröte giebt uns ein Beispiel
einer sehr kleinen Geschwindigkeit. Wenn sie nur 1 Fus in einer Minute
macht, so hat sie eine dreihundert mal kleinere Geschwindigkeit als ich,
weil ich 300 Fus in einer Minute zurük lege. Wir kennen aber auch viel
grössere Geschwindigkeiten; die Geschwindigkeit des Windes ist sehr veränderlich.
Ein mittelmässiger Wind macht 10 Fus in einer Sekunde, oder 600 Fus in
einer Minute; er läuft also noch einmal so geschwind als ich. Ein Wind,
der 20 Fus in einer Sekunde, also 1200 in einer Minute durchläuft, mus
schon ziemlich stark sein. Ein Wind, der 50 Fus in einer Sekunde
macht, ist sehr heftig, obgleich seine Geschwindigkeit nicht mehr als
zehnmal grösser ist als die meinige, und er
2 Stunden 24 Minuten braucht, um von hier nach
Magdeburg zu wehen. Nach ihm komt die Geschwin
Manuskriptseite
167.
digkeit des Schals,
der in einer Sekunde 1000 Fus macht, und also 60,000 Fus in einer Minute.
Sie ist also 200 mal grösser, als die Geschwindikeit,
mit der ich gehe. Und wenn man eine Kanone zu Magdeburg abschösse, und
es wäre möglich, daß der Schal bis nach Berlin käme, so würde er nicht
eher als nach sieben Minuten ankommen. Eine Kanonenkugel bewegt sich ungefehr
mit eben der Geschwindigkeit; wenn man aber die stärkste Ladung nimt,
so rechnet man, daß sie 2000 Fus in einer Sekunde, und also 12,0000 in
einer Minute durchlaufen könte. Diese Geschwindigkeit scheint uns ungeheuer,
ob sie gleich nicht mehr als 400 mal die, mit der ich nach Lizzow gehe,
übertrift; und daß ist auch die gröste Geschwindigkeit, die man hier auf
der Erde antrift. Aber am Himmel giebt es weit grössere Geschwindgkeiten,
ob uns gleich seine Bewegungen ganz ruhig scheinen. Ew. H. wissen, daß
die Erde sich in 24 Stunden um ihre Axe dreht; also durchläuft unter dem
Äquator die Geschwindigkeit einen Raum von 5,400 Meilen in 24 Stunden
während welcher Zeit ich nicht mehr als 18 Meilen durchlaufen kan. Diese
Geschwindigkeit ist also 300 mal grösser als
die meinige, und also kleiner als die gröste Geschwindigkeit einer Kanonenkugel.
Nun bewegt sich die Erde um die Sonne innerhalb eines Jahrs, und mit dieser
Gewschwindigkeit durchläuft sie 128,250 Meilen in 24 Stunden, und diese
Geschwindigkeit
Manuskriptseite
168.
ist also achtzehnmal
schneller als die einer Kanonenkugel. Die gröste Geschwindigkeit, die
wir kennen, ist ohne Zweifel die Geschwindigkeit des Lichts, das 2,000,000
Meilen jede Minute durchläuft, und die also 400,000 mal die von der Kanonenkugel
übertrift. –" Seit. 4. 5. 6. 7.
Ia-02-1778-0319
2) Vom Schalle.
Ia-02-1778-0320
"Wenn man eine Kanone
löst, so hören die, die davon entfernt sind, den Schal erst einige Zeit
hernach, nachdem sie die Flamme des Pulvers gesehen haben. Die, welche
eine Meile oder 24,000 Fus davon entfernt sind,
hören den Knal nicht eher als 24 Sekunden nach dem Blizze. Ew. H. werden
auch oft bemerkt haben, daß der Schal des Donners erst einige Zeit nach
dem Blizze zu unsern Ohren komt; und daraus kan man beurtheilen,
wie weit der Ort von uns sei, wo sich der Donner erzeugt hatte. Wenn wir
z. E. bemerken, daß zwischen dem Blizze und dem Donner zwanzig Sekunden
verlaufen, so können wir schlüssen, daß der Ort des Gewitters
zwanzig mal 1000 Fus von uns entfernt ist, wenn man auf jede Sekunde Zeit
1000 Fus Entfernung
rechnet. Diese merkwürdige Eigenschaft führt uns zuder Frage: worin der Schal bestehe? ob die Natur des Schals
der Natur des Geruchs ähnlich sei? oder ob der Schal sich auf eben die
Art von dem Schal
Manuskriptseite
169.
lenden Körper, wie
von einer Blume ihr Geruch, ausbreite, indem sie die Luft mit
feinen Ausdünstungen erfült, die geschikt sind unsere *...*
Geruchsnerven zu reizen. Im Alterthume kan man vielleicht eine solche
Vorstellung gehabt haben; aber jezzo sind wir sehr überzeugt, daß, wenn
eine Glokke schlägt, nicht das geringste von ihr ausfliesse, das in unsere
Ohren gebracht würde; oder daß kein Körper, der schalt, etwas von seiner
Substanz verliere, Man darf nur eine Glokke, wenn sie geschlagen, oder
eine Saite, wenn sie gekneipt wird, ansehen, um gewahr zu werden, daß
der Körper sich alsdann in einem Zittern und einer Erschütterung befindet,
von der alle seine Theile in Bewegung sind. Und jeder Körper, der einer
solchen Erschütterung in seinen Theilen fähig ist, bringt auch einen Ton
hervor. In einer Saite, die *
nicht gar zu klein ist, kan man diese Erschütterungen oder Schwingungen
sehen, durch die die gespante Saite A C B welchselsweise in die Lage A
M B und A N B komt, die ich beide weit sichbarer vorgestelt habe, als
sie in der That sind. Ferner mus man bemerken,
daß diese Schwingungen die angrenzende Luft in eine ähnliche Schwingung
bringen, die sich nach und nach den entferntern Theilen der Luft mittheilt,
bis sie endlich unsre Werkzeuge des
Manuskriptseite
170.
Gehörs berühren.
Die Luft ist es also, die diese Schwingungen bekomt, und die sie bis zu
meinen Ohren fortpflanzt. Hieraus ist klar, daß der Schal nicht anders
empfunden wird, als wenn unsere Ohren durch die Erschütterungen gerühret
werden, die sich in der Luft finden, und die sich unserm Werkzeuge des
Gehörs mittheilen; und wenn wir den Schal einer gekneipten Saite hören,
so bekommen unsere Ohren eben so viel Schläge als
die Saite Schwingungen in derselben Zeit gemacht hat. Also, wenn die Saite
in einer Sekunde 100 Schwingungen macht, so bekomt auch unser Ohr 100
Schläge in einer Sekunde, und die Empfindung dieser Schäge
Schläge ist es, die man den Schal nent. Wenn diese Schläge gleichförmig
auf einander folgen, oder wenn die Zwischenräume alle gleich sind: so
ist der Schal ein regelmässiger Ton, und so, wie man ihn in der Musik
fordert. Aber wenn diese Schläge in ungleichen Zeiten auf einander folgen,
oder wenn ihre Zwischenräume ungleich sind, so entsteht daraus ein unordentliches
Geräusch, das zur Musik ganz ungeschikt ist. Wenn ich ein wenig aufmerksamer
die musikalischen Töne, deren Schwingungen gleichförmig geschehen, untersuche,
so bemerke ich zuförderst: wenn die Schwingungen so wie die Schläge, die
das Ohr davon treffen, stärker oder schwächer sind, so entsteht daraus
kein andrer Unterschied in dem Ton, als daß er stärker oder schwächer
wird; und das ist der Unterschied, den die Musikverständige durch die
Wörter forte und piano
anzeigen. Aber ein weit wesentliche
Manuskriptseite
171.
rer Unterschied
ist es, wenn die Schwingungen schneller oder langsamer sind, oder wenn
mehr oder weniger in einer Sekunde geschehen. So wenn eine Saite in einer
Sekunde 100 Schwingungen macht, und eine andre macht in einer Sekunde
200, so sind ihre Töne wesentlich von einander unterschieden, der erste
wird gröber oder tiefer, der andere feiner oder höher sein. Das ist also
der wahre Unterschied unter den hohen und tiefen Tönen, auf dem die ganze
Musik beruhet; als welche die Töne vermischen lehrt, die von einander,
in Ansehung der Höhe und Tiefe, verschieden sind, aber in so einer Verbindung,
daß daraus eine angenehme
Harmonie entsteht. Nun geschehen bei den tiefen Tönen weniger Schwingungen
in gleichen Zeiten als bei den hohen, und jeder Ton auf dem Klavier enthält
eine gewisse und bestimte Anzahl von Schwingungen, die in einer Sekunde
volbracht werden. So macht der Ton, der mit dem Buchstaben C bezeichnet
wird, ohngefähr 100 Schwingungen in einer Sekunde, und der Ton, den man
durch den Buchstaben c''' bezeichnet, giebt 1600 Schwingungen in einer
Sekunde. Also eine Saite, die 100 mal in einer Sekunde zittert, wird grade
den Ton C geben, und wenn sie nur 50 mal zitterte, so würde der Ton noch
tiefer sein. Für unsre Ohren nun giebt es gewisse Grenzen, über die hinaus
die Töne nicht mehr zu unterscheiden sind. Es scheint, daß wir einen Ton,
der weniger als 20 Schwingungen in einer Sekunde
Manuskriptseite
172.
macht, der zu grossen
Tiefe wegen nicht empfinden können, und eben so wenig einen Ton, der mehr
als 4000 Schwingungen in einer Sekunde macht, seiner zu grossen Höhe wegen.
– – " Seit. 7. 8. 9. 10.
Ia-02-1778-0321
3) Von den Konsonanzen
und Dissonanzen.
Ia-02-1778-0322
"Ich habe angemerkt,
daß, wenn man einen einfachen musikalischen Ton hört, unser Ohr
von einer Reihe von Schlägen gerührt wird, die gleichweit von einander
entfernt sind; deren Menge, oder die Anzahl, die in einer gewissen bestimten
Zeit volbracht wird, den Unterschied zwischen den hohen und tiefen Tönen
ausmacht, so daß, je kleiner die Anzahl der Schwingungen oder der Schläge
ist, die in einer *...*
gewissen Zeit, z. E. einer Minute hervorgebracht werden, desto tiefer
der Ton, und je höher grösser diese Anzahl, desto
höher der Ton sei. Die Empfindung also bei einem einzelnen musikalischen
Tone kan man mit einer Reihe gleichweit von einander entfernter Punkte
vergleichen. ............ Wenn die Zwischenräume zwischen diesen Zwischenräumen
Punkten grösser oder kleiner sind, so wird der Ton, der dadurch vorgestelt
wird, höher oder tiefer sein. Es ist auch ganz unstreitig die Empfindung
bei einem einzelnen Ton dem Anblik einer solchen Reihe
Manuskriptseite
173.
von gleichentfernten
Punkten ähnlich oder analogisch; und man kan also durch dieses Mittel
den Augen eben die Sache vorstellen, die die Ohren empfinden, wenn sie
einen Ton hören. Wenn die Entfernungen der Punkte nicht gleich und die
Punkte unordentlich nebeneinander gesezt wären; so würde das die Vorstellung
eines verwirten und übellautenden Geräusches sein. Das voraus gesezt,
wollen wir sehen, was für eine Wirkung zwei
Töne, die zu gleicher Zeit gehört werden, auf das Ohr thun müssen. Zuerst
ist klar, daß, wenn beide Töne einerlei sind, oder jeder gleichviel Schwingungen
in derselben Zeit enthält, das Ohr von beiden eben so, wie von einem einzigen
affizirt wird. In der Musik sagt man, daß diese Töne all'
unisono sind, welches der einfachste Akkord ist, wenn man unter
dem Akkord die Vermischung zweier oder mehrerer Töne versteht, die auf
einmal gehört werden. Aber wenn diese zwei Töne in Absicht der Höhe und
Tiefe verschieden sind, so wird man eine Vermischung
von zwei Folgen von Schlägen gewahr werden, wovon jede gleiche Intervalle,
aber die eine grössere hat als die andere; die ersten gehören für den
hohen, die andern für den tiefen Ton. Eine solche Vermischung, oder ein
Akkord zweier Töne kan durch zwei Reihen von
Punkten vorgestelt werden, die in zwei Linien a b
und c d gestelt sind.
Manuskriptseite
174.
Um von diesen beiden
Reihen eine genaue Vorstellung zu haben, mus man die Ordnung, die darin
herscht, oder welches einerlei ist, das Verhältnis unter den Zwischenräumen
der einen und der andern Linie, bemerken. Wenn man die Punkte beider Linien
numerirt hat, und 1 unter die 1 sezt, so wird die 2 nicht mehr volkommen
unter die 2 kommen; die 3 noch weniger; sondern
man sieht, daß die Zahl 11 oben sich gerade über der 12 unten befindet;
woraus man sieht, daß der höhere Ton 12 Schwingungen vollendet, indem
der tiefere nur 11 macht. Aber ohne die Zahlen dazu zu schreiben, würden
die Augen diese Ordnung nicht gewahr werden; und eben so schwer würden
die Ohren die Ordnung der beiden Töne, die ich durch diese
beiden Reihen von Punkten vorgestelt habe, bemerken. Aber in der
dieser Figur
Ia-02-1778-0323
.............
Ia-02-1778-0324
. . . . . . . .
Ia-02-1778-0325
sieht man auf den
ersten Blik, daß die obere Linie zweimal so
viel Punkte als die untere enthält, oder daß die Zwischenräume in der
untern Linie zweimal grösser sind als in der
obern sind. Nach dem unisono ist das ohne Zweifel
der einfachste Fal, wo man leicht die Ordnung in diesen zwei Reihen von
Punkten entdekken kan, und eben so ist mit den zwei Tönen, die durch diese
beiden Reihen von Punkten vorgestelt werden, und deren einer zweimal
mehr Schwingungen macht als
Manuskriptseite
175.
der andere. Das
Ohr wird das schönste Verhältnis, daß unter diesen beiden Tönen ist, leicht
gewahr werden, da in dem vorhergehenden Falle das Urtheil sehr schwer,
wo nicht unmöglich war. Wenn also das Ohr leicht das Verhältnis gewahr
wird, daß sich unter zwei Tönen befindet, so heist ihre Zusammenstimmung
eine Konsonanz; ist dieses Verhältnis schwer oder unmöglich zu entdekken,
so heist der Akkord eine Dissonanz. Die einfache Konsonanz ist also die,
wo der hohe Ton gerade zweimal so viel Schwingungen macht als der tiefe.
Diese Konsonanz heist in der Musik eine Oktave. Jederman weis die Stärke
derselben; und zwei Töne, die um eine Oktave unterschieden sind, harmoniren
so sehr, und sind sich einander so ähnlich,
daß die Tonkünstler sie mit einerlei Buchstaben bezeichnen. Wir sehen
auch, daß in der Kirche die Weibspersonen gemeiniglich um
eine Oktave höher singen, als die Männer, und
doch in einerlei Ton zu sein glauben. Ew. H. werden sich leicht auf einem
Klaviere von dieser Wahrheit versichern, und werden den schönen Akkord,
der unter allen Tönen ist, die um eine Oktave
von einander entfernt sind, gewahr werden, da indessen alle übrige Töne,
ohne Ausnahme, nicht so gut klingen. –" Seit. 10. 11.
12. 13.
Ia-02-1778-0326
4) Von dem unisono
und den Oktaven.
Ia-02-1778-0327
"Ew. H. haben also
gesehen, daß der Akkord, den die
Manuskriptseite
176.
Tonkünstler eine
Oktave nennen, auf eine so entscheidende Art ins Ohr fält, daß man die
kleinste Abweichung leichtlich bemerkt. So, wenn man den deutlichen Ton
Fgiebt angiebt, so kan
man den Ton f, der eine Oktave höher, sehr leicht
nach dem blossen Gehör stimmen; und wenn die Saite vom Ton f
nur ein wenig zu hoch oder zu niedrig ist, so wird das Ohr gleich dadurch
beleidigt; nichts ist leichter, als sie volkommen einstimmend zu machen.
So sehen wir, daß jederman, wenn er singt, leicht von einem Tone in einen
andern komt, der eine Oktave höher oder tiefer ist. Aber wenn man aus
dem Ton F in den Ton d
z. E. übergehen sol, so fehlt esein
mittelmässiger Sänger sehr leicht, wenn ihm nicht von einem Instrumente
geholfen wird; und es ist beinahe unmöglich, wenn man den Ton F
festgesezt hat, den Ton d auf einmal darnach zu
stimmen. Was ist nun wohl der Grund von der Schwürigkeit,
daß es so leicht ist, mit dem Ton F den Ton f,
und so schwer, mit ihm den Ton d einzustimmen.
Dieser Grund fält nach dem, was ich Ew. H. in meinen lezten Anmerkungen
erklärt habe, in die Augen. Der Ton F und der
Ton f machen zusammen eine Oktave; oder die Anzahl
der Schwingungen des Tons f ist gerade das Doppelte
von den Schwingungen des Tons F. Um diesen Akkord
zu bemerken, darf man nur das Verhältnis von eins zu zwei empfinden, das
so, wie es durch die Vorstellung der Punkte, deren ich mich zuvor bedient
Manuskriptseite
177.
habe, in die Augen
fält, die Ohren auf eine ähnliche Art affizirt.
Nun wird Ew. H. leicht begreifen, je einfacher
ein Verhältnis, oder durch je kleinere Zahlen es ausgedrükt ist, desto
deutlicher stelt es sich dem Verstande dar,
und desto deutlicher mehr Gefühl von Vergnügen
erwekt es. Die Baumeister beobachten diese Maschine
Maxime auch mit der grösten Sorgfalt, indem sie allenthalben in ihren
Gebäuden so einfache Verhältnisse brauchen, als es nur die übrigen Umstände
erlauben. In den Thüren und Fenstern machen sie gemeiniglich die Höhe
zweimal grösser als die Breite, und allenthalben suchen sie Verhältnisse
anzubrigen, die sich durch kleine Zahlen ausdrükken lassen, weil das dem
Verstande gefält. Auf eben die Art ist es in der Musik, wo die Akkorde
nur in so fern gefallen, als die Seele das Verhältnis bemerkt, das unter
den Tönen ist; und dieses Verhältnis läst sich um desto leichter bemerken,
durch je kleinere Zahlen es ausgedrükt werden
kan. Nun ist nach dem Verhältnis der Gleichheit, welches zwei gleiche
Töne oder *...*all' unisono anzeigt, das Verhältnis 1 zu 2 ohne
Zweifel das einfachste, und dieses giebt den
Oktavenakkord. Also ist augenscheinlich, daß dieser Akkord viele Vorzüge
vor den übrigen Konsonanzen hat. Nach dieser Erklärung desjenigen Akkords
oder Intervals, den die Tonkünstler eine Oktave nennen, wollen wir nun
mehrere Töne untersuchen, wie F f f‘ f‘‘f‘‘‘,
wovon jeder
Manuskriptseite
178.
eine Oktave höher
ist als der vorhergehende. Also, weil das Interval von F
zu f, von f zu f‘,
von f‘ zu f‘‘, von f‘‘
zu f‘‘‘ eine Oktave ist, so wird das Interval
von F zu f‘, eine doppelte,
von F zu f‘‘ eine dreifache,
von F zu f‘‘‘ eine vierfache
Oktave sein. Nun, indem der Ton F eine Schwingung
volbringt, so macht der Ton f
zwei, der Ton f‘ viere, der Ton f‘‘
achte, der Ton f‘‘‘ sechzehn. Wir sehen also,
daß, wie eine Oktave dem Verhältnis 1 zu 2 entspricht, so eine doppelte
durch das Verhältnis 1 zu 4, eine dreifache 1 zu 8 pp. ausgedrükt wird.
Nun ist das Verhältnis 1 zu 4, nicht mehr so
einfach als das 1 zu 2, weil es nicht mehr so leicht in die Augen fält.
Eben deswegen empfindet man auch eine doppelte Oktave nicht so leicht
als eine einfache; eine dreifache Oktave ist noch weniger merklich, und
eine vierfache noch weniger. So wenn man ein Klavier stimt, und man hat
den Ton F angegeben, so ist es nicht so leicht,
die Doppeloktave f‘,
als die einfache f dazu zu stimmen; und noch schwerer
ist es, die dreifache f‘‘ und vierfache f‘‘‘
einzustimmen, ohne die Zwischenoktaven zu Hülfe
zu nehmen. Diese Akkorde sind all*
alle unter dem Worte Konsonanz begriffen, und da der unisono
der einfachste unter allen ist, so kan man sie nach folgenden Graden ordnen:
Ia-02-1778-0328
1 Grad. Der unisono,
der durch das Verhältnis 1 zu 1 angezeigt wird.
Ia-02-1778-0329
2 Grad. Die unmittelbare
Oktave ist in dem Verhältnis 1 zu 2.
Manuskriptseite
179.
Ia-02-1778-0330
3 Grad. Die doppelte
Oktave ist in dem Verhältnis 1 zu 4.
Ia-02-1778-0331
4 Grad.
Die dreifache Oktave ist in dem Verhältnis 1 zu 8.
Ia-02-1778-0332
5 Grad. Die vierfache
Oktave ist in dem Verhältnis 1 zu 16.
Ia-02-1778-0333
6 Grad. Die fünffache
Oktave ist in dem Verhältnis 1 zu 32.
Ia-02-1778-0334
und so weiter, so
lange als die Töne noch merklich sind. Das sind die Akkorde oder Konsonanzen,
auf deren Betrachtung wir bisher sind geführet worden; und wir wissen
noch nichts von den andern Gattungen der Konsonanzen,
und noch weniger von den Dissonanzen, die man in der Musik braucht. Aber
ehe ich mich noch in die Erklärung dieser einlasse, mus ich noch eine
Anmerkung über den Namen Oktave hinzusezzen, den man dem Intervalle zweier
Töne giebt, von denen der eine zweimal so viel Schwingungen macht als
der andre. Ew. H. sehen die Ursachen in den Haupttasten des Klaviers,
die durch sieben Stufen in die Höhe steigen, ehe sie zur Oktave kommen,
wie C D E F G A H c, so, daß der Taste c
der achte ist, wenn man C für den ersten zählt.
Aber diese Abtheilung hängt von noch andern Verhältnissen in der Musik
ab, deren Beschaffenheit erst in der Folge kan erklärt werden. –" Seit.
13. 14. 15. 16.
Ia-02-1778-0335
5) Von andern Konsonanzen.
Ia-02-1778-0336
"Man kan sagen,
daß alle Verhältnisse von 1 zu 2, 1 zu 4, 1 zu 8, 1 zu 16, die wir bis
hieher untersucht haben, und die die Natur einer einfachen, doppelten,
drei= und vierfachen Oktave in sich enthalten, ihren
Manuskriptseite
180.
Ursprung von der
Zahl 2 nehmen, indem 4, 2mal 2; 8, 4mal 2; 16, 8 mal 2 ist; so daß, wenn
man keine andre Zahl als die Zahl 2 in der Musik aufnimt, man zur Kentnis
keiner andern Art von Oktaven Akkorden oder Konsonanzen
komt, als der, die die Tonkünstler eine Oktave,
eine einfache oder doppelte oder dreifache nennen. Und
weil die Zahl 2 durch ihre Verdoppelung uns keine andern Zahlen als 4,
8, 16, 32, 64 giebt, wovon jede das Doppelte
der Vorhergehenden ist, so bleiben uns alle
übrige Zahlen noch unbekant. Wenn also ein Instrument nichts als die Oktaven,
als z. E. die Töne hätte, die man so bezeichnet: C, c,
c‘, c‘‘, c‘‘‘, c‘‘‘‘, und alle andre darinnen fehlten: so würde
es, um der zu grossen Einförmigkeit willen, keine angenehme Musik hervorbringen.
Wir wollen also ausser der Zahl 2 noch die Zahl 3 hineinbringen, und sehen
was daraus für Konsonanzen entstehen werden. Erstlich das Verhältnis 1
zu 3 giebt uns zwei Töne, wovon der eine dreimal mehr Schwingungen in
gleicher Zeit macht als der andere. Ohne Zweifel ist dieses Verhältnis
nach dem von 1 zu 2 am leichtesten zu begreifen; und es wird also sehr
schöne Konsonanzen, obgleich von den Oktaven ganz verschiedne, hervorbringen.
Wir wollen nun annehmen, daß von dem Verhältnis 1 zu 3, die 1 dem Ton
C zugehöre. Da der Ton c
durch die Zahl 2 ausgedrükt wird, so mus die Zahl 3 einen Ton geben, der
höher als c, aber doch niedriger als c‘
ist, weil diesem die Zahl 4 zugehört. Dieser Ton nun, der durch 3 ausgedrükt
wird, ist der, den die Tonkünstler mit dem Buchstaben g
bezeichnen, und dieses Inter
Manuskriptseite
181.
val von c
zu g nennen sie eine Quinte, weil auf dem Klavier
die Taste g die fünfte von c
ist, als c, d, e f. g. Also, wenn die Zahl 1 den
Ton C giebt, so giebt 2 den Ton c,
und 3 den Ton g, die Zahl 4
den Ton c‘; und da der Ton g‘
die Oktave von g ist, so wird seine Zahl 2 mal
3, und also 6 sein; und steigt man noch
eine Oktave höher, so ist der g‘‘ zweimal so gros,
und also 12. Alle Töne demnach, zu denen uns die Zahlen 2 und 3 führen,
wenn man C für 1 annimt, sind:
Ia-02-1778-0337
C. c. g. c‘. g‘.
c‘‘. g‘‘. c‘‘‘.
Ia-02-1778-0338
1. 2. 3. 4. 6. 8.
12. 16.
Ia-02-1778-0339
Daraus ist klar,
daß die Proportion 1 zu 3 ein Interval ausdrükt, das aus einer Oktave
und einer Quinte zusammengesezt ist, und daß dieses Interval, weil seine
Zahlen so einfach sind, nach der Oktave dem Ohr am merklichsten sein mus.
Es geben auch in der That die Tonkünstler der Quinte die zweite Stelle
unter den Konsonanzen, und das Ohr wird davon so angenehm affizirt, daß
es sehr leicht ist, eine Quinte zu stimmen. So steigen auf der Violine
die vier Saiten durch Quinten in die Höhe, die tiefste ist G,
die zweite d, d**
die dritte a, die vierte e;
und jeder Musikus kan sie sehr leicht nach dem blossen Gehör stimmen.
Unterdessen stimt sich eine Quinte nicht so
leicht als eine Oktave; aber da die Quinte über
der Oktave; wie z. E. das Interval von C
zu g, durch das Verhältnis 1 zu 3 ausgedrükt wird,
so ist sie empfind
Manuskriptseite
182.
barer als die einfache
Quinte, wie C zu G oder
c zu g, die durch das
Verhältnis 2 zu 3 ausgedrükt wird; und man weis auch aus der Erfahrung,
daß, wenn man den Ton C angegeben hat, es leichter
sei die obere Quinte g
als die unmittelbare G dazu zu stimmen. Wenn die
Einheit uns den Ton F vorgestelt hätte, so würde
die Zahl 3 den Ton c' bezeichnen, so, daß
Ia-02-1778-0340
F.
f. c‘. f‘. c‘‘. f‘‘. c‘‘‘
Ia-02-1778-0341
1 2 3 4 6 8 12
Ia-02-1778-0342
mit 1. 2. 3. 4.
