Jean Paul: Exzerpte. Digitale
Edition.
Hrsg. von Christian Müller-Clausnitzer, Sabine Straub,
Monika Vince und Michael Will.
Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition
Leitung: Helmut Pfotenhauer
Titelblatt
Exzerpten.
Erster Band.
1778.
Verschiedenes
aus den
neuesten Schriften.
Erster Band.
Schwarzenbach an der Saal,
– – .
1778.
Manuskriptseite
1
(c) Jean Paul Exzerpte. Digitale
Edition. Jean-Paul-Arbeitsstelle. Universität Würzburg
Ia-01-1778-0001
I.
(c) Universität
Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition
Ia-01-1778-0002
Journual
für Prediger. Erster Band.
Halle, bei Karl Christian Kümmel. 1770.
Ia-01-1778-0003
1.) Von der Ewigkeit
der Höllenstrafen. negat:
Ia-01-1778-0004
"Allerdings können
für die ewige Dauer der Höllenstrafen so scheinbare Stellen der heiligen
Schrift angeführet werden, daß man diejenigen wohl entschuldigen kan,
welche dieser Meinung zugethan sind. Unterdessen ist doch zu bemerken,
daß, obgleich Gottes Drohungen von ewigen Strafen,
welche die Menschen von der Sünde abschrecken sollen, nicht anders lauten
können, als wir sie in der heiligen Schrift finden, es dennoch bei Gott
stehe, in welchem Masse er sie erfüllen wolle. Noch mehr aber sind drei
Grundsäzze fest zusezzen, die in der Natur Gottes und der Dinge gegründet,
und eben so wichtig, als nachdrückliche Stellen der heiligen Schrift sind.
Der erste ist: Gott erschaffe kein vernünftiges Wesen, dessen unaufhörliche
Unglückseligkeit er vorher gesehen. Da ein mitleidiger
Mensch, wenn er
Menschen hervorbringen könnte, deren unaufhörliches Verderben er vorher
wüste, sich davon enthalten würde, warum sollten
wir das nicht bei Gott, dem gütigsten Wesen, in höhern Grade denken und
von ihm erwarten? – Der zweite Grundsatz ist: ein weiser Gesetzgeber überhaupt,
und Gott insonderheit, hat bei seinen Strafen
nicht nur die Warnung anderer, sondern x
auch die Besserung des jenigen, den sie betreffen,
zur Absicht. Menschliche Gesetzgeber können diesen Endzwek
niemals völlig erreichen, weil {sie} die Todten nicht lebendig machen
können: Gott aber ist es möglich. Der dritte Grundsatz ist: die AbsichtJesu Christi, {warum er auf die Welt kam} geht
auf wirkliche Bekehrung aller und jeder Menschen,
und man kan unmöglich denken, daß unserm Gott seine grosse gnädige Absicht
bei denselben der Hauptsache nach mißlingen
sollte: sie muß also an demjenigen, bei welchem
sie auf Erden nicht erreicht werden kan, künftig erreicht
werden." – Pag: 176. 177.
Manuskriptseite
2
Ia-01-1778-0005
2) Von den Wirkungen
des Teufels.
Ia-01-1778-0006
("Wenn der Teufel
an besondern Sünden, unmittelbar schuld wäre, so müste er algegenwärtig
sein, welches aber nicht gedacht werden kan. Es ist also wahrscheinlich,
daß, weil der Teufel {Non credendum est diabolum existere,
quod ego jam probabo} der erste Urheber
der Sünde und der gröste Bösewicht in der Welt ist, von mancher so schweren
Sünde so geredet werde, als ob er der Verführer zu derselben sei, um ihre
Abscheulichkeit desto nachdrücklicher anzuzeigen: und daß in einigen Stellen
an statt des Teufels solche Menschen, die ihm ähnlich, und eben so, wie
er, Verführer und Verderber anderer sind,
gemeinet werden." Pag.
177.
Ia-01-1778-0007
II.
Ia-01-1778-0008
Journual
für Prediger. Zweiter Band. Halle, bei Karl
Christian Kümmel. 1771.
Ia-01-1778-0009
1) Was die Beredsamkeit
sei.
Ia-01-1778-0010
"Die Beredsamkeit
ist die Gabe, die tiefe Empfindung, von welcher man selbst durchdrungen
ist, in die Seele anderer mit Macht einzudrücken; diese kostbare Gabe
keimet aus der besondern Empfindlichkeit gegen das Grosse, das Ehrbare,
und Wahre. So giebt es demnach keine Kunst für
die Beredsamkeit, weil es dergleichen keine
für die Empfindung giebt. Die Natur bildet die Menschen von Genie so wie
sie die kostbaren Metalle roh und mit fremder Materie vermischt in dem
Schoosse der Erden bildet. Die Kunst thut in
Ansehung des Genies weiter nichts mehr als was sie in Ansehung dieser
Metalle thut; sie {füget} nichts zu ihrem Beständnisse hinzu, sondern
sie reiniget sie nur von dem anklebenden Fremden; sie entwikkelt nur das
Werk der Natur." Pag.
49. 50.
Manuskriptseite
3
Ia-01-1778-0011
2) Gesinnungen des
Samariters bei dem Anblick des Elenden.
Ia-01-1778-0012
"Wie? ein Mensch
in seinem Blute! – ausgezogen, trostlos und ohne Hülfe! – Vielleicht schon
todt, oder doch dem Augenblicke des Todes ganz nahe! – Ach, er kan noch
wohl erquikt werden, wenn nur Jemand sich seiner annähme; Ich kenne ihn
zwar nicht: aber er ist doch ein Mensch, und
auf der ganzen Erde kan mir kein Geschopf fremd
sein, das einerlei Natur mit mir hat. – Vielleicht
ist er ein schlechter, unwürdiger Mensch? Vielleicht. – Aber seine Noth
redet für ihn, und in diesem Augenblikke wenigstens hat er das Verdienst,
Mitleiden zu fordern. Vielleicht ist er aber auch ein wirklich verdienstvoller
Mann, dessen Leben vielen andern nüzlich ist: dessen Wiederkunft eben
jezt eine ganz tugendhafte Familie mit Sehnsucht erwartet. – Genug, es
sei wie es wolle. Ich will bei jeder ungewissen Muthmassung nach dem handeln,
was ich sehe, was ich gewis weiß und empfinde,
und was ich allemal mir selbst wünschen würde, wenn mich das Verhängniß
an seine Stelle geworfen hätte. – Und wenn er
mein Feind wäre, so könnte ich es nicht unterlassen, da, wo alle Feindschaft
stirbt, sein Freund zu sein, und ihm denjenigen zu ersezzen, der ihm hier
in seiner Verlassung fehlt. Ja ich will, ich muß ihm beistehen.
–" Pag. 96.
Ia-01-1778-0013
3) Verbindung der
natürlichen Religion
mit der christlichen Offenbarung.
Ia-01-1778-0014
"Gehen wir zurück
in die gränzenlose Reihe verfloßner Zeiten, ehe
diese Welt gemacht war, können wir da je
Manuskriptseite
4
an einen
Zeitpunkt kommen, wo keine Geschöpfe waren, sondern allein die selbstgenugsame
Gottheit? Waren nicht allezeit Weltkörper und Weltgebäude
ohne Zahl, bevölkert mit Myriaden verständiger
Wesen, die ihres Schöpfers Herrlichkeit sahen und seiner Güte sich freueten?"
–
Ia-01-1778-0015
"Aus der Wirklichkeit
der Auferstehung unsers Herrn folgt unläugbar, daß er alles war, wofür
er sich ausgab, der Sohn Gottes, durch welchen
Titel er nicht etwas andeutete, daß sein Wesen
betraf, sondern seinen moralischen Karakter,
seine Würde und die hohe Ehre und Gnade, die er bei Gott hatte."
Ia-01-1778-0016
"Sollte es Jemanden
eine unvernunftmäsige und unglaubliche Meinung zu sein scheinen, daß ein
Wesen von höherer Ordnung und himmlischer Würde, und in Vergleichung gegen
den Menschen, in der Gestalt eines Gottes im Fleische erscheinen und gleich
einem andern Menschen erfunden werden sollte, so
können wir dagegen antworten, daß wir kein Beispiel
haben, daß unser Erlöser oder einer seiner Apostel von
irgend einem ihrer Jünger oder Bekehrten verlangen, diese Lehre
anzunehmen und zu glauben. – Diese Lehre muß demnach nicht unter die Artikel
unsers christlichen Glaubens gerechnet werden."
– –
Ia-01-1778-0017
"(Die Verbesserung
der Menschen in dieser Welt wird in den Schriften des N.
T. nicht so vorgestellt, als wäre sie der vornehmste Endzwek und
die Hauptabsicht der Unternehmung unsers Erlösers.
Die Bekanntmachung des Evangeliums, und die Bemühung
Manuskriptseite
5
der Apostel, sein
Ansehen und seinen Einfluß in der Welt zu befördern, waren zwar auf den
Unterricht, die Bekehrung und die moralische Verbesserung aller derer
gerichtet, welche darauf achten würden; aber die Aufnahme und die Wirkung
des Evangeliums unter den Menschen ist gegen
den Hauptzwek der ganzen Unternehmung des Erlösers verglichen, nur ein
Umstand.")
Ia-01-1778-0018
"(Die Hauptabsicht
und der grosse Zweck des Erlösers war die Erlösung
d. i. die Errettung von einer gänzlichen Zernichtung.")
Ia-01-1778-0019
"(Wenn wir vorgefaßte
Meinungen haben, daß die Seelen der Menschen physisch unsterblich und
ewig sind, wo werden wir mehr Schwierigkeit
finden, zu einem klaren Verständniß des Evangeliums zu gelangen." –)
Ia-01-1778-0020
("Die ewige Verdammniß
ist eine gänzliche und unwiderrufliche Zerstörung des menschlichen Daseins.")
Ia-01-1778-0021
("Der geistliche
und ewige Tod oder die Vernichtung wird eigentlich
eine immer daurende Strafe genannt, weil sie unwiderruflich ist.")
Ia-01-1778-0022
"Daß ein algegenwärtiges,
almächtiges, höchst weises, gerechtes, gütiges und wohlthätiges Wesen
ist; daß es über die vernünftige Welt auf die
vollkommenste Art herrschet; daß ein künftiges Leben ist, worin
die Menschen nach ihren Handlungen sollen belohnt werden: daß unser hochgelobter
Erlöser zum Verwalter der göttlichen Gerechtigkeit und Güte und zum Richter
der Welt bestimmt ist, das sind wichtige Wahrheiten, Grundlehren der Religion
überhaupt und besonders des Christenthums."
Manuskriptseite
6
Ia-01-1778-0023
"Wie Engel, und
selbst gute Menschen, wegen ihrer Frömmigkeit und Rechtschaffenheit und
wegen der göttlichen Gunst gegen sie, häufig Söhne Gottes genannt werden,
so wird der Erlöser am häufigsten und in der vorzüglichsten Bedeutung
der Sohn Gottes benannt; durch welchen Namen nicht der Ursprung seines
Wesens, sondern sein sittlicher Werth und seine Würde nach dem göttlichen
Urtheil angezeigt wird."
Ia-01-1778-0024
"Die Menschen fallen
in zwo entgegengesezte Ausschweifungen; indem
einige unsern Erlösern nur für etwas mehr als für einen Propheten Gottes
angesehen haben. – Andre hingegen haben die Macht und Würde unsers Erlösers
mit Gottes höchster Vollkommenheit und gränzenloser Herrschaft vermengt;
und als wenn keine Mittelkräfte oder Naturen zwischen dem Menschen und
dem einzigen höchsten und unendlichen Wesen sein könnten, haben sie angenommen,
der Mittler müßte in allen Eigenschaften, und
selbst im Wesen Gotte gleich sein, der ihn
zum Mittler {bestellte} , und daher haben sie ihm
ihm solche zusammengedrängte und in der That
widersprechende Naturen gegeben, die nirgends
in dem neuen Bunde zu finden sind." Pag.
102. 103. 104. 105.
Ia-01-1778-0025
4) Der schwerste
und leichteste Beweis für die Wahrheit des Christenthums.
–
Ia-01-1778-0026
"Versucht es, liebe
Kinder, nun mit einem redlichen Herzen, nehmt euch Zeit, denket nach,
lasset euch die Mühe nicht verdrüssen, diesem Wege eine Zeitlang
treulich zu folgen.
Manuskriptseite
7.
Nehmt Jesu
Lehren, Erlösung und Verheissungen vorläuffig
als wahr an, ihr könnt es ohne Gefahr thun, wenn ihr auch nicht diese
leichten Beweise in ihrer Stärke hättet verstehen und behalten können.
Versucht es aber einmal, prüft euch nach den Geboten Gottes und Jesu,
und verläugnet nicht eure unleugbaren Fehler und Sünden. Erkennet Jesum,
wie das N. T. ihn beschreibt, für euren Wohlthäter,
(der für euch gestorben ist) der euch selig machen
{wil} . Verachtet seine auss ausserordentlich
grosse Liebe nicht, glaubet, daß er es sehr gut mit euch meint, und daß
euer Herz bessern eben so viel heißt, als euch glücklich machen. – Lasset
euch bessern. Folget der rufenden Stimme des
Evangeliums – leset in der Schrift, sezzet euch sehr ernstlich vor, Gott
und dem Herrn Jesu in allen Stükken zu gehorchen
und gottselig zu leben. Leget alles Böse,
was seinem Befehl zuwider ist ab, um ihm, ihm nur nicht zu mißfallen.
Wachet über euer Herz. Lasset Gottes Gnade euch wichtiger sein als Menschengunst
und Fleischeslust, betet, brauchet die Mittel, die euch Jesus
zur Stärkung eures Glaubens, zur Überwindung des Bösen, zum Troste im
Leiden und zur Erleichterung und Befestigung
einer rechtschaffenen Frömmigkeit angewiesen hat. Ich sage, versuchet
das eine Zeitlang. Dann stehe ich
ich dann steht Gott euch davor, es wird euch gelingen, ihr werdet so ruhig,
so regelmässig, so zufrieden, so glücklich, so voll getroster Hofnung
leben, als diejenigen nicht sind, und nicht
sein können, die das verachtet haben. Dann werdet ihr ohne weitern Beweis,
gewis wissen, das Christenthum muß wahr, muß göttlich sein, das uns
so gut und glüklich macht. Dieß ist der schwerste Beweis der Wahrheit
der christlichen Religion für euer {schon} zum Bösen
geneigtes Herz, aber der
Manuskriptseite
8
leichteste Beweis
für euren Verstand: für beide der nüzlichste und dauerhafteste, ein Beweiß
für das Sterbebette." – Pag.
108. 109.
Ia-01-1778-0027
5) Von der Kürze
des jugendlichen Lebens.
Ia-01-1778-0028
"Habt ihr wohl an
einem Sommermorgen eine Rose oder Nelke betrachtet? Wie reizend blühte
sie, wie balsamisch war ihr Geruch, wie stolz ragte sie unter den geringern
Blumen hervor, wie viele Blumenfreunde zog ihr
Reiz herbei, sich an ihrer Gestalt zu vergnügen! Aber – ihre Schönheit
dauerte nur kurze Zeit. Es kam ein Wind oder {eine}
verzehrende Mittagshizze fiel auf sie, oder die Hand eines Liebhabers
pflükkte sie ab: oder wenn sie auch dieser Gewaltthätigkeit
entgieng, so verblühte sie an ihrem Stokke, verwelkte und vergieng.
Diese Blumen seid ihr, meine theuresten Kinder. Euer Leben ist seiner
Dauer nach nichts weiter, als das Leben einer Rxs
Rose oder einer andern Blume, welche mit allen
Reizen der Natur geschmükkt ist. Und so betrachte ich euch jezt in eurer
jugendlichen Blüthe. Wie roth sind eure Wangen,
wie lächelnd eure Miene, wie entzükkend euer
Anblikk, wie ganz seid ihr zur Anmuth und zum
Liebkosen geschaffen! Aber wenn ich euch anblikke, so mischt sich bisweilen
Furcht in meine Freude. Ach, denke
ich alsdenn, die liebreizenden Kinder, die jezt die Wonne ihrer Eltern,
der Stolz ihrer Gespielen, und die Freude ihrer
Manuskriptseite
9.
Freunde sind, wie
bald werden sie dahin sein. Eine fürchterliche Krankheit wird ihre Reize
zerstören, eine verzehrende Hizze wird ihre Kräfte vertrokknen, ein schleichendes
Fieber wird ihren Wangen, ihre anmuthsvolle Röthe benehmen. Vielleicht
in Kurzem werden sie blaß, verunstaltet, kalt und leblos daliegen, und
von denjenigen lieben Personen beweint werden,
die sie sonst nie anblikkten, ohne sich über
sie zu freuen"
Ia-01-1778-0029
"Heute, heute noch
macht den Anfang in dieser so wichtigen Beschäftigung! Morgen – ach vielleicht
seid ihr morgen schon todt. Vielleicht, ehe
ich euch noch euch verlasse, ehe ihr zu euren
Eltern zurükk kehrt, kann euch eine Krankheit
überfallen, welche euch ins Grab
stürzet. – Und was würde aus
euch, meine theuren, theuren Kinder werden,
wenn dieses vxx
vielleicht einträfe? – Lebet wohl, meine Kinder. Ich verlasse euch jezt,
doch wer weiß, welchen von euch ich vermissen werde, wenn ich wieder zu
euch komme? Wer weiß ob ihr mich nicht selbst vermissen werdet? Denn auch
mein Leben ist, wie das eurige, kurz und flüchtig. Ich bin eine Herbstblume,
die vielleicht noch früher und plötzlicher
als eine Frühlingsblume verwelken kann. Es mag sein. Wenn wir nur dort
im Himmel zusammenkommen, so geht es euch,
so geht es mir auf ewig wohl. Pag.
249. 250. 251.
Manuskriptseite
10.
Ia-01-1778-0030
6) Eine Bemerkung.
Ia-01-1778-0031
"Jederman, der in
der Geschichte nur einigermassen bewandert ist, wird beobachtet haben,
daß zur Ausbreitung einer Sekte nichts mehr beitrage, und ihren Fortgang
befördere, als der Widerspruch und die Bemühung sie zu unterdrükken.
Der Eigensinn der Menschen wird durch Widerstand geschärft, und jede Sache
gewinnet Ansehen, wenn man viel aus {ihr} macht, oder als etwas ausruft,
das gefährlich und alten Gewohnheiten nachtheilig ist. Das menschliche
Herz ist zu sehr für das Neue und Besondere. Siehet man Dinge mit Gleichgültigkeit
an, behandelt man sie als etwas Gemeines, so werden sie dem alten System
wenig Eintrag thun." Pag. 306.
307.
Ia-01-1778-0032
III.
Ia-01-1778-0033
Journual
für Prediger. Dritter Band. Halle, bei Karl
Christian Kümmel. 1772.
Ia-01-1778-0034
1) Das Glück des
Gottwohlgefälligen.
Ia-01-1778-0035
"Da alles, was
wir in unsern künftigen Tagen erwarten, von den Fügungen einer göttlichen
Vorsehung abhängt, so muß es auch in unser ganzes Glück einen hauptsächlichen
Einfluß haben, ob wir der Gnade und des Wohlgefallens
dessen, der alles regiert, gewürdiget sind. Denn Gott unterscheidet in
der Austheilung seiner Glükseligkeiten seine Freunde.
Wie nun selbst unter Menschen Wohlgefallen und Liebe sich allein zu dem
wendet, der mit unserer Denkungsart überein=
Manuskriptseite
11.
stimmet und unsern
Grundsäzzen ähnlich ist: so können auch wir die
nur Freunde Gottes sein, welche seinen Sinn angenommen haben. Eine solche
Aehnlichkeit mit Gott ist schon ihr Heil, sie ist die Quelle aller wahren
Glükseligkeit, selbst schon in diesem Leben, sie ist
auch allein die Gemüthsfassung, die wahre Glükseligkeit
empfinden kann. Sie ist uns der zuverlässigste Grund der Hofnung, daß
wir in der Gnade des allerhöchsten Gottes stehen. Und was kann uns alsdann
zu unsrer Wohlfahrt fehlen? Wir mögen in einer Verfassung leben, in welcher
wir wollen; wir leben unter einem gnädigen Gott, wir leben nach unsern
Pflichten, wir sind in unsern Gedanken und Betragen tugendhaft, sind großmüthig,
menschenfreundlich und edelgesinnt. Kann dieß andre,
als die besten Folgen haben? In der Vxs
Versicherung der Gnade Gottes sehen wir getrost gen Himmel und ruhig in
die Zukunft, wir hoffen nichts, als wahre Wohlfahrt in unsern künftigen
Umständen; denn ein uns gnädiger Gott kann nichts zu unserm Verderben
verfügen, würden auch nicht alle unsre
Wünsche erfüllt. Es sind menschliche Wünsche,
die nach der Unvolkommenheit unsrer Einsicht eingerichtet sind. Unser
weiser Gott kennet unsre Wohlfahrt besser, als
wir. Das bleibt uns ein algemeiner Trost, den keine Zufälle uns rauben,
der uns allezeit die besten Aussichten in allen Umständen unsers Lebens
giebt, daß wir in einer solchen Gesinnung stehen, in welcher wir dem Herrn
unsrer Tage und Schiksale gefallen können. Pag. 53.
54.
Ia-01-1778-0036
2) Schilderung des
busfertigen Zöllners.
Ia-01-1778-0037
"Ach! wie ist sein
Herz von dem Schmerz über seine Sünden durchbohrt!
Eine heilige Schaam ist über sein ganzes Gesicht ausgebreitet.
Er erblikt das ungeheure Meer seiner Missethaten. Sein
Gewissen wacht auf. Er hört die Seufzer des Armen,
Manuskriptseite
12.
den er
zu Boden gedrükt: er hört das Winseln der Wittwen und Waisen, deren Häuser
er gefressen. Ein jeder unrechter Heller, den er an sich gebracht, richtet
heute einen Aufruhr in seiner Seele und ein Zetergeschrei in seinem Gewissen
an. Sein Herz schwimmet ganz im Blute. Seine
Lenden zittern und seine Knie beben. Über sich erblikt er Gott, mit dunkeln
und schwarzen Wolken umgeben, deren Blitz bereit ist, auf ihn herabzufahren.
Unter sich sieht er schon den fürchterlichen Abgrund der Höllen für ihn
aufgethan." – Pag. 84. 85.
Ia-01-1778-0038
3) Von der Lehre
Jesu Christi.
Ia-01-1778-0039
"Wir finden gar
kein Beispiel, daß Christus Irthümer verbessert
oder Wahrheiten gelehrt hat, die blos den Staat, die Naturkunde,
oder die Weltweisheit betreffen. Er scheint
es gar nicht der Mühe werth, oder seiner Person
anständig geachtet zu haben, die irrigen Begriffe
seiner Jünger von Spukereien und leiblichen Besizzungen des Teufels zu
verbessern; vermuthlich weil er die Sache blos zur Naturkunde und nicht
zur Sittenlehre rechnete." pag.
316.
Ia-01-1778-0040
4) Vom Namen unsers
Erlösers.
Ia-01-1778-0041
Die Namen, Christus,
Gesalbter Gottes und Sohn Gottes betrachten die Jüden als gleichgeltend:
und die Begriffe, die sie mit diesen Ausdrükken verbanden, schlossen blos
eine vorzügliche Würde und eine Wichtigkeit des Amtes in sich. Und es
ist eben so ungereimt, die Benennung des Sohnes Gottes in metaphysischem
Verstande zu nehmen, und daraus einen Schluß auf sein geistiges Wesen
Manuskriptseite
13.
zu machen, und ihn
deswegen von dem höchsten Wesen unmittelbar gezeugt werden zu lassen:
als es sein würde wenn wir den geringsten
Schluß auf das Wesen Gottes daraus
machen wolten, daß er in G
der Gleichnisrede mit einem Landmanne verglichen wird, der einen Weinberg
anlegte." Pag. 317.
Ia-01-1778-0042
5)
Von der Verdammnis.
Ia-01-1778-0043
"Von den Strafen
der Gottlosen heißt es: sie werden zu ihrer
ewigen Strafe dahingehen; und nach einem vorhergehenden Verse: in das
ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln
zubereitet ist, das ist, sie werden in jenen unbestimmten Zeitraum ihres
Leidens eintreten, das den Urhebern und Fortpflanzern der Unordnung
der Bosheit und des Elendes in der Welt zugedacht
ist. – Im neuen Bunde herrscht eine grosse Mannichfaltigkeit des buchstäblichen
sowohl, als des figürlichen Ausdruks, wodurch die Belohnungen und Strafen
der andern Welt bezeichnet werden. Aus der ganzen Verbindung derselben
aber lernen wir, daß jeder Gottlose und Unbusfertige
gewiß nach dem Maasse seiner Schuld leiden soll: (daß das lezte Ende der
ärgsten Sünder ewige Vernichtung durch die Macht Gottes ist.") Pag.