6. 8. 12. bezeichnet werden würden, wo das Interval von f
zu c‘ eine Quinte ist, die in dem Verhältnis 2
zu 3 enthalten ist, von f‘ zu c‘‘,
von f‘‘ zu c‘‘‘ ist auch
eine Quinte, weil das Verhältnis 4 zu 6 und 8 zu 12, mit der 2 zu 3 einerlei
ist. Dadurch kommen wir zu der Kentnis eines
andern Intervals, das in dem Verhältnis 3 zu 4 liegt, welches zwischen
c‘ und f‘, und also auch
zwischen c und f, und
C und F ist, das die Musikverständige
eine Quarte nennen, die, da sie durch grössere Zahlen ausgedrükt wird,
bei weitem nicht so angenehm ist als die Quinte, und noch weniger als
die Oktave. Da die Zahl 3 uns zu diesem neuen Akkord der Q*...*
Quinte und der Quarte verholfen hat, so wollen wir, ehe wir andere Zahlen
brauchen, die Zahl 3 noch dreimal nehmen, um die Zahl 9 zu bekommen, die
einen Ton geben wird, der um eine Oktave und eine Quinte höher ist als
der Ton 3 oder c‘, da denn c‘‘
die
Manuskriptseite
183.
Oktave von c‘,
und g‘‘ die Quinte von c‘‘
ist. Also giebt die Zahl 9 den Ton g‘‘, so, daß
c‘‘, f‘‘, g‘‘, c‘‘‘, durch 6, 8, 9, 12, bezeichnet
sein werden. Oder nimt man diese Töne in den tiefen Oktaven; so hat man,
wenn die Proportionen derselben bleiben:
Ia-02-1778-0343
C.
F. G. c. f. g. c‘. f‘. g‘. c‘‘. f‘‘. g‘‘. c‘‘‘.
Ia-02-1778-0344
6. 8. 9. 12. 16.
18. 24. 32. 36. 48. 64. 72. 96.
Ia-02-1778-0345
Dadurch kommen wir
zu der Entdekkung neuer Intervallen. Das erste ist das zwischen F
und G, das in dem Verhältnis 8 und 9 liegt, das
die Tonkünstler eine Sekunde oder auch einen ganzen Ton nennen.
Das zweite ist von G zu f,
das in dem Verhältnis 9 zu 16 liegt, das man eine Septime nent, und das
eine Sekunde oder einen ganzen Ton kleiner ist als eine Oktave. Diese
Verhältnisse, wenn sie schon durch beträchtlich grosse Zahlen ausgedrükt
werden, werden nicht mehr zu zu den Konsonanzen
gerechnet, sondern
die Musici nennen sie Dissonanzen. Wenn wir die Zahl 9 noch dreimal nehmen,
um 27 zu haben, so mus diese Zahl einen Ton bezeichnen, der höher ist
als c‘, und gerade eine Quinte höher g
ist. Das wird also der Ton d‘ sein, und seine
Oktave d‘‘ist
wird der Zahl zweimal 27 oder 54 zugehören; und die doppelte Oktave d‘‘‘
der Zahl zweimal 54 oder 108. Wir wollen diese Töne einige Oktaven tiefer
auf
Hier entdekken wir,
daß das Interval D zu F
in dem Verhältnis 27 zu 32, und das F zu d
in dem Verhältnis 32 zu 54, oder wenn wir die Hälfte nehmen, von 16 zu
27 liegt, wovon das erste eine grosse Terzie, das andre eine grosse Sexte
heist. Man könte noch die Zahl 27 dreifach nehmen, aber die Musik geht
nicht so weit, und man schränkt sich auf die Zahl 27 ein, die aus der
3 entsteht, wenn man sie dreimal durch sich selbst multiplizirt; die andern
musikalischen Töne, die uns noch fehlen, werden durch die Zahl 5 eingeführt;
und die werde ich im folgenden Briefe aus einander sezzen. –" Seit.
16. 17. 18. 19. 20.
Ia-02-1778-0351
6) Von den zwölf
Tönen des Klaviers.
Ia-02-1778-0352
"Ich habe bemerkt,
daß die Zahl 2 nur die Oktaven giebt, so, daß z.B. wenn der Ton F
einmal festgesezt ist, wir auf die Töne f, f‘, f‘‘, f‘‘‘,
geführt werden. Ferner, die Zahl 3 giebt die Töne C,
c, c‘, c‘‘, c‘‘‘, die von jenen um eine Quinte verschieden sind:
und die Wie
Manuskriptseite
185.
derholung eben dieser
Zahl 3 giebt uns noch weiter die Quinten der ersten, die G,
g, g‘, g‘‘, g‘‘‘, sind; endlich sezt die dritte Wiederholung der
Zahl 3 noch die Töne D, d, d‘, d‘‘, hinzu. Da
nun die Grundsäzze der Harmonie an die Einfachheit gebunden sind, so scheinen
sie nicht zu erlauben, daß man die Multiplikation der Zahl 3 weiter treibe,
und also haben wir bisher nur noch die folgenden Töne für jede Oktave
F. G. c. d. f.
Ia-02-1778-0353
16. 18. 24. 27.
32. welche gewis noch keine sehr abwechselnde Musik zulassen. Aber nun
wollen wir noch die Zahl 5 einführen, und sehen, was für ein Ton das sein
wird, der 5 Schwingungen macht, indem der Ton F
nur eine macht. Nun macht der Ton f in derselben
Zeit 2, der Ton f‘ 4, und der Ton *c‘‘ 6. Der Ton also von dem die Rede ist, mus
zwischen f‘ und c‘‘ fallen;
und in der That ist er der, welchen die Tonkünstler
durch den Buchstaben a anzeigen, dessen Akkord
mit dem Ton f‘ eine grosse Terzie heist, und i*de*
eine sehr angenehme Konsonanz macht, da er in dem Verhältnis dieser ziemlich
kleinen Zahlen 4 zu 5 enthalten ist. Ferner macht der Ton a‘
mit dem Tonc‘‘ einen
Akkord, der in dem Verhältnis 5 zu 6 liegt, der beinah eben so angenehm
ist, und den man ebenfals eine kleine Terzie nent, so wie die, von der
wir oben geredet haben, die in dem
Manuskriptseite
186.
Verhältnis 27 zu
32 liegt; denn der Unterschied ist für das Ohr beinah unmerklich. Eben
diese Zahl 5, wenn man sie auf die andern Töne G, c,
d, anwendet, geben uns auf eben die Art ihre grossen Terzien, in
der zweiten Oktave drüber, das heist, die Töne h‘, e‘‘,
fs‘‘, die in die erste Oktave übergetragen, uns diese Töne mit
ihren Zahlen geben:
Ia-02-1778-0354
F.
Fis. G. A. H. c. d. e. f.
Ia-02-1778-0355
128.135. 144. 160.
180. 192. 216. 240. 256.
Ia-02-1778-0356
Man nehme den Ton
Fis weg, und man hat die Haupttasten des Klaviers,
die nach den Alten die Gattung, die die Diatonische heist, ausmachen;
und die von der Zahl 2, der Zahl 3 dreimal wiederholt,
und von der Zahl 5 herrührt. Wenn man auch keine andern als diese Töne
annimt, so kan man doch sehr schöne und sehr mannigfaltige Melodien komponiren,
deren Annehmlichkeit blos auf der Einfachheit der Verhältnisse beruhet,
die uns zu diesen Tönen geholfen haben. Endlich wenn man die Zahl 5 zum
zweitenmal anwendet, so bringt sie die Terzien von vier neuen Tönen A,
E, H, Fis, die wir oben gefunden haben,
hervor, und wir erhalten die Töne Cis, Gis, Dis, B,
so daß izt die Oktave gerade mit eben
Manuskriptseite
187.
den 12 Tönen ausgefült
ist, die in der Musik eingeführt sind. Alle diese Töne haben ihren Ursprung
vonaus
dendrei Zahlen 2, 3 und 5, indem
man die Zahl 2 so vielmal nimt, als es die Oktaven
verlangen; die Zahl 3 aber nur dreimal, und die Zahl 5 nur zweimal. Hier
sind also alle Töne der ersten Oktave durch die folgenden Zahlen ausgedrükt,
wo man die Zusammensezzung von jeder der Zahlen 2, 3 und 5 sieht:
Ia-02-1778-0357
C
| 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 3. . | 384 | Differ.
Ia-02-1778-0358
Cs
| 2. 2. 2. 2. 5. 5. . . . | 400 | 16
Ia-02-1778-0359
D
| 2. 2. 2. 2. 3. 3. 3. . . | 432 | 32
Ia-02-1778-0360
Ds
| 2. 3. 3. 3. 5. . . . . | 450 | 18
Ia-02-1778-0361
E
| 2. 2. 2. 2. 2. 3. 5. . . | 480 | 30
Ia-02-1778-0362
F
| 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. | 512 | 32
Ia-02-1778-0363
Fs
| 2. 2. 3. 3. 3. 5. . . . | 540 | 28
Ia-02-1778-0364
G
| 2. 2. 2. 2. 2. 2. 3. 3. . . | 576 | 36
Ia-02-1778-0365
Gs
| 2. 2. 2. 3. 5. 5. . . | 600 | 24
Ia-02-1778-0366
A
| 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 5. . | 640 | 40
Ia-02-1778-0367
B
| 3. 3. 3. 5. 5. . . . . | 675 | 35
Ia-02-1778-0368
H
| 2. 2. 2. 2. 3. 3. 5. . . | 720 | 45
Ia-02-1778-0369
c
| 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 3. | 768 | 48
Ia-02-1778-0370
Indem der Ton C
384 Schwingungen macht, so macht macht der Ton
Cis 400, und die übrigen so viel, als die beigeschriebenen
Zahlen anzeigen; so wird der Ton c in eben der
Zeit 768 Schwingungen machen,
Manuskriptseite
188.
welches gerade das
doppelte von 384 ist. Und für die folgenden Oktaven braucht man weiter
nichts als diese Zahl durch 2 oder 4 oder 8 zu multipliziren. So giebt
der Ton c‘ zweimal 768
oder 1536 Schwingungen, der Ton c‘‘ zweimal 1536
oder 3072, und der Ton c‘‘‘ zweimal 3072 oder
6144 Schwingungen. Um die Art und Weise wie die Töne aus diesen 3 Zahlen
2, 3 und 5 entstehen, zu begreifen, mus man bemerken, daß die zwischen
sie gesezten Punkte die Multiplikation bedeuten; so zeigt für den Ton
Fis der Ausdruk 2. 2. 3. 3. 3. 5 an, 2 mal 2 mal
3 mal 3 mal 5. Nun 2 mal 2 macht 4, und 4 mal 3 macht 12, und 12 mal 3
macht 36, 36 mal 3 macht 108, und 5mal 108 ist 540. Man sieht daraus,
daß die Unterschiede zwischen diesen Tönen nicht alle gleich sind, da
einige grösser, andre kleiner sind, und das erfordert auch die wahre Harmonie.
Aber da die Ungleichheit nicht beträchtlich ist, so sieht man gemeiniglich
alle diese Unterschiede als gleich an, und den
nent den Sprung eines jeden Tons auf den folgenden ein Semitonium; denn
man sagt, daß die Oktave auf die Art in 12 Semitonien getheilt sei. Viele
Tonkünstler machen sie auch in der That gleich, ob dies gleich den Grundsäzzen
der Harmonie entgegen ist. Denn auf diese Art ist keine Quinte und keine
Terzie volkommen richtig, und die Wirkung ist eben die, als wenn diese
Töne nicht rein gestimt wären. Sie geben auch
zu, daß man dieser genauen Richtigkeit entsagen
müsse, um den Vortheil der Gleichheit
Manuskriptseite
189.
unter allen Semitonien
zu erhalten, so daß die Transposition von einem Ton in den andern, in
den Melodien nichts ändere. Unterdessen gestehen sie selbst, daß wenn
man ein Stük aus dem C einen halben Ton höher
oder aus dem Cis spielt, dasselbe sehr beträchtlich
dadurch geändert wird, woraus klar ist, daß diese Semitonien, ob sich
gleich die Tonkünstler bemühen sie gleich zu machen, in der That nicht
alle gleich sind; weil die wahre Harmonie sich der Ausführung dieses Vorhabens
widersezt. Das ist also der wahre Ursprung der Töne, die heut zu Tage
im Gebrauch sind, und die aus den Zahlen 2, 3 und 5 hervorgebrachthergenommen sind. Wolte man noch die Zahl 7
einführen, so würde die Anzahl der Töne in einer Oktave grösser, und die
ganze Musik dadurch zu einem höhern Grad von Volkommenheit gebracht werden.
Aber hier überläst die Mathematik die Harmonie der Musik. –" Seit.
20. 21. 22. 23. 24.
Ia-02-1778-0371
7) Von der Atmosphäre
und dem Barometer.
Ia-02-1778-0372
"Nachdem ich gezeigt
habe, daß die Luft eine flüssige des Zusammensdrükkens fähige und schwere
Materie sei, so merke ich an, daß die ganze Erde von allen Seiten mit
Luft umgeben ist, die man die Atmosphäre nent.
Und es ist auch in der That unmöglich, daß irgend eine Gegend der Erde
von Luft leer sei, und daß sich über ihr gar nichts befinden, oder ein
völlig leerer Raum sein solte. Denn die Luft der benachbarten Gegenden,
da sie durch das Gewicht der obern Luft zusammengedrükt wird, und also
eine beständige Gewalt anwendet sich auszudehnen, würde den Augenblik
sich
Manuskriptseite
190.
durch jene Gegend
ausbreiten, und den leeren Raum ausfüllen. Also fült die Atmospähre den
ganzen Raum um die Erde an, und allenthalben trägt die untere Luft die
Last der obern, und wird von ihr zusammengedrükt. Nun wächst die Elasticität
der Luft, wenn man sie zusammendrükt, und jeder Grad des Zusammendrükkens
bringt einen gewissen Grad der Elasticität mit sich, in welchem die Luft
eine gleiche Gewalt anwendet sich auszudehnen. Also wird die Luft von
dem Gewicht der obern Luft beständig zusammengedrükt, bis zu dem Grade
wo ihre Elasticität der drükkenden Kraft gleich wird. Alsdann wendet die
Luft, ob sie gleich nur von oben gedrükt wird, vermöge ihrer Elasticität,
eine Gewalt an, sich nach allen Gegenden auszubreiten, nicht blos nach
unten, sondern auch nach den Seiten zu. Das ist auch die Ursache,
warum die Luft in einem Zimmer eben so stark zusammmengedrükt
wird als die äussere, welches manchen Philosophen so seltsam geschienen
hat. Denn, sagen sie, in einem Zimmer wird die untere Luft nur von der,
die im Zimer über ihr ist, zusammengedrükt.
Aber dieser Zweifel ist durch diese Eigenschaft der Luft, daß sie sich,
wenn sie zusammengedrükt wird, nach allen Seiten auszudehnen sucht, leicht
aufgelöst, und die Luft des Zimmers wird bald anfangs durch die äussere
Luft zu eben dem Stande des Zusammendrükkens und der Elasticität gebracht.
So also mögen wir uns in einem Zimmer oder in freier Luft befinden, wir
finden immer gleich stark zusammengedrükte Luft; vorausgesezt, daß es
in gleicher Höhe oder gleicher Entfernung vom Mittelpunkte der ErdeHöhe sei. Denn ich habe schon angemerkt, daß,
wenn man auf einen hohen Thurm oder einen hohen Berg steigt, die Luft
Manuskriptseite
191.
weniger zusammengedrükt
ist, weil alsdann das Gewicht der Luft über ihr kleiner ist. Verschiedne
Erscheinungen sezzen diesen Zustand des Zusammendrükkens der Luft ausser
Zweifel. Wenn man eine Röhre AB nimt, die am Ende
A zu ist, und man sie,
nachdem sie mit Wasser oder einer andern flüssigen Materie
gefült worden, umkehrt; so, daß das ofne Ende B
unten zu stehen komme, so wird nichts herauslaufen. Die Elasticität oder
der Druk der Luft, der gegen die flüssige Materie bei B
stöst, erhält sie in der Röhre. Aber sobald man die Röhre bei A
öfnet, so gleich fält die flüssige Materie herunter. Die Ursache ist,
weil die Luft alsdann auch gegen von oben auf
das Wasser drükt, und es also herunter treibt. Daraus sieht man, daß,
so lange die Röhre oben geschlossen ist, die Kraft der äussern Luft das
Wasser in derselben erh**t
erhielt. Sezt man nun diese Röhre in ein Gefäs, aus dem man durch eine
Luftpumpe die Luft weggenommen hat, so fält
das Wasser sogleich. *...*
Es ist also ausgemacht, daß es die Kraft der Luft ist, die das Gewicht
der flüssigen Materie in der Röhre erhält; und da diese Kraft eine bestimte
Grösse hat, so kan die Wirkung nicht einegewisse bestimte Grenze überschreiten. Man hat gefunden, daß,
wenn die Röhre AB, die mit Wasser angefült ist,
höher ist als 33 Fus, so bleibt das Wasser nicht
mehr oben hangen, sondern es läuft so viel heraus, bis nur auf 33 Fus
hoch Wasser zurükbleibt, und oben darüber bleib*
bleibt wirklich leerer Raum (nemlich von der Luft, nicht aber vom Äther.)
Also kan die Kraft der Luft das Wasser
Manuskriptseite
192.
in der Röhre nur
bis auf die Höhe von 33 Fus erhalten, und da dieselbe Kraft das Gewicht
der ganzen Atmosphäre
erhält, so schliest man daraus, daß die Atmosphäre so viel wiegt als eine
Säule Wasser von 33 Fus hoch. Wenn man anstat des Wassers Queksilber nimt,
das vierzehnmal schwerer ist, so ist die Kraft der Luft nur im Stande
es in der Höhe von ohngefähr 28 Zollen zu erhalten. Und wenn die Röhre
höher ist, so fält das Queksilber herunter, bis seine Höhe dem Druk der
Atmosphäre gleich komt. Eine solche Röhre oben zu und unten offen, mit
Queksilber gefült, ist eben das Instrument, das man einen Barometer nent;
und durch dieses hat man gesehen, daß die Atmosphäre
nicht immer gleich schwer sei. Denn man erkent ihre Schwere durch die
Höhe des Queksilbers im Barometer, die, wenn sie entweder wächst oder
abnimt, anzeigt, daß die Luft in unserm Dunstkreise um etwas schwerer
oder leichter geworden sei. Das ist die wahre Art der Anzeige des Wetters
durch den Barometer; und jedesmal da
es steigt oder fält, ist es ein sicheres Zeichen, daß das Gewicht oder
der Druk der Luft grösser oder kleiner werde. - - -" Seit.
38. 39. 40. 41.
Ia-02-1778-0373
8) Warum man
an allen Orten und zu allen Jahrzeiten auf sehr
hohen Bergen und in tiefen Kellern einen gleichen Grad der
Kälte empfindet.
Ia-02-1778-0374
"Das ist eine sehr
befremdende Erscheinung, daß allenthalben auf der Erde, wenn man bis auf
eine sehr grosse Höhe, z. E. von 24000 Fus kömt (vorausgesezt, daß das
möglich wäre) man einen gleichen Grad der Kälte empfindet, da indes hier
bei uns die Veränderungen der Wärme, nicht nur in
Manuskriptseite
193.
Ansehung der Himmelsstriche,
sondern auch an demselben Orte in den verschiedenen Jahrzeiten, so gros
sind. Diese Abwechselung bei uns unten wird ohne Zweifel durch die Sonne
verursacht; und es scheint, daß ihr Einflus in der Höhe und in der Tiefe
einerlei sein solte, besonders wenn wir bedenken, daß eine Höhe von 24000
Fus in Absicht auf die Entfernung der Sonne, die ohngefähr 30 Millionen
Meilen beträgt, schlechterdings nichts ist; ob sie gleich in Ansehung
unserer sehr gros ist, und selbst die höchsten Wolken übertrift. Das ist
also eine sehr erhebliche Schwürigkeit, die
man suchen mus aufzulösen. Zu dem Ende bemerke ich zuförderst, daß die
Sonnenstralen die Körper nur in so weit erwärmen, als die Körper ihnen
keinen freien Durchgang erlauben. Ew. H. wissen, daß man die Körper durchsichtige
Körper nent, durch die man die Gegenstände sehen kan. Solche Körper sind
das Glas, der Krystal, der Diamant, das Wasser, und verschiedene andre
flüssige Körper, obgleich die einen mehr oder weniger durchsichtig sind
als die andern. Ein solcher durchsichtiger Körper, wenn er an die Sonne
gelegt wird, wird davon nicht so warm als ein andrer nicht durchsichtiger
Körper, wie Holz, Eisen pp. Körper, die nicht durchsichtig sind, heissen
dunkle Körper; so zündet ein Brenglas, indem es die Sonnenstralen
durch sich hindurch läst, die dunkeln Körper an, und wird selbst nicht
warm. So wird das Wasser, wenn es an die Sonne gesezt wird, nur in so
weit ein wenig warm, als es nicht volkommen durchsichtig ist; und wenn
wir sehen, daß das Wasser an den Ufern der Flüsse ziemlich von der Sonne
erwärmt wird, so geschieht das blos, weil der Grund des Flusses, als
ein
Manuskriptseite
194.
dunkler Körper,
von den Stralen die das Wasser durchläst, erwärmt wird. Nun erwärmt jeder
warme Körper die, welche um ihn herum sind: also wird auch das
Wasser, von dem ich rede, durch den Boden erwärmt.
Aber ist das Wasser sehr tief, so daß die Stralen nicht bis auf dem Grund
kommen können, so merkt man beinahe keine Wärme, wenn auch die Sonne noch
so stark darauf scheint. Nun ist die Luft ein sehr durchsichtiger Körper,
und selbst in einem höhern Grade als das Glas
oder das Wasser; woraus folgt, daß die Luft von der Sonne nicht erwärmt
werden kan, weil die Stralen frei hindurch gehen. Alle Wärme, die wir
oft in der Luft empfinden, wird ihr blos von
den dunkeln Körpern, die durch die Stralen der Sonne erwärmt
sind, mitgetheilt, und wenn es möglich wäre, alle diese Körper zu vernichten,
so würde die Luft in ihrer Temperatur beinahe gar keine Veränderung durch
die Sonnenstralen leiden. Sie würde gleich kalt bleiben, sie möchte der
Sonne ausgesezt sein oder nicht. Unterdessen ist hier bei uns die Luft
nicht völlig volkommen durchsichtig: zuweilen
ist sie so mit Dünsten angefült, daß sie beinahe ihre Durchsichtigkeit
verliert, und uns nur einen Nebel sehen läst.
Und wenn die Luft sich in diesem Zustande befindet, so haben die Sonnenstralen
mehr Gewalt über sie, und können sie unmittelbar
erwärmen. Aber solche Dünste steigen nicht sehr hoch; und in der Höhe
von 24000 Fus und drüber, wird die Luft so fein und so rein, daß sie volkommen
durchsichtig ist, und daher können die Sonnenstralen
hier unmittelbar keine Wirkung auf sie thun. Von den Körpern
auf der Erde ist diese Luft auch zu weit entfernt, um von
Manuskriptseite
195.
ihnen Wärme mitgetheilt
zu bekommen; denn diese Mittheilung erstrekt sich nicht weit. Daraus werden
Ew. H. leicht einsehen, daß in den über die Oberfläche der Erde sehr erhabenen
Gegenden die Sonnenstralen keine Wirkung hervorbringen können, und daß
also hier beständig und allenthalben einerlei Grad von Kälte herschen
mus, weil die Sonne keinen Einflus auf sie hat, und die Wärme der Körper
auf der Erde sich nicht bis dahin mittheilen kan. Ohngefehr
so ist es auch auf hohen Bergen, wo es immer kälter ist als auf der Ebene
und in Thälern. Die Stadt Quito in Peru liegt beinahe unter der Linie,
und nach ihrer Lage zu urtheilen, müste die
Hizze unerträglich sein; gleichwohl ist die
Luft ziemlich gemässigt, und wenig von der zu Paris unterschieden. Nun
liegt diese Stadt auf einer grossen Höhe über der eigentlichen Oberfläche
der Erde. Wenn man von der See aus dahin reist, so mus man einige
Tage lang beständig steigen. Das Erdreich mus also dort eben so erhaben
sein als die höchsten Berge bei uns, ob es gleich
noch von sehr hohen Gebirgen, die man die Kordelieres
nent, eingeschlossen wird. Des leztern Umstandes wegen solte, wie es scheint,
die Luft dort eben so warm sein, als auf der Oberfläche der Erde, weil
sie allenthalben an dunkle Körper stöst, auf die die Sonnenstralen fallen.
Dieser Einwurf ist sehr stark; und es kan keine andere Ursache geben,
warum es nicht geschieht, als weil die Luft zu Quitto, da sie sehr hoch
ist, auch sehr fein und weniger schwer ist als bei uns, wie das Barometer
unwidersprechlich beweist, das dort einige Zol niedriger steht als bei
uns. Eine solche Luft aber kan nicht so viel Wärme annehmen als eine gröbere
Luft * weil sie
nicht so viel Dünste und andere
Manuskriptseite
196.
Theilchen, die gewöhnlicher
Weise in der Luft herum schwimmen, enthalten kan; wir wissen aber aus
der Erfahrung, daß eine sehr mit Dünsten angefülte Luft weit geschikter
ist warm zu werden. Ich kan noch eine ähnliche
Erscheinng hinzufügen, die nicht weniger befremdend ist; die nämlich:
daß in sehr tiefen Kellern oder noch tiefer, wenn es möglich wäre dahin
zu kommen, durchaus und beständig eben derselbe Grad von Wärme herschet.
Die Ursache ist ohngefähr eben dieselbe. Da die Sonnenstralen eigentlich
nur auf der Oberfläche der Erdkugel ihre Wirkung hervorbringen, von wo
aus sie sich in die Höhe sowohl als in die Tiefe mittheilen; diese Mittheilung
aber sich nicht weit erstrekken kan; so sind grosse Tiefen so wie grosse
Höhen schlechterdings unempfindlich dagegen. – – –" Seit.
50. 51. 52. 53. 54.
Ia-02-1778-0375
9) Ein neues System
von der Natur der Stralen und des Lichts.
Ia-02-1778-0376
"Ew. H. haben gesehen,
daß das System von dem Ausfliessen der Stralen
grossen Schwürigkeiten unterworfen ist; (diese Schwürigkeiten sind ohngefähr
diese: die Sonne müste endlich ihrer Grösse ohngeachtet abnehmen, wenn
sie immerfort eine
so erstaunende Menge Lichtstralen von ihr ausflössen; die Geschwindigkeit
der Lichtstralen läst sich aus dem System der Emanation nicht erklären;
die Stralen könten nicht durch durchsichtige Körper kommen, *...*
man müste denn annehmen, daß diese
Körper Poren haben, die in geraden Lienen von jedem Punkte
nach
Manuskriptseite
197.
allen Seiten hindurchgehen:
diesen aber widerspricht ihre Dichtigkeit u.s.w.)
und daß die Meinung von einer Leere, die den ganzen Raum zwischen den
himmlischen Körpern einnähme, auf keine Weise stat haben kan, weil wenigstens
die Lichtstralen selbst diesen Raum ganz ausfüllen würden. Man mus also
zwei Sachen zugeben, erstlich, daß die Räume zwischen den himlischen Körpern
mit einer feinen Materie erfült sind; zum andern, daß die Stralen nicht,
wie Newton angenommen hat, ein wirklicher Ausflus
aus der Sonne oder andern leuchtenden Körpern sind, durch die ein Theil
ihrer Substanz aus ihnen fortgestossen sind wird.
Diese feine Materie, die den ganzen Himmelsraum zwischen den himlischen
Körpern einnimt, ist der Äther, dessen äusserste Feinheit nicht in Zweifel
gezogen werden kan. Um uns davon eine Idee zu machen, dürfen wir nur die
Luft betrachten, die, da sie schon hier unten eine sehr feine Materie
ist, es doch noch immer mehr und mehr wird, je höher man steigt; und sich
endlich ganz verliert, oder sich vielmehr mit dem Äther vermischt. Der
Äther ist also auch eine flüssige Materie wie die Luft, aber unendlich
viel feiner und dünner; weil wir wissen, daß die himlischen Körper sich
in demsleben frei bewegen, ohne einen Widerstand zu finden. Ohne Zweifel
hat er auch eine Elasticität, durch die er sich bemüht, sich
nach allen Seiten auszubreiten, und in die Räume zu dringen, die leer
sein könten; auf die Art,daß, wenn der Äther durch einen Zufal
von einem Orte vertrieben wäre, der Äther aus
den umliegenden Gegenden sich den Augenblik dahin stürzen, und den Ort
von neuem erfüllen würde. Kraft dieser Elasticität ist der Äther nicht
blos oben
Manuskriptseite
198.
über unsrer Atmosphäre,
sondern er durchdringt sie auch allenthalben;
und schleicht sich auch in die Poren aller Körper ein, so daß er durch
diese Poren frei hindurch geht. So z. E. wenn man durch die Luftpumpe
die Luft aus einem Gefässe weggenommen hat, so darf man nicht glauben,
daß alsdann ein leerer Raum darinne sei. Der Äther ist es, der, indem
er durch die Poren des Gefässes hindurch geht, es in einem Augenblik anfült,
und wenn man eine ziemlich lange Glasröhre mit Queksilber fült, und sie
umkehrt, um ein Barometer daraus zu machen; so glaubt man, oben über dem
Queksilber sähe man einen leeren Raum, weil keine Luft durch das Glas
dringen kan; aber dieser blos scheinbare leere Raum ist gewis mit Äther
erfült, der ohne Schwierigkeit hineinkomt. – Es ist so gar wahrscheinlich,
daß der Äther noch weit elastischer sei als die Luft, und das eine Menge
Wirkungen in der Natur durch diese Kraft hervorgebracht werden. – Da wir
also im Vorhergehenden gesehen haben, daß die Luft eben durch diese Eigenschaften
geschikt wird, die Bewegungen oder die Schwingungen der schallenden Körper
anzunehmen, und sie nach allen Seiten zu verbreiten, wodurch eben die
Fortpflanzung des Schals geschieht: so ist es sehr begreiflich, daß der
Äther unter ähnlichen Umständen auch solche Erschütterungen annehmen,
und sie nach allen Gegenden auf die grösten Weiten fortsezzen könne. Wenn
uns nun die Erschütterungen der Luft den Schal verschaffen, was werden
wohl die Erschütterungen des Äthers hervorbringen? Ich glaube, Ew. H.
werden es leicht errathen, daß es das Licht oder die Lichtstralen sein.
Es scheint
Manuskriptseite
199.
demnach sehr gewis,
daß das Licht in Ansehung des Äthers eben das ist, was der Schal in Ansehung
der Luft; und daß die Lichtstralen nichts anders sind, als die durch den
Äther fortgepflanzten Schwingungen oder Erschütterungen; gerade so, wie
der Schal in Erschütterungen besteht, die durch die Luft fortgepflanzt
werden. Es komt also eigentlich nichts von der Sonne zu uns, so wenig
als von einer Glokke zu uns komt, wenn wir ihren Schal hören. Nach diesem
Lehrgebäude ist gar keine Gefahr, daß die Sonne, indem sie leuchtet, das
geringste von ihrer Substanz verliere; so wenig als eine Glokke von der
ihrigen verliert, wenn sie schalt. Was ich von der Sonne gesagt habe,
mus man von allen leuchtenden Körpern, wie z. E. der Flamme einer Wachskerze,
eines Lichts pp. verstehen. Ew. H. werden mir vielleicht einwenden, daß
diese Lichter auf der Erde sich nur alzuaugenscheinlich
verzehren, und daß, wenn sie nicht ohne Unterlas ernährt und unterhalten
werden, ihr Licht bald auslöscht; woraus also scheinbar wird, daß die
Sonne sich auf eine ähnliche Art verzehren müsse, und daß das Beispiel
von einer Glokke sehr übel angebracht sei. Aber man mus bedenken, daß
diese Feuer, ausserdem das sie leuchten, noch Rauch und eine Menge von
Ausdünstungen auswerfen, die man von den Stralen, welche leuchten, sehr
wohl unterscheiden mus. Nun verursachen der Rauch und die Ausdünstungen
ohne Zweifel einen sehr beträchtlichen Verlust, den man nicht den Lichtstralen
zuschreiben kan; und wenn sie sich von dem Rauche und den über
übrigen Ausdünstungen frei machen liessen; so würde die blosse Eigenschaft
des Leuchtens keinen
Manuskriptseite
200.
Abgang verursachen.
Man kan das Queksilber durch einen gewissen Kunstgrif leuchtend machen,
wie Ew. H. sich erinnern werden, gesehen zu haben, und durch dieses Licht
verliert das Queksilber schlechterdings
nichts von seiner Substanz; woraus man sieht, daß das blosse Licht keinen
Abgang in den leuchtenden Körpern verursacht. Also ob gleich die Sonne
die ganze Welt mit ihren Stralen erleuchtet, so verl*
verliert sie doch nichts von ihrer eigenen Substanz; indem ihr ganzes
Licht durch eine gewisse Bewegung und eine äusserst lebhafte und schnelle
Erschütterung in ihren kleinsten Theilen hervorgebracht
wird, die sich dem benachbarten Äther mittheilt, und von da nach allen
Seiten bis auf die grösten Entfernungen fortgepflanzt wird, eben so, wie
eine in Bewegung gesezte Glokke, der Luft eine ähnliche Erschütterung
mittheilt. Je mehr man diese Gleichförmigkeit zwischen den leuchtenden
und schallenden Körpern betrachtet; desto mehr findet man sie mit den
Erfahrungen übereinstimmend, da im Gegentheil das System von dem Ausfliessen
der Lichtstralen um desto widersprechender ist, je mehr man es mit
auf die Erscheinungen in der wirklichen Welt anwenden wil. – –" Seit.
51. 52. 63. 64.
Ia-02-1778-0377
10) Von der Fortpflanzung
des Lichts.
Ia-02-1778-0378
"Was die Fortpflanzung
des Lichts durch den Äther betrift, so geschieht sie auf eine ähnliche
Art mit der Fortpflanzung des Schals durch die Luft: und so wie in den
Theilen der Luft hervorgebrachte Erschütterung den Schal wirkt, so macht
eine Erschütterung in den kleinsten Theilen des Äthers
Manuskriptseite
201.
das Licht oder die
Lichtstralen aus. Es ist demnach das Licht nichts anders
als eine Bewegung oder Erschütterung in den kleinsten Theilen des Äthers;
und dieser befindet sich allenthalben, seiner äussersten Feinheit wegen,
vermöge welcher er alle Körper durchdringt. Unterdessen werden die Lichtstralen
von diesen Körpern auf mannigfaltige Art modificirt,
nachdem diese die Erschütterung entweder aufhalten oder weiter fortpflanzen.
Davon werde ich in der Folge weitläuftiger handeln;
jezzo schränke ich mich blos auf die Fortpflanzung
des Lichts im *...*
Äther ein, der alle die unmeslichen Räume zwischen allen himlischen
Körpern, ausfült. Das erste, was uns hierbei vorkomt, ist die erstaunliche
Geschwindigkeit der Lichtstralen, die ohngefähr 900,000 mal schneller
ist als die Geschwindigkeit des Schals, unerachtet dieser jede Sekunde
einen Weg von 1000 Füssen durchläuft. Schon diese erschrekliche Geschwindigkeit
wäre hinlänglich, das System der Emanation über
den Haufen zu werfen. In unserm System aber ist sie eine nothwendige Folge
unsrer Grundsäzze; und davon werden Ew. H. volkommen überzeugt werden.
Diese Grundsäzze sind die nämlichen mit denen, worauf die Fortpflanzung
des Schals durch die Luft beruht. Es hieng diese Fortpflanzung theils
von der Dichtigkeit der Luft, theils von ihrer Elasticität ab. Daraus
folgt, wenn die Dichtigkeit der Luft kleiner wäre, so würde die Geschwindigkeit
des
Manuskriptseite
202.
Schals vergrössert;
und wenn die Elasticität der Luft grösser würde, so würde die Bewegung
des Schals ebenfals beschleunigt werden. Würde also die Dichtigkeit der
Luft zu eben der Zeit kleiner, indem ihre Elasticität grösser wird: so
wäre ein doppelter Grund da, die Geschwindigkeit des Schals zu vermehren.
Wir wollen uns vorstellen, die Dichtigkeit der Luft würde so sehr verringert,
und ihre Elasticität so sehr vermehrt, daß sie der Dichtgkeit und der
Elasticität des Äthers gleich wäre: so würden wir uns alsdann nicht mehr
wundern, daß die Geschwindigkeit des Schals tausendmal grösser würde,
als sie jezt ist. Denn Ew. H. werden sich erinnern, daß nach den Begriffen,
die wir uns vom Äther gemacht haben, diese Materie ohne Vergleich dünner,
und auch ohne Vergleich elastischer sein mus, als die Luft; und diese
Eigenschaften helfen beide dazu, die Geschwindigkeit in der Fortpflanzung
der Bewegungen zu vergrössern. Nun wird also die erstaunliche Geschwindigkeit
des Lichts so wenig unwahrscheinliches haben, daß sie vielmehr volkommen
mit unsern Grundsäzzen übereinstimmen wird; und die Ähnlichkeit zwischen
dem Lichte und dem Schalle ist so ausgemacht, daß wir sicher behaupten
können, wenn die Luft eben so fein und zu gleicher Zeit eben so elastisch
würde als der Äther, so würde die Geschwindigkeit des Schals eben so schnel
sein, als die Geschwindigkeit des Lichts. Wenn man demnach fragt, warum
das Licht
Manuskriptseite
203.
sich mit einer so
ungeheuren Geschwindigkeit bewegt, so antworten wir, daß die Ursache in
der äussersten Feinheit des Äthers, zusammen genommen mit seiner erstaunlichen
Elasticität, liege; und daß, so lange der Äther
demselben Grad von Feinheit und Elasticität
behält, auch das Licht nothwendig sich mit demselben Grade von Geschwindigkeit
fortbewegen müsse. Nun kan man nicht zweifeln, daß der Äther durch den
ganzen Raum des Weltgebäudes einerlei Grad von Feinheit und Elasticität
habe; denn wäre der Äther an dem einen Orte elastischer als am andern,
so würde er sich, indem er sich mehr und mehr ausdehnte, nach diesem Orte
hinziehen, bis das Gleichgewicht wieder hergestelt wäre. Also müssen sich
auch die Stralen der Sterne eben so geschwind bewegen, wie die Stralen
der Sonne; weil die Sterne viel weiter von uns entfernt sind als die Sonne,
so brauchen auch ihre Stralen um so viel mehr Zeit, bis sie zu uns kommen.
So ungeheuer uns auch die Weite der Sonne scheinen mag, deren Stralen
in 8 Minuten zu uns kommen: so ist doch der Fixstern, der uns am nächsten
ist, 400,000 mal weiter entfernt als die Sonne. Ein Lichtstrahl demnach,
der von diesem Sterne ausgeht, braucht 400,000 mal 8 Minuten, ehe er bis
zu uns komt; diese Zeit beträgt 53,333 Stunden, oder 2222 Tage, oder ungefähr
6 Jahre. Wenn Sie also des Nachts einen Fixstern, und selbst den
allerglänzendsten, sehen, der wahrscheinlicher Weise auch der nächste
ist: so sind die Stralen, die in die Augen Ew. H. fallen,
Manuskriptseite
204.
um
den Stern darinnen abzubilden, schon vor 6 Jahren von dem Sterne ausgegangen.
So lange Zeit haben sie gebraucht, bis zu uns zu kommen. Und wenn Gott
jezzo einen neuen Fixstern in eben der Entfernung erschaffen wolte, so
würden wir ihn eher als nach 6 Jahren sehen,
weil seine Stralen nicht eher bis zu uns kommen könten. Und wären im Anfange
der Welt die Sterne ohngefähr zu gleicher Zeit mit dem Adam
erschaffen worden, so hätte er sie nicht eher als nach 6 Jahren sehen
können; selbst die nicht, die die nächsten sind; denn bei entferntern
hätte er desto längere Zeit warten müssen, ehe er sie gesehen hätte. Wenn
also Gott noch tausendmal entferntere Sterne erschaffen hätte, so würden
wir sie noch nicht sehen, so glänzend sie auch sein möchten, weil noch
nicht 6000 Jahr seit der Schöpfung verflossen sind. Jerusalem
hat diesen Gedanken in einer seiner Predigten vortreflich genüzt. Hier
ist die Stelle: " Steiget mit euren Gedanken von dieser Erde durch alle
die Weltkörper, die über euch sind, und gehet von den entferntesten, die
eure Augen entdekken können, bis zu denenjenigen hinauf, deren Licht vielleicht
von dem Anfange ihrer Schöpfung an noch nicht
bis izt nicht zu uns herunter gekommen ist! Die Unermeslichkeit des götlichen
Reichs leidet diese Vorstellung."– Seit.
65. 66. 67. 68.
Ia-02-1778-0379
11) Von der Grösse
der Welt. – Von der Natur und den Stralen der Sonne.
Manuskriptseite
205.
Ia-02-1778-0380
"Das, was ich von
der Zeit, die die Stralen der Sterne brauchen, bis zu uns zu kommen, Ew.
H. gesagt habe, ist in der That sehr fähig, uns von der Grösse und dem
Umfange der Welt einen Begrif zu machen. Die Geschwindigkeit des Schals,
der 1000 Füsse in einer Sekunde durchläuft,
verschaft uns beinahe das erste Maas; und diese Geschwindigkeit ist
200 mal grösser als die Geschwindigkeit eines Menschen, der ziemlich hurtig
geht. Nun ist die Geschwindigkeit der Lichtstralen 900,000 mal grösser
als des Schals seine; oder seine Stralen durchlaufen jede Sekunde einen
Weg von 900 Millionen Füssen, oder 37,500 deutsche Meilen. Welche ungeheure
Geschwindigkeit! Und doch ist von den Fixsternen der nächste so weit von
uns entfernt, daß seine Stralen, dieser ungeheuren Geschwindigkeit unerachtet,
6 Jahre brauchen, ehe sie zu uns kommen; und wäre es möglich, daß ein
grosser Schal, wie der von einem Kanonenschus, der in diesem Sterne entstünde,
bis zu uns könte fortgepflanzt werden, so müsten 5,400,000 Jahre verlaufen,
ehe wir diesen Schal gewahr würden. Dies ist nur blos von den glänzendsten
Sternen, die wahrscheinlicher Weise auch die nächsten sind, zu verstehen;
und es ist sehr glaublich, daß die kleinsten Sterne zehn und mehrmal weiter
von uns entfernt sind. Es wird also gewis ein ganzes Jahrhundert nöthig
sein, ehe die Stralen dieser Sterne bis zu uns kommen. Welche ungeheure
Entfernung, die erst in hundert Jahren, von einer Geschwindigkeit, die
jede Sekunde 37,500 deutsche Meilen durchläuft, zurük gelegt werden kan!
Wenn also jezzo ein solcher Stern vernichtet oder blos verfinstert würde,
so würden wir ihn dem unerachtet noch 100 Jahre lang sehen,
Manuskriptseite
206.
weil die lezten
Stralen, die von dem Sterne ausgegangen wären, erst am Ende dieser Zeit
bis zu uns gekommen sein würden. Man macht sich gewöhnlicher Weise zu
kleine und eingeschränkte Begriffe von der Welt; man denkt selten an die
Grösse dieses Weltbaues, und an die unzählbare Menge von Geschöpfen, die
so viel tausend Welten bewohnen – und an den Gott, der dieses alles gemacht
hat. – – Ich kehre wieder zu den grossen leuchtenden
Körpern, und insbesondere zur Sonne zurük. Gleich anfangs
fragt man, worinnen das Licht bestehe, das die Sonne beständig durch die
ganze Welt verbreitet; ohne den geringsten Abgang zu leiden. Die Antwort
kan nun nach dem System des Lichts, das ich
eben festgesezt habe, nicht mehr schwer sein, da sie hingegen in dem System
der Emanation schlechterdings unmöglich ist. Die ganze Welt ist mit dieser
äusserst feinen und elastischen Materie angefült, *
die man den Äther nent. Nun mus man sich in allen Theilen der Sonne eine
beständige Bewegung vorstellen, durch die jedes Theilchen sich in einer
immerwährenden Erschütterung und Schwingung befindet. Diese theilt sich
dem angrenzenden Äther mit, und erregt darinnen ein ähnliches Zittern,
daß hernach immer weiter und weiter nach allen Gegenden mit der Geschwindigkeit
fortgepflanzt wird, von der ich so weitläuftig geredet habe. Also um bei
der Vergleichung zwischen Licht und Schal zu bleiben, so würde die Sonne
einer Glokke ähnlich sein, die ohne Aufhören schlüge; es müssen nämlich
die kleinen Theile der Sonne beständig in derjenigen Bewegung erhalten
werden, die im Äther das
Manuskriptseite
207.
hervorbringt, was
wir Lichtstralen nennen. Nun ist uns noch die Schwürigkeit zu erklären
übrig, durch was für eine Kraft diese beständige Bewegungen den kleinsten
Theilen der Sonne unterhalten wird, da wir doch wissen, daß ein
angezündetes Licht nicht lange brennt, und bald
auslöschet, wenn es nicht immer durch brenbare Materien unterhalten wird.
Aber man kan zuerst bemerken, da die Sonne eine viel tausendmal grössere
Masse ist als die ganze Erde: daß, wenn sie einmal recht erhizt ist, die
Flammen viel hundert Jahr dauern können, ohne abzunehmen. Ausserdem ist
bei der Sonne nicht einmal der Fal, der bei unserer Art von Feuer oder
von Lichtern ist, bei diesen geht ein guter Theil ihrer Substanz durch
den Rauch und die Ausdünstung weg, welches einen sehr beträchtlichen Verlust
ausmacht. Bei der Sonne hingegen, gesezt auch, es sondern sich etwas von
ihr in Gestalt des Rauches ab, so ent entfernen
sich diese Theilchen nicht doch nicht sehr weit, und kehren sehr bald
wieder in die Masse der Sonne zurük; es geht also nichts wirklich verloren,
was eine Abnahme in der Substanz der Sonne veranlassen könte – –" Seit.
68. 69. 70. 71.
Ia-02-1778-0381
12) Fernere Erklärung
der leuchtenden Körper.
Ia-02-1778-0382
"Wenn die Sonne
ein leuchtender Körper ist, dessen Stralen sich ringsherum und nach allen
Seiten verbreiten: so werden Ew. H. nicht mehr zweifelhaft über die Ursache
dieser wunderbaren Er
Manuskriptseite
208.
scheinung sein,
die in der Erschütterung oder der Schwingung besteht, von der alle Theile
der Sonne bewegt werden. Die Vergleichung mit einer Glokke kan uns diese
Sache sehr gut erläutern. Aber das ist sehr natürlich, daß die Schwingungen,
die das Licht hervorbringen, weit lebhafter und schneller sein müssen
als die, aus denen der Schal entsteht; weil der Äther ohne Vergleich feiner
ist als die Luft. Da eine schwache Bewegung nicht im Stande ist, die Luft
so weit zu erschüttern, um einen Ton hervor zu bringen; so sind auf gleiche
Art die Bewegungen einer Glokke und der übrigen schallenden Körper für
den Äther zu schwach, die Erschütterung zu bewirken, die das Licht ausmacht.
Ew. H. werden sich erinnern, daß, um einen empfindbaren Schal zu erregen,
in einer Sekunde mehr als 30 und weniger als 3000 Schwingungen geschehen
müssen; weil die Luft zu fein ist, als das 30 Schwingungen eine merkliche
Veränderung in ihr hervorbringen solten; aber auf der andern
Seite zu grob, um 3000 Schwingungen zu bekommen. Ein so hoher Ton würde
sich endlich ganz verlieren. Nun ist es mit dem Äther eben so; und 3000
Schwingungen in einer Sekunde sind für den Äther viel zu grob und zu langsam.
Es gehören weit öftere Schwingungen und viele tausende in einer Sekunde
dazu, wenn sie im Stande sein sollen auf den Äther zu wirken, und eine
Erschütterung in ihm hervor zu bringen. Eine so schnelle Bewegung kan
nur in den kleinsten Theilen der Körper stat finden, die ihrer Kleinheit
wegen unsern Sinnen entgehen. Das Sonnenlicht wird also durch eine
Manuskriptseite
209.
äusserst schnelle
und lebhafte Bewegung in den kleinsten Theilen der Sonne hervor gebracht,
deren jeder sich viel tausendmal jede Sekunde erschüttern mus. Eine ähnliche
Bewegung ist auch die Ursache des Lichts, das die Fixsterne, und auch
dessen, das bei uns auf der Erde alle brennende Sachen von sich werfen,
wie z. E. die Lichter, die Wachskerzen, die Fakkeln pp. die der
uns in der Nacht die Stelle der Sonne ersezzen. Wenn Ew. H. die Flamme
eines Wachsstoks ansehen, so werden Sie leicht gewahr werden, daß eine
erstaunliche Bewegung in den kleinsten Theilen hersche; und ich glaube
nicht, daß von der Seite mein System einen Widerspruch finden werde,
da hingegen das Newtonische System eine ganz
ungeheure Kraft der Bewegung erforderte, um die kleinste Theile mit einer
Geschwindigkeit fort zu stossen, die 37,500 deutsche Meilen in
einer Sekunde durchliefe. – Dies ist die Erklärung von leuchtenden Körper.
– " Seit. 72. 73.
Ia-02-1778-0383
13) Widerlegung
der Newtonischen Meinung von der Art und Weise,
wie uns dunkle Körper sichtbar werden, (nämlich, indem sie die Stralen
zurük werfen.)
Ia-02-1778-0384
"Ich
sage: es läst sich schlechterdings nicht behaupten, daß, wenn wir einen
dunkeln von der Sonne erleuchteten Körper sehen, die Stralen von demselben
zurük geworfen werden, und daß wir eben durch diese zurük geworfene Stralen
die Körper sehen. Das Beispiel eines Spiegels, der unstreitig die Stralen
zurük wirft, und den man
Manuskriptseite
210.
anführt, um diese
Meinung zu erweisen, beweist vielmehr gerade das Gegentheil. Ohne Zweifel
wirft der Spiegel die Stralen, die auf ihn fallen, zurük. Aber wenn uns
diese zurük geworfene Stralen in unser Auge kommen; was bilden sie darinnen
ab? Ew. H. werden mir den Augenblik gestehen, daß nicht der Spiegel, von
dem diese Stralen zurük geworfen werden, das sei, was sie abbilden. Sie
bilden uns die Gegenstände ab, von denen sie ursprünglich ausgelaufen
waren; und die Reflexion thut nichts anders, als das sie den Ort verändert,
wo wir diese Gegenstände sehen. Wir sehen auch nicht diese Gegenstände
auf der Oberfläche des Spiegels, sondern vielmehr im Spiegel drinnen;
und man kan sehr wohl sagen, daß der Spiegel selbst uns unsichtbar
bleibe. Aber wenn wir einen dunkeln Körper ansehen,
den die Sonne erleuchtet: so sehen wir ja nicht die Sonne drinnen, sondern
wir sehen wirklich die Oberfläche dieses Körpers selbst mit allen seinen
Verschiedenheiten. Man erkennet also daraus einen wesentlichen Unterschied
zwischen den Stralen, die von einem Spiegel zurükgeworfen werden, und
denen, durch die wir die dunkeln Körper sehen. Aber noch ein andrer eben
so handgreiflicher Unterschied findet sich bei den Spiegeln. Denn wenn
wir die Gegenstände vor dem Spiegel, oder auch nur ihre Pläzze, oder unsre
eigne Stellung gegen sie ändern: so verändert sich der Anblik beständig;
und die vom Spiegel zurükgeworfene Stralen
stellen uns immer andere und andere Bilder vor, die sich nach der Beschaffenheit
und Lage der Gegen
Manuskriptseite
211.
stände, und nach
dem Orte wo wir stehen, richten. Und wie ich schon angemerkt habe, diese
Stralen geben uns niemals das Bild des Spiegels selbst. Nun aber, wenn
ein dunkler Körper von der Sonne, oder andern leuchtenden Körpern, oder
schon erleuchteten dunkeln Körpern erleuchtet wird, so mag dieser Körper
seine Stelle ändern wie er wil, der Anblik desselben ist immer derselbe.
Wir sehen immer einerlei Gegenstand, und wir werden nicht die geringste
Veränderung gewahr, die sich auf die gedachte
Verschiedenheit der Umstände bezöge. Das giebt mir demnach einen neuen
Beweis, daß wir die Körper nicht durch Stralen sehen, die von ihren Oberflächen
zurükgeworfen worden. Ich sehe hier einen Einwurf zum voraus, den man
von dem Halse der Tauben und gewissen Arten von Zeugen hernehmen wird,
die auf eine verschiedene Art erscheinen, nachdem man den Gesichtspunkt
ändert. Aber das schwächt meinen Schlus in Ansehung der gewöhnlichen dunkeln
Körper gar nicht, bei denen diese Abwechselung nicht stat findet. Denn
dieser Einwurf beweist weiter nichts, als daß
diese besondern Gegenstände gewisse eigenthümliche
Beschaffenheiten haben; z. E. diese, daß ihre kleinsten Theilchen sehr
glat und eben sind, und daß also eine wirkliche Zurükwerfung der Stralen
bei ihnen vorgeht, ausser der gewöhnlichen und algemeinen Veränderung,
durch die alle Körper uns sichtbar werden. Aber eine solche Zurükwerfung,
begreift man leicht, mus von der Art und Weise, wie die gewöhnlichen dunkeln
Körper erleuchtet sind, sehr wohl unterschieden werden. Endlich stellen
uns die von einem Spiegel zurük geworfne Strahlen auch alle Farben des
Körpers vor, von dem sie ursprünglich ausliefen, und der
Manuskriptseite
212.
Spiegel, wo die
Reflexion geschieht, ändert darin nichts. Ein dunkler Körper aber, der
durch einen andern Körper erleuchtet wird, mag erleuchtet werden auf was
für eine Art er wil; er zeigt uns allemal dieselbe Farben; und man kan
sagen, daß jeder Körper seine eigene Farbe habe. Dieser Umstand wirft
die Meinung derer um, die behaupten,
daß wir die dunklen Körper vermittelst der Stralen sehen, die von ihrer
Oberfläche zurük geworfen werden. – – " Seit. 79. 80.
81.
Ia-02-1778-0385
14) Andre Erklärung
wie uns dunkle Körper sichtbar werden.