318.
Ia-01-1778-0044
IV.
Ia-01-1778-0045
Predigten
von protestantischen Gottesgelehrten. Erste Sammlung. Berlin,
bei August Mylius,
Buchhändler in der Brüderstrasse. 1771.
Ia-01-1778-0046
1) Erster Predigt
Eingang.
Ia-01-1778-0047
"Wenn, nach dem
ausdrüklichen Zeugnisse eines Apostels Christi,
Sanftmuth und algemeine Wohlgewogenheit unter allen christlichen Tugenden
die vortrefflichste und größte ist; so ist
Manuskriptseite
14.
davon die Liebe
gegen Feinde gewiß der schönste Zweig. Das Unrecht gelassen erdulden;
seinen Beleidigern von ganzem Herzen vergeben; die segnen, die uns fluchen
und reden allerlei Übels wider uns; das Böse
mit Gutem vergelten; immer bereit sein, denen Wohlthaten zu erweisen,
die uns hassen und verfolgen, und so gar für
sie zu Gott beten – das ist doch wohl unstreitig der edelste und hochachtungswürdigste
Karakter eines Menschen; x...x
das Kennzeichen einer schönen und grossen Seele.
Ia-01-1778-0048
Aber, zu diesem
Gipfel der Tugend kann nur der christliche Glaube den Menschen erheben;
so wie er ihn überall zur Tugend nicht allein am stärksten bewegt, sondern
auch seiner Seele dazu die geradeste und leichteste Richtung giebt. Die
Weisen unter den Heiden, die gar wohl einsahen, daß die Tugend überhaupt
die größte Erhebung und Ehre der menschlichen Natur sei, haben Ix...x
insbesondere von der Großmuth gegen Feinde und
Beleidiger die rührendsten Beschreibungen gemacht, und sie durch die größten
Lobeserhebungen anzupreisen gesucht. (
{falsum est} Allein alles Schöne, das sie davon sagten, war zwar
hinreichend, die Bewunderung und Billigung des Verstandes zu erhalten,
hatte aber nicht Kraft genug, das Herz zu gewinnen und den Menschen zu
der eigentlichen Quelle zu führen,
daraus die Liebe gegen Feinde geschöpft werden
muß.) (Und, {Veritati adversum est} manche
Beispiele von großmüthigem Betragen gegen
Beleidiger, die man unter ihnen antrift, haben, immer,
in der Nähe betrachtet, eine gewisse Mischung von Hochmuth und Stolz,
daß man ihren ganzen so sehr gerühmten Edelmuth nicht so gar unrichtig,
halb Tugend und halb Laster
Manuskriptseite
15.
nennen könnte.)
Nur der {wahre} Jünger Jesu vergiebt {(und das
konte ein Heide auch sein)} , wie man vergeben
muß. Seine Tugend ist ganz Tugend, und sein Betragen gegen Feinde und
Verfolger, seine Verzeihung ist reine Sanftmuth und Liebe. Denn sein Glaube
heiligt bei ihm alles, und seine eigentliche Religion
ist Nachfolge Christi,
der die Liebe nicht allein zu dem grossen Grund=Gebote seines Evangeliums
gemacht, sondern auch selbst davon seinen Bekennern
das größte und schönste Beispiel zur Nachfolge hinterlassen hat." pag.
1. 2. 3.
Ia-01-1778-0049
2) "Sie wissen nicht,
was sie thun!"
Ia-01-1778-0050
"Wenn wir für unsere
Beleidiger beten: Vater! vergieb ihnen, so können
wir gemeiniglich mit Grunde hinzusezzen: Sie wissen nicht, was sie thun.
Sie wissen nicht, sie bedenken nicht, was vor
eine schwere Schuld sie durch Beleidigung ihres Nächsten auf ihr Gewissen
lxd laden. Es ist
xx wahr, sie schaden
und betrüben uns. Aber, kennen sie uns auch recht? Haben sie keine Vorurtheile,
die sie verblenden? Mengt sich in ihr Betragen gegen uns keine Unbedachtsamkeit
und Übereilung? keine Verführung und Aufhezzung
anderer? Laßt uns Nachsicht haben mit den Schwachheiten der menschlichen
Natur. Wir selbst sind davon nicht frei. Und wahrlich, so oft wir uns
beleidigt finden, steht uns nichts besser an, als Sanftmuth, Gedult und
Vergebung. Dann sind wir Christenund
Erlösete des Herrn. Dann haben wir selbst vollkommene Vergebung
bei Gott, und Hofnung zu jenem ewigen Reiche des Friedens, der Liebe
und der Seligkeit. (durch unsern Mittler
und Versöhner Jesum Christum) –" Pag.
13. 14.
Manuskriptseite
16
Ia-01-1778-0051
3) "So hoch der
Himmel über der Erde erhaben ist, so hoch sind die Gedanken Gottes über
den Gedanken der Menschen, und seine Wege über den unsern erhaben. Eine
Wahrheit, von der uns die Natur Gottes und des Menschen, die Geschichte
der Welt, und unsere eigene überzeuget."
Ia-01-1778-0052
"Wenn gründliche,
ernsthafte Untersuchung, wenn wahre Vernunft
so sehr das Theil wären, das sich die Menschen erwählen, als sie es sein
sollten; so würde die Natur Gottes und die Hoheit seiner Gedanken nicht
so unbekannt sein, als sie es sind.
Ia-01-1778-0053
Aber der Mensch,
der mehr sinnlich als nachdenkend ist, vergist,
daß Gott Herr sei, daß eine Allwissenheit
nicht abgesonderte Stükke der Schöpfung, nicht einzelne Theile von ihrer
Dauer, sondern das Ganze übersehe, und dieses
unbegrenzte All nach einem Entwurf regiere,
von Ewigkeit her gedacht, und von Ewigkeit her angelegt habe, was sich
bis in Ewigkeit ereignen soll. Diese Wahrheit vergist der Mensch; und
sezt Träu {seine} Träume an ihrer Stelle, und
schaffet in seinen Einbildungen gleichsam eine andere Welt, die von diesem
Gott, und von dem, was die allerhöchste Weisheit in der würklich vorhandenen
Welt von Ewigkeit her angelegt hat, unabhängig sein, und sich blos nach
seinem Gutbefinden richten soll. Hier besteigt er in Gedanken einen Thron,
bestimmt sich weite Grenzen,
wohin seine Absichten reichen sollen. Seine Wünsche sind seine Rathgeber;
nach deren Antrieb entwirft er die Begebenheiten, die sich ereignen sollen,
und zugleich den Einfluß, den er darinn haben will. Unterdessen
gehen die wirklichen Begebenheiten, welche die
Weißheit Gottes ordnet, und seine Allmacht ausführet,
ungehindert den Weg fort, den Gott gezeichnet
hat. Der Mensch wird endlich gewahr, daß der Erfolg, den
Manuskriptseite
17.
er in seinem Traum
entworfen hat, fehle. Er erwacht: aber nur,
um von neuem in denselben Traum zu verfallen.
Er schliesset wieder seine Augen, siehet die
höhern Wege Gottes nicht, und fasset neue Absichten, entwirft neue Wege.
Die göttlichen Gedanken gehen indessen, wie vorher ihren Weg, und führen
diesen Träumenden mit, der von neuem an die Gegend gekommen zu sein glaubt,
wo die Erfüllung seiner Entwürfe nicht fehlen könne;
sich von neuem getäuscht siehet und erwacht. Glüklich genug, wenn er endlich
erkennt, daß seine Entwürfe nur Träume sein,
die in das, was nach den göttlichen Entwürfen geschehen soll, keinen Einfluß
haben; und daß ein Gott sei, dessen Gedanken nicht die Gedanken der Menschen
sind. Sie können es auch nicht sein. Die göttlichen
Gedanken sind zu groß in den Absichten, und zu unfehlbar in den Mitteln.
Die Menschen aber haben x
einen sehr engen Gesichts Kreiß, der ihre Absichten begrenzet, und ist
es nicht überflüssig? zu sagen, wie trüglich
sie in der Wahl ihrer Mittel sind. Wie weniges können die Aussichten der
Menschen entdekken! Was kann also grosses in ihre Gedanken kommen? Wir
sehen weder vieles von dem, was schon um
uns her gegenwärtig ist; noch sehen wir tief in die Folge künftiger Begebenheiten,
die nach und nach entstehen sollen. Was kennen wir weiter?
– als einen Punkt der Schöpfung, die Erde, auf die wir verwiesen sind;
alles übrige ist unserm Gesicht entzogen. Und was ist uns auf diesem Punkte
der Schöpfung bekannt? Daß einige Jahrhunderte vor uns, so wie jetzo,
Menschen darauf gewohnet haben, die von Passionen
Einbildungen geblendet, und, von Passionen geleitet
werden sind; von denen jeder sich für dxx
{eine} Hauptperson in der Schöpfung ansiehet,
um deren Willen das übrige da sei; jeder sich
ein Recht anmasset, die göttliche Weisheit
Manuskriptseite
18.
vor den Richter=Stuhl
seines Unverstandes zu fordern und ihn zu verurtheilen,
so bald sie, auch ausser ihm, auf ihre andern Geschöpfe siehet, und seinen
Wünschen etwas fehlen lässet läst; jeder sich
für groß hält, wenn das Glük viele von seinen Wünschen befriediget, und
die Ausführung vieler von seinen Wünschen Absichten
begünstiget hat. Und wie tief sehen wir in die Folge künftiger Begebenheiten?
mit Gewißheit nicht in den nächsten Augenblik;
und auch mit ungewissen Muthmassungen nicht viel weiter. Ein so enger
Gesichts=Kreiß, und eine so kurze Aussicht ist der Grund unserer Gedanken,
unserer Entwürfe.
Ia-01-1778-0054
Wenn uns nun eine
x wahre Vernunft
die Augen öfnete, wie bescheiden würde sie uns machen, wie würde sie uns
demüthigen, wie würde sie uns aus der Natur Gottes und des Menschen
überzeugen, daß, so hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch müssen
seine Gedanken über den unsrigen erhaben sein.
Ia-01-1778-0055
Seht auf eurer
Erde, auf diesem Punkt, um euch; gehet die Geschichte der Völker und der
menschlichen Neigungen durch, und häuffet alles, was von ihrer
Einbildung und Eitelkeit groß genannt wird, zusammen; denket euch triumphirende
Sieger und überwundene Länder, glänzende Kronen und fußfällige Völker;
und denn hebet, in einer stillen, heitern Nacht, eure Augen und Gedanken
zum Firmament empor! Zehlet nur diejenigen Sonnen, die ihr noch sehen
könnet. Denket, daß sie nicht für unsere Erde geschaffen sind, welche
von ihrem Lichte und Wärme nichts geniesset.
Stellet euch jene Welten vor, zu
deren Beleuchtung und Erwärmung die Weißheit,
die nichts ohne Absicht thun kan, sie geschaffen hat. Gehet in Gedanken
bis an die äusserste
von
Manuskriptseite
19.
ihnen, und wisset,
daß ihr von dem Ende der Schöpfung, dieses grenzenlosen Werkes des Unendlichen,
dort noch eben so weit entfernet sein werdet, als ihr hie davon entfernet
seid. Und nun versuchet, euch einen Begrif zu machen von der Grösse derer
Gedanken, denen von diesen allen nichts unbekannt ist; die für alles,
was diesen unermeßlichen Raum erfüllet, sorgen; für das Wohl eines jeglichen
Geschöpfes, das darauf lebet, nach seiner Natur,
nach seiner Bedürfniß, nach seiner Fähigkeit, Entwürfe überdacht, und
von Ewigkeit her Anlagen zu demjenigen gemacht haben, was bis in die spätesten
Ewigkeiten eines jeden Geschöpfes Schiksaal
bestimmen soll. Und da ihr diese Vorstellungen, bei welchen Triumphe
und Kronen verschwinden,
nicht fassen könnet; so werfet euch in den Staub, und betet die Gedanken
an, die so viel höher als eure Gedanken sind, wie der Himmel höher als
die Erde ist. Eben so unendlich weit sind auch
die Wege Gottes, die Mittel, durch welche seine Weißheit ihre Absichten
ausführet, über den Wegen der Menschen erhöhet. Von allem, was geschiehet,
ist nichts, das von einer geringeren Weißheit,
als von einer unendlichen, veranstaltet werden
könne; weil auch zu der geringsten Begebenheit
ein Zusammenfluß von unzehlbaren Umständen erfordert wird, von denen kein
einziger fehlen, kein einziger sich früher oder
später ereignen darf, ohne Änderung oder völligen Verlust der ganzen Absicht.