Ia-02-1778-0386
"Alle Erscheinungen
bei den dunklen Körpern, die ich in meinem vorigen Briefe aus einander
gesezt habe, beweisen unwidersprechlich, daß, wenn wir einen erleuchteten
dunkeln Körper sehen, wir ihn nicht durch die von seiner Oberfläche zurükgeworfenen
Strahlen sehen, wir ihn sondern daß die kleinsten
Theile auf seiner Oberfläche sich wirklich in einer Bewegung befinden,
die der ähnlich ist, welche die kleinsten Theile der leuchtenden Körper
erschüttert; nur mit diesem Unterschiede, daß die Bewegung in den dunkeln
Körpern bei weitem nicht so stark ist, als die in den dunkeln
Körpern die von selbst leuchten; indem ein dunkler Körper, so hel erleuchtet
er immer sein mag, niemals im Auge einen so lebhaften Eindruk macht, als
die leuchtenden Körper. Da wir die dunkeln Körper
selbst, und gar nicht die Bilder der leuchtenden Körper sehen, wie doch
geschehen müste, wenn wir sie blos durch die Zurükwerfung der Stralen
sähen: so müssen also
Manuskriptseite
213.
die Stralen, durch
die wir sie sehen, ihnen eigen sein, und ihnen
eben so volkommen zugehören, wie die Stralen der leuchtenden Körper diesen
zugehören. Folglich, so lange ein dunkler Körper erleuchtet ist, so lange
befinden sich die kleinsten Theile
seiner Oberfläche in einer Bewegung, die fähig ist, in dem Äther die Art
von Schwingung hervorzubringen, die die Lichtstralen macht, und die in
unsern Augen das Bild des Gegenstandes abmalt. Zu diesem Ende müssen von
jedem Punkte der Oberfläche Stralen nach allen Gegenden auslaufen: und
dieses bestätigt die *...*
Erfahrung augenscheinlich. Denn wir mögen einen dunkeln Körper von einer
Seite ansehen von welcher wir wollen, so sehen wir ihn aus allen Orten
auf gleiche Art; daraus folgt, daß jeder Punkt
Stralen nach allen Seiten abschikken müsse. Dieser Umstand unterscheidet
diese Stralen wesentlich von den zurük geworfenen Stralen, deren Richtung
immer durch die Richtung der einfallenden Stralen bestimt wird; so daß,
wenn die Stralen nur von einer einzigen Gegend, wie z. E. von der Sonne
kommen, die zurükgeworfene Stralen auch nur
Eine Richtung haben können. Wir sehen also ein, daß, wenn dunkler Körper
erleuchtet wird, alle kleinsten Theile, die sich auf seiner Oberfläche
befinden, in eine gewisse Erschütterung gesezt werden, so wie wir gesehen
haben, daß das bei den leuchtenden Körpern geschieht.
Diese Erschütterung ist desto stärker, je heller das Licht ist, das sie
erleuchtet. – Das macht die Natur der dunkeln
Körper aus, daß ihre Theilchen von sich selbst
in Ruhe, wenigstens nicht in der Art von Bewegung sind, die dazu gehört
Lichtstralen hervor
Manuskriptseite
214.
zu bringen; aber
daß diese Theile zugleich so eingerichtet sind, daß, wenn von einem andern
leuchtenden Körper Stralen auf sie fallen, sie durch diese in die
Erschütterung und in die schwingende Bewegung gebracht werden können,
die zur Hervorbringung der Stralen geschikt ist. – –" Seit.
83. 84.
Ia-02-1778-0387
15) Fortsezzung
und Ende der vorigen Materie.
Ia-02-1778-0388
"Zuerst ist ohne
Zweifel nach der Verschiedenheit der Körper selbst, auch eine unendliche
Verschiedenheit unter den kleinsten Theilen dunkler
Körper. Es wird einige geben, die einer stärkern Schwingung fähig sind
als andere, und einige die gar keine annehmen können. Dieser Unterschied
zeigt sich nur gar zu deutlich in den Körpern. Ein Körper, dessen Theilchen
leicht den Eindruk der Stralen, die auf ihn fallen, annehmen, scheint
hel und glänzend; ein andrer hingegen, in dem die Stralen beinahe gar
keine Bewegung hervorbringen, scheint dunkel und finster. Unter mehrern
gleich erleuchteten Körpern werden Ew. H. immer einen grossen Unterschied
bemerken; die einen werden glänzender und heller sein als die andern.
Aber noch eine andere sehr merkliche Verschiedenheit unter den kleinsten
Theilen dunkler Körper mus es in Ansehung der Anzahl der Schwingungen
geben, die jeder in einer gewissen Zeit macht. Ich habe schon bemerkt,
daß diese Zahl immer sehr gros sein mus, und daß
die Feinheit des Äthers viele tausende in einer Sekunde erfordert. Aber
es kan doch noch unendliche Verschiedenheit geben, wenn gewisse Theilchen
z. E. 15000 Schwingungen in einer Sekunde machen, da andere nach dem Grade
ihrer Feinheit, ihrer Spannung und ihrer Elasticität nur 11000, 12000,
13000 machen,
Manuskriptseite
215.
so wie bei den Saiten
in der Musik, die Anzahl der gemachten Schwingungen ins Unendliche abwechseln
kan; und davon habe ich eben den Unterschied zwischen den hohen und tiefen
Tönen hergeleitet. So wie dieser Unterschied in den Tönen wesentlich ist,
und das Gehör davon auf eine so wesentliche Art gerührt wird, daß eben
auf diesem Unterschiede die ganze Harmonie in
der Musik beruhet: so kan man nicht zweifeln,
daß ein ähnlicher Unterschied in der Anzahl der Schwingungen der Lichtstralen
auch eine besondere Wirkung und einen wesentlichen Unterschied in der
Art des Sehens hervor bringen werde. Wenn z. E. ein Theil 10.000 Schwingungen
in einer Sekunde macht, und also Stralen von eben
der Art hervorbringt; so werden diese Stralen, wenn sie ins Auge kommen,
den Boden desselben, und die Nerven, die sich daselbst befinden, 10000mal
in einer Sekunde berühren; und diese Wirkung mus so wie die Empfindung,
die sie verursacht, ganz anders sein als die von einem andern Theilchen,
das mehr oder weniger Schwingungen in einer Sekunde macht. Es wird also
bei dem Gesicht einen Unterschied geben, der dem ähnlich ist,
welchen das Gehör zwischen tiefen und hohen Tönen bemerket. Ew. H werden
begierig sein zu wissen, worinnen dieser Unterschied sich beim Sehen äussert,
und ob wir in der That
die Gegenstände, deren Theile mehr oder weniger Schwingungen in einer
Sekunde machen, unterscheiden können. Darauf antworte ich Ew. H. daß es
die Verschiedenheit der Farben sei, die durch diesen Unterschied hervor
gebracht wird. – – – " Seit. 91. 92.
Ia-02-1778-0389
16) Verschiedenes
noch von Farben.
Ia-02-1778-0390
"Wenn man Weingeist
in einem Zimmer anzündet, so
Manuskriptseite
216.
wissen Ew. H. daß
die Flamme bläulicht ist, und daß sie also auch blaue Stralen hervorbringt.
Alle Personen nun, die im Zimmer sind, scheinen alsdan
blas und todenfarbig, so geschminkt oder so roth sie auch sein mögen.
Die Ursache ist augenscheinlich. Die blauen Stralen sind nicht im Stande,
die rothe Farbe auf dem Gesichte zu erregen oder in Schwingung zu bringen;
man sieht auf ihm nichts als eine schwache bläulichte
Farbe; aber dafür wird ein blaues Kleid, wenn jemand von der Geselschaft
ein solches hat, sehr hel und glänzend aussehen. Nun erleuchten die Stralen
der Sonne, die Stralen einer Wachskerze oder eines ordentlichen Lichts,
beinah alle Körper auf gleiche Weise. Daraus schliest man, daß die Sonnenstralen
alle Farben zusammen enthalten, ob sie gleich mehr gebleicht
aussehen. Und in der That, wenn man in ein verfinstertes Zimmer Stralen
von allen einfachen Farben, rothe, gelbe, grüne, blaue und violette, beinah
in gleicher Anzahl fallen, und sie sich in Einem Punkt vereinigen läst;
so entsteht daraus eine weislichte Farbe. Daraus macht man den Schlus,
daß die weisse Farbe nichts weniger als eine einfache Farbe sei;
sondern daß sie vielmehr aus der Vermischung aller einfachen Farben entsteht.
Wir sehen auch, daß das Weisse alle Farben gleich gut annehmen kan. Das
Schwarze ist eigentlich gar keine Farbe. Wenn die Theilchen eines Körpers
zu schwer sind, daß sie gar keine schwingende Bewegung annehmen; so ist
der Körper schwarz. Oder ein Körper, der keine Stralen hervorbringt, ist
schwarz. Der Mangel aller Stralen also bringt diese Farbe hervor; und
je mehr sich auf der Oberfläche eines Körpers solcher Theile finden; die
keiner schwingenden Bewegung fähig ist: desto dunkler und schwärzlichter
sieht er aus. –" Seit 95.
96.
Ia-02-1778-0391
17) Von der Durchsichtigkeit
der Körper.
Manuskriptseite
217.
Ia-02-1778-0392
"Ich habe schon
angemerkt, daß es gewisse Körper giebt, die die Lichtstralen durchlassen,
welche man durchsichtige nent, dergleichen das Glas, das Wasser und insbesondere
die Luft ist. Unterdessen ist eigentlich nur der Äther, das gehörige Mittel,
in welchem sich die Lichtstralen formiren. Andere Körper sind nur deswegen
durchsichtig, weil sie Äther in sich enthalten, und mit demselben so vermischt
sind, daß die Bewegungen, die durch das Licht darinnen hervorgebracht
werden, sich mittheilen und fortpflanzen können, ohne von den Körpern
aufgehalten zu werden. Aber dieser Durchgang
ist niemals so frei wie in dem reinen Äther
selbst, und es verliert sich immer etwas von der Bewegung, und um desto
mehr, je dikker der Körper ist. Die Dikke kan sogar so gros werden, daß
das ganze Licht sich darin verliert, und dan hört der Körper auf, durchsichtig
zu sein. Also, obgleich
das Glas an und für sich ein durchsichtiger Körper ist, so ist doch ein
grosses Stük von einigen Füssen in der *...*
Dikke, nicht mehr durchsichtig, und man kan nicht hindurch sehen. Eben
so mag das Wasser eines Flusses noch so rein sein; an den Orten, wo es
sehr tief ist, sieht man doch den Boden nicht, ob man ihn gleich da
sehen kan, wo es seichte ist. Eben so mag das Wasser
eines Flusses noch so *...* rein sein *...*
Also ist die Durchsichtigkeit nur eine Eigenschaft der Körper, die mit
ihrer Dikke proportionirt ist; und wenn man diese Eigenschaft dem Glase,
dem Wasser u.s.f. zuschreibt: so mus man es immer mit der Einschränkung
verstehen: wenn die Dikke dieser Körper nicht zu gros ist. Bei jeder
Gattung giebt es einen gewissen von Dikke, über
welchen hinaus der Körper nicht mehr durchsichtig ist. Im Gegentheil giebt
es keinen undurchsichtigen Körper, der nicht endlich durchsichtig würde,
wenn er zu einer ganz dünnen Platte gemacht
Manuskriptseite
218.
wird. So, obgleich
das Gold nicht durchsichtig ist, so sind doch die Goldblätchen durchsichtig;
und wenn man die kleinsten Theilchen aller Körper durch ein Vergrösserungsglas
ansieht, so findet man sie alle durchsichtig. Man könte also sagen, daß
alle Körper durchsichtig sind, wenn man sie nur dünne genug macht; und
daß im Gegentheil kein Körper durchsichtig ist, wenn er zu dikke wird.
Man nent aber nach dem Sprachgebrauch nur diejenigen Körper durchsichtig,
die diese Eigenschaft bis auf einen gewissen Grad der Dikke behalten,
wenn sie dieselbe auch bei einer grössern Dikke verlieren. Der Äther allein
ist, vermöge seiner Natur, volkommen und durchaus durchsichtig, und die
Grösse seiner Ausdehnung verhindert seine Durchsichtigkeit nicht im geringsten.
Die erschrekliche Weite der Fixsterne verhindert nicht, daß ihre Stralen
nicht bis zu uns kommen solten. Aber wenn unsre Luft, ob sie gleich volkommen
durchsichtig ist scheint, sich bis zum Monde
erstrekte, so würde sie alle ihre Durchsichtigkeit verlieren, und kein
einziger Stral der Sonne oder der übrigen himlischen Körper würde bis
zu uns durchdringen können; wir würden uns in
einer Ägyptischen Finsternis befinden. Die Ursache
davon fält in die Augen; und wir werden beim
Schal eben das gewahr, dessen Ähnlichkeit mit dem Lichte sich also in
aller Absicht bestätigt. Die Luft ist das natürliche Mittel, durch welches
sich der Schal fortpflanzt; aber die in der Luft erregten Erschütterungen
können auch die Theile andrer Körper in Bewegung
sezzen; und diese, indem sie dieselbe den innern Theilen mittheilen, können
den Schal durch den Körper selbst hindurch fortpflanzen,
wofern
Manuskriptseite
219.
er nicht zu dikke
ist. Es giebt also Körper, die in Ansehung des Schals eben das sind, was
die durchsichtigen in Absicht des Lichts; und diese
Eigenschaft haben eigentlich, in Absicht des
Schals, alle Körper, wenn sie nur nicht gar zu dikke sind. In der That
können Ew. H. in ihrem Zimmer beinahe alles hören was im Vorzimmer vorgeht,
wenngleich die Thüren verschlossen sind. Die Erschütterung der Luft in
dem Vorzimmer theilt sich den Wänden mit, durch diese dringt die Erschütterung
endlich bis ins Zimmer selbst, obgleich mit einigem Verlust. Nähme man
die Wände weg, so würde Ew. H. ohne Zweifel alles viel deutlicher hören.
Je dikker aber die Wände sind, desto mehr verliert der Schal beim Hindurchgehen
von seiner Stärke; und es könten die Wände so dik sein, daß man nichts
mehr von dem hörte, was ausserhalb vorgienge, wenn es nicht ein sehr heftiger
Schal, wie z. E. ein Kanonenschus, wäre. Dieses führt mich auf eine andre
Anmerkung, daß ein heftiger Schal durch Mauren
dringt, die für einen schwächern undurchdringlich
sind: und also um zu beurtheilen, ob eine Mauer einen gewissen Schal fortpflanzen
wird, mus man nicht blos auf die Dikke der Mauer, sondern auch auf die
Stärke des Schals Acht haben. Ist der Schal sehr schwach, so ist auch
eine sehr dünne Mauer im Stande, ihn aufzuhalten, ob sie gleich einen
stärkern fortpflanzen könte. Eben so ist es mit den durchsichtigen Körpern,
die einem starken Lichte den Durchgang erlauben, und durch die man doch
weniger glänzende Gegenstände nicht sehen kan. Wenn man ein
Glas mit Rauch schwärzet, so sieht man die nicht sehr hellen Gegenstände
nicht mehr hindurch, aber die Sonne sieht man deutlich. Dies ist das Mittel,
dessen sich die Astronomen bedienen, die Sonne zu beobachten, die sonst
die Augen blenden würde. Und wenn man sich in einem dunkeln Zimmer befindet,
wo die Sonne nur durch eine Öfnung im Fensterladen hinein kan, so mag
man
Manuskriptseite
220.
immerhin die Hand
vor die Öfnung halten, die Sonne wird doch durchscheinen. Unterdessen
sieht man doch, daß das Sonnenlicht viel von seinem Glanze bei dem Durchgange
durch einen solchen Körper, der in Vergleichung mit andern nicht einmal
durchsichtig ist, verliert. Aber ein sehr starkes Licht kan viel von seinem
Glanze verlieren, ehe es völlig verlischt; da sich hingegen ein schwächeres
bald verliert. So ist ein sehr dikkes Stük Glas für nicht sehr helle Gegenstände
nicht durchsichtig, aber die Sonne kan man doch hindurch sehen. –" Seit.
97. 98. 99. 100.
Ia-02-1778-0393
18) Von der Brechung
der Stralen von verschiednen Farben.
Ia-02-1778-0394
"Ich wil izt durch
ein Exempel die Brechung der Stralen von verschiednen Farben **
erläutern. Wenn PC ein Stral ist, der
z. E. aus dem Glase ins Wasser fährt, so wird,
wenn der Neigungswinkel PCE ist, der gebrochene
Stral sich dem Perpendikul CF nähern; und ist
der Stral roth, so wird der gebrochene C – roth;
ist er orange, so wird er C – orange
sein; und so mit den übrigen, wie man es in der Figur sieht.
Manuskriptseite
221.
Alle diese Stralen
entfernen sich von der Linie CQ, die die Verlängerung
von PC ist, gegen den Perpendikul zu. Aber der
rothe Stral entfernt sich am wenigsten von CQ,
oder wird am wenigsten gebrochen; die violette entfernt sich am wenigsten
meisten, und bekomt die gröste Biegung. Ist
nun PC ein Sonnenstral, so bringt er alle die
angezeigten gefärbten Stralen zugleich hervor: und wenn ein Blat Papier
dagegen hält, so sieht man darauf wirklich alle Farben; daher man sagt,
daß jeder Sonnenstral alle einfache in sich
enthalte. Eben das geschieht, wenn PC ein weisser
Stral ist, oder von einem weissen Körper komt. Man sieht aus ihm durch
die Brechung alle Farben entstehn; und daraus schließt man, daß die weisse
Farbe ein Gemisch von allen einfachen Farben sei.In der That darf man nur alle diese gefärbte
Stralen in einem Punkt vereinigen, so sieht man die weisse Farbe wieder
entstehen. Durch die Brechung also werden wir gewahr, welches die wirklich
einfachen Farben sind. Sie folgen in den gebrochenen
Stralen in der Ordnung auf einander: 1) der rothe, 2) der orange, 3) der
gelbe, 4) der grüne, 5) der blaue, 6) der violette Stral. Aber man darf
nicht glauben, daß es nicht mehr wie sechs Farben gäbe;
denn da das Wesen einer
jeden in einer gewissen Zahl der Schwingungen,
die in einer bestimten Zeit geschehen, besteht, so ist es klar, daß die
Zahlen, die dazwischen liegen, ebenfals einfache
Farben geben. Aber es fehlt uns an Worten, diese Farben zu bezeichnen.
So sieht man in der That zwischen dem Gelben und dem Grünen, mitlere Farben,
aber die keinen besondern Namen haben. Auf eben diesem Grunde beruhen
die Farben im Regenbogen. Die Sonnenstralen werden, indem sie durch die
Regentropfen, die zu der Zeit in der Luft sind, hindurch gehen, von ihnen
zurükgeworfen und gebrochen;
Manuskriptseite
222.
und die Brechung
löst sie in ihre einfachen Farben auf. Ew. H. werden ohne Zweifel bemerkt
haben, daß diese Farben im Regenbogen in eben der Ordnung auf einander
folgen: das Rothe, das Orange, das Gelbe, das Grüne, das Violette; aber
wir finden auch darinnen alle Zwischenfarben, die gleichsam die Übergänge
von einer Farbe zur andern sind; und wenn wir mehr Benennungen hätten,
diese verschiednen Grade zu unterscheiden, so würden wir auch mehr verschiedne
Farben von einem Rande des Regensbogens bis zum andern zählen können.
Vielleicht giebt es Nationen, deren Sprache in diesem Stükke reicher ist,
und die also wirklich mehr verschiedne Farben bemerken können; vielleicht
zählen andere wieder weniger, wenn ihre Sprache z. E. kein Wort hätte,
das Orange auszudrükken. Einige sezzen noch die Purpurfarbe hinzu; die
man in der That am Rande des Rothen bemerkt,
und die andere mit unter dem Namen des Rothen begreifen.
Ia-02-1778-0395
C.
D. E. F. G. A. B.
Ia-02-1778-0396
Man kan diese Farben
mit den Tönen einer Oktave vergleichen, so wie ich sie hier vorgestelt
habe, weil die Farben sich eben sowohl als die Töne durch Zahlen ausdrükken
lassen. Es scheint sogar, daß wenn man das Violette
noch weiter erhöht, man zu einem neuen Purpur komt, gerade so, wie man
in Stimmen, wenn man über B hinausgeht, wieder
zum c komt; welches die Oktave über C
ist. Und wie man in der Musik diesem Thon seiner
Ähnlichkeit wegen eben den Namen giebt; so ist es auch mit den Farben,
die, wenn sie durch die Intervalle eine Oktave hinauf gestiegen
sind, wieder dieselben Namen bekommen, indem sie, wie die Töne, eine gerade
doppelte Schwingungen machen, als die andere.
–" S. 105. 106. 107. 108.
Manuskriptseite
223.
Ia-02-1778-0397
19) Vom Stern im
Auge.
Ia-02-1778-0398
"Der Stern ist diejenige
dunkle Öfnung in der Iris oder Traubenhaut, durch welche die Stralen in
das Inwendige des Auges kommen. Je grösser die Öfnung ist, desto mehr
Stralen können ins Auge kommen und auf dem Nezze das Bild, das man darauf
abgemalt sieht, formiren: also wird dieses Bild
desto heller sein, je ofner das der Stern ist.
Man darf nur die Augen eines Menschen genau betrachten, so wird man den
Stern bald grösser bald kleiner werden sehen. Man bemerkt durchgängig,
daß der Stern sich zusammenzieht, wenn man sich in einem sehr hellen Licht
befindet, und daß er hingegen sich wieder öfnet, wenn man in einen weniger
erleuchteten Ort komt. Diese Veränderung ist zur Volkommenheit des Gesichts
sehr nothwendig. Wenn wir in sehr hellem Lichte sind, so ist, da die Stralen
stärker sind, eine kleinere Anzahl derselben hinlänglich, die Nerven unsers
Nezhäutchens in Bewegung zu sezzen; und der Stern ist also alsdann enger.
Wäre er weitergeöfnet und liesse also eine grössere Menge Stralen hinein,
so würde ihre Stärke die Nerven zu sehr erschüttern, und also Schmerz
verursachen. Das ist die Ursache, warum wir nicht in die Sonne sehen können,
ohne geblendet zu werden, und ohne einen sehr merklichen Schmerz
in dem Innersten des Auges zu empfinden. Wäre es uns möglich den Stern
noch weiter zusammen zu lassen ziehen , um nur
eine noch geringere Anzahl von Stralen zuzulassen, so würden wir keine
Beschwerde mehr fühlen; aber dieses Zusammenziehen des Sterns
hängt nicht von unserm Willen ab. Die Adler haben den Vorzug,
daß sie gerade in die Sonne sehen können, aber
Manuskriptseite
224.
man wird auch gewahr,
daß ihr Stern sich alsdann so sehr zusammenzieht, daß er beinahe nur ein
Punkt zu sein scheinet. So wie eine grosse Helle eine sehr kleine
Eröfnung des Sterns erfordert: so mus er sich hingegen um desto mehr erweitern,
je mehr das Licht abnimt; und im Finstern öfnet
er sich so sehr, daß er beinahe den ganzen Raum der Iris einnimt. Bliebe
die Öfnung eben so klein als im Hellen, so würden die schwachen Stralen,
die alsdann ins Auge kommen, nicht im Stande sein, die Nerven so weit
in Bewegung zu sezzen, als zum Hervorbringen der Empfindung nöthig ist.
Von so schwachen Stralen gehört eine grössere Menge dazu, um eine merkliche
Wirkung im Auge zu thun. Wenn es uns möglich wäre den Stern noch weiter
zu öfnen, so würden wir auch in einer ziemlich grossen Finsternis sehen
können. Man führt bei dieser Gelegenheit das Beispiel eines Menschen an,
dem nach einem Schlage, den er ins Auge bekommen hatte, der Stern dergestalt
erweitert wurde, daß er in der grösten Dunkelheit lesen und schreiben
konte. Die Kazzen und verschiedne andre Thiere, die ihre Züge im Finstern
thun, haben die Fähigkeit, ihren Stern viel mehr zu erweitern als die
Menschen. Und die Nachteulen haben ihren Stern beständig so sehr eröfnet,
daß sie auch ein mässiges Licht nicht ertragen können. Daß aber der Stern
des Menschen sich erweitert und zusammenzieht, das ist keine Handlung
seines Willens; sondern sobald er sich in einem sehr erleuchteten Ort
befindet, so zieht sich der Stern von selbst zusammen; und komt er wieder
in einen weniger hellen oder dunkeln
Ort, so erweitert er sich. – – –" Seit. 146. 147. 148.
Manuskriptseite
225.
Ia-02-1778-0399
XVII.
Ia-02-1778-0400
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des vierten Bandes erstes Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1767.
Ia-02-1778-0401
1) Von Vergleichungen.
Ia-02-1778-0402
"Vergleichungen
unterrichten entweder den Verstand, oder ergözzen
das Herz. Sie müssen sich immer mit der verglichenen
Sache in einem Umstande vereinigen, der sie
einer Ähnlichkeit oder eines Kontrastes fähig macht. Daher der Gegenstand
eines Sinnes mit dem Gegenstand eines andern nicht verglichen werden kan.
Der beste Vorrath zu Vergleichungen liegt in den Gegenständen des Gesichts.
– Gleichnisse, die sich auf die schwächsten und entferntesten Ähnlichkeiten
gründen, können wohl in der Kindheit der Poesie, durch eine Wirkung der
Neuheit gefallen, fallen aber bei mehrerer Feinheit
des Geschmaks in Verachtung, welches mit Exempeln aus den ältesten Poesien,
dem Hoheliede Salomons,
und dem Fingal bestätigt
wird. Dinge von derselben Art zu einem Gleichnisse zu brauchen,
oder Dinge von verschiednen Arten in einen Kontrast zu bringen, thut keine
gute Wirkung. Abstrakte Worte können nie der Gegenstand einer Vergleichung
sein, wenn sie nicht personificirt werden. Dinge, welche nichts ähnliches
oder entgegengeseztes in sich selbst haben, können sehr feine Vergleichungen
geben, wenn sie in Ansehung ihrer Wirkungen mit einander verglichen
werden. – Sol die Vergleichung das Herz ergözzen: so mus sie durch die
Vorstellung irgend einer unbekanten Ähnlichkeit oder eines unbekanten
Kontrasts angenehm werden, oder sie mus den Gegenstand in ein star
Manuskriptseite
226.
kes Licht stellen,
es sei nun durch die Ähnlichkeit, wo auch niedrige Bilder stat finden,
wenn der Hauptgegenstand in Absicht auf die Zahl in ein starkes Licht
gesezt wird, oder es sei durch den Kontrast; oder ferner sie mus den Hauptgegenstand
mit angenehmen Gegenständen verbinden, welches der
Erzählung mehr Mannigfaltigkeit durch neue Bilder giebt, und kurze Episoden
macht, die durch ihre Schönheit und Mannigfaltigkeit
grosses Vergnügen erwekken: eine Kunst, darin Milton
so vortreflich ist, (und die auch wirklich dem epischen Gedichte am
meisten angemessen ist;) oder sie mus den Gegenstand durch Ähnlichkeit
oder durch Kontrast vergrössern und erheben, oder endlich, wenn er verhast
und unangenehm ist, verkleinern und erniedrigen. - - - -" Seit.
188. 189. 190.
Ia-02-1778-0403
2) Von der Personifikation
oder Prosopopöie.
Ia-02-1778-0404
"Die Seele ist geneigt,
unbelebten Dingen Empfindung beizulegen, wenn
diese gewaltsame Handlung zur Befriedigung einer Leidenschaft nöthig ist.