Aber so viel Umstände zu Erreichung derselben erfordert werden, so viel
Hindernisse sind auch zu verhüten, davon eine
jegliche sie verändern oder
vernichten könnte.
Manuskriptseite
20.
Ia-01-1778-0056
Der Mensch lebet.
Was für genaue Einrichtung, was für Aufmerksamkeit auf die Erhaltung der
kleinsten unbekannten Theile seines Körpers, der Nahrung, die er geniesset,
der Luft, die er athmet; welch eine sorgfältige Verhütung alles dessen,
was seinem Leben gefährlich sein könnte, gehört hiezu! Er fasset eine
Entschliessung. Was wird hiezu für eine Zusammenfügung von Umständen erfordert,
die ihn zu dieser Entschliessung bewegen x!Uxx
Alle haben einen Einfluß in sein Gemüth, und die Änderung
eines einzigen würde seinen Vorsaz ändern. Diese alle kennet die Allwissenheit;
Ihre Weißheit hat sie geordnet zu der Zeit,
da sie auf das Gemüthe wirketen. Und so hat
sie das Herz aller Menschen in ihrer Hand, wie
Wasserbäche, und leitet es, wohin sie will. So ist sie untrüglich in der
Wahl ihrer Mittel, erreichet ihre Absichten oft durch solche Wege, von
denen die blöden Einsichten der Menschen glauben würden, die Unmöglichkeit
beweisen zu können. Sie läßt die Brüder Josephs
einen Verrath an ihm begehen, damit er ihnen
das Leben erhalte, und ihnen Gosen zur Wohnung gebe. Sie läßt ihn einen
Sclaven werden, damit er Egypten beherrsche. Sie läßt einen Befehl zur
Tödtung der Kinder ergehen, damit Mosesam
Hofe in aller Weißheit erzogen werde. So wenig
sind die Wege Gottes Wege der Menschen; und die Geschichte der Welt, so
wie der eigene Lebenslauf eines jeden, ist voll von Beweisen dieser Wahrheit
für den, der nachdenkend genug ist, sie zu bemerken.
Wie oft ist der Mensch muthig, um Anlagen zu seinem Schaden zu machen,
und zürnet gegen die göttliche Weißheit, die
so güthig ist, sie mißrathen zu lassen; wie oft
Manuskriptseite
21
zittert er für einer
Quelle seines künftigen Glükkes, und trauret,
wenn die Wege Gottes ihn dahin führen; bis die Folge ihn von seinem Irthum
und der Wahrheit überzeuget, daß die Gedanken
Gottes höher als x...x
die Gedanken der Menschen sein." Pag.
44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51.
Ia-01-1778-0057
4) Achter und
neunte Predigt {Eingang} von der Unsterblichkeit
der Seele.
Ia-01-1778-0058
"Die Verlassung
dieses Lebens ist nichts anders, als eine Veränderung, aber eine sehr
wichtige Veränderung uxs
unsers Zustandes; dabei {wir} bloß die äussere
Hülse, die uns umgiebt und uns den Augen der
Menschen hat sichtbar gemacht, ablegen, aber unserer
Seelen nach in eine andere Reihe der Dinge
übergehen, in eine andere Verbindung kommen,
und eine neue Art des Lebens anfangen. Der Tod,
der uns allen gewiß ist, betrift nur in so ferne unser Ganzes, daß er
den Geist vom Leibe, die Seele vom Körper
trennt, und die Verbindung gänzlich aufhebt, in welcher
sie mit einander gestanden haben: im übrigen
aber betrift er nur ganz allein das Körperliche, was wir an uns tragen.
Dies wird zerstöret; dies findet sein Ende; und weiter geht die Gewalt
des Todes nicht über uns. Sehr schön wird dies in den Worten des Apostels
Petri ausgedrukt, mit welchen er von seinem
bevorstehenden Tode sagt: 2 Petr.I, 14. Ich weiß, daß ich meine
Hütte bald ablegen muß, oder, daß
die Ablegung meiner Hütte nahe sei. Gedankenreicher
Ausdruk! – Ich und meine Hütte – So unterscheidet der heilige Apostel
sich selbst von seinem Körper. Denn die Seele macht eigentlich den Menschen
aus; der Körper ist nur wie sein Gezelt,
sein Haus worinn er wohnet, oder seine
Manuskriptseite
22.
Dekke, womit er
überkleidet ist. – Meine Hütte ablegen – das ist die Vorstellung,
welche er sich von seinem Tode macht. Er sieht
ihn bloß als einen Ausgang der Seele aus ihrer bisherigen Wohnung an,
oder als eine Ablegung der bisher getragenen
Dekke. So wenig aber derjenige, der eine Hütte verläßt, oder eine Dekke
abwirft, aufhört zu sein, was er ist; so wenig hören wir denn auch bei
dem Tode auf zu bleiben und zu bestehen. Jener verändert nur den Ort und
seinen vorigen Zustand; und wir verändern gleichfals nur im Tode den Ort,
wir verlassen die Erde, und was
uns auf derselben umgab, und verwechseln den
Zustand, in welchem wir hier gewesen, mit einem andern, in welchen
wir übergehen. Wir sehen leicht, daß diese Art, sich sein Ende auf dieser
Erden=Welt vorzustellen, einen grossen Einfluß auf unsere ganze Denkungs=
und Handlungsart haben müsse; indem dieselbe
ganz andere, grössere, viel weiter gehende und
edlere Besorgnisse bei uns erwekken muß, als diejenige haben, welche ihr
ganzes Dasein in den engen Kreis der wenigen
Jahre einschliessen, die sie hier
auf Erden zubringen. Denn wenn jene Vorstellungsart richtig ist, so haben
wir nicht bloß für diese Zeit, sondern auh
auch für eine Zukunft zu leben, die weit über dieselbe hinausreicht, um
unser Heil und unsere Glükseligkeit so zu befördern, wie es von uns geschehen
kann. Wir wollen daher die Richtigkeit und Wahrheit jener Vorstellung
zu bestätigen suchen, um die Überzeugung davon
in uns zu befestigen. Gott lasse es einen guten
Eindruk auf uns machen, damit wir alle weise werden mögen zu unserer Seligkeit!
– " Pag. 132. 133. 134.
Ia-01-1778-0059
"—— —— "
Manuskriptseite
23.
Ia-01-1778-0060
V.
Ia-01-1778-0061
Predigten
von protestantischen Gottesgelehrten.
Zweite Samlung. Berlin, bei August
Mylius, Buchhändler in der Brüderstrasse 1772.
Ia-01-1778-0062
1) Die Lehren Jesu.
Ia-01-1778-0063
"Die Reden (Lehren)
unsers göttlichen Meisters sind gründlich, vernünftig
und nachdrüklich; ganz frei von allem thörigten
Mischmasch und von allen abergläubischen Meinungen. Komt wohl irgend
ein einziger Ausdruk darin vor, der in irgend einer Rüksicht, dem geringsten
Grade des Lasters das Wort redet, oder es verstattet?
Bestehen sie nicht ausdrüklich auf einem innern Grunde der Frömmigkeit
und Tugend, und versichern sie uns nicht, daß
nichts, als dieses, der Gottheit angenehm sein könne? Verwerfen sie nicht
sehr scharf das Verhalten derer, die es bei
blossen Betrachtungen, Gebräuchen und äußerlichen Andachtsübungen
bewenden lassen; und fordern sie nicht von uns die heiligsten reinesten
und himlischgesintesten Neigungen der
Seele? –"
Ia-01-1778-0064
"Seine Reden sind
daher einfältig und edel. Sie sind deutlich und gründlich; haben eine
reizzende Mischung des Vernünftigen und des
Rührenden; und verbinden das Vertrauliche und Leichte mit dem Erhabenen
und Nachdrüklichen. Seine Gleichnisse wird man, wenn man sie mit Aufmerksamkeit
betrachtet, besonders schön finden; und seine Methode, seine Lehren, Metaphern
und Ausdrükke von den um ihn befindlichen Gegenständen
zu entlehnen, hat eine bewundernswürdige
Schönheit und Schiklichkeit. Mit einem Wort,
nichts konte dem Zwek, den er sich vorgesezt hatte, besser angemessen
sein, als seine Predigten waren; und muß man nicht zugestehen, daß dieses
die größte Volkommenheit eines Redners ausmachet?"
Pag. 152–16x
Manuskriptseite
24.
Ia-01-1778-0065
VI.
Ia-01-1778-0066
Algemeine
theologische Bibliothek. Erster Band.
Mietau, bei Jakob Friedrich Hinz. 1774.
Ia-01-1778-0067
1) Von Akkommodationen
und Allegationen.
Ia-01-1778-0068
"Und hier ist es,
wo wir unserm Leser zum Beschlusse gestehen wolten, daß wir unsers Orts
kein Kenzeichen wissen, an dem man ein prophetisches Allegat von einer
blossen Akkommodation unterscheiden könne, als die Augenscheinlichkeit
des prophetischen Textes selbst. Wenn aus dem ganzen Zusammenhange der
Rede des Propheten ganz offenbar erhellet, daß
von keiner andern Person, als der Person des Messias, die Rede sein könne,
dann erst kan man Allegation von der Zahl der Akkommodation ausnehmen.
Das blosse Allegiren giebt keinen Beweiß ab.
Es müßte denn a priori erwiesen werden können,
daß es unter den Allegationen des N. T. keine
Akkommodationen gebe. Giebt es einmal wirklich dergleichen, gesezt auch
man könnte nur zwei bis drei ausfündig machen, so hört die Allegation
auf, ein Beweiß von dem Dasein einer wahren Weissagung zu sein. Daher
es immer die äusserste Schwachheit bleibt, wenn einige aus den Worten:
??a p????d? und ähnlichen Formeln schliessen
wollen, daß hier eine eigentliche Weissagung
angeführt werde. –" pag. 26.
Ia-01-1778-0069
2) Von den christlichen
Tugenden ( e????? a?a???? )
Ia-01-1778-0070
"I)
Der Bibelleser, welcher in dieser streitigen Materie Licht bekommen wil,
muß sich gewöhnen, die Ausdrükke e??a und e??a a?a?a sorgfältig zu unterscheiden.
Die e??a sind
Manuskriptseite
25.
das, wovon die Schrift,
so oft sie sie als Handlungen der Menschen
betrachtet, überal geringschäzzig spricht. Und sie versteht in dem Falle
allemal und ohne Ausnahme, äusserliche gottesdienstliche Handlungen, die
nach Vorschrift des mosaischen Gesezzes ausgeübt wurden. – Exempel
wollen wir hier nicht geben. Aber wir provociren darauf, daß nirgend ein
Bibelkenner uns eine einzige Stelle aufbringen kan, wo e??a, wo sie von
den Mitteln, sich des göttlichen Wohlgefallens theilhaftig zu machen,
ausgeschlossen werden, etwas anders bedeuten. – Noch eine einzige Bedeutung
findet zwar bei diesem Worte statt, aber nur da, wo von den Ursachen geredet
{wird} , die Gott bewogen haben, den Menschen das Evangelium zu offenbaren,
und mit dem reichen Seegen zu überschütten, der sich
mit der Ankunft Jesu sich über den Erdboden
verbreitete. Und diese Bedeutung liesse sich durch vorhergegangene
Verdienste ausdrükken. Dahin geht die allegirte Stelle Eph.
2, 8. 9. 10. Paullus redet im vorhergehenden
von der Wohlthat, die uns Gott durch die Sendung seines Sohnes erzeigt
hat, dadurch er uns dem auferstandenen Jesu
ähnlich gemacht, und zu einem neuen Leben gleichsam übergeführt (s??e???p???se)
und von dem algemeinen Verderben der herrschenden Sünde (es?se?) errettet
hat. Von dieser Wohlthat versichert er, wie in unzähligen andern Stellen,
daß uns Gott gleichsam durch dieselbe zuvorgekommen sei, ohne daß wir
uns vorher um ihn desfals verdient gemacht hätten: ?? ?a? ?a??t? este
ses?sµe??? (errettet) d?a t?? p?ste?? (durch die christliche
Religion). –
Manuskriptseite
26.
Ia-01-1778-0071
Dieß, sagt er V.