Ein neues Beispiel von der Gewalt der Leidenschaften über unsre Meinungen.
Klagende Leidenschaften werden durch nichts als durch die Sympathie anderer
befriedigt; und sind sie stark, so verwandeln sie selbst unbelebte Dinge
in sympathisirende Wesen. Auch das Schrekken hat diese Wirkung. So theilt
auch der Mensch seine Freude den Gegenständen mit, die um ihn sind. Diese
Leidenschaften machen volständige Personifikationen, d.h. solche, welche
wenigstens auf einen Augenblik eine wirkliche
Überzeugung von einem Leben und einer Vorstellungskraft
der sonst unbelebten Gegenstände voraussezzen. Die beschrei
Manuskriptseite
227.
bende Poesie bedient
sich aber auch unvolständiger Personifikationen, welche mehr zur Sprache
des Dichters, als der Leidenschaft, gehören, und so wohl ein Geschöpf,
als Gegenstand der Einbildungskraft allein sind. Abstrakte Worte und Handlungen,
und alles, was vor und an sich der Seele kein Bild giebt, werden daher
oft in Werken, die an die Einbildungskraft gerichtet sind, personificirt.
Die passionirte Personifikation kan aber nicht von jeder Leidenschaft
hervorgebracht werden. Niederschlagende Leidenschaften sind ihr zuwider,
und zu ernsthaft und zu streng für sie; sie mus auch
genau in den Gränzen bleiben, daß sie die Leidenschaft befriedigt, über
diese Gränze hinaus gedehnt, wird sie fehlerhaft, ja oft lächerlich. Die
beschreibende oder unvolständige Personifikationen findet in der simpeln
Erzählung und bei niedrigen Gegenständen gar nicht stat; sie mus auch
gehörig vorbereitet werden, wenn sie schiklich sein, und ihre Wirkung
thun sol; sie mus nicht weiter getrieben werden, als so weit sie dienen
kan, das Subjekt zu beleben; und sie kan endlich nicht geschwind genug
geendiget werden, da hingegen der Enthusiasmus der Leidenschaft die passionirte
Personifikation verlängern kan. –" Seit. 191. 192.
193.
Ia-02-1778-0405
3) Von der Hyperbol.
Ia-02-1778-0406
"Das Erstaunen über
das ausserordentliche
eines Gegenstandes zeigt uns ihn in einem falschen Lichte, so lange die
Bewegung dauert; ein Skribent, der sich diese natürliche Verblendung zu
Nuzze macht, bereichert seine Beschreibung durch die Hyperbol, die auch
dem kaltsinnigsten Leser gefält, weil er sieht, daß es die Wirkung der
Natur in einer feurigen Einbildungskraft ist. Man ist gemeiniglich
glüklicher durch die Hyperbol zu vergrössern, als zu verkleinern; weil
ein kleiner Gegenstand die Seele
Manuskriptseite
228.
einzieht, und die
Einbildungskraft fesselt; ein grosser hingegen sie erweitert und entflammet
und zur Vergrösserung leichter verführt. Die Hyperbol schikt sich gar
nicht und ist ganz unnatürlich in der Beschreibung gewöhnlicher Dinge;
bei einer niederschlagenden Leidenschaft, besonders
der Betrübnis; ferner, wenn sie nicht vorbereitet ist; (es müste sie
denn der Enthusiasmus der Leidenschaft auch ohne Vorbereitung schiklich
machen,) wenn sie nicht in so wenig Worte, als möglich, eingeschlossen
ist: ihre natürliche Gränzen aber sind schwer zu bestimmen. –" Seit.
193.
Ia-02-1778-0407
4) Von der Figur,
die bei Gegenständen, welche in Verhältnissen stehen, die Eigenschaften
des einen dem andern mittheilt. - -
Ia-02-1778-0408
"Diese benante Figur
haben die Kunstrichter nicht bemerkt, sie hat also auch noch keinen Namen.
Beispiele davon sind, schwindliches Ufer, frölicher Wein,
Kühne Wunde u.s.w. Die Seele geht in einer Reihe verbundner Gegenstände,
z. E. der Ursach und Wirkung, des Ganzen und seiner Theile und umgekehrt,
sanft fort, und ist geneigt, die Eigenschaften des einen
auf den andern mit fortzurükken, besonders, wenn sie durch diese Eigenschaften
einigermassen erhizt wird. Aus dieser Quelle entsteht gegenwärtige Figur,
welche eine Folge von der Volkommenheit einer Sprache ist, die auch den
flüchtigen Hängen und feinern Gefühlen Ausdruk geben kan. – –" Seit.
194.
Ia-02-1778-0409
5) Von der Metapher
und der Allegorie.
Ia-02-1778-0410
"Eine Metapher ist
von einem Gleichnisse nur in der Form, nicht
im Wesen verschieden. Im Gleichnisse werden zwei Subjekte einander gegen
über gestelt; in der Metapher wird eins in das Bild und den Ausdruk des
andern gekleidet. Das Vergnügen, das sie uns giebt, liegt in der Ähnlichkeit
beider Gedanken, und in dem neuen doch passenden Namen und Ausdrukke,
der dem einen Gedanken, von dem andern entlehnt, ertheilet wird. Die Allegorie
ist von der Metapher darin unterschieden, daß sie nicht ein Ding unter
Manuskriptseite
229.
dem Bilde des andern
vorstelt; sondern ein Subjekt nach seinen Eigenschaften und Umständen
beschreibt, welche den Eigenschaften und Umständen des Hauptsubjekts ähnlich
sind, und dieselben vorstellen sollen. Das Hauptsubjekt wird auf diese
Weise entfernt gehalten; man überläst dem Leser, es durch Nachdenken
zu entdekken, den diese Entdekkung ergözt, weil sie sein eigen Werk ist.
Mit einem Worte, die Allegorie ist in jeder Absicht der hieroglyphischen
Mahlerei ähnlich, mit dem einzigen Unterschiede, daß sie stat der Farben
Worte *...* braucht.
Ihre Wirkungen sind völlig dieselben. – Von Lange
Allegorien geben niemals ein dauerhaftes Vergnügen, weil man die Bedeutung
des Ganzen nicht lebhaft übersehen, und die Bedeutung ihrer einzelnen
Theile nicht behalten kan. – Es giebt nichts mehr Vergnügen, als die Allegorie,
wenn das vorstellende Subjekt in allen seinen
Umständen demjenigen, das vorgestelt wird, analogisch
ist. Zugleich aber behauptet der V. (Home) auch
mit Grunde; daß man selten eine so glükliche Wahl treffe, sondern
die Analogie meistens so schwach und dunkel sei, daß sie mehr verwirre
als ergözze. Dahero ist die Allegorie in der
Mahlerei noch schwerer als in der Poesie; denn jene kan nur solche Ähnlichkeiten
zeigen, die ins Auge fallen, da diese weit mehr Mittel hat, die Ähnlichkeit
zu zeigen. Ferner, ist die Mischung des Historischen und der Allegorie
in der Mahlerei ganz unerträglich; es bringt eine Mishelligkeit
in den Theilen hervor, und wirft eine Dunkelheit aufs Ganze. Und diese
Mischung tadelt der V. an der Geschichte der Maria
von Medicis, die Rubens
im Luxenburg zu Paris
gemahlt.darin Die
historische Wahrheit leidet so sehr von dieser Einmischung der Allegorie,
daß man immer gestört wird, diese mit so starken Farben, von Rubens geschriebene Geschichte mit ihrem
Zusammenhange zu lesen, und das interessante derselben
mit seiner ganzen Aufmerksamkeit zu fassen. – –" Seit.
194. 195. 196.
Manuskriptseite
230.
Ia-02-1778-0411
6) Etliche Bemerkungen
bei den Erzählungen und Beschreibungen.
Ia-02-1778-0412
"In der Erzählung
und Beschreibung müssen dem Leser solche volständige
Bilder gegeben werden, daß er sich selbst vergist, und durch ein Bezauberung
an den Ort selbst, und in die Zeit der Begebenheit versezt, und gleichsam
in einen Zuschauer verwandelt wird, unter dessen Augen die ganze Sache
vorgeht. Daher mus der erzählende Theil eines epischen Gedichts in der
Lebhaftigkeit und Richtigkeit seiner Schilderungen mit der Mahlerei weteifern;
u.s.w. VoltairensHenriade fehlt gewaltig
wider diese Regel. Jeder Vorfal wird nur überhaupt berührt, ohne daß sich
der Dichter jemals in die Umstände einläst. Diese Manier ist in einer
algemeinen Geschichte gut, aber in einer Fabel,
die einen ganz andern Endzwek hat, ist sie frostig und uninteressant.
Oft thut ein einzelner, glüklich gewählter Umstand mehr Wirkung, als die
mühsamste Beschreibung. – Einen Karakter zu zeichnen, ist das Meisterstük
der Beschreibung. –– Der Ton des Ausdruks in
der Beschreibung mus dem Subjekt gemäs gestimt sein; das erhabene erhaben,
das gemeine gemein, das ernsthafte und wichtige simpel und nervigt u.s.w.
ausgedrukt werden. – Skribenten von der niedrigern
Klasse ruhen nie von der Anstrengung, ihr Subjekt durch Vergrösserungen
und Superlative zu vergrössern und zu beleben. Zum Unglük verleiten sie
den Leser durch den Kontrast dieses überspanten Tons mit dem Subjekt,
noch schlechter von dem Subjekt zu denken, als es verdienen mag. Als schlechte
Wirthe erschöpfen sie überdem ihren Vorrath, daß sie für wichtige Dinge
keinen Nachdruk übrig behalten. ( Wie wahr und wie lehrreich ist diese
Anmerkung für unsre Dichter und beinahe für
Manuskriptseite
231.
alle unsre Redner!
) – Skribenten von Genie wissen, daß es der beste Zugang zum Herzen ist,
den Leser zum Augenzeugen zu machen. Sie stellen daher jedes Ding so vor,
als ob es vor unsern Augen vorgienge; sie machen alles dramatisch und
individuel, und verwandeln den Leser in einen
Zuschauer. ––" Seit. 197. 198. 199.
Ia-02-1778-0413
XVIII.
Ia-02-1778-0414
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des vierten Bandes zweites Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1769.
Ia-02-1778-0415
1) Von der symbolischen
Erkentnis.
Ia-02-1778-0416
"Den vornehmsten
Nuzzen der Zeichen sezt Hr. Lambert darin, daß
wir es vermittelst derselben in unserer Gewalt haben, die Begriffe in
Abwesenheit der Gegenstände zu erneuern und zum Theil aufzuklären, wodurch
die Zeichenerkentnis ein unentbehrliches Hülfsmittel zum Denken wird.
Wir bedienen uns der Bewegungen des Leibes, der
Figuren oder Zeichnungen,
und der artikulirten Töne, um unsre Gedanken auszudrükken,
weil die Empfindungen dieser Art von Zeichen am leichtesten von uns erneuert
werden können. Wir haben Gebärden, Hieroglyphen, Buchstaben
und vernehmliche Töne, dadurch wir unsre Begriffe
nicht *...* nur
andeuten; sondern uns selbst erinnerlich machen und aufklären, und erhält
der Schal und die Rede
vor allen übrigen Zeichen in keiner andern Absicht den Vorzug, als weil
die Empfindung derselben zu allen Zeiten leicht, hurtig und vernemlich
erneuert werden kan. Die symbolische Erkentnis machet sich auch von einer
andern Seite zum Denken nothwendig, weil alle algemeine und abstrakte
Begriffe nicht empfunden, und also nicht anders, als durch Zeichen gedacht
werden.
Manuskriptseite
232.
können. – Die Zeichen
sind entweder natürlich oder wilkührlich. – Die Wurzelwörter der Sprachen
sind fast alle wilkührlich, weil gar nicht auf
die Ähnlichkeit des Eindruks der Zeichen und des Bezeichneten gesehen
worden. Jedoch merkt hier Lambert
von der Metapher an, daß sie den natürlichen Zeichen
schon näher komme, wenn nämlich die eigene Bedeutung vorausgesezt wird,
weil in diesem Falle, die dadurch benenten Dinge einige Ähnlichkeit haben,
und die metaphorische Bedeutung des Worts sich auf diese Ähnlichkeit gründet.
Eine ähnliche Beschaffenheit hat es mit vielen abgeleiteten und zusammengesezten
Wörtern. Die Zeichen der Begriffe und Dinge sind wissenschaftlich,
wenn sie so genau mit den bezeichneten Sachen übereinkommen, daß die
Theorie der Sache und die Theorie ihrer Zeichen mit einander verwechselt
werden können, das heist, wenn aus der Betrachtung der Zeichen,
in Absicht auf das, was wir zu wissen verlangen, eben das erfolget, was
aus der Betrachtung der Sache selbst erfolget sein würde. In diesem Falle
wird das Denken ungemein erleichtert, wenn wir von der Sache selbst abstrahiren,
und unsere Aufmerksamkeit auf die Begriffe der Zeichen einschränken. Nach
diesem sehr fruchtbaren Begriffe von wissenschaftlichen
Zeichen beurtheilt H. L. die Arten von Zeichen,
die in verschiednen Künsten und Wissenschaften eingeführt sind. Von den
Noten in der Musik sagt er, daß sie vielbedeutend sind, aber den Fehler
haben, daß aus blosser Betrachtung der Zeichen, ohne Rüksicht auf die
Regeln der Komposition, das Gute vom Fehlerhaften nicht unterschieden
werden kan. Von der Choreographie des Feuillet
bemerkt er fast das nämliche, jedoch findet er die Zeichen derselben natürlicher,
und das Wilkührliche etwas mehr eingeschränkt, als bei den Noten in der
Musik. – Die Wörter Barbara, Celarent u.s.w. sind
ihm, wie schon Kästner irgendwo erinnert, weniger
wissenschaftlich, als die Namen der Winde, deren sich die Schiffer bedienen.
Hingegen sagt er von der von ihm erfundenen Bezeichnung der Schlüsse,
sie sei in dem strengsten Verstande wissenschaftlich,
weil die blosse Betrachtung der
Manuskriptseite
233.
Zeichen die Unmöglichkeit
unzulässiger Schlüsse angiebt, indem dieselben gar nicht gezeichnet werden
können, bei den zulässigen Schlüssen hingegen, alle Folgerungen, die aus
den Vordersäzzen grade
und umgekehrt gezogen werden können, mit einem male
vor Augen st**llt
stelt. Daher die Theorie der Zeichen alhier volkommen anstat der Theorie
der Sachen dienen kan.
Ia-02-1778-0417
Die Algeber ist
das volkommenste Muster der Karakteristik. Sie
hat als Zeichenkunst ihre eigene Theorie, die
man niemals weit genug wird treiben können. Wird aber eine Aufgabe aus
andern Wissenschaften auf die Algeber reducirt, so kan man von denselben
ganz abstrahiren, und die Auflösung der algebraischen Aufgabe ist zugleich
auch die Auflösung von derjenigen, die man auf die algebraische reducirt
hat. Zwar haben die primitiven Zeichen der Algeber viel Wilkührliches.
Die Buchstaben als Zeichen der Grössen noch
mehr als die Zeichen + – < > V wodurch Verbindungen und Verhältnisse
ausgdrukt werden. Auch läst sich aus der blossen Natur der Zeichen keine
Regel folgern, wie sie verbunden, versezt und verwandelt werden müssen,
sondern man mus die Theorie der Grössen zu Hülfe nehmen, und durch dieselben
die algemeinen Möglichkeiten der Operationen festsezzen.
Ferner ist der Ort in der Algeber nicht allezeit bedeutend, obgleich in
gewissen Fällen darauf gesehen worden. Wenn aber die einfachen Möglichkeiten,
als Postulata der Grössenlehre festgesezt sind;
so kan man durch Anwendung und Verbindung derselben mit den Zeichen
der Grössen die zusammengesezten Möglichkeiten herausbringen, und bestimmen,
wie weit sie reichen, welche Verhältnisse sie haben, und wie sie sich
in einander verwandeln lassen. Sie hat auch den Vorzug, daß sie nicht
nur antwortet, was gefragt wird, sondern wenn
die Frage mehrere Antworten leidet; so giebt sie alle zugleich an. Sie
zeiget ferner, ob die Data hinreichend, mangelhaft, überflüssig oder widersprechend
sind. – –" Seit. 1. 2. 3. 4. 5.
Manuskriptseite
234.
Ia-02-1778-0418
2) Von der Sprache
als Zeichen betrachtet.
Ia-02-1778-0419
"In einer volkommen
wissenschaftlichen Sprache würde alles, bis auf die Buchstaben und ihre
Ordnung bedeutend sein. Man würde mit Bezeichnung der algemeinen Begriffe
und der einfachsten Figuren anfangen, und zu zusammengeseztern
Dingen fortgehen müssen. Am allerspätesten würde man zu Handlungen und
Bewegungen der Menschen und zu Bezeichnung der natürlichen Gegenstände
kommen. Da diese zwar sehr in die Sinne fallen, aber aus unendlich mannigfaltigen
Bestimmungen zusammengesezt sind; so müssen die zu ihrer Andeutung festgesezten
Zeichen, wenn uns auch alle diese Bestimmungen bekant wären, von unendlicher
Weitläuftigkeit sein, und das Wort z. E. wodurch man Mensch
andeutet, die ganze Anatomie, Physiologie und
Psychologie enthalten, oder man würde, wie d
in der Algebra auf Abkürzungen fallen müssen,
die dem Gedächtnisse wiederum viel zu thun machen würden. Die wirklichen
Sprachen haben, von Natur und Nothwendigkeit geleitet, den Rükweg genommen.
Mit Bezeichnung der in die Sinnen fallenden
Gegenstände, als Handlungen und Bewegungen, auch Thiere, Pflanzen und
anderer Körper machten sie den Anfang, und gaben ihnen beliebige Namen,
als eben soviel abgekürzte Zeichen, zu welchen
die wissenschaftliche Sprache doch zulezt hatte kommen müssen. Vom Ganzen
giengen sie zu den grössern, und von diesen zu den kleinern Theilen über,
und so nahmen die Sprachen zu, wie die Erkentnis erweitert worden.
Ia-02-1778-0420
Ob nun gleich die
Sprachen auf eine solche Weise nicht völlig wissenschaftlich haben werden
können; so sind sie gleichwohl in einigen Stükken dem Wissenschaftlichen
ziemlich nahe gekommen. Um bestimt ausdrükken
zu können, ohne
Manuskriptseite
235.
die Menge der Wörter
ins Unendliche zu vervielfältigen, hat man gesucht die Veränderungen und
Verwandlungen, denen die Sachen und ihre Begriffe
unterworfen sind, ihre algemeine Bestimmungen, Beziehungen und Verhältnisse,
zum Theil durch analogische Veränderungen der Worte, (ableiten, zusammensezzen,
abändern, abwandeln, vergleichen u.s.w.) zum Theil durch dazu festgesezte
besondere Wörter (Beiwörter, Zuwörter, Vorwörter, Zwischenwörter, Bindewörter
u.s.w.) anzudeuten. – Von den volkommen wissenschaftlichen
Zeichen haben wir gesehen, daß die Theorie derselben mit der Theorie der
Sachen, die sie vorstellen, verwechselt werden kan. Von den eingeführten
Sprachen, sagt Hr. L. kan man nun
verlangen, daß jedes Wort, so viel es seine Struktur zuläst, den Abänderungen
der Sache entsprechen solle, obgleich noch allemal viele Veränderungen
und Versezzungen in den Worten nach den Regeln der Sprache möglich bleiben
werden, denen keine Veränderung der Sache entspricht. Es
ist eine Sprache volkommener, je mehr sie Möglichkeiten enthält,
aus ihren Wurzelwörtern Wörter von jeder beliebigen Bedeutung zusammenzusezzen
und abzuleiten, dergestalt, daß man aus der Struktur des Worts seine Bedeutung
verstehen könne. Die deutsche Sprache besizt hierin einen grossen
Reichthum. Manche Wörter leiden ungemein viele Ableitungen und Zusammensezzungen.
Hr. L. wünscht eine Theorie für
die deutsche Sprache, in welcher die Grenzen
dieser Möglichkeiten bestimt, und die verschiednen Bedeutungen von,
die jeder Art von Zusammensezzung und
Ableitung zukomt, durch algemeine Regeln festgesezt
werde. Von dieser Theorie verspricht
Manuskriptseite
236.
er unsrer Sprache
einen Reichthum von bedeutenden, nachdrüklichen und genau bestimmten Worten,
weil die wenigsten Wörter durch alle Verwandlungen und Ableitungen, die
sie theils ihrer Bildung, theils ihrer Bedeutung
nach leiden, durchgeführt sind. Die Ordnung
der Sylben, die in einer volkommen wissenschaftlichen Sprache so sehr
bedeutend sein müste, ist auch in den üblichen
Sprachen nicht ganz unbedeutend gelassen. Im Deutschen sind Rathaus,
und Hausrath, Bruchstein
und Steinbruch u.s.w. solche Wörter, deren Versezzung
die Bedeutung ändert. Ferner die Ableitungstheilchen werden den Wörtern
bald vorgesezt, bald angehängt, zwischeneingeschoben, oder ganz abgesondert,
und diese Ordnung ist theils an sich, theils dem Sprachgebrauch nach nicht
gleichgültig. Wir sagen igkeit, ichheit, lichheit, keitlich,
barung, barlich, barkeit, barlichkeit, barschaft, schaftlich, thümlich
u.s.w. unver, verun, unab, unum, unzu, verur, einver u.s.w. Die
Regeln dieser Ordnung und Verbindung der Ableitungstheilchen sollen gleichfals
in vorerwähnter Theorie untersucht werden.
Ia-02-1778-0421
Von den abstrakten
Wörtern merkt Hr. L. an, daß die Haupt= und
Beiwörter, welche abstrakte metaphysische Begriffe vorstellen, sich durch
ihnen eigene Endungen unterscheiden. Im Deutschen
die Hauptwörter durch Endungen: heit, keit, nis, sal,
schaft, thum, ung u.s.w. die Beiwörter durch die Endungen: icht,
ig, lei, lich, sam, selig, bar u.s.w. Da hingegen die Zeitwörter,
im Deutschen wenigstens, kein so *...*
unterscheidendes Merkmal haben, woran man sehen könte, ob sie körperliche
Handlungen oder abstrakte vorstellen, woraus Verwirrung und Vieldeutigkeit
entspringen mus; indem die abstrakten Zeitwörter fast durchgehends von
den körperlichen entlehnt sind, z. E. verstehen, begreifen,
fassen, einsehen u.s.w. ––" Seit. 5. 6. 7. 8.
9.
Manuskriptseite
237.
Ia-02-1778-0422
3) Von den Bindewörtern.
Ia-02-1778-0423
"Die Bindewörter
sind Meisterstükke der Sprache, weil sie auf eine sehr kurze Art der Rede
Verstand, Bestimmung und Zusammenhang geben.
Sie geben den Gesichtspunkt an, aus welchem ein Saz in Absicht auf das
Vorhergehende und Nachfolgende mus betrachtet werden, ob er ein Grund,
Beweis, Folge, Erläuterung, Ausnahme, Hindernis,
Nebenumstand, Zusaz, Mittelglied zum Schlusse, Einwurf, Gegensaz, Fortsezzung,
Anmerkung, Absicht, Endzwek, Bedingung, Trennung, Verknüpfung u.s.w. sei.
Sie thun in der gemeinen Rede den Dienst, den in dem Vortrage
der Mathematiker die Benennungen der Säzze verrichten. Denn die Mathematiker
haben für ihre Säzze besondere Namen, als Erklärung, Grundsaz, Forderung,
Lehrsaz, Lehnsaz, Beweis, Zusaz, Aufgabe, Auflösung, Anmerkung u.s.w.,
wodurch sie anzeigen, was der Saz ist, wozu er dient, woher er genommen
ist, in welcher Verbindung er mit dem Vorhergehenden,
oder mit dem folgenden steht, was zu seinem
Behufe erfordert wird, u.s.w."– Seit. 13.
Ia-02-1778-0424
4) Von der Wahrscheinlichkeit.
Ia-02-1778-0425
"Ein Wahrheitsgrund,
der den Saz nicht völlig ausser Zweifel sezt; sondern noch immer für das
Gegentheil Möglichkeit übrig läst, ist ein Argument. Wenn Argumente
zum Besten eines Sazzes gehäuft werden, wie in einem rednerischen Vortrage
geschieht; so werden wir überredet, den Saz für wahr zu halten, ob wir
gleich nicht völlig überführt sind, daß durch diese
alle diese Argumente zusammengenommen, das Gegentheil unmöglich wird.
– Man nent dieses die moralische Gewisheit. – Indessen giebt es Fälle,
wo man diese Argumente nur auseinander zu lesen, und in Ordnung zu bringen
hat; um die moralische Gewisheit in eine geometrische zu
Manuskriptseite
238.
verwandeln. Denn
öfters sind in einem solchen unlogischen Vortrage die Argumente in zureichender,
oder wohl gar in überflüssiger Menge vorhanden, und blos der Mangel der
gehörigen Forme und Ordnung macht, daß wir ihre Volständigkeit nicht einsehen,
und ungewis sind.
Ia-02-1778-0426
Läst sich aber aus
allen diesen Argumenten keine volständige Demonstration herausbringen;
so ist der Saz nur wahrscheinlich, und zwar ist die Wahrscheinlichkeit
desto grösser, je mehr von einander unabhängige Argumente zu seiner Bestätigung
beigebracht werden, denn die voneinander abhängen, tragen zur Wahrmachung
des Sazzes nichts bei. – Man kan die Wahrscheinlichkeit
eines Sazzes durch einen Bruch neben dem Bindewörtgen ausdrükken; und
dadurch zugleich den Grad der Wahrscheinlichkeit
andeuten. A 3/4 ist B, A
1/4 ist nicht B, wil sagen, der Grad der Wahrscheinlichkeit,
daß A B sei, verhält sich zur Gewisheit, wie 3
zu 4, der Wahrscheinlichkeit aber, daß A nicht
nichtB sei, verhält
sich zur Gewisheit, wie eins zu vier.
Ia-02-1778-0427
Wenn der Obersaz
von einer bestimten Partikularität ist, z. E. 3/4 A
ist B (dieser Saz ist nicht wahrscheinlich, sonst
müste der Bruch vor dem Bindwörtgen und nicht vor dem Subjekt stehen.
Vielmehr zeigt er auf eine bestimte Art an, daß von allen A
immer drei B und eins nicht B
ist ); so verursacht diese Partikularität eine Wahrscheinlichkeit im Schlussazze.
Ia-02-1778-0428
3/4 A
sindB
Ia-02-1778-0429
C
ist A
Ia-02-1778-0430
folglich C
3/4 ist B.
Ia-02-1778-0431
Das heist weil unter
allen A immer drei B sind,
gegen einem das nicht B ist, wir aber von C
wissen, daß es unter A gehöre; so ist dreimal
wahrscheinlicher, daß C auch B
ist, als daß es nicht B sein solte, mithin der
Grad der Wahrscheinlichkeit
Manuskriptseite
239.
zur Gewisheit, wie
3 zu 4. Öfters rührt die Wahrscheinlichkeit des Schlussazzes von dem Untersazze
her, nämlich wenn wir von dem Untersazende nur
so viel wissen, daß ihm einige Merkmale des Mittelglieds
zukommen, von den übrigen aber es noch ungewis ist. Es sein z.B. M
N P Z die Merkmale des Begrifs A, von C
aber wissen wir nur, daß ihm M N P zukomme, von
Z aber wisse man es nicht; wenn nun
Ia-02-1778-0432
Alle M
N P Z (=A) sind
Ia-02-1778-0433
C
ist M N P
Ia-02-1778-0434
so verhält sich
die Wahrscheinlichkeit, daß C, A sei, zur Gewisheit,
wie M N P: M N P Z. Sezzet
alle
Ia-02-1778-0435
Alle A
sind B
Ia-02-1778-0436
C
ist 2/3A,
Ia-02-1778-0437
also C
2/3 ist B.
Ia-02-1778-0438
Aus diesen beiden
einfachen Arten von wahrscheinlichen Schlüssen läst sich
leicht eine dritte zusammensezzen. Sie wird so ausfallen:
Ia-02-1778-0439
¾ A
sind B
Ia-02-1778-0440
C
ist 2/3 A
Ia-02-1778-0441
folglich C
1/2 ist B.
Ia-02-1778-0442
C ist 2/3 A
Ia-02-1778-0443
Hr. L.
verfolget diese Theorie durch alle Schlusfiguren, allein wir brechen hier
ab. –" Seit. 25. 26. 27. 28.
Ia-02-1778-0444
5) Vom Glauben.
Ia-02-1778-0445
"Der V. gehört zu
denen, die die verschiedne Bedeutungen des Worts glauben
in dem N. T. nicht unterscheiden,
den Glauben subjektivisch genommen, den Werken immer entgegenstellen;
rechtschaffene Gesinnungen und Handlungen der Gotseeligkeit und Tugend
mit äusserlichen Beobachtungen des Gesezzes und den sogenanten operibus
operatis verwechseln; Paullum
und Jakobum in der
Lehre von dem Glauben und den guten
Manuskriptseite
240.
Werken nicht genug
vergleichen, und den ersten über seine wahre Meinung in den Briefen an
die Römer und Galater nimmermehr verstehen wollen. Der Glaube
subjektivisch erwogen, oder die zuversichtliche Überzeugung von der Wahrheit
des Evangeliums wirkt unmittelbar Gotseeligkeit
und Tugend, und diese so wesentlich dazu, daß wenn wir uns in der Erkentnis
des Christenthums nicht mit leeren Wortspielen
und unnüzzen Subtilitäten, in Absonderung der Begriffe aufhalten wollen,
wir das eine von dem andern niemals trennen müssen, oder wir reden ohne
zu denken und verstehen Paullum nicht. Eine
aus Überzeugung von der christlichen Wahrheit entspringende Befolgung
derselben in der Gotseligkeit und Tugend, macht nach dem wahren Verstande
der h. Schrift und der einstimmigen Erklärung der Gottesgelehrten selbst,
den lebendigen, thätigen Glauben eines Christen
aus, und der ist die Bedingung zur Seeligkeit für alle Menschen, denen
das Evangelium geoffenbart worden. Äusserliche Cäremonien, Beschneidung,
Fasten, Opfer, Fasttäge und dergleichen, worauf die Israeliten im A.
T. einen so grossen Werth legten; Dinge, welche die aus dem Judenthum
bekehrten Christen in den Gemeinden zu Rom
und Galatien, neben der gläubigen Annehmung des
Evangeliums auch noch für nothwendig zu Seeligkeit
hielten und den Heiden aufdringen wolten; Wahlfahrten, Kasteiungen, Mönchsgelübde,
die man in der verderbten christlichen Kirche
als verdienstliche Werke ansahe, oder was sich sonst der Aberglauben und
die Andächtelei der Menschen in dieser Art, zur Genugthuung für ihre unmoralischen
Gesinnungen und Handlungen erdichten mag, die fordert Gott freilich nicht
von dem Menschen, und die werden uns nie
Manuskriptseite
241.
zur Gemeinschaft
mit ihm führen. Aber ein gebessertes Herz, eigne tugendhafte Handlungen,
die aus Überzeugung und Annehmung der evangelischen Wahrheit mit freiwilliger
Entschliessung verrichtet werden, fordert Gott schlechterdings und unter
Bedingung der Glükseeligkeit von dem Menschen, und wenn sie ihm noch so
viel Schwierigkeiten *...*
Mühe und Überwindung kosten solten, die sie der menschlichen Natur auch
wirklich kosten. Wer das läugnet, mus der h.
Schrift gerade widersprechen. –" Seit. 103. 104. 105.
Ia-02-1778-0446
6) Von dem Ausdrukke
"Gott wohnt in einem Frommen".
Ia-02-1778-0447
"Gott sol nach seinem
Wesen – wir irren uns doch nicht, wenn wir glauben, daß der V. das Wort
im metaphysischen Verstande nehme?– in dem Menschen wohnen: das denke
sich einer einmal, ohne zugleich den Irthum davon einzusehen. Wenn das
?at????sa? t?? ???st?? d?? t?? p?ste?? ?? ta?? ?a?*?**
?a?d?a?? ?µ?? Eph. 3,17. etwas anders heissen
sol, als die Epheser solten ihre Herzen durch die Wahrheit des christlichen
Glaubens regieren lassen und die Gesinnungen
Christi annehmen; wenn die Rede JesuJoh. 14, 23. wo er von denen spricht, die ihn
und seinen Vater liebten, nicht anzeigen sol: wir werden uns ihm offenbaren,
und ihm durch Mittheilung ausserordentlicher
Gaben noch näher bekant machen, wie der Heiland es V. 21. durch ?µfa??s?
??t? ?µa?t?? selbst erklärt; und wenn die Redensart des Paullus
1 Kor. 3, 16. was anders bedeuten sol, als:
habt ihr nicht an den ausserordentlichen Gaben des h. Geistes, die euch
mitgetheilt sind, und fortwähren, einen sichern Beweis, daß ihr Gott angehört,
daß er sein Werk unter euch habe, und eure Gemeinde
gleichsam als sein Tempel und seine Wohnung anzusehen sei? Wenn dies nicht
der
Manuskriptseite
242.
Verstand dieser
Stellen ist, so sage man in aller Welt was sie vernünftiger Weise anzeigen
sollen. Das unendliche Wesen Gottes sol sich dem Wesen des Menschen, einem
jeden Gläubigen kommuniziren, wo bleibt bei dieser Vorstellung die gesunde
Vernunft? Der V. weis ohnstreitig, daß der Geist Gottes in den ersten
Gläubigen die von ihm empfangenen Wundergaben waren, folglich Wirkungen
der götlichen Kraft, aber nicht das götliche Wesen selbst? Er mus es nur
vergessen haben, daß die Redensarten der angeführten Schriftstellen im
A. und N. T. häufig
vorkommen und es nichts ungewöhnliches sei, daß caussa
pro effectu gesezt werde? wir bedienen uns ja sogar in unserer
deutschen Sprache ähnlicher Ausdrükke. Wenn
man z. E. sagt, der ganze Geist des Vaters wohnt im Sohne, wil man damit
was anders anzeigen, als: der Sohn hat ganz die Gaben, Neigungen und Gesinnungen
des Vaters? Der Widerspruch,
daß das unendliche Wesen in einer gläubigen Seele anzutreffen sei, verdient
keine weitere Widerlegung."– Seit. 107. 108.
Ia-02-1778-0448
XIX.
Ia-02-1778-0449
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des fünften Bandes erstes Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1967.
Ia-02-1778-0450
1)
Ia-02-1778-0451
Was
wäre der Mensch – wenn er nicht unsterblich ist?
"Wahrhaftig! ward die Seele, um so, wie ihr Gebein,
die irdische Behausung, bald wieder nichts zu
sein;
So ist das Laster gut, so seid ihr Weise! Thoren,
Und Tugend ist ein Traum, von Aberwiz geboren;
So ist der Prasser weise, der blos für sich die Welt,
Und sich zum Gözzendieste des Bauchs erschaffen hält.
In Lappen eingehült, die nicht vor Kälte dekken,
Nicht vor dem Sonnenbrand; der Weichlichkeit ein Schrekken,
Manuskriptseite
243.
Ein sterbendes Gerippe,
verfallen, zitternd, schwach,
Kriecht Irus hier am
Stabe, – der Ekkel kriecht ihm nach!–
Hat nicht, womit er eins den heissen Hunger pflege,
Hat nicht, worauf zur Ruh, sein Haupt sich niederlege;
Nachdem er, Lebensmüde, von Thür zu Thüre gieng,
Um einen kargen Bissen, den oft der Hund empfieng.
Er hat nicht einen Freund, der ihm ein Trostwort rede.
Ihn kent der Bruder nicht: die Welt ist für ihn öde:
Wes hat er sich zu trösten? Der Frömmigkeit allein?
Wenn er ein Sünder wäre, er könte glüklich sein.
Und sol denn dieser Man zum Leiden auf der Erden
Verdamt durch Tugend sein, und nie belohnet
werden?
Hat dazu Gott erschaffen; so war er ungerecht: Domitian war Kaiser,
und Epiktet ein Knecht.
Der Fromme leidet Noth, und Wollust tränkt den Frechen:
Was Tugend haben sol, empfänget das Verbrechen;
Der Hochmuth eines Fürsten macht Millionen blos,
Und wenn Änäus (Seneka)
blutet, wird Tigellinus
gros;
Ein Böser erndtet ein, was ihm der Akker bringet,
denn hundert Redliche mit ihrem Schweis gedünget.
Kan Gott das menschliche Geschlecht zu dieser Hofnungslosen
Qual erschaffen haben?
Entsezlicher Gedank, ein Quäler seiner Kinder!
Wer keinen Gott erkennt, der sündigt zehnmal minder. ––" Seit. 8. 9.
Ia-02-1778-0452
2)
Ia-02-1778-0453
Werde Mensch!
"Doch bleibest du (Vernunft) hier stehn? War dies die Gränze? Nein!
Die du zu Bürgern machst, ach! lehr sie, Menschen sein;
Gehorsam, ohne Zwang gebietender Gesezze,
Erhaben ohne Stand, begütert ohne Schäzze,
Manuskriptseite
244.
Friedfertig ohne
Furcht, treu sonder Eigennuz,
Und sonder Arzt gesund, und ohne Schwerd in Schuz,
Dienstfertig, brüderlich, als Bürger Einer Erden,
Geschöpfe Eines Gottes; lehr sie, vernünftig werden!––– Seit. 11.
Ia-02-1778-0454
3) Von der Redensart
"welches Tages du davon ist, solst du des Todes sterben."
Ia-02-1778-0455
"Hr. Z.
wil beweisen, daß Gott die Sünde des ersten
Menschen mit dem zeitlichen, geistlichen und ewigen Tode, an ihm und allen
seinen Nachkommen bestraft habe. Nur zwei Schriftstellen fand er, worauf
er seinen Beweis gründen konte; nämlich 1 B. Mos.
2, 17. und Röm. 5, 12.f. – Der Beweis aus der ersten Stelle. – Das Wort
$$$ (welches Tages) z**
zeigt an, daß die Drohung am Tage der Übertretung
in Erfüllung gehen muste. Adam muste an dem
Tage sterben. Er ist aber nicht den zeitlichen, nicht den ewigen Tod gest
an dem Tage gestorben; er mus also den geistlichen Tod
erfahren haben. Aus diesem ist hernach der zeitliche, und ewige erfolgt.
Die Redensart des Todes sterben; schliest folglich
den geistlichen, zeitlichen und ewigen Tod in sich. Dieser Beweis wird
vom V. selbst so bestimt. – Es kömt hierbei auf zwei Fragen an: Bedeutet
$$$ schlechterdings die Erfüllung der Drohung noch am Tage der Übertretung?
Und wenn sie es bedeutet; mus die R.A. des Todes sterben,
in dreifachen Verstande genommen werden?
Ia-02-1778-0456
Auf die erste Frage:
Bedeutet das hebräische Wort, welches Tages, schlechterdings
den Tag der Übertretung? Nein, sagt der Recensent,
es bedeutet auch wenn, oder
nichts anders als wenn. Hr Z.
samlet alle Stellen der Schrift,
Manuskriptseite
245.
wo dieses Wort vorkömt,
aber nach aller angewandten Mühe mus er doch zugeben, daß es wenn,
zu der Zeit, da, bedeuten könne, ohne das Gesagte
allemal an einen einzigen Tag zu binden.
Und jeder uneingenommene Leser wird auch von allen diesen Stellen den
natürlichsten Sin finden, wenn er sich bei dem Wort $$$ eine Bedingung
der Zeit oder der Umstände gedenkt. – So fält nun die ganze Kraft des
Beweises hin. –
Ia-02-1778-0457
Auf die zweite Frage:
"Aber dieser Ausdruk könte doch wenigstens die Erfüllung der götlichen
Drohung an dem Tage der Versündigung binden." Es sei drum. Muste sie denn
um dieser Möglichkeit willen auch erfolgen? "Allein
so hätte Gott zweideutig geredt, und würde nach
seiner Weisheit ein andres hebräisches Wort gewählt haben." Weis man denn,
daß Gott mit dem Adam hebräisch gesprochen?
Doch wir wollen uns bei diesen Kleinigkeiten nicht aufhalten. Gesezt einmal;
Adam habe es so verstanden, daß er noch eben
an eben dem Tage sterben würde, muste er denn die R.A.: des
Todes sterben; von einem leiblichen, geistlichen und ewigen Tode
verstehen? Diese Redensart bedeutet ihrer Natur nach ein Aufhören des
Lebens. In der h. Schrift bedeutet sie eben
das, z. E. 1. B. Mos.
20, 7. B.: der Richter
13, 22. 1 Sam. 14,44.
u. a. Woher verstand es Adam, daß sie in dieser
Drohung nicht allein das Aufhören des leiblichen Lebens, sondern auch
das gänzliche Unvermögen zum Guten, und die ewige Dauer peinlicher Strafen
bedeuten solle? "Durch das anerschafne götliche
Bild ist er dazu im Stande gewesen." So? das hat ihn also in den Stand
gesezt, sich bei der R.A. etwas zu denken, was nicht drinnen liegt, und
worauf ihn die Bedeutung des Worts, welches Tages,
auch nicht führt? Gott müste es ihm ausserordentlich geoffenbart haben,
und wer hat die Nachricht davon ausser der Schrift? In der That, man solte
das Ebenbild Gottes nicht so misbrauchen, um einem seichten Argument zur
Schuzwehr zu dienen: Das heist die Begriffe
des Christen vom Ebenbilde Gottes mehr verwirren,
als aufklären. – Daß Paullus einige tausend
Jahr nach dem Adam das geistliche Unvermögen
unter
Manuskriptseite
246.
dem nachdrüklichen
Bilde des Todes vorgestelt hat, daraus folgt ja nicht, daß Adam
sich dies Unvermögen auch unter dem Bilde des Todes, und als
eine Strafe von Gott, vorstellen müsse. Paullus
konte ihm diesen Namen auch nicht geben, zur Sache thut es nichts, das
geistliche Unvermögen blieb doch, was es war.
Er redet auch nicht davon, als von einer Strafe Gottes;
und konte auch nicht, wie ich hernach zeigen werde: wie solte sich es
Adam als eine Strafe vorstellen? –
Ia-02-1778-0458
Es erhellet also
weder aus dem Sprachgebrauch der R.A.
des Todes sterben, noch aus der Bedeutung des
Worts, welches Tages, noch aus der Erfüllung der
Drohung Gottes, noch aus einer dabei angedeuteten götlichen Absicht; daß
Gott den ersten erst Eltern für ihre Sünde den
zeitlichen, geistlichen und ewigen Tod angedrohet habe.
Wenn es nun dem Adam nicht gegolten hat, warum
solte es seinen Nachkommen gelten?–" Seit. 88. 89.
90. 91. 92.
Ia-02-1778-0459
"Die zweite Stelle,
Röm. 5, 12. f. - entscheidet
noch weniger. – D**
Der Apostel hat hier an den geistlichen Tod gar nicht gedacht, wie es
aus dem Zusammenhange erhellet. Und den geistlichen Tod kan man gar nicht
als eine Strafe der Sünden ansehen. Man nehme die Sünde Adams
noch so gros an, so widersteht es allen unsern Begriffen von Gott, und
es ist ungeheuer zu denken, daß es ihm Gott zur Strafe gesezt haben solte:
du solst nun nie wieder vermögend werden sein,
gutes zu thun; deine Natur sol nun so verderbt sein, daß du nichts anders
thun kanst, als sündigen. Würde ein Vater wohl dem ungezogensten Kinde
die Strafe drohen? Ich wil dich ganz ausser Stand sezzen, jemals eine
gute, mir wohlgefällige That zu thun. Würde wohl ein König rebellischen
Unterthanen zur Strafe
diktiren? Ich wil euch in solche Umstände sezzen, daß ihr zeitlebens **
rebelliren müst? Und der heilige Gott
Manuskriptseite
247.
der allein wil,
was gut ist; dem so viel daran gelegen ist, das die Menschen gut sein
sollen; der durch Schrift und Natur auch das
kleinste Fünklein zum Guten erwekt, nährt und erhält, und es nach seiner
Heiligkeit nicht anders thun kan: der solte die erste Sünde Adams
mit der Strafe bedrohet haben, daß nicht allein er, sondern auch alle
seine Nachkommen ganz untüchtig und tod zum
Guten sein solten? Und wie? Natürlicher Weise konte doch Adam
durch seine Übertretung nicht sogleich alle Erkentnis des Guten, alle
gute Empfindungen, die Gott ihm eingepflanzt, alle heilige Neigungen,
die er in seiner Unschuld gefast hatte, verlieren. Das ist unmöglich.
Gott hätte sie also, noch an dem Tage, und durch ein Wunder, selbst in
seiner Seele ausgelöscht, vertilgt, so vertilgt, daß keine Spur davon
übrig geblieben, und er keine andere als böse und gotlose Grundsäzze auf
seine Nachkommen fortpflanzen können? Schändlich wäre es, so von Gott
zu denken, so lange wir ihn für heilig halten. Und die Schrift, die uns
so ehrwürdige Begriffe von Gottes Heiligkeit giebt, gebeut uns auch nirgends,
so von ihm zu denken?– Aber sie redet doch an einigen Orten vom geistlichen
Tode? Ja, aber nicht, als ob Gott das menschliche Geschlecht damit bestrafet
hätte. Wie ist er nun aber in die Welt gekommen? Er ist ein Übel, das
sich mit der ersten Sünde Adams angefangen hat,
und eine sukzessive
natürliche Folge der Sünde ist; ein Übel, das
sukzessive durch fortgesezte Sünden unter den
Menschen angewachsen, bis es endlich bei vernachlässigtem Unterricht,
durch die Gewohnheit zu sündigen, u.s.w. zu einem solchen Grade der Fühllosigkeit
gegen alles Gute gestiegen, daß es den Namen
eines geistlichen Todes verdient hat. Durch eine Sünde wird der Mensch
nicht geistlich tod; es gehören wiederholte
Sünden dazu; die Gewohnheit, das Wohlgefallen daran, das Gefühl ihrer
Bedürfnis, u.s.w. tödet endlich. Adam ist nie
geistlich tod gewesen, der noch dazu auch nach dem Fal Gottes Unterricht
genossen hat; seine Nachkommen sind es bei
immer mehr einreissendem Verderben geworden: und
wer ist es ganz in dem strengen Verstande gewesen, den die
ganze Ausdehnung des metaphorischen Ausdruks tod
mit sich führt? Vielleicht die Kaffern, die Kannibalen,
die Grönländer, und die ihnen ähnlich sind. –
– – –" Seit. 97. 96. 99.
Manuskriptseite
248.
Ia-02-1778-0460
XX.
Ia-02-1778-0461
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des fünften Bandes zweites Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1767.
Ia-02-1778-0462
1) Von den ersten
Christen.
Ia-02-1778-0463
"Solange man in
der ersten Christenheit blos bei der heiligen
Schrift blieb und darnach lehrte und lebte; so lange man die eigentlichen
Glaubenspunkte der evangelischen Lehre auf so wenige, als das sogenante
apostolische Glaubensbekäntnis enthält, einschränkte; sich übrigens in
der Moral, worüber nie im Ernst Streit entstehen
kan, an das klare Wort Gottes hielte, und mehr wider Lehren, die die Sitten
verderben, als wider die ärgsten Kezzereien eiferte: so lange gieng alles
gut, das Wesentliche der christlichen Religion
blieb auf seinen einzigen rechten Grund gebaut, man trug sich bei mancher
anderweitigen Verschiedenheit der Meinungen in der Liebe, und die Polemik
war eine unbekante Sache Wissenschaft. Sobald
man aber anfieng in den
folgenden Jahrhunderten anfieng über die Bibel
nach platonischen Begriffen zu philosophiren, von dem natürlichen und
ungezwungenen Sin derselben abzugehen, den Aussprüchen der Kirchenväter
eine hohe Autorität beizulegen und die Mode aufkam, nach deren Aussprüchen
die heilige Schrift zu erklären; sobald man anfieng aus den Spekulationen
in der Theologie das Hauptwerk zu machen, Nebenfragen und ausserwesentliche
Punkte des Christenthums unter die Hauptartikel
zu rechnen, Systme aufzubauen, Symbola zu verfer
Manuskriptseite
249.
tigen, Koncilien
zu halten, deren Aussprüche der heiligen Schrift an die Seite zu sezzen,
und über das alles quasi pro aris et focis zu
streiten: da giengen die Spaltungen an, und es ward überal Krieg in der
Kirche. –" Seit. 41.
Ia-02-1778-0464
2) Von der Kindheit
der Welt.
Ia-02-1778-0465
"Der V. hat Recht,
daß er es der Kindheit der Welt, und der Kindheit des menschlichen Verstandes
zuschreibt, daß theils so viel Licht in der Erkentnis Gottes und der feinern
Sitlichkeit in den frühern Zeiten der Welt nicht
sein können, als heut zu Tage; theils der Gottesdienst um der Fassung
der Menschen willen sinlich sein müssen; theils die so viele Jahrhunderte
hindurch herschende Unwissenheit und Abgötterei
vieler Völker eine natürliche Folge ihres rohen und unausgebildeten Geistes
gewesen sei, die sich nur almählig, nachdem ihre bürgerliche Verfassung
regelmässiger, ihr Herz durch Künste und Wissenschaften sanfter, und ihr
Verstand heller und polirter geworden, habe heben lassen. Und hieraus
wird auch die Schiklichkeit des Verhaltens Gottes begreiflicher; daß er
eine Familie und ein besonderes Volk erwählt,
unter welchen die wahre Erkentnis von ihm erhalten, und nach und nach
bei andern ausgebreitet werden solte; daß er dieses Volk durch Gesezze
und eigene gottesdienstliche Übungen von andern Völkern unterschieden,
gegen alle Vermischung sorgfältig verwahrt, ihre Sinlichkeit gefesselt,
und sie, zum Besten des Ganzen, durch ausserordentliche Staatsverfassung
regiert habe; daß er endlich so viel Zeit hat hingehen lassen, ehe er
die Welt zu dem bessern und geistlichen Unterricht, der durch Jesum
Christum an sie gelangen solte, tüchtig befunden. –" Seit.
114. 115.
Ia-02-1778-0466
3) Vom Weitläuftigen
der Religion.
Ia-02-1778-0467
"Nur eine gelehrte
Kunst hat die Lehren der christlichen Religion weitläuftig gemacht, und
wer könte seelig
Manuskriptseite
250.
werden, wenn ein
so weitläuftiges Lehrgebäude zum Himmel nöthig wäre? und wie hätte ein
Paullus selbiges in
so kurzer Zeit ganze heidnische Länder lehren können? Man thut dem Christenthum
ungemeinen Schaden damit. –" Seit. 247.
Ia-02-1778-0468
XXI.
Ia-02-1778-0469
Das
Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus
Nothanker. Erster Band. Zweite verbesserte Auflage.
Berlin und Stettin, bei
Friedrich Nikolai. 1774.
Ia-02-1778-0470
1) Nothankers
Glauben.
Ia-02-1778-0471
"Er (Nothanker)
hatte sich schon in seinen jüngern Tagen durch sorgfältiges Nachdenken
überzeugt, daß der Wille Gottes, der unsre jezzige und zukünftige
Glükseeligkeit bestimt, wenn auch Gott für gut befunden habe ihn besonders
zu offenbaren, dennoch auch nothwendig durch die Vernunft müsse eingesehen
werden können, und mit der Vernunft übereinstimmen
müsse. Die einzige Offenbarung, die uns etwas ganz unbekantes entdekken
könte, worauf die Vernunft nie gefallen sein würde, glaubte er, sei die
prophetische Offenbarung von zukünftigen Dingen. –" Seit.
6.
Das
Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus
Nothanker. Zweiter Band.
Berlin und Stettin, verlegts
Friedrich Nikolai 1775.
Ia-02-1778-0476
1) Gespräch des
Sebaldus Nothanker mit einem Pietisten.
Ia-02-1778-0477
"(Piet.) Ach mein
lieber Bruder, die arme menschliche Natur ist ganz verderbt. Wenn wir
nicht durch die Gnade ergriffen werden, so sind wir in grund
grundlosem unerforschlichem tiefem Verderben.
Ia-02-1778-0478
(Sebaldus)
Ei, mein Freund, von den Lastern einiger Bösewichter kan man nicht auf
die Natur des Menschen überhaupt schliessen. Wir sind von Natur nicht
geneigt, wie die wilden Thiere uns anzufallen, sondern in Geselschaft
zu leben, und uns zu unterstüzzen.
Ia-02-1778-0479
(Pietist.) Ach wir
armen Menschen! wie könten wir uns unterstüzzen, wenn uns die Gnade nicht
unterstüzte, wie könten wir etwas gutes wirken, wenn es die alleinwirkende
Gnade nicht wirkte!
Ia-02-1778-0480
(Sebaldus.)
Freilich! wir haben alles durch die götliche *...*
Gnade. Aber *
die Gnade wirkt nicht wie der Keil auf den Kloz. Gott hat die Kräfte der
zum Guten in uns selbst gelegt. Er hat uns Verstand und Willen, Neigungen
und Leidenschaften gegeben. Er wil, daß wir thätig sein sollen, so viel
gutes zu thun, als uns möglich ist. Er hat Würde und Güte in die menschliche
Natur gelegt.
Ia-02-1778-0481
(Pietist.) O welch
ein Selbstbetrug, mein lieber Bruder! rief der Fremde mit einem tiefen
Seufzer aus: Wenn wir Gott wohlgefällig werden wollen, so müssen wir nichts
als lauter Elend und Unwürdigkeit an uns sehen:
Ia-02-1778-0482
Wolt ihr zu Jesu
Heerden,
so müst ihr gotlos werden!
Manuskriptseite
252.
Das heist, ihr müst
die Sünden
Erkennen und empfinden!
wie ein theurer Knecht Gottes singt. Wir müssen
an der Gnade hangen, die Gnade alles wirken lassen, der Gnade alles
Gute zuschreiben: denn wird die Gnade in uns erst recht gros, wenn wir
recht klein, recht unwürdig werden.
Ia-02-1778-0483
Wenn wir uns mit
den Siechen
Ins Lazreth verkriechen! Sebaldus zukte die Achseln,
und sagte: "Dies sind gesalbte Schalle, die einer verderbten Einbildungskraft
heilig scheinen, die aber keinen Sin enthalten. Wir besizzen Kräfte zum
Guten. Wer dies läugnen wolte, würde Gottes Schöpfung schänden, der uns
so viele Volkommenheiten gegeben hat. Ohne den Einflus einer übernatürlich
wirkenden Gnade zu erwarten, können wir Tugenden und edle Thaten ausüben.