8. ist ein blosses Gnadengeschenk, ?e?? d????,
welches wir an Gott durch keine vorhergegangenen Verdienste verdient hatten
– ??? e? e????. Daraus er den Schluß herleitet, daß wir in unserm jezzigen
Zustande, als erleuchtete und zur wahren Tugend fähige Menschen, bloß
ein Geschöpf der göttlichen Güte wären, die
dieses Glük lediglich seinen weisen Veranstaltungen zu danken hätten.
a?t?? ?a? ese? p???µa – u. s. w. vergl. Tit.
3, 4. 5.
Ia-01-1778-0072
II.)
Von dieser Bedeutung nun, die wir bei dem Worte
e??a angemerkt haben, ist diejenige, welche die Schrift mit dem Ausdruck
e??a a?a?a verbindet, unendlich unter
{{ver}} schieden verschieden. e??a a?a?a solte man, weil das Wort
einmal verhaßt ist niemals gute Werke übersezzen.
Das Neue Testament
versteht allemal darunter die Ausbrüche der
neuen Gesinnungen, die uns Gott durch das Evangelium eingeflößt hat, nähmlich
das, was wir Tugend – christliche Tugend – wahre Frömmigkeit nennen. Daher
sie bald schlechtweg e??a a?a?a, bald e??a a?ap??, bald p?ste?? heissen.
Und der Theologe sol sich melden, der uns eine Stelle zeigen kan, wo diese
e??a a?a?a von der Begnadigung bei Gott und der Erlangung der ewigen Seeligkeit
ausgeschlossen werden. Die Bibel wirft auch
die Frage nie auf, (wie der Katechismus) "ob der Mensch durch
gute Werke (e??a a?a?a) seelig werden könne?" – und
noch weniger gibt sie die Antwort, die der Katechismus giebt. Wenn
sie sie x...x sie
aufwirft, so ist allemal
von e????? schlechtweg die Rede, das heißt von
äusserlichen Handlungen, die nach Mosis
Gesez geschehen mußten.
Manuskriptseite
27.
Ia-01-1778-0073
III.)
So wie nun viele Gottesgelehrten in dem richtigen Sinne des Nenworts
fehlen, so fehlen sie auch in der wahren Bestimmung der Zeitworte.
Das erste ist a) des göttlichen Wohlgefallens theilhaftig
werden, d??a?????a? und das zweite b) von dem
moralischen Verderben errettet werden,
s????a?. Diese beiden Worte, und zwar allemal in der angezeigten Bedeutung,
braucht die Schrift, wenn sie jene e??a ausschließt. Jene äusserlichen
Handlungen, sagt sie, können weder den Menschen des göttlichen Wohlgefallens
theilhaftig machen, noch einen solchen Einfluß auf seine Ausbesserung
beweisen, daß er dadurch von dem moralischen Verderben der herrschenden
Sünde gerettet und einer wahren Glükseligkeit empfänglich würde.
Von dem eigentlichen "seelig werden", wie es der Katechismus nimmt, ist
gar die Rede nicht. – Hingegen die e??a a?a?a werden von beiden obgedachten
Zeitworten nirgends ausgeschlossen. Vielmehr behauptet die Schrift in
hundert Stellen, daß die wahre Tugend (e??a a?a?a) uns allerdings Gottgefällig
mache, und von dem Verderben der Sünde losreisse.
Ia-01-1778-0074
IV.)
Aber von obigen beiden Zeitworten sind diese c) sx...xseelig werden, oder vielmehr: Hofnung
des ewigen Lebens haben und d) versöhnt werden,
allemal wohl zu unterscheiden. Freilich sagt
die Schrift nirgends, daß wir durch Tugend seelig und mit Gott versöhnt
werden. Aber das konte sie auch nicht. Denn die Seeligkeit ist von der
einen Seite wenigstens ein freies Geschenk, das wir unserm Erlöser zu
danken haben, und welches an sich so unendlich groß ist, daß es, der gesunden
Vernunft nach, schon unsinnig sein würde, zu
sagen: die menschliche Tugend gebe an sich auf dieses Geschenk Ansprüche.
Und bei der Versöhnung fält das noch mehr in die Augen. Denn wenn ich
z. E. einen Landesherrn
Manuskriptseite
28.
injurirt hätte,
und ich hörte alsdann auf und würde desto ehrerbietiger
gegen ihn, so würde das zwar fürs künftige hinreichen, mich seines Wohlgefallens
empfänglich {zu} machen, aber die einmal verwirkte Strafe würde damit
nicht aufgehoben sein werden
können. Und so ist es auch ganz natürlich bei Gott. Die Tugend giebt uns
zwar d??a??s???? – die Qualität, die uns Gott gefällig macht: weil dem
lieben Gott das Gute nicht anders angenehm sein kan: aber sie giebt uns
nicht ??asµ??. – p. 64.
65. 66. 67. 68.
Ia-01-1778-0075
3) Von der Versöhnung.
x...x
Ia-01-1778-0076
"Die meisten Gottesgelehrten
dehnen ihn den Begrif
der Versöhnung zu weit aus, und verwikkeln sich eben dadurch in Schwierigkeiten
die sie nicht auflösen können. Und diese Ausdehnung bezieht sich auf das
Objekt der Versöhnung, dazu sie die Sünde
überhauptrechnen. Dieses ist nun grundfalsch.
– Diese Sünde hat ein doppeltes Verhältniß, eines gegen
Gott und eines gegen uns selbst. Das selbst
heißt, sie hat erst natürlich schlimme Folgen, z. E. daß ein Zänkischer
sich allerlei Verdrießlichkeiten aussezt, daß ein Unzüchtiger seine Gesundheit
verwüstet u. s. w. In diesem Verhältnisse nun (quoad
poenas naturales) kan die Sünde ohnmöglich
ein Objekt der Versöhnung sein. Hier findet gar kein Begrif der Aussöhnung
statt. Das heist, Gott mag, aus freier Gnade,
oder, um eines Mitlers willen, begnadigen, so bleibt dieses Verhältniß
doch. Sol dieses aufgehoben werden, so muß die Sünde selbst mit ihrer
Herrschaft aufhören, und dann hören diese natürlichen
bösen Folgen von selbst auf. So lange aber diese
die
Manuskriptseite
29.
herrschende
Sünde fortdauert, so lange dauern auch in alle Ewigkeit diese Folgen fort.
Daraus man beiläufig sieht, was wir zu anderer Zeit ausführlicher
zeigen werden, daß die Erlösung Jesu schlechterdings
auf die Aufhebung der Herrschaft der Sünde (welches
eigentlich und vornehmlich die s?te??a ist) abgezwekt sein muste, wenn
uns durch sie wahrhaftig geholfen sein solte. – Hingegen die Sünde im
Verhältnisse gegen Gott ist allein das wahre Objekt
des Begrifs: "Versöhnung." Nemlich ausserdem,
daß die Sünde uns schadet, trit sie zugleich
den göttlichen Gesezzen zu nahe: und entweihet die Begriffe, die wir von
der Heiligkeit Gottes haben, das heißt, Gottes (relative) Ehre. Sie wird
also dadurch positiver Strafen fähig. Nun kan
zwar Gott diese Strafen freiwillig und ohne Genugthuung erlassen. Allein
seine Weisheit fand dieß seiner Ehre nachtheilig.
Die Menschen ohne alle Zeichen seines Misfallens
an der Sünde, das heist, ohne alle Strafe,
begnadigen wollen, würde eben so viel sein, als die Menschen sicher und
leichtsinnig machen; eben so viel, als Gleichgültigkeit gegen Tugend und
Laster beweisen; eben so viel, als x
die Begriffe von der Heiligkeit Gottes, das
heist, seine Ehre verlezzen. Und hieraus ergiebt sich nun der wahre Begrif
der Versöhnung. Sie ist nehmlich: "eine Aufhebung
des Nachtheils, der der Ehre Gottes durch die Sünde zugewachsen
war, durch ein sichtbares Zeichen
des Misfallens Gottes an derselben, das heist, durch Strafe."
Diese Aufhebung aber kan auf eine doppelte Weise geschehen. Entweder durch
Bestrafung des Sünders selbst – (und so wird oft, im A.
T., das Unglük, das Gott den Sünder treffen
Manuskriptseite
30.
ließ, eine Versöhnung
genent) oder durch die freiwillige Aufopferung
eines andern für den Schuldigen – dadurch
Gott sein Misfallen an der Sünde zu erkennen giebt, und seine Ehre um
desto herrlicher rettet, da diese Versöhnungsart zugleich das schönste
Mittel zu unserer Besserung wurde. Und in dem Verstande sind wir
folglich allein durch den Tod Jesu versöhnt
worden. –" pag. 68. 69. 70.
Ia-01-1778-0077
4) Vom thätigen
Christenthum.
Ia-01-1778-0078
"Sol uns das thätige
Christenthum mehr Ernst
werden (und darauf komt alles an) so müssen wir andere Begriffe von seiner
Nothwendigkeit haben. Wir müssen unsern Zuhörern
deutlich sagen, daß zwar der Tod Jesu unsre
Sünde (pro præterito) versöhnet habe, und
also die positiven Strafen von Gott ohne Nachtheil seiner Ehre erlassen
werden können, daß aber damit 1) die natürlichen
Folgen der Sünde in Zeit und Ewigkeit aufgehoben sind, wofern wir uns
das BlutJesu,
wie Paullus im Briefe
an die Hebräer redet, nicht auch heiligen
lassen: und 2) daß wir ohne diese Heiligung jener ewigen Seeligkeit (deren
Hofnung der Tod Jesubegründet
hat), nicht empfänglich werden können. Ich sage
empfänglich. Denn ich betrachte die
Seeligkeit hier als natürliche
Folge der moralischen Güte: nemlich als Ruhe
und Freude der Seele, die natürlich entstehet, wenn ich geheiligt bin.
Und dieses solten wir unsern Zuhörern oft einschärfen. "Beharret
ihr in Lastern, so bleibt ihr, non
obstante der geschehenen Versöhnung,
in diesem und jenem Leben elende Menschen. Werdet
ihr aber tugendhaft, so ist euer Glük und Ruhe in dxr
Zeit und Ewigkeit eben so gewiß, als unvermeidlich. Denn eine tugendhafte
Seele wil, und muß Gott lieben. Und kan sie
Manuskriptseite
31
kan nicht anders
als seelig und glüklich werden. Ja sie muß es ewig sein,
wenn sie ewig so bleibt." Man darf gar nicht fürchten, daß man damit der
freien Gnade Gottes zu nahe trete. Denn die
Seeligkeit bleibt immer von der andern Seite etwas
positives. Gott ist es ja doch, der uns unser
Dasein gab – der uns Anlage, Kraft und Beistand zu derjenigen Tugend gab,
die wir als das Mittel der Empfänglichkeit beschrieben hab=
haben – der uns in seinem Sohne eine Versöhnung unsrer Sünden schenkte
– der uns dereinst aus dem Tode auferwekken – und, ausser den natürlichen
Folgen unsrer moralischen Güte, noch unzählige
wilkührliche Situationen hervorbringen wird, die unsre Freude und Wonne
erhöhen werden u. s. w. Und bei dieser Betrachtung sehen wir unsers Orts
nicht, warum man sich fürchtet, der Tugend, auch den Worten nach, einen
unmittelbaren Einfluß auf unser Heil zuzuschreiben, und sie den Christen
dadurch angelegentlicher und wichtiger zu machen; da man ja offenbar durch
die Anhänglichkeit an jene kirchlichen Ausdrükke
(die am Ende doch wenigstens alle unbiblisch sind) den Eifer im Guten
erstikt, dem menschlichen Leichtsinne Nahrung giebt, und den Spötter gegen
das Christenthum bewafnet." pag.
72. 73. 74.
Ia-01-1778-0079
5) Von der Nx
Existenz des Teufels.
Ia-01-1778-0080
"Die vernünftige
Welt dankt dem grossen Thomas
für die Veb Verbannung
des Teufels so aufrichtig als dem grössern
Lutter für die Verbannung des Ablasses.
Und wir unsers Orts kennen das System der christlichen
Wahrheiten von einer ganz andern Seite, als daß wir uns mit dem Verfasser
überreden solten, die Existenz des Teufels sei in der Kette derselben
so eingeflochten, daß, wer diese leugnet, jene zerrisse. Ja wir wünschten
vielmehr, daß kein Christlicher Lehrer in seinem
Vortrage des Teufels je wieder gedächte; und wir wolten
im Voraus dafür stehen, daß ihn seine Zuhörer in keiner
Manuskriptseite
32
theologischen Materie
vermissen würden – am wenigsten aber in der
Lehre vom Ursprunge des Bösen – wie der Verfasser
fürchtet. Denn wir sind fest überzeugt, daß die Sünde in der Welt sein
würde, wenn auch kein Teufel existirte. Wenigstens können wir den Ursprung
des Bösen aus der Einschränkung der menschlichen Seelenkräfte, aus den
natürlichen Trieben, die durch die Mischung seiner Säfte und durch die
Vereinigung des Leibes mit der Seele modificirt werden, und endlich aus
seinen mannichfaltigen Situationen, in denen er sich als Kind, Knabe,
Jüngling – befindet, und welche
Erziehung, Geselschaft, Lektüre, Beispiele Diät u. s. w.
bestimmen, so natürlich erklären, daß wir keinen Teufel darzu nöthig haben
– so wie wir denn auch oben gezeigt haben, daß
die Heilung der Besessenen
(als Wunder betrachtet) von der Existenz des Teufels unabhängig sei. (Denn
die Heilung der Besessenen macht kaum den vierten
Theil der Wunder des N. T. aus. So müssen wir
auch versichern, daß Heilungen wahre göttliche Wunder bleiben, wenn auch
keine wirkliche Besizzung des Teufels zugegeben
würde. Denn alle so genante Besessene,
bleiben doch immer wahre Kranke – die stumm –
rasend – mondsüchtig u. s. w. waren, und die unmöglich so augenbliklich,
und durch ein einziges Wort geheilt werden konten,
wenn keine göttliche Almacht dabei wirksam gewesen wäre.) Und die Hölle?
– Hier würden wir den Verfasser
gar keiner Antwort würdig halten, wenn wir nicht
erst vor kurzem von einem berühmt sein wollenden Theologen die Behauptung
gehört hätten: "wer keinen Teufel glaubt,
glaubtauch keine
Hölle!" – Und warum denn Hochwürdiger Herr?
möchten wir fragen. Kan denn Gott die Gottlosen nicht strafen, wenn er
keinen Teufel hat? Vielleicht hat er ihn zur
Execution nöthig?
Vieleicht braucht er ihn, das Feuer zu schieren? –
Manuskriptseite
33.
Die Erfahru
Geschichte kan uns auch keinen Beweiß von der
Existenz des Teufels geben. Denn wir kennen
in {der} ausserbiblichen Geschichte keinen Fal, der mit der nöthigen Glaubwürdigkeit
versehen wäre. Und uns hat immer der besondere Umstand gegen alle Erzählungen
mißtrauisch gemacht: daß noch kein Mensch, der die nöthigen Erfordernisse
(Herzhaftigkeit, gesunde Philosophie, eine Seele ohne zu lebhafte Imagination,
und ein paar mit dem Sonnenlichte unterstüzte gesunde Augen) zur Untersuchung
gehabt, sich mit dem Augenscheine überzeugt hat. Alle, die etwas gesehen
zu haben vorgeben, haben entweder des Nachts gesehen – oder w
es waren Leute von starker Imagination, die die Furcht vergrösserte –
oder es waren altweibische Leute. Warum hat denn, wenn Gott daran gelegen
war, daß die Menschen einen unter ihnen so geschäftigen
Teufel glauben möchten, nicht einmal
eine Erscheinung am hellen Mittage zugelassen, die von klugen Leuten in
Untersuchung gezogen werden konte? Und woher
komt es, (man löse dieses Räthsel auf, wenn man Lust hat) daß gerade in
den Ländern, wo die Barbarei ab= und der gesunde
Menschenverstand zugenommen hat, auch das Spuken des Teufels
abgenommen oder aufgehört hat?" – pag.
111. 112. 113.
Ia-01-1778-0081
6) Vom Evangelio.
Ia-01-1778-0082
"Es ist in dem Evangelio
kein Gebot, keine Vorschrift, die nicht dem
Wesen nach in aller Menschen Herzen geschrieben
sei; ja das menschliche Herz ist immer noch viel grösser, weit um sich
greiffender, erhabener, als der strengste Buchstabe des Evangeliums. Das
Evangelium bringt nichts in unser Herz herein, als
so wenig als ein treuer Ausleger in den Text. Es sol nur das aufwekken,
was in dem Herzen ist. Das Evangelium fodert nur mit Tönen und Buchstaben
und leuchtenden Beispielen – was unser Herz durch Triebe und Empfindungen
fordert. Das Evangelium ist nur der
Manuskriptseite
34
Kommentar (die Auslegebibel)
über unser Herz. Gott und der Mensch ist x
immer der Text. Alle Buchstaben sind nur Auslegung;
was sage ich ich, sind nur Bild, Kopie,
Umriß, Schatten." – pag. 154.
Ia-01-1778-0083
7) Eine Erklärung.
Ia-01-1778-0084
"Repg.II, 3. Auf einmal schien es,
als ob ein flammendes Feuer ihnen zum Munde
heraus brente, anstatt es erschienen ihnen hin
und wieder in dem Zimmer Feuerflammen, oder mit andern Worten: Blizze
fuhren durchs Zimmer (es war nemlich ein Gewitter V. 2.) denn $$$ $$$$
Feuerzunge heist Bliz." Pag.
199.
Ia-01-1778-0085
8) Von den Begeisterten
(Rasenden.)
Ia-01-1778-0086
"Matth.VIII, 28=32. Der Ausdruk Begeisterte
für Besessene ist wohl gewählt, wenn in solchen Leuten wirklich das böse
Wesen der Natur wirkte. Da aber der Herr Verfasser das leugnet, so hätte
er, um seinem Systeme getreu zu bleiben, Rasende,
Epileptische dafür sezzen
sollen. In Ansehung dieser Stelle aber glaubt
der Herr Verfasser, nicht der Teufel, sondern die Rasende
selbst hätten jene Schweine in die den See wüthend
gejagt: und, wenn sie sagen, wir heissen Legion, so hätten sie sich in
den Kopf gesezt gehabt, sie wären Generals unter
den Teufeln: denn jeder Rasende habe eine Hauptgrille."
Pag.
199. 200.
Ia-01-1778-0087
9) Von der Bedeutung
des hebräischen Worts $$$$.
Ia-01-1778-0088
""Hure
– behält seine eigentliche Bedeutung (wie Hl.
Teller sagt). So
wird Rahab – genent.
Es ist unerweislich, daß das hebräische Wort
eine Gastwirthin bedeute." Dieses
letztere ist auch unsre Meinung. Ob aber auch das erstere seine Richtigkeit
habe, daran zweifeln wir. Herr
Manuskriptseite
35.
Teller
wird so gut wissen als wir, daß $$$$ bei den Hebräern eine Hure
so wohl als eine Abgöttische bedeutet, und so
wäre es immer natürlicher, diese Hure Rahab mit
der Heidin Rahab zu
vertauschen, die allem Ansehen nach deswegen (auch Hebr.II.) so genent wird, um ihre edle That desto auffallender
zu machen." Pag. 283.
Ia-01-1778-0089
10) Von der Sünde
gegen den heiligen Geist und des Menschensohn.
Ia-01-1778-0090
"Auch der Herr Verfasser
hat so wenig als andere Ausleger und Theologen, denjenigen nicht ausgenommen,
dem neulich eine ganze thx...xl
theologische Fakultät ein Prämium zusprach, weil er den Sinn dieser Stelle
verkannt hatte, nicht gesehen, daß Sünde gegen
des Menschensohn nicht eine Sünde gegen Christum {sei} sondern sei, sondern gegen jeden Menschen
überhaupt. Menschensohn ist schlechtweg nach dem syrischen
Sprachgebrauche jeder Mensch. Sünde gegen den heiligen
Geist, ist hingegen nichts als Gotteslästerung, und hier insonderheit
eine solche Gotteslästerung, da man wahre Wunder dem Teufel
{zxxsr} oder für Be zuschreibt oder für Betrügereien erklärt.
Weder in dieser noch in jener Welt, heist nicht
so viel, als {weder} in diesem noch jenem Leben,
sondern weder vor noch unter der Regierung des Messias. Es ist also
das $$$ $$$$, und $$$$ $$$$$: und Christus wil
also sagen: Gotteslästerung kan so gar nic
der Messias nicht vergeben, von welchem die Juden doch sonst alles Glük,
die Tilgung aller ihrer Sünden erwarteten. Matth.
1, 2. 1." Pag. 197. 198.
Ia-01-1778-0091
11) Erklärung des
Schr Stelle an die {des} Spruchs IKor. 2, 11.
Ia-01-1778-0092
"IKor. 2, 11, ist von weiter nichts die Rede,
als von den Rathschlüssen Gottes in Absicht auf der Menschen Seeligkeit,
Manuskriptseite
36.
die uns in dem Evangelio
sind geoffenbaret worden. Diese erhabene und
trostvolle Wahrheiten nent der Apostel v. 6. s?f?a? ?e?? – ap??e???µµe???
– und v. 7 beschreibt er sie als Dinge a ?f?a?µ?? ??? e?de – versichert
dabei v. 8. daß sie uns Gott durch seinen Geist izt in den Zeiten des
N. T. geoffenbaret
habe: ?µ?? de ? ?e?? ape?a???e?
d?a t?? p?e?µat?? a?t?? – und wil zugleich den Gedanken erwekken, daß
kein Mensch dieselben erfinden und mit eigenem Nachdenken hätte herausbringen
können: sondern Gottes Geist sei allein im Stande,
sie zu offenbaren – ta t?? ?e?? ??de?? ??de?,
e? µ? t? p?e?µa ?e??. Wie folgt nun das, was Herr Seiler
beweisen wolte? Der heilige Geist weis die
himmlischen himlischen
Lehren der Religion und offenbaret sie uns: Ergo
– ist er alwissend? – Aber eben so unrichtig lehrt
Herr Seiler sein Kind weiter schliessen
"wer alles weis, musGott sein?" Wird ihn hier nicht das Kind fragen:
"Aber wenn der liebe Gott es ihm nun gesagt
hätte, so könte ers ja wissen, wenn er auch
nicht der liebe Gott selbst wäre?" Und was wolte
dann Herr Seiler antworten?
– Hierzu komt aber noch dieses, daß die Stelle
gar nicht von der Person des heiligen Geistes handelt. Denn es steht ja
gleich dabei; ?µe?? de – e?aß?µe? – t? p?e?µa t? e? t?? ?e??. Wil HerrSeiler nicht annehmen, daß die ersten Christen
den heiligen Geist in Person empfangen haben,
so muß er auch eingestehen, daß p?e?µa hier
mehr nicht als was in andern Stellen ???? – s?f?a ?e?? ist. Und er wende
uns ja nicht etwa ein, daß es doch von dem p?e?µa heisse: pa?ta e?e??a,
?a?ta ßa??
t?? ?e??. Denn eben der Geist, der den Aposteln
mitgetheilt wurde, theilte ihnen alle nöthige Erkenntniß der göttlichen
Rathschlüsse mit, und
Manuskriptseite
37.
so konte ganz natürlich
von dieser in ihnen wirksamen Gotteskraft gesagt werden, sie ergründe
die Tiefen der Gottheit, das heist, sie lehre
die Apostel Gott allein bekante Wahrheiten einsehen."
Pag. 207. 208.
Ia-01-1778-0093
12) Beweis, daß
die Seeligkeit an kein Volk, an keine Religion gebunden, sondern ein algemeines
Gut sei vor alle Menschen.
Ia-01-1778-0094
"Gott verlangt von
keinem Menschen mehr, als daß er gewissenhaft und redlich nach seinen
Einsichten handle: er mag nun diese Einsichten
der Natur oder der Offenbarung zu danken haben.
Folglich sind nur Christen zum Glauben an die
geoffenbarte Religion gebunden: dergestalt, daß von ihnen allein der Saz
gelte: "Durch den Glauben an Christum werden wir seelig."
Hingegen von heidnischen Völkern kan und wird ihn Gott nicht fordern.