Oder sind etwa Wohlwollen, Menschenliebe, Freundschaft, Grosmuth, Mitleiden,
Dankbarkeit nicht Tugenden?"
Ia-02-1778-0484
"Scheintugenden,
mein lieber Bruder, weltliche ehrbare Scheintugenden. Mit solchem Betlersmantel,
wil der unwidergeborne Mensch, den Ausaz seiner ve
natürlich verderbten Natur bedekken. Mit diesen sogenanten Tugenden aber,
kan man auf ewig in den Schwefelpfuhl geworfen werden, aus welchem keine
Erlösung ist. Dies sind nicht die wahren gotg
gotgefälligen Tugenden. Wenn Tugenden nicht aus der Gnade entspringen;
so sind sie geschminkte Laster zu nennen."
Ia-02-1778-0485
"Wozu sol man so
seltsame Benennungen erdenken? Ich vergebe z.B. den Räubern die mich beraubt
haben, ich wünsche ihre Besserung. Dies ist so wenig die Wirkung
Manuskriptseite
253.
einer übernatürlichen
Gnade, daß es viel mehr
vielleicht blos nur die Wirkung meines Alters, oder meines Temperaments
ist. Ist dies aber Gott deswegen nicht gefällig? Ist es ein Laster?"
Ia-02-1778-0486
"Wenn es nicht aus
Herzlichkeit zu dem blutigen Versöhner geschiehet, so ist es nichts als
ein weltliches Tugendbild, eine nachgemachte
Frömmigkeit, bei der man ewig verloren gehen kan!"
Ia-02-1778-0487
"Sprechen Sie doch
nicht so! Hiemit kan man alten Mütterchen allenfals eine Furcht einjagen,
aber man beweiset
nichts. Ich habe über diese Sachen reiflich nachgedacht, und ich finde,
daß weder eine blutige Versöhnung, noch eine ewige Verdamnis, mit den
erhabenen Begriffen, die wir von Gott haben müssen, zusammenstimmen."
Ia-02-1778-0488
"Ja! Ja! So geht
es! je mehr die Menschen alles durch ihre blosse Vernunft einsehen wollen,
destoweniger erkennen Sie ihre angebohrne Blindheit und Finsternis. –
Ach lieber Bruder! las dich von der alleinwirkenden Gnade ergreifen! Las
dich von der Kraft des Bundesblutes anfassen. Bete herzlich um die Wiedergeburt.
Bete daß du bald zum Durchbruch kommen mögest. Liebe, bete,
ich wil mit dir beten, lieber Bruder!"
Ia-02-1778-0489
Sebaldus
sagte sehr kalt: "Ich pflege das Vater unser zu beten, darin steht nichts
vom Durchbruche, nichts vom Bundesblute, nichts von der Wiedergeburt und
von der allein wirkenden Gnade."
Ia-02-1778-0490
Der Pietist schlug
die Hände über sein Haupt zusammen, und rief aus: "Welcher
Unglaube! welche fleischliche Sicherheit! O betrüge dich nicht Mensch!
die Ewigkeit wird kommen, Qual ohne Ende für den Sünder!" –
Ia-02-1778-0491
Sebaldus
gerieth in Eifer, und fieng an, die Ewigkeit
der Höllenstrafen, mit den besten ihm beiwohnenden Gründen, zu widerlegen,
aber der Pietist, der sich nie auf Gründe h eingelassen
hatte, antwortete nichts, sondern schlug
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254.
nochmals die Hände
über sein Haupt zusammen, hob die Augen gen Himmel, und fieng an, so
laut er konte, das Lied "Zu spät ists
zu erfahren, was Höl pp." zu singen. Das Lied
sang Sebaldus nicht
mit, vielmehr zeigte er unter Absingung desselben sichtbare Kenzeichen
der Ungeduld. Nach dessen Endigung, gerieht er einige Minuten lang in
ein tiefes Nachdenken, und fragte endlich seinen
Mitwanderer: "Sind Sie denn also ein Wiedergebohrner?"
Ia-02-1778-0492
"Ja, antwortete
er, mit sanfter Stimme: das bin ich durch Gottes
Gnade. Vor drei Jahren den 11ten September, Nachmittags um 5 Uhr, hatte
ich zuerst das seelige innere Gefühl der Gnade, die bei mir zum Durchbruch
kam, seitdem habe ich an der Gnade beständig gehangen, bin nie der Gnade
sat worden."
Ia-02-1778-0493
"Also glauben
sie doch gewis ewig seelig zu werden?"
Ia-02-1778-0494
"Ach ja! Dessen
bin ich gewis:
Ia-02-1778-0495
"Denn ich wil stets
ein Bienelein
Auf des Lammes Wunden sein
Und fahren so in'n Himmel nein."
"So! Und werden ewige Freude haben, und werden ganz geruhig zusehen, wie
Millionen ihrer Nebenmenschen sich
beissen, fressen, nagen, sich fluchen und lästern,
wie der Tod sie recht plagt ohne Ende. Welcher Gräuel! können Menschen
ihre Nebenmenschen so verdammen, und können mit Wohlgefallen von ihrer
Verdammung ein feierliches Lied singen."
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255.
Der Pietist lächelte,
und sagte mit sanfter Stimme: "Da sieht man den natürlichen Menschen!
Ich verdamme sie ja nicht, sondern (er lächelte nochmals) die Bibel
verdamt sie. Da stehts deutlich."
Ia-02-1778-0496
Sebaldus
fuhr sehr heftig heraus:" Nein, das steht nicht in der Bibel; und wissen
Sie, wenn es darin stünde, so wäre sie nicht Gottes Wort. Ich möchte eben
so gern ein Atheist sein, als solche abscheuliche Begriffe von Gott haben,
daß er uns das Leben rund abspricht, daß er uns dem Teufel
(!!!!) zugesellet, daß er uns durch Henker in
Marterkammern schleppen läst, wo keine Reue, keine Klagen helfen kan.
– Entsezlich! von Ihm so zu denken, dem Vater des Lebens, dem Geber alles
Guten!"–" Seit. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
Ia-02-1778-0497
2) Richtet nicht!!!
Ia-02-1778-0498
"So ist es im Heidenthume
den Epikuräern, und im Judenthume den Sadducäern ergangen. Wobei mir ein
öfters eingekommener Gedanke wieder einfält:
Was doch die Ursache sein müste, daß unser Heiland,
der bei allen Gelegenheiten die Pharisäer so
hart anlässet, weit gelinder mit den Sadducäern umgeht, die doch, weil
sie die Auferstehung, und ein anderes Leben, wo das Gute belohnt und das
Böse bestraft wird, das Dasein der Geister, mithin auch die Engel, läugneten,
den Grund aller Religion umstiessen? Ich erinnere mich nicht irgendwo
etwas gründliches darüber gelesen zu haben. Solte vielleicht daraus zu
schliessen sein, daß in Gottes Augen, die Heuchelei,
der geistliche Hochmuth, und der verstokte Aberglauben, für grössere Fehler
angesehen werden, als die blossen Irthümer des Verstandes,
wenn sie auch noch so wichtige Gegenstände betreffen?–
–" Seit. 125.
Manuskriptseite
256.
Ia-02-1778-0499
XXIII.
Ia-02-1778-0500
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des sechsten Bandes erstes Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1768.
Ia-02-1778-0501
1) Die Wirkung der
Luft auf den menschlichen Körper.
Ia-02-1778-0502
"Die grosse Hizze
entkräftet den Leib und die Seele, da sie die festen Theile schwächet
und die flüssigen ausdehnet. Die Kälte hingegen ist stärkend, und ihre
Zunahme schadet weniger bei anhaltender Bewegung. Nichts entkräftet plözlicher,
als eine feuchte Luft, die flüssigen Theile des
Körpers gerathen dadurch in die schädlichste Stokkung, alle Ausdünstung
unterbleibt, und das Einsaugen in die Haut häuft die Feuchtigkeiten dergestalt
an, daß auch der Durst verschwindet; mit den Kräften verliert sich die
Munterkeit, daher sind feuchte Gegenden überal ungesund. Die gefährlichste
Luft ist eine feuchte, und warme, sie zerstreuet die Kräfte und nähret
die Feuchtigkeit*
Fäulnis. Wegen der Schnelkraft ist die trokne Luft die gesündeste, ist
diese zugleich nicht alzukalt, so wird der Körper
sowohl, als die Seele ermuntert, bei der Verbindung aber mit einer sehr
kalten Luft, pflegen Entzündungskrankheiten zu entstehen, von der zunehmenden
Schwere, und der vermehrten Schnelkraft der
Luft, erfolgen einerlei Wirkungen. Es ist ein Irthum, daß die Luft alsdan
schwer sein sol, wenn sie mit Dünsten, Nebel und Regen angefült ist, daß
man Sonne, Mond und Sterne nicht sieht, daß eine solche Luft vielmehr
leicht ist, beweist das fallende Queksilber im Barometer. Die Schwere
der Luft, bei schönem Wetter, ist dem in die Höhe steigenden Wasser zuzuschreiben.
Wer sich eine recht gute Luft zu Nuzze machen
Manuskriptseite
257.
wil, der merke wohl
an, was Hr. Zimmermann
sagt: Die vermehrte Schwere der Luft, ein trokner und heller, aber nicht
alzuwarmer Himmel, vermehren unsre Munterkeit und unsre Kräfte. Vermittelst
des grössern Druks der Luft, werden die Nerven und die Gefässe stärker
und wirksamer, das Blut macht seinen Umlauf mit mehrerer Fertigkeit, die
inwendige Wärme wird vermehrt, die Eslust steigt, und die Dauung ist besser,
die Säfte werden richtiger abgeschieden, der natürliche Abgang des Körpers
komt in seine Ordnung, die Seele in den Stand ihrer Freiheit. Eine lang
anhaltende, trokne, helle und kalte Luft, erreget die Munterkeit der Seele
so sehr, daß auch der dikste Holländer in dieser Zeit einem muntern Franzosen
gleicht. –" Seit. 20. 21.
Ia-02-1778-0503
2) Was die Offenbarung
in der Natur sei.
Ia-02-1778-0504
"Zur Offenbarung
Gottes in der Natur rechnet man nicht blos diejenigen Religionswahrheiten,
die durch vernünftiges Nachdenken entdekt, und von den Weltweisen erkant
werden; sondern es wird darunter der ganze ausser der h. Schrift in der
Welt vorhandene Unterricht von Gott und götlichen Dingen begriffen, in
so fern er Wahrheiten enthält. Jede wahre Erkentnis,
die von ursprünglichen (nur nicht schriftlichen) Offenbarungen herkomt,
und durch Überlieferungen auf die Nachkommen gebracht worden; selbst die
Wahrheiten, die sich in den falschen Religionspartheiien neben den Irthümern
durch Unterricht weiter fortgepflanzt haben; alles, was von Gott und den
Pflichten des Menschen durch den Weg des Unterrichts und der Überlieferung
in der Welt wahres erkant wird, und erkant werden kan, sofern solcher
Unterricht und solche Überlieferung nicht aus
der Welt er Schrift hergenommen wird, es sei
nun darunter manches, was sich auf ursprüngliche
Offenbarungen gründet, oder manches, das von nachdenkenden Leuten unter
Manuskriptseite
258.
allen Völkern durch
vernünftiges Nachdenken erkant und hierauf fortgepflanzt worden! – Alles
das nent der V. noch Natur, weil es doch nicht
schriftliche Offenbarung ist. – – – –" Seit. 29. 30.
Ia-02-1778-0505
3) Von der Seeligkeit
andrer Völker, die die Lehre J. C. nicht wissen.
Ia-02-1778-0506
"Es ist kaum begreiflich,
wie man jemals auf die seltsame, der Vernunft und Schrift widrige, und
alle Güte Gottes umstossende Meinung hat gerathen können, Gott würde einmal
das Nichtglauben an den Erlöser solchen Menschen anrechnen, denen das
Evangelium nicht geoffenbart worden. Die Apostel schrieben an Leute, denen
die christliche Lehre gepredigt war, und wenn sie von dem Glauben an Christum,
als von einer nothwendigen Bedingung der Seeligkeit reden, so versteht
es sich ja von selbst, daß das nur diejenigen, denen seine
Lehre bekant gemacht worden, angehen kan. Es ist etwas anders,
merkt deshalb Hr. Töllner mit gutem Grunde an:
ohne den Glauben an Christum
und im Unglauben gegen denselben sterben. Das
lezte sezt einen davon empfangenen Unterricht voraus. Das erste kan aus
einer unüberwindlichen Unwissenheit herrühren. Dieser Unterschied hebt
schon alle Schwierigkeiten: Der christliche Glaube ist zur Seeligkeit
schlechterdings nothwendig für alle, denen er möglich und das Evangelium
bekant gemacht worden ist. – –" Seit. 32.
Ia-02-1778-0507
"Auf eine recht
frappante Art zeigt der Hr. D., daß die algemeine
Gnade Gottes sich nicht retten lasse, wofern Gott nicht auch durch die
Offenbarung der Natur viel Menschen zur Seeligkeit führt. Man sage was
man wolle, so ist nach aller historischen Wahrheit schlechterdings unerweislich,
daß das Evangelium jemals durch die Apostel oder andere apostolische Männer
Manuskriptseite
259.
unter allen Völkern
in der Welt gepredigt worden. Welcher Apostel oder anderer Lehrer hat
denn in Lapland oder in den Ländern unter dem Südpol oder in Amerika gepredigt?
Allein gesezt, daß keine Nation auf dem Erdboden wäre, deren
Vorfahren Gott nicht das Evanglium angeboten hätte, wer kan das Urtheil
ausstehen, daß Gott ihr dagegen bewiesenes sträfliches Verhalten – bis
wenigstens schon ins funfzigste Glied an ihren Kindern strafe?– Schwerlich
werden doch die Gottesgelehrten behaupten, daß Gott in Ansehung der Heiden
zur Bestrafung der Sünden ihrer Vorfahren beschlossen habe, daß sie nicht
an J. C. glauben sollen. Gegen diese wirkliche
Gotteslästerung streitet Hesek.
18. 20. Gott hat doch auch wohl nicht alle die guten menschlichen Seelen,
von welchen er vorhersehe, daß sie seine Offenbarung zu ihrem Heil anwenden
würden, ehemals allein unter den Juden, hierauf
in dem römischen Reiche, und sodan in den europäischen Ländern und an
einigen Orten von Ost– und Westindien, mit menschlichen
Leibern vereiniget – Dagegen alle die übrigen anderswo hervorgehen lassen.
–" Seit. 37. 38.
Ia-02-1778-0508
"Ist die natürliche
Offenbarung nüzlich und hinlänglich zur Religion, so ist sie es auch zur
Seeligkeit. Nun ist jenes folglich auch dieses. Die endliche Seeligkeit,
oder höchste Glükseeligkeit der Menschen besteht in dem Besiz und Genus
mehrerer und grösserer moralischer und physischer Volkommenheiten, als
sie in diesem Leben besessen und genossen haben, mit Abwesenheit
aller merklichen gegenseitigen Unvolkommenheiten. Kein vernünftiges Geschöpf
kan ohne eine moralische Güte glükseelig sein, folglich in und mit derselben
allein der Seeligkeit theilhaftig werden. Mit dieser moralischen Güte
sind natürliche und wilkührliche
Belohnungen, welche leztere durch freies Zuthun Gottes dazu kommen, verbunden,
und machen den Menschen glükseelig.
Ia-02-1778-0509
Ob zwar ein gewisser
Grad der moralischen Güte, wenn nämlich keine volkommene Lauterkeit derselben
erfordert wird, mit ihren natürlichen Belohnungen, bei einem Menschen
ohne Zuthun der Religion möglich ist, so mus ein solcher Grad derselben,
als zur Seeligkeit gehört, einem Menschen ohne Religion schlechterdings
abgesprochen, werden; denn die Religion ist die
höchste moralische Volkommenheit des Menschen, sie erzeugt nicht nur einige,
sondern alle rechtmässige freie Handlungen
Manuskriptseite
260.
und Fertigkeiten,
so weit die Erkentnis des Menschen von seinen Pflichten reicht. Daher
giebt es nur eine Tugend, und wo die Religion die Quelle davon ist, da
ist vollendete moralische Güte, folglich die höchste Glükseeligkeit, wozu
die natürlichen und wilkührlichen
götlichen Belohnungen gehören. – Aber ist die Seeligkeit eine unzertrenliche
Folge der Religion? Was erstlich die natürlichen Belohnungen anbetrift,
so schliest der V. also: Wo Religion ist, da ist Dienst Gottes, folglich
Gehorsam gegen Gott, dessen Aufrichtigkeit sich über alle erkante Pflichten
und Gesezze Gottes erstrekt. (Wenigstens das redliche Bestreben darnach
und die fortwährende herschende Neigung, in jedem Fal zu thun,
was man nach der Religion für recht und Gott wohlgefällig hält.) Wer Gott
dient, macht den Willen Gottes zur Regel seiner Handlungen, seine Begierden
sind seiner Pflicht unterworfen, wohlgeordnet und gemässigt. – Mit einer
aus Religion entspringenden Tugend, auch bei der kleinsten Erkentnis,
hängt allezeit ein solcher Grad von Ruhe der Seelen, von innerer Zufriedenheit,
von Freudigkeit des guten Gewissens, von Hofnung auf Gott und von Ordnung
und Unterwerfung der Begierden natürlich und unzertrenlich zusammen, als
zur Seeligkeit erfordert wird. – Aber auch die wilkührlichen Belohnungen
Gottes können bei einem Menschen, der Religion hat, nicht ausbleiben,
und der Grund davon liegt in den moralischen Volkommenheiten Gottes. Gott
hat das lebendigste und thätigste Wohlgefallen
an der Religion und den daraus fliessenden rechtmässigen Handlungen, Fertigkeiten
und Volkommenheiten seiner Geschöpfe. Bei wem sich also diese finden,
der erfült den Zwek seiner Schöpfung, und er wird unausbleiblich ein Gegenstand
des Wohlgefallens und der Liebe Gottes, die allemal höchst lebendig und
thätig ist, und nicht ohne wirksame Zeichen und Folgen für denselben sein
kan. – Dazu kömt die höchste proportionirte Güte,
nach welcher Gott einem jeden Geschöpfe so viel Gutes ertheilt, als dasselbe
zu erhalten nur fähig ist, oder seine Gerechtigkeit.
Bei der Religion wird ein Mensch aller Arten der götlichen Wohlthaten
fähig, mithin auch seiner wirklichen Belohnungen. – Der Hr. D.
erinnert wohl, daß es in Ansehung der Empfänglichkeit dieser Wohlthaten
nicht sowohl auf die Grösse der Erkentnis eines Menschen, als vielmehr
auf die moralische Güte und Rechtschaffenheit seines Herzens oder seiner
Gesinnungen gegen Gott ankomme." Seit. 38. 39. 40.
Manuskriptseite
261.
Ia-02-1778-0510
4) Zum Beweise für
die Güte und Gerechtigkeit Gottes.
Ia-02-1778-0511
"Zum Beweise für
die Güte Gottes beruft sich der V. gar sinreich auf die eigene Empfindung
des misvergnügten Herzens, welches eben dadurch verräth,
daß ihm ein Trieb von Gott gegeben sei, glüklich zu sein; der weder umsonst
gegeben, noch ohne Mittel, sich zubefriedigen, gelassen sein kan. Und
warum lieben die allermeisten Menschen bei aller Art des Misvergnügens
doch das Leben so sehr? Ist diese Liebe nicht
zum Leben nicht ein Beweis, daß es mehr glüklich, als elend, und der,
der es verliehen, gütig sei? Eben so gründet er auch einen Beweis der
Gerechtigkeit Gottes auf die Erfahrung und das Gefühl der Menschen, und
zwar nicht allein auf das eigentlich sogenante Gewissen, sondern auch
vornehmlich auf den natürlichen Abscheu aller Menschen an lasterhaften
und die Neigung und Billigung tugendhafter Gesinnungen und Thaten: welche
zwar bei einigen Handlungen durch die Leidenschaft oder böse Gewohnheit
geschwächt, aber nie so ausgerottet werden können, daß es je irgend einem
Menschen möglich gewesen wäre, das tugendhafte und gute zu verabscheuen,
und das Laster zu lieben und gern zu sehen. Ein augenscheinlicher Beweis,
daß der gerecht sein und die Gerechtigkeit lieben
müsse, der das Herz der Menschen so gebildet
hat. –" Seit. 134. 135.
Ia-02-1778-0512
5) Von den Mängeln
der Seelenkräfte und Unsterblichkeit der Seele.
Ia-02-1778-0513
"Die Mängel der
Seelenkräfte müssen sein. Und warum? Weil wir sonst nicht volkommen werden
können. Und warum das nicht? Weil eine stete Übung der Kräfte darzu erfordert
wird. Und was nuzzen die Mängel zu dieser Übung? Unsre Kräfte müssen eben
daran gehörigen Widerstand, und an dem widrigen Eindruk, den sie verursachen,
genugsame Reizung finden, uns derselben zu entledigen, sonst blieben wir
in der Unthätigkeit, und kämen nicht vorwärts. –" Seit.
136.
Ia-02-1778-0514
"Der Mensch, durch
tausend Thorheiten geprüft, wird erst bei zunehmenden Jahren weise, siehet
dan erst, wie viel er versäumet, wie viel er noch vor sich hat, entschliest
sich nun erst recht zu leben, entschliest sich, und entschliest sich nun
wieder, und stirbt, ohne daß er zur Glükseeligkeit reif worden ist. –
O jeder lese doch die Geschichte seines Herzens und Lebens, und
Manuskriptseite
262.
wage es dan noch,
die Unsterblichkeit nicht zu wünschen!– Indessen sind die Vorzüge des
Menschen vor dem Thier ganz sichtbar. Das Thier steht seit seiner Schöpfung
stille, es hat izt nicht mehrere noch mindere Vokommenheiten, als es Anfangs
hatte. Der Mensch hingegen geht weiter fort in der Ausbildung seiner Kräfte,
in dem Wachsthum seiner Seele hat er augenscheinliche Schritte gethan,
und wie vieles Wachsthums ist er noch fähig! Und das alles,
um mitten im Wachsthum wieder vernichtet zu werden?– Die Seelenkräfte
des Menschen werden erst durch Übung volkommen, nach vielen Jahren Übung
nähert er sich erst einiger Reife; und wenn
er nun die Prüfung meist überstanden, nun erst sich und andern brauchbar
geworden ist, so solte er abfallen, und sterben? –" Seit.
137.
Ia-02-1778-0515
6) Von den Theilen
flüssiger und dichter Körper.
Ia-02-1778-0516
"Der flüssigen Körper
Theile müssen rund sein, um einander in wenig Punkten zu berühren und
wenig zusammenhängen, schweflichte Theile tragen viel zum festen Zusammenhange
der dichten Körper bei, weil Blei und Zin, wenn der Schwefel aus ihnen
getrieben wird, in Kalk zerfallen, der durch schweflichten Zusaz
wieder Metal wird. –" Seit. 154.
Ia-02-1778-0517
XXIV.
Ia-02-1778-0518
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des sechsten Bandes zweites Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1768.
Ia-02-1778-0519
1) Von den Sitten
der Wilden.
Ia-02-1778-0520
"Die natürliche
Art des Menschen Schlüsse zu machen, besteht darin, aus dem Wenigem, was
man kent, jederzeit das Übrige zu erklären. – Zufolge dieser Art zu schliessen
scheinen die Menschen in den ältesten Zeiten diesen grossen Hauptschlus
Manuskriptseite
263.
festgesezt zu haben:
weil ein unsichtbares Wesen, das sie sich blos als sehr subtil und unmerklich
dachten, die Veränderungen der Menschen und der Thiere verursacht, so
müste auch in der Natur alles das, worinnen Veränderungen ohne eine sichtbare
wirkende Ursache vorgiengen, ebenfals von einem unsichtbaren Wesen bewohnt
und getrieben werden; alle Dinge in der Natur musten daher als von Geistern
bewohnte Dinge angesehen werden. Also ward Sonne, Mond – Quellen, Bäume,
Pflanzen – die ganze Erde, mit Geistern oder Göttern bevölkert, (ehe noch
die philosopische Religion den Himmel und die hieroglyphische oder symbolische
Vorstellungsart die Tempel mit Kräften der Natur, als Göttern besezte.)
Bei den Wilden haben auch die Werke der Kunst, als Schiesgewehr, Bogen
und Pfeil, Fischgeräthe pp. ihren Geist – so wie bei den Scyten der Säbel
angebetet wird. Die meisten Nationen haben diejenigen Dinge und Geister
am meisten verehrt, welche sich ihrer Natur am meisten näherten, d.i.
die geringern und weniger vortreflichen; z. E. der Thiere, und gar Fetische;
ingleichen diejenigen, von denen sie unmittelbar den meisten Nuzzen hatten,
als Bäume, besonders die Eiche pp.
Ia-02-1778-0521
Weil die Erfahrung
lehrt, daß einige Dinge dem Menschen vortheilhaft, andre schädlich sind,
so war dies die frühste und am weitesten verbreitete
Meinung, es gäbe gute und böse Geister – und die bösen und schädlichen
suchte man am ersten zu gewinnen, weil der Mensch gegen das Übel am fühlbarsten
ist. Alle Völker aller Zeiten legen der Gotheit und dem unsichtbaren Wesen
das bei, was sie bei sich selbst und in der sichtbaren Welt finden. Daher
der Rang, die Hofstat, Wohnungen, Tänze, Gastmale der Götter – der Himmel
als eignes Reich pp. aus den groben Begriffen von den Geistern oder –göttern;
als blos aus einer steinern Materie gebildet, aber sonst den Menschen
in allem gleich, entstanden alle die verschiedne Arten und Gebräuche der
Verehrung, die Opfer pp. Die Begriffe von mächtigern und schwächern Geistern,
von einem vertrauten Umgang und möglicher Vereinigung
mit ihnen durch Fasten, Reinigen und Verrükkung der Sinne; von den Träumen
und der Weissagung künftiger Dinge, von der Zauberkunst pp.
Ia-02-1778-0522
Daß die Seelen der
Menschen und der Thiere die Leiber
Manuskriptseite
264.
überleben, war eine
algemeine Meinung, und bei der Geisterlehre dieser Menschen war die Unsterblichkeit
der Seele der natürlichste Gedanke, welcher auch in allen Menschen nur
erst durch vernünfteln wankend gemacht werden kan. Daher ihre Begräbnisgebräuche
mit Waffen und Geräthe pp. Die Sorgfalt, den Körper eine lange Zeit unversehrt
zu erhalten, indem sich die Seele noch bei demselben aufhielt, und wenn
er zerfiel, die Meinung vom Übergang der Seele in neue Körper. eine Menge
von andern Aberglauben hatte ihren Ursprung in diesen Begriffen. –" Seit.
78. 79. 80.
Ia-02-1778-0523
XXV.
Ia-02-1778-0524
M....
R.... Ein Autor borgt, bettelt und stielt so stark von dem andern,
daß bei meiner Seele! die Originalität fast so rar geworden ist, als die
Ehrlichkeit. Tr. Shandy 9ter Theil, 115te Seite.
Ia-02-1778-0525
1) Der Morgen –
und ein empfindsames Herz dazu.