Unmöglich können sie also als Unglaubige verdamt werden, so lange sie
noch gar keine Gelegenheit gehabt haben, den Glauben an Christum
zu erlangen. Freilich ruhet schon mehr Verantwortung
auf denen unter Juden und Heiden, die allenthalben
unter den Christen gelebt, und also nähere Gelegenheit
gehabt haben, die Lehren des Christenthums zu
erfahren, oder denen wohl gar selbst das Evangelium Jesu
verkündigt, oder der Weg zum Leben geoffenbaret worden ist. Wer weis aber,
wie viel auch denen noch unüberwindliche Hindernisse und Schwierigkeiten
im Wege gestanden haben, daß sie zu keiner rechten ErkentnißChristi, zu keiner
völligen Überzeugung von den nöthigen Heilswahrheiten
seines Evangeliums kommen können? Wer weis, wie dunkel, wie mangelhaft,
wie unrichtig und anstössig ihnen solche sind vorgetragen worden? Oder
was sonst noch für Zweifel, Anstoß und Aergerniß, so sie unter den
Christen gefunden, sie
Manuskriptseite
38
davon zurückgehalten
und noch abgeschrekt hat, sich in ihre Gemeinschaft zu begeben? – Auch
unter Heiden giebt es noch Wahrheit, welche durch die Gnade des heiligen
Geistes einige Frucht bringen kan. Diese Seelen, die Wahrheit erkennen,
und nach der erkanten Wahrheit (so unvolständig sie auch sein mag) ehrlich
handeln, sind Gott eben so lieb als andere,
denen Gott ein höheres Maaß von Einsichten verliehen
hat: und er wird gewis
auch für ihre Rettung besorgt sein.
Ia-01-1778-0095
Wer weis aber, wie
viele unter allen heidnischen Völkern noch immer mit so redlichen Herzen
nach der besten Einsicht ihrer Vernunft, nach den Trieben ihres Gewissens
und der de vorkommenden Gnade des guten Geistes,
Gott dienen und ihren Nächsten lieben? Ists
möglich, daß Gott diese hassen und bloß darum verdammen solte, weil sie
ohne ihre Schuld nichts von Christo wissen?
–" Pag. 238. 239. 240.
Ia-01-1778-0096
13) Etwas aus dem
Geisterreiche.
Ia-01-1778-0097
"Engel und Teufel
mag es wohl geben – und es kan sein, daß
Gott anfangs selbst davon offenbart, auch gesagt
habe, Laster sei die
Erstgeburt des Teufels. In der Folge hörten
die Erscheinungen Gottes auf, und die Menschen fiengen an, alles Unsichtbare
und Übernatürliche für Wirkungen des
der Geister zu halten. Jedes ihnen unerklärbare
Phänomen {in} der Natur, in der Seele, am
menschlichen Körper – alles war ihnen Wirkung
der Geister, deren Existenz sie aus der Tradition um so williger beibehielten,
je natürlicher es einem unwissenden Menschen
ist, in einem Geistersystem seine Phantasie zu beschäftigen, und aus ihrem
geheimen Einflusse alles, was er nicht versteht,
zu erklären. -
Manuskriptseite
39.
Das war vielleicht
die Ursache, warum Gott bei seinen folgenden Offenbarungen die Existenz
der Geisterwelt zu supponiren scheint, und von gewissen Wirkungen so red
redet, als wann es Wirkungen aus der Geisterwelt wären. – Es wäre denn,
daß man inspirationem verborum et phrasium in
der Bibel ganz leugnete, und darnach annähme, die scriptores
sacri hätten die orientalische Grille mit der
Muttermilch eingesogen, und selbst in die heilige Schrift introducirt:
Gott aber hätte diese Art des Vortrags nicht gehindert, weil
die Ausrottung des Vorurtheils zur Zeit unmöglich war. – Daher auch Christus
die Existenz der Geisterwelt nicht bestreitet, sondern vielmehr sagt:
er sei gekommen, das (vermeinte) Reich des Teufels zu zerstören: d. i.
der Unwissenheit, der Superstition, dem Laster
pp. seine Herrschaft zu rauben.
Und das war der göttlichen Weisheit volkommen gemäß. Denn die Menschen
hatten damals, da Christus seine Reforme anfieng,
noch nicht genug beobachtet, so, daß sie die Wirkungen der Dämonen hätten
für möglich falsch halten können. Also wars umsonst,
ihnen sogleich die Existenz abzusprechen
Vielmehr muste eine eine Zeit erwartet werden,
wo durch eine successive Aufklärung des menschlichen Verstandes auch unter
dem gemeinen Volke diese alte Quelle des Aberglaubens versiegen kan. –
Am Ende ists ja doch nur philosophischer Irthum,
wenn der Glaube an die Geisterwelt Irthum
ist. Und wenn man mir auch einwenden
wolte, daß doch dieser Irthum in der Welt erstaunenden Schaden angerichtet
habe, und daß es daher schlechterdings von Gott zu erwarten gewesen wäre,
sich gegen diesen Irthum zu erklären; so antworte xxh
ich, daß Gott in der Religion mehrere Dunkelheiten
zugelassen hat, welche in der Folge zu den blutigsten Kriegen Gelegenheit
gegeben haben. – Einmal solte
Manuskriptseite
40.
das Licht nicht
zu allen Zeiten und in gleichem Grade allen Menschen scheinen. Sondern
es beliebte dem großen Schöpfer, in der moralischen Welt eben so
die Mannichfaltigkeit der Geschöpfe und der Talente hervorzubringen, durch
welche er das Reich der Natur verschönert hat. Und er wird allen blinden
Eiferern für ihre Schulweisheit einst zeigen, daß alle seine vernünftigen
Geschöpfe von den Hottentotten bis zum Erzengel – zulezt auf einem Wege
zur ewigen Seeligkeit zusammentreffen. – Ich
meines Orts habe {mir} immer gegen die Existenz der Geisterwelt, so weit
sie sich auf Erzählungen gründet, folgenden Einwurf gemacht. – Wenn ein
Teufel ist, und Gott wolte ihn geglaubt und gefürchtet haben,
warum hat er nicht die klugen Leute durch Erfahrung
überzeugt? Warum haben nur immer furchtsame, abergläubische, oder Leute
von sehr lebhafter Imagination ihn gxsxxh
gesehen? Warum erfährt man seine Wirkungen nur
immer im Finstern? – Von allen Erkentnissen in der Welt ist der transitus
a prudentibus ad imperitos; hier allein sol es umgekehrt sein?
Was ich mit dem ganzen Geschwäzze habe sagen wollen? Dieses, liebe Mitchristen!
daß ihr immerhin einen Teufel glauben, aber ihn nur fernerhin nicht in
die Religion mischen und einen Glaubensartikel aus ihm
machen solt. Denn dahin gehört er gar nicht. Und ist wenigstens herzliche
Einfalt, wann ihr euch überreden laßt, wer
keinen Teufel glaube, glaube auch keine Hölle,
und wer keine Hölle glaube, glaube auch keinen Gott. Denn ihr werdet doch
so viel einsehen, daß der liebe Gott die Menschen in jener Welt strafen
könne,
Manuskriptseite
41.
wenn auch kein Teufel
ist. Und das traue ich euch nicht zu, daß ihr euch vorstelt, Gott werde
den Teufel zur Execution nöthig
haben, die er einmal an den Verdamten
volziehen wil. Nein! liebe Mitchristen!
so einfältiges Zeug glaubt ihr gewis nicht. – Also was sol der Teufel
in der Religion? – Man sol sich vor seinen Nachstellungen und Verführungen
hüten, sagt ihr. Gut! aber erstlich wie macht ihr das? Gebt nur auf euch
selbst Achtung, so werdet ihr sehen, daß ihr gegen den Teufel keine andern
Mittel vorkehren könnet, als eben die, welche ihr zur Bestreitung eurer
Leidenschaften und zur Besiegung aller äusserlichen Reize des Lasters
und der Thorheit anwendet. Folglich thut ihr ja allemal eure Pflicht,
ihr möget euch dabei nun in den Kopf sezzen, daß ihr wider den Teufel
fechtet, oder daß ihr bloß mit der Sünde streitet, oder daß ihr beide
zugleich vor euch habt. Zweitens muß ich euch sagen, daß die Apostel kein
Wort davon sagen, und daß eure ganze gutgemeinte Anhänglichkeit an dieser
Sache von übelverstandenen Sprüchen der heiligen
Schrift herrühret. – Ich wolte euch das, wenn
ich Zeit hätte, durch die ganze Bibel beweisen:
so aber muß ich mich begnügen, euch eine einzige aber doch eine Hauptstelle,
in ihrem richtigern Verstande vor Augen zu legen.
– Paullus sagt Eph.
6, 12 f. nach eurer Meinung gar deutlich, daß ein Mensch nicht bloß
mit Fleisch und Blut, das ist, mit seinen Leidenschaften,
sondern auch mit dem Teufel zu kämpkämpfen habe, aber nach meiner ehrlichen Überzeugung
hat Paullus in der ganzen Stelle nicht an den
Teufel gedacht.
Manuskriptseite
42.
Und wie köntet ihr
euch überreden, daß a??a? – e???s?a? – welches der so gewöhnliche Name
von den Grossen und Mächtigen dieser Erde ist (Luk.
12, 11. Tit. 3, 1.)
die Barons, Grafen und FxrstxnFürsten unter den Teufeln bedeute? Oder welcher
gesunde Menschenverstand
wird sich xei weiß
machen lassen, daß p?e?µat??a t?? p?????a?, böse Geister
sind, da es offenbar so viel ist, als p?????a p?e?µat???, das ist Bosheit,
die unter dem Scheine der Religion und des Eifers
für die Wahrheit und Tugend ausgeübt {wird}
. Das einzige e? e? ep???a????? könte zur Noth
einen ungeübten Leser irre machen, weil er
nicht gewohnt ist, daß sich die Juden immer $$$$$$ Himmelssöhne
nanten, und den Namen ?? ep???a????? in mehrern
Stellen des N. T.
erhalten. S. Eph. 3, 10. auch 1, 10. 3, 15.
wo ta e? t??? ???a???? Juden, und ta ep? t?? ??? die Heiden sind. Nach
dieser Voraussezzung wäre die Meinung des Apostels
diese: Ihr habt es jezt nicht blos mit euren innerlichen Feinden zu thun,
und wider eure eigne Lüste und Begierden zu kämpfen,
sondern es sind auch äusserliche Feinde vorhanden, die eu
eure Vorsicht und Wachsamkeit erfodern: ich meine theils die Nachstellungen
und Verfolgungen der
grossen und mächtigen
Weltbeherscher des Heidenthums, (er wil {den} Nero
mit seinen Prokuratoren nicht nennen) theils die fromme Bosheit der Juden.
Darum ergreift die geistliche Rüstung, damit ihr zur Zeit der Verfolgung
standhaft bleiben, und über alle Gefahren siegen möget." Pag.
321. 322. 323. 324. 325. 326.
Manuskriptseite
43.
Ia-01-1778-0098
VII.
Ia-01-1778-0099
Algemeine
theologische Bibliothek. Zweiter Band.
Mietau, bei Jakob
Friedrich Hinz. 1774.
Ia-01-1778-0100
1) Begrif vom
Glauben.
Ia-01-1778-0101
"Der Glaube ist
eine feste Überzeugung, daß Gott seine (der Tugend gegebene und durch
Christi Tod besiegelte) Verheissung, ohnfehlbar
erfüllen werde; ein kindliches Vertrauen auf die Güte und Vorsorge unsers
Schöpfers, und ein eifriger und williger Gehorsam
gegen alle seine klaren Gebote." Pag.
58.
Ia-01-1778-0102
2) Von dem Ebenbilde
Gottes.
Ia-01-1778-0103
"Bei aufmerksamer
Durchlesung des Artikels vom göttlichen Ebenbilde,
wie ihn das theologische System oder Kompendium
liefert, wird man mit Verwunderung und Verdrus bemerken, daß darin keine
biblische Lehren, sondern seichtes Geschwäz
und elende Distinktionen vorgetragen werden. Nach Beweisen sucht man vergeblich,
denn was man aus apokryphischen Büchern, aus
Kirchenvätern, aus jüdischer Lehrer ihren Schriften,
oder aus ältern Systemen beweisen wil, wird wohl kein dex
denkender Leser als Beweis gelten wil,
lassen. Unsre Väter, welche alle Kräfte anstrengten, das theologische
System auf alle mögliche Art zu bereichern, ergriffen mit Freuden etliche
vom göttlichen Ebenbilde vorkommende oder dahin
zie zu zielen scheinende Ausdrükke, und hieraus
schmiedeten sie einen besondern Artikel, den sie mit Kleinigkeiten
und Nebendingen anfüllen musten, wex
weil sie aus der Bibel nichts Wichtiges oder Gegründetes davon aufbringen
konten. Aus weiser Vorsicht versichern sie am Schlus wider ihr eignes
und vermuthlich wider unser aller Gefühl, die Lehre sei wegen ihres grossen
Manuskriptseite
44.