Ia-02-1778-0526
"Du hast recht,
gute Menschenseele, dachte ich, und sah gegen die Sonne hin. Seelig ist
der Man, der mit der Morgensonne und dem Kutschbok zufrieden ist, und
dem, der auf dem weichen Polster sizt, und die Morgenluft nicht vertragen
kan, die Sorgen, und die lange Weile, und die Weichlichkeit überläst!
Die altäglichsten Gegenstände, die Lerche, der Morgenthau, die Nebel,
alles beschäftigte den empfindsamen P...., und
sein gutes Herz theilte mir seine einfältigen
Anmerkungen vertraulich ist mit. Wie reich ist
die Natur dem, der Gefühl hat und zufrieden
mit ihr ist! und wie wenig braucht ein Man, um es mit dieser Erde zu sein!
Manuskriptseite
265.
Eine sehr abgenuzte
Wahrheit ist das; aber, desto schlimmer, daß sie es ist. Zehntausendmal
hatte ich sie gelesen und gedacht, ohne recht daran zu denken, und nie
habe ich ihre trostvolle Gewisheit und das Grosse, das in ihr liegt, freudiger
und in reicherem Maasse gefühlt, als izt, da P., der weder die Gesezze
verstund, nach welchen die Sonne am Horizont
empor stieg, noch die Ursache untersuchen konte, warum sich ihre Stralen
in den Tautropfen brachen,– sich freuete, daß sie so schön sei, und bedaurete,
daß die Postpferde die Tautropfen von den Gralhälmchen abtraten. Wie sie
so schön flinkerten! sagte er. –
Ia-02-1778-0527
Kanst Du, grosser
Quel aller Freuden, eine wichtigere Absicht gehabt haben, da du die Seelen
deiner vernünftigen Geschöpfe in eine so genaue Harmonie mit dem Ganzen
sezzetest, und ihnen Gefühl gabest, und alles, was ihre eigentlichen Bedürfnisse
befriedigen konte, als die, daß sie sich deiner und ihres
Daseins freuen sol solten?–––
Ia-02-1778-0528
Wenn eins deiner
gutherzigen sorgefreien und einfältigern Geschöpfe,
an dich gerade zu denkt, ohne zu vernünfteln, und dich liebt,
weil deine Sonne ihm gerade zu behaget, ohne zu wissen, wie lange sie
würde fallen müssen, ehe sie auf seinen Kopf fiel, und ohne sich zu bekümmern,
ob sie jemals auf seinen Kopf fallen werde; und wenn dies ehrliche fromme
Geschöpf sich betrübet, daß Postpferde die jungen Grasblümchen zertreten,
und den Morgenthau von den Hälmchen abschleifen;–
dann entwirft sich zwar in der Seele dieses deines bessern
Geschöpfs kein so erhabenes
Bild; als in der Seele deines klügern;
allein ich hoffe, daß dir diese Menschenseele, eben so angenehm sein wird,
wenn siedie sich deiner Sonne freut,
und dich liebt, als die Seele des klügern. –"
Seit. 38. 39. 40.
Manuskriptseite
266.
Ia-02-1778-0529
XXVI.
Ia-02-1778-0530
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des siebenten Bandes erstes Stük. Berlin
und Stettin, verlegts Friedrich
Nikolai, 1768.
Ia-02-1778-0531
1)
Ia-02-1778-0532
Aus Ramlers
Oden.
"Fall an sein Herz, o Königin, mit Zähren
Der Freude! Fleuch an seine Brust,
Amalia, von deinen frommen Dankältären,
Und rede, wenn die Lust dich reden
Dich reden läst! Vermählte seiner Brüder
Küst sein friedseelig Angesicht:
Wilkommen, Schuzgeist deines Volkes! und saget wieder:
Wilkommen! und mehr nicht."– Seit. 14.
"Wenn seine (des Lycidas) Mutter unter den zärtlichen
Gesängen heller Nachtigalchör' empfieng,
Wer ihr in ihren Götterträumen
Nächtlich als Schwan sich vom Busen loswand–
Ununterwiesen wird er als Knabe schon
Die Frühlingsblume singen und froh bestürzt
Sich einen Dichter grüssen hören.
Ihm wird die jüngste der Charitinnen,
Die wohlbewachte Scham, sich zur Führerin
Entbiethen. Ihm wird Pallas die Wolke von
Den Augen nehmen, daß ihr Jünger
Wahrheit und blendenden Trug erkenne.
Manuskriptseite
267.
In Wäldern wird
er einsam den Vater der
Natur verehren. Endlich, o Lycidas,
Erwartete er, gleich eines fremden
Mannes Besuche, den Tod mit Gleichmuth. – –"
Seit. 25. 26.
"Urplözlich sind der Felsen graue Rükken
Zu Tempeln und Pallästen ausgehölt,
Die rund umher der Pyrrha Kinder schmükken,
Noch halb den Steinen gleich, und halb beseelt.
Ihr Götter! prächtig aus Ruinen
Erhebt sich euer Pantheon:
Die Weisen alle dienen,
Die Völker lernen schon.
Sagt, Sterbliche, den Sphären ihre Zahlen,
Und lehrt dem wilden Winde seinen Lauf,
Und wägt den Mond, und spaltet Sonnenstralen,
Dekt die Geburt des alten Goldes auf,
Und steiget an der Wesen Kette
Bis dahin, wo den höchsten Ring
Zevs an sein Ruhebette
Zu seinen Füssen hieng. –" Seit. 23. 24.
Ia-02-1778-0533
2)
Ia-02-1778-0534
Spinositische
Gotheit.
"Die dem Bernis in seiner einsamen Grotte
Schreklich erschien, als sie schnel ein blasses Feuer erfülte
Und vor seinem bestürzten Auge die Welt zu vergehn schien.
Durch die Lüfte rolten die Stern' in vermischtem Getümmel
In der finstern Nacht verirt, durcheinander. Vergebens
Hielten die Wirbel sie. Schon droht alles in Abgrund zu sinken.
Nur der Barde blieb ruhig in seiner Freistat, und sah sich
Unerschrokken in ihr vom entsezlichen Chaos umfangen.
Gott, schenktest ihm Muth, die schrekliche Nacht zu ertragen,
Manuskriptseite
268.
Plözlich gab ihm
den Tag ein Donnerschlag wieder, und mit ihm
Stieg aus den Trümmern der Erd' ein unermeslicher Riese,
Eine Welt an Grösse! hervor. An Gestalt ein Kolossus
Schreklich dem Aug' und doch nach
Ebenmaassen gebauet.
Sein gewaltiges Haupt war ein Gebürge; die Haare
Wälder; sein schrekkendes Aug' ein entzündeter
Feuerofen,
Oder ein flammender Abgrund. In einen Körper verwandelt,
Stand vor dem Dichter die Welt. In seinen kleinsten Gefässen,
Flossen die Bäche gemächlich, und durch die schwellenden Adern
Brauste das Weltmeer dahin. Sein Kleid war der Schleier der Lüfte;
Also träumte Spinoza
sich Gott. –––" Seit. 156. 157.
Manuskriptseite
269.
Ia-02-1778-0535
Verzeichnis
der neuen Schriften, die in diesem Bande enthalten sind.
Ia-02-1778-0536
I.
Über
die Krankheiten der Gelehrten und die leichteste und sicherste Art sie
abzuhalten und zu heilenvon Johann
Christian Gottlieb Akkermann d. A. D. Seit. 1.
Ia-02-1778-0537
II.
Franz
Hutchesons, der Rechte Doktors und der Weltweisheit Professors
zu Glasgow, Untersuchung unserer Begriffe von Schönheit und Tugend in
zwo Abhandlungen. Aus dem Englischen
übersezt. Seit. 4.
Ia-02-1778-0538
III.
Tagebuch eines
Weltmans. Übersezt von Heinrich Leopold
Wagner. Erstes Stük. Seit. 73.
Ia-02-1778-0539
IIII.
Des Herrn Grafen
Maximilian Joseph von Lamberg
Tagebuch eines Weltmans. Übersezt
von Heinrich Leopold Wagner. Zweites Stük.
Seit. 75.
Ia-02-1778-0540
V.
Predigten von
protestantischen Gottesgelehrten. Dritte Samlung.
Seit. 79.
Ia-02-1778-0541
VI.
Predigten von
protestantischen Gottesgelehrten. Vierte Samlung.
Seit. 85.
Manuskriptseite
270.
Ia-02-1778-0542
VII.
Das Grab des Aberglaubens.
Erste Samlung. Seit. 87.
Ia-02-1778-0543
VIII.Das Grab des Aberglaubens.
Erste Zweite Samlung. Seit. 94.
Ia-02-1778-0544
IX.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des zwei und dreissigsten Bandes zweites
Stük. Seit. 96.
Ia-02-1778-0545
X.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des ersten Bandes erstes Stük. Seit.
108.
Ia-02-1778-0546
XI.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des ersten Bandes zweites Stük. Seit.
117.
Ia-02-1778-0547
XII.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des zweiten Bandes erstes Stük. Seit.
123.
Ia-02-1778-0548
XIII.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des zweiten Bandes zweites Stük. Seit.
144.
Ia-02-1778-0549
XIV.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des dritten Bandes erstes Stük. Seit.
151.
Manuskriptseite
271.
Ia-02-1778-0550
XV.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des dritten Bandes zweites Stük. Seit.
162.
Ia-02-1778-0551
XVI.
Briefe an eine
deutsche Prinzessin über verschiedene Gegenstände aus der Physik und Philosophie.
Aus dem Französischen übersezt. Erster Theil.
Seit. 165.
Ia-02-1778-0552
XVII.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des vierten Bandes erstes Stük. Seit.
225.
Ia-02-1778-0553
XVIII.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des vierten Bandes zweites Stük. Seit.
231.
Ia-02-1778-0554
XIX.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des fünften Bandes erstes Stük. Seit.
242.
Ia-02-1778-0555
XX.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des fünften Bandes zweites Stük. Seit.
248.
Manuskriptseite
272.
Ia-02-1778-0556
XXI.
Das Leben und
die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker.
Erster Band. Zweite verbesserte Auflage. Seit. 250.
Ia-02-1778-0557
XXII.
Das Leben und
die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus
Nothanker. Zweiter Band. Seit. 251.
Ia-02-1778-0558
XXIII.
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des sechsten
Bandes erstes Stük. Seit. 256.
Ia-02-1778-0559
XXIV.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des sechsten Bandes
zweites Stük. Seit. 262.
Ia-02-1778-0560
XXV.
M.... R....
Seit. 264.
Ia-02-1778-0561
XXVI.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des siebenten Bandes erstes Stük. Seit.
266.
Manuskriptseite
273.
Ia-02-1778-0562
Register
der in diesem Banden enthaltnen Sachen.
Ia-02-1778-0563
1) Von Ideen
Seit. 1.
Ia-02-1778-0564
2) Wie unsre Seele
und unser Leib aneinander gekettet sind. 2.
Ia-02-1778-0565
3) Die Übung eines
Sinnes macht ihn stark. 2.
Ia-02-1778-0566
4) Das entzükkende
Vergnügen des Morgens 3.
Ia-02-1778-0567
5) Was Empfindung
genent wird. 4.
Ia-02-1778-0568
6) Die Verschiedenheit
der Sinne. 4.
Ia-02-1778-0569
7) Wie die Seele
wirket. 5.
Ia-02-1778-0570
8) Die Begriffe
von körperlichen Substanzen. 5.
Ia-02-1778-0571
9) Vergnügen und
Schmerz. 6.
Ia-02-1778-0572
10) Das Gefühl von
Schönheit ist von dem Vorhersehen eines Vortheils verschieden, und geht
vor diesem vorher 6.
Ia-02-1778-0573
11) Was Schönheit
ist 8.
Ia-02-1778-0574
12) Innerliches
Gefühl ist nicht eine unmittelbare Quelle des Schmerzens. 8.
Manuskriptseite
274.
Ia-02-1778-0575
13) Wohlgefallen
und Misfallen entsteht aus der Vergeselschaftung der Begriffe. Seit. 9.
Ia-02-1778-0576
14) Algemeinheit
des Gefühls von Schönheit. 11.
Ia-02-1778-0577
15) Überal ist Schönheit!
12.
Ia-02-1778-0578
16) Ein inneres
Gefühl sezt angebohrne Ideen nicht zum voraus. 13.
Ia-02-1778-0579
17) Belieben und
Misfallen sind von den Begriffen der Schönheit verschieden. 13.
Ia-02-1778-0580
18) Das innere Gefühl
von Schönheit komt nicht von der Gewohnheit. 14.
Ia-02-1778-0581
19) Auch die Erziehung
giebt uns das innere Gefühl von Schönheit nicht. 17.
Ia-02-1778-0582
20) Beispiele sind
nicht die Ursache des inneren Gefühls. 19.
Ia-02-1778-0583
21) Die Wichtigkeit
der innern Sinnen. 20.
Ia-02-1778-0584
22) Moralisches
Gute und Übel. 22.
Ia-02-1778-0585
23) Nuzzen und Vortheil.
23.
Ia-02-1778-0586
24) Unterschiedene
Begriffe von dem moralischen und *...*
natürlichen Guten. 24.
Ia-02-1778-0587
25) Unterschiedliche
Begriffe von dem moralischen und natürlichen Übel. 26.
Manuskriptseite
275.
Ia-02-1778-0588
26) Das moralische
Gefühl sezt keine angebohrne Begriffe zum Grunde
voraus. Seit. 27.
Ia-02-1778-0589
27) Die Neigungen
sind die Bewegungsgründe zu den Handlungen. 29.
Ia-02-1778-0590
28) Liebe aus Wohlgefallen,
und Has aus Misfallen. 31.
Ia-02-1778-0591
29) Uneigennüzziges
Wohlwollen 31.
Ia-02-1778-0592
30) Beweis, daß
das Wohlwollen uneigennüzzig sei. 33.
Ia-02-1778-0593
31) Widerlegung
eines zweiten Einwurfs gegen das uneigennüzzige Wohlwollen. 37.
Ia-02-1778-0594
32) Die menschliche
Natur ist einer ruhigen Bosheit unfähig. 41.
Ia-02-1778-0595
33) Noch ein Einwurf
gegen das uneigennüzzige Wohlwollen wird widerlegt. 42.
Ia-02-1778-0596
34) Die wahre Quelle
der Tugend 43.
Ia-02-1778-0597
35) Natürliche Zuneigung
44.
Ia-02-1778-0598
36) Algemeine Liebe
ist natürlich. 46.
Ia-02-1778-0599
37) Nationalliebe
48
Ia-02-1778-0600
38) Alle Tugend
ist wohlwollend 48.
Ia-02-1778-0601
39) Moralisches
Übel ist nicht jederzeit Bosheit 49.
Ia-02-1778-0602
40) Die Denkungsart
eines Tyrannen 50.
Ia-02-1778-0603
41) Die ordentliche
Quelle des Lasters 51.
Manuskriptseite
276.
Ia-02-1778-0604
42) Das Wohlwollen
ist von verschiednen Gattungen Seit. 52.
Ia-02-1778-0605
43) Das Wohlwollen,
wie es durch die Eigenschaften seiner Gegenstände bestimt wird 53.
Ia-02-1778-0606
44) Gewisse Grundsäzze,
um die Moralität der Handlungen mit allen ihren
Umständen zu berechnen 53.
Ia-02-1778-0607
45) Volkommene Tugend
56.
Ia-02-1778-0608
46) Die Moralität
ist von dem Nuzzen einer Handlung unbeschieden
57.
Ia-02-1778-0609
47) Der Instinkt
kan die Quelle der Tugend sein 57.
Ia-02-1778-0610
48) Der Heldenmuth
ist in allen Ständen 59.
Ia-02-1778-0611
49) Das Wohlwollen
ist der einzige Grund des Beifals 60.
Ia-02-1778-0612
50) Das moralische
Gefühl komt nicht von der Erziehung 62.
Ia-02-1778-0613
51) Dankbarkeit!
63.
Ia-02-1778-0614
52) Die moralische
Unfähigkeit ist eine Ursache sich zu schämen 64.
Ia-02-1778-0615
53) Das Mitleiden
ist ein Bewegungsgrund zur Tugend. 70.
Manuskriptseite
277.
Ia-02-1778-0616
54) Von Übeln Seit
73.
Ia-02-1778-0617
55) Von Träumen
75.
Ia-02-1778-0618
56) Glükliches Leben
– wo Wohlwollen herscht 79.
Ia-02-1778-0619
57) Von dem blinden
Eifer Religionseifer 80.
Ia-02-1778-0620
58) Von der Almacht
Gottes 85.
Ia-02-1778-0621
59) Von den Vergnügungen
der Seele 86.
Ia-02-1778-0622
60) Der Aberglaube
ist ausgebreiteter, als man vermuthet 87.
Ia-02-1778-0623
61) Von Lissabons
Erdbeben und von Kometen 88.
Ia-02-1778-0624
62) Sehr viel Aberglaube
ist schon verloschen 89.
Ia-02-1778-0625
63) Vom Schlafen
und Träumen 90.
Ia-02-1778-0626
64) Von Irwischen
90.
Ia-02-1778-0627
65) Von lechzenden
Flammen 92.
Ia-02-1778-0628
66) Von verschiedenen
Lufterscheinungen 92.
Ia-02-1778-0629
67) Von der sogenanten
Todenuhr. 93.
Ia-02-1778-0630
68) Die Schädlichkeit
des Aberglaubens 94.
Ia-02-1778-0631
69)
Von der Eule 96.
Manuskriptseite
278.
Ia-02-1778-0632
70) Beweis, daß
des Nabals Betragen gegen David
nicht vom Geize herrührte Seit. 96.
Ia-02-1778-0633
71) Erklärung einer
gewissen Schriftstelle. 1 B. M.I,2 98.
Ia-02-1778-0634
72) Von der Inspriration
der heiligen Schrift 98.
Ia-02-1778-0635
73) Vom heil. Abendmale
99.
Ia-02-1778-0636
74) Erklärung oder
Übersezzung einer Schriftstelle 100.
Ia-02-1778-0637
75) Vom biblischen
Ausdrükke "Begraben" 99.
Ia-02-1778-0638
76) Von Jesu,
wie er die Welt erleuchtet hat 100.
Ia-02-1778-0639
77) Von den Geschichtsbüchern
desAlten
Testaments 101.
Ia-02-1778-0640
78) Vom Teufel 101.
Ia-02-1778-0641
79) Von der Ergreifung
des Verdienstes Jesu. 104.
Ia-02-1778-0642
80) Eine Bemerkung
am menschlichen Herzen 104.
Ia-02-1778-0643
81) Von menschlichen
Tugenden 104.
Ia-02-1778-0644
82) Von der Erkentnis,
welche die Menschen haben. 105.
Ia-02-1778-0645
83) Der Morgen!
106.
Manuskriptseite
279.
Ia-02-1778-0646
84) Von Pflanzen
Seit. 106.
Ia-02-1778-0647
85) Von der Angst
über Gottes Zorn 108.
Ia-02-1778-0648
86) Einige Fehler
bei dem gewöhnlichen Unterricht der Kinder im
Christenthum 109.
Ia-02-1778-0649
87) Etliche Bemerkungen
110.
Ia-02-1778-0650
88) Von der götlichen
Eingebung der heiligen Schrift 111.
Ia-02-1778-0651
89) Von der Gotheit
Christi 111.
Ia-02-1778-0652
90) Von der Taufe
112.
Ia-02-1778-0653
91) Etwas vom Falle
Adams 112.
Ia-02-1778-0654
92) Von der *
Erbsünde 113.
Ia-02-1778-0655
93) Der Grund, warum
Gott die Offenbarung nicht mit augenscheinlichen Beweisen versehen hat
115.
Ia-02-1778-0656
94) Was es heist
"mit der Bibel reden" 116.
Ia-02-1778-0657
95) Von einem falschen
Ausdrukke 117.
Ia-02-1778-0658
96) Von der menschlichen
Seele 117.
Ia-02-1778-0659
97) Übersezzung
einer Schriftstelle. 118.
Ia-02-1778-0660
98) Etwas aus der
Historie des vorigen Jahrhunderts 118.
Ia-02-1778-0661
99) Von der Seele
120.
Manuskriptseite
280.
Ia-02-1778-0662
100) Etliche Fragen,
die beim Buche Hiob zu untersuchen sind 120.
Ia-02-1778-0663
101) Vom Essen,
Trinken u. d. g. 121.
Ia-02-1778-0664
102) Etwas von der
– Liebe 122.
Ia-02-1778-0665
103) Widerlegung
des Vorurtheils, da man sagt: "man habe fromme Leute gesehen, die zur
Verwunderung aller aus ihrer Frömmigkeit trefliche Einsichten in ihren
Berufsgeschäften bekommen, ob man sie sonst
gleich nicht von ihnen erwartet" 123.
Ia-02-1778-0666
104) Eine Vertheidigung
der Liebe 126.
Ia-02-1778-0667
105) Vom Verdienste
127.
Ia-02-1778-0668
106) Was die Heiterkeit
und Unerschrokkenheit des Gemüths ist 132.
Ia-02-1778-0669
107) Von Empfindung
und Empfindnis. 133.
Ia-02-1778-0670
108) Vom angebohrnen
guten Herze 135.
Ia-02-1778-0671
109) Der sterbende
Held für das Vaterland 137.
Ia-02-1778-0672
110) Gott ist alwissend
137.
Ia-02-1778-0673
111) Vom Enthusiasmus
138.
Manuskriptseite
281.
Ia-02-1778-0674
112) Von Sinnen
Seit. 140.
Ia-02-1778-0675
113) Eine Bemerkung.
141.
Ia-02-1778-0676
114) Untersuchung
wie die Ideen und Empfindungen in der Seele auf einander *...*f***
folgen 142.
Ia-02-1778-0677
115) Die Ursachen
der Leidenschaften und Gemüthsbewegungen 143.
Ia-02-1778-0678
116) Von der sympathetischen
Bewegung der Tugend 144.
Ia-02-1778-0679
117) Beantwortung
der Seele Frage. "wie
können Erdichtungen Leidenschaften verursachen"?
145.
Ia-02-1778-0680
118) Einige Beobachtungen
über die den Wachsthum und die Abnahme der Leidenschaften.
146.
Ia-02-1778-0681
119) Von der Koexistenz
der Bewegungen und Leidenschaften 147.
Ia-02-1778-0682
120)
Von der Simplizität 148.
Ia-02-1778-0683
121) Vom Grossen
und Erhabenen 148.
Ia-02-1778-0684
122)
Vom Wiz 150.
Ia-02-1778-0685
123) Von den einfachen
Begriffen 151.
Manuskriptseite
282.
Ia-02-1778-0686
124) Vom Genie Seit.
152.
Ia-02-1778-0687
125) Beantwortung
der Frage: "Haben die Apostel vor der Auferstehung Jesu
den Glauben aun sein Verdienst gehabt?" 153.
Ia-02-1778-0688
126) Von den Meinungen
in Religionssachen 160.
Ia-02-1778-0689
127) Vom Hauptwerke
der Religion 161.
Ia-02-1778-0690
128) Aus dem Young
- vom Menschen 162.
Ia-02-1778-0691
129)
Von Monaden 162.
Ia-02-1778-0692
130) Wie wir die
Idee der Solidität erlangen 163.
Ia-02-1778-0693
131) Eine Übersezzung
Eph.II, 1=3. 163.
Ia-02-1778-0694
132) Von der Geschwindigkeit.
165.
Ia-02-1778-0695
133) Vom Schalle.
168.
Ia-02-1778-0696
134) Von den Konsonanzen
und Dissonanzen 172.
Ia-02-1778-0697
135) Von dem unisono
und den Oktaven 175.
Ia-02-1778-0698
136) Von andern
Konsonanzen 179.
Ia-02-1778-0699
137) Von den zwölf
Tönen des Klaviers 184.
Ia-02-1778-0700
138) Von der Atmosphäre
und dem Barometer 189.
Ia-02-1778-0701
139) *...*
Warum man an allen Orten und zu allen Jahrszeiten
auf sehr hohen Bergen und in tiefen Kellern einen gleichen Grad der Kälte
empfindet 192.
Manuskriptseite
283.
Ia-02-1778-0702
140) Ein neues System
von der Natur der Stralen und des Lichts Seit. 196.
Ia-02-1778-0703
141) Von der Fortpflanzung
des Lichts 200.
Ia-02-1778-0704
142) Von der Grösse
der Welt. – Von der Natur und den Stralen der Sonne. 204.
Ia-02-1778-0705
143) Fernere Erklärung
der leuchtenden Körper 207.
Ia-02-1778-0706
144) Widerlegung
der Newtonischen Meinung von der Art und Weise,
wie uns dunkle Körper sichtbar werden, (nämlich, indem sie die Stralen
zurük werfen.) *
209.
Ia-02-1778-0707
145) Andre Erklärung
wie uns dunkle Körper sichtbar werden 212.
Ia-02-1778-0708
146) Fortsezzung
und Ende der vorigen Materie 214.
Ia-02-1778-0709
147) Verschiedenes
noch von Farben 215.
Ia-02-1778-0710
148) Von der Durchsichtigkeit
der Körper 216.
Ia-02-1778-0711
149) Von der Brechung
der Stralen von verschiednen Farben 220.
Ia-02-1778-0712
150) Vom Stern im
Auge 223.
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151) Von Vergleichungen
225.
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152) Von der Personifikation
oder Prosopopöie 226.
Manuskriptseite
284.
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153) Von der Hyperbol
Seit. 227.
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154) Von der Figur,
* die bei Gegenständen,
welche in Verhältnissen stehen, die Eigenschaften des einen dem andern
mittheilt 228
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155) Von der Metapher
und der Allegorie 228.
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156) Etliche Bemerkungen
und Regeln bei den Erzählungen und den Beschreibungen 230.
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157) Von der symbolischen
Erkentnis 231.
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158) Von der Sprache
als Zeichen ** betrachtet
234.
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159) Von den Bindewörtern
237.
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160) Von der Wahrscheinlichkeit
237.
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161) Vom Glauben
239.
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162) Von dem Ausdrukke
"Gott wohnt in einem Frommen" 241.
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163) Was wäre der
Mensch – wenn er unsterblich nicht unsterblich
ist? 242.
Manuskriptseite
285.
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164) Zieht Menschen
- werdet ganz - Menschen
Seit. 243
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165) Von der Redensart
"welches Tages du davon ist, solst du des Todes sterben."
244.
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166) Von den ersten
Christen 248.
Ia-02-1778-0729
167) Von der Kindheit
der Welt. 249.
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168) Vom Weitläuftigen
in der Religion. 249.
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169) Nothankers
Glauben 250
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170) Toleranz! -
250
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171) Gespräch des
Sebaldus Nothanker mit einem Pietisten 251.
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172)
Richtet nicht!!!! 255.
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173)
Die Wirkung der Luft auf den menschlichen Körper 256.
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174)
Was Offenbarung Gottes in der Natur sei 257.
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175)
Von der Seeligkeit anderer Völker, die von der Lehre Jesu
Christi nichts wissen 258.
Manuskriptseite
286.
Ia-02-1778-0738
176) Zum Beweise
für die Güte und Gerechtigkeit Gottes Seit. 261.
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178) Von den Mängeln
der Seelenkräfte und der Unsterblichkeit der
Seele | 261.
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179) Von den Theilen
flüssiger und dichter Körper 262.
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180) Von den Sitten
der Wilden 262.
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181) Der Morgen
– und ein empfindsames Herz dazu 264.