Einflusses in unsre
Rechtschaffenheit und ewiges Heil, äusserst wichtig. Mit den wahrhaftig
grossen dabei vorkommenden Schwierigkeiten
sind sie bald fertig; eine seichte Distinktion,
ein unbefriedigendes Geschwäz mus die Stelle
einer gründlichen Auflösung vertreten. – – Wer diese Klage für übertrieben
hält, der lese zu seiner Überzeugung den genanten Artikel im Hollaz,
Buddeus, oder einem andern selbst
beliebigen System. – – Die erste Schwierigkeit macht der Ausdruk göttliches
Ebenbild sobald man die zween Sprüche Koloss.
I, 15. und Kap. 3, 10. gegen einander hält;
sie steigt noch st
höher, wenn man Ebr. 1, 3. nebst andern Stellen
hinzufügt. Die zweite und noch grössere Schwierigkeit erwächst aus dem
Sündenfal. Die dritte aus der Ungewisheit, worin
eigentlich das Ebenbild Gottes bestanden habe. Daß es Adam gehabt hat,
sagt uns Moses deutlich; was es in sich begriffen
habe, sagt weder er, noch irgend ein andrer
biblischer Schriftsteller deutlich: denn die
Herrschaft über die Thiere, welche
man ohne Zwang nach 1 Mos.
1, 26 dafür annehmen könte, sol es durchaus nicht sein, sonderlich viel
weil die Socinianer
dasselbe darin sezzen. Die beiden Hauptsprüche
Koloss. 3, 10. und Ephes.
4, 24. sollen alles entscheiden;aber
bei genauer Prüfung entscheiden sie nichts, ausser
für die, welche von Jugend an gewöhnt sind, darin
eine Beschreibung des göttlichen Ebenbildes zu lesen. Dem I
Irthum und den sündlichen Begierden Gehör geben,
oder mit einem Wort den vorigen sträflichen Wandel,
nent Paullus den alten Menschen Ephes.
4, 22; hingegen das Bestreben, heilig und
gerecht zu leben, den neuen Menschen v. 24.
Vom göttlichen Ebenbilde kein Wort; ein neuer
Mensch ist doch wohl was ganz anders, als der
Manuskriptseite
45.
erste
Mensch. Die Worte: der nach Gott geschaffen ist, habe vermuthlich Anlas
gegeben, hier eine Beweisstelle von dem göttlichen dem
gö Ebenbild zu suchen. Das ?t?s?e?ta
wird keinen Sprachkenner bewegen gleich seine Zuflucht zur ersten Schöpfung
zu nehmen. Paullus redet ja deutlich genug:
der neue Mensch sol seinen Wandel nach Gott bilden, sich dem göttlichen
Willen gemäs verhalten, oder wie es in andern Stellen heist, in der Nachfolge
Gottes stehen; heilig, barmherzig und volkommen sein, wie es Gott ist;
1 Pet.
1, 15. 16. Luk. 6,
36. Matth. 5, 48.
Ein solcher verdient den Namen eines neuen, und eines nach Gott
geschaffenen oder gebildeten Menschen; die Sinnesänderung ist als eine
Umschaffung des Herzens anzusehen. Eben das gilt grossentheils von dem
zweiten grossen Beweisspruch Koloss. 3, 10.
welcher noch weniger beweist, indem hier nicht nach der lutherschen
Übersezzung ein Anziehen
des neuen Menschen, Menschen, oder wie man vorgiebt,
des göttlichen Ebenbildes befohlen; sondern in dem damit genau zusammenhangenden
V. 9. das Lügen verboten wird, weil die Kolosser
durch Annahme des Christenthums den neuen Menschen bereits angezogen hatten
e?d?saµe??? t?? ?e?? a????p?? folglich nun nicht
mehr nach der alten Gewohnheit, sondern nach
der erlangten bessern Erkentnis wandeln solten.
Das ?at’?????a t??
?t?sa?t?? ?t?? wüx
würde etwas entscheiden, wenn man nicht zugleich eingestehen müste, daß
der Mensch bei dem bereits erlangten göttlichen Ebenbilde noch boshaft
wider seinen Nächsten lügen könne; und gesezt man nähme seine Zuflucht
zu dem Sündenfal des Adams, so stehen s
doch noch andre weit wichtigere Schwierigkeiten
im Wege. Gewis ist, daß ????? hier nicht eben die Bedeutung haben könne,
wie Kap. 1, 15. vielleicht ist es hier nicht viel von t?p?? unterschieden,
und weist uns auf Gott, der uns zu w neuen Menschen
macht, und dessen uns geoffenbarte Eigenschaften,
die gleichsam sein Bild entwerfen, ein Muster
unsers Wandels sein sollen?
Manuskriptseite
46.
Doch das ist eine
blosse Anfrage. – – Genug – weder in Moses
Bericht, noch in den angeführten beiden, noch {in} irgend einem andern
gültigen Spruch lesen wir, daß das göttliche Ebenbild durch den Fal verlohren
gegangen sei: der gewöhnliche Beweisspruch Röm.
3, 23. redet mit keiner Sylbe von dem göttlichen Ebenbilde. Andre hingegen
beweisen deutlich, daß alle Menschen, auch unbekehrte, dasselbe noch an
sich haben, und daß es folglich nicht verlohren ist. Ohne an 1 Korinth.
11, 7. zu denken, welches man etwa nur von
den Gläubigen erklären möchte, sind schon 1 Mos.
9, 6. und Jak. 3,
9. hinlänglich. Die gewöhnlichen Erklärungen von dem Stamvater der Menschen;
von den noch vorhandenenÜberbleixxln
Überbleibseln des verlohrnen Ebenbildes; (wie
viel ist denn verlohren, wie viel übrig geblieben?Sokrates hatte folglich weniger davon verlohren
als Epikur; bei viehisch dummen Menschen findet
man gar keine Überbleibsel,) von der Fähigkeit dasselbe zu erlangen; von
der Unsterblichkeit, p u. s. w. thun keine Genüge.
Ein sonderbares Verbot wäre es: tödtet den nicht
den Menschen, denn er ist unsterblich; oder fluchet ihm
nicht, denn der erste Mensch hatte vor vielen
tausend Jahren hatte grosse Vorzüge, um welche er sich aus Stolz, Leichtsin
und Unwissenheit bringen lies. Ja der Mensch
kan x das verlohrne
Ebenbild wieder erlangen, deswegen sol man ihn nicht fluchen! Gut, Gott
kann dem Abraham aus
Steinen Kinder erwekken, die werden gewis
{alsdan} das {göttliche} Ebenbild an sich tragen:
ehre daher die Steine! Die angeführten Sprüche
geben wenigstens eine starke Vermuthung, daß es nicht verlohren,
sondern noch vorhanden sei. Und was war denn
eigentlich das verlohren gegangene Ebenbild?
Die Herschaft über die Thiere sol es nicht sein, diese haben wir noch;
nicht die Unsterblichkeit, auch die Fortdauer
der Thierseelen ist sehr wahrscheinlich;
Geistesfähigkeiten
Manuskriptseite
47.
scheinen es auch
nicht auszumachen, denn es giebt höchst dumme Menschen, die als Zwischengelenke
die Menschen an die Thiere anketten,
wer weis ob es nicht im Stande der Unschuld eben
so gewesen wäre? Worin das göttliche Ebenbild
eigentlich bestehe, weis ich daher nicht; aber
das weis ich, daß es nicht in der grossen Weisheit und Heiligkeit kan
bestanden haben, in der man dasselbe durchgängig sezzet, und die us
unsre vorher angeführten Liederverbesserer so ausserordentlich
rühmen. Hier ist mein Grund und zugleich die Rechtfertigung meiner Zweifel,
nebst einer Unterstüzzung dessen, was vorher ohne strengen Beweis kurz
bewx berührt wurde.
Von dem Zustand des ersten Menschen wissen wir ausser den mosaischen
Nachrichten nichts. Diese beschreiben ihn als ein gutes, aber schwaches
Geschöpf, das war
der Verführung ausgesezt, in steter Gefahr war, unter der Gewalt der erregten
Reize zu erliegen; Gott führte ihn daher, wie wir unsre Kinder, an der
Hand, zeigte ihm die schädlichen und unschädlichen
Gegenstände. Der erste Versuch, ihn sich selbst zu überlassen, lief
gleich unglüklich ab: der schwache, unwissende, leicht verführte, dem
sinlichen Reiz Raum gebende Mensch stürzte sich
der erhaltenen ernstlichen Warnung ungeachtet,
ins Verderben. Das ist keine poetische Auszierung, sondern der kurze wesentliche
Inhalt des mosaischen Berichts von dem Fal.
Hingegen alle die schx...x
schönen Sächelchen, welche man in den theologischen Systemen erzählt
von des Adams Weisheit,
nach welcher er als ein grosser Naturforscher den Thieren solche Namen
beilegte, als ihre Natur erheischte; oder von
seiner Heiligkeit, die er {er} d er durch das
Bestreben, Gott wohlzugefallen, an den Tag legte, ist er .... wenigstens
eine poetische Auszierung; oder Moses hätte
greulich gelogen.
Manuskriptseite
48.
Die Bibel sagt kein
Wort von Adams Heiligkeit, oder hoher Weisheit.
Wo bleibt der erhabene Verstand u. d. g.? Am lächerlichsten ist, was man
von seinen heiligen Begierden plaudert. Die Blöse der nakkenden Gesellin
reizete ihn nicht, folglich waren h seine Begierden
heilig? Welcher Schluß! Noch wissen wir nicht
eigentlich, was das heißt: sie wurden gewahr, daß sie nakket
waren. Man nehme es aber auch für das Entstehen
wollüstiger Begierden, so wissen wir nur, daß sie gleich anfangs
nicht grobe Wollüstlinge gewesen sind; aber
wen eine verbotene, für schädlich erklärte, Frucht reizet, wer unsinnig
stolz ist, von dessen heiligen Begierden
läst sich gewis nicht viel Gutes sagen. Warum
rühmt man nicht die wild umherstreifenden
Völker wegen ihrer heiligen Begierden, da sie bei ihrer gänzlichen Blöse
weniger wollüstig sind, als die meisten gesitteten
Europäer. Eine gänzliche Heiligkeit und Weisheit
machte den Fal unmöglich; bei einem geringen
Grad der Weisheit und Heiligkeit hatte kein Verlust
des göttlichen Ebenbildes Statt; noch jezt sind
die natürlichen Menschen weise, klüger als die Kinder des Lichts pp. Luk.
16, 8; die Heiligen auf Erden hingegen vol
Mängel und Gebrechen. Hatte Adam das
göttliche Ebenbild so lange er kein Verbrecher
war, so sind doch auch seine Nachkommen nicht
unaufhörliche Verbrecher: ihm und ihnen war ein Stand der Prüfung
und Übung nothwendig." Pag. 194. 195. 196. 197. 198.
199.
Ia-01-1778-0104
3) Eine Hypothese.
Ia-01-1778-0105
"Bei diesem Gedanken
fiel uns die Hypothese von der Seelenwanderung
– so warm aufs Herz, daß wir uns nicht enthalten
konten ihr einige Augenblikke nachzuhängen,
und uns an ihr zu ergözzen. Wie, dachten
wir, wenn der redliche Geist sich bei dem Anfange
Manuskriptseite
49.
seines Daseins auf
der untersten Stufen befinden müste? Wie wenn ich mix
mir vorstelte, daß alle Menschenseelen schon
einmal die untersten Stufen durchwandert hätten – einige schneller, einige
langsamer? so daß die trägern und langsamern (man schliesse
weder Freiheit noch Mechanismus von diesem Zaudern aus; es wirket beides
zusammen;) einige Stufen mehr zu passiren – und zulezt noch die beschwerlichste
Wanderung durch einen Höllenkörper zu thun hätten? – so daß am Ende alle
Seelen – alle, von Hottentotten bis zum Seraph – einige
später, exxig einige
langsamer – auf diejenige Stufe der vollkommenen Geister gelangten, auf
welcher unaufhörliche und tägliche steigende Seeligkeit ihr ewiges Erbtheil
sein wird?" Pag. 205. 206.
Ia-01-1778-0106
4) Von der Tugend.
Ia-01-1778-0107
"Man übertreibt
gemeiniglich die Sache,
wenn man vxx von
Verleugnungen des Christen und von ihrer schuldigen
Entsagung des Genusses der Welt zu reden anfängt.
Wer die Moral versteht, und Christenthum von
Mönchsascetik zu unterscheiden weis, wird nie sagen, daß der Christzu grössern Verleugnungen aufgefordert werde,
mehr wahre unschuldige Freuden dieses Lebens entbehre, kurz – der Tugend
grossere Opfer zu bringen habe, als der natürlich Tugendhafte. Die Tugend
bleibt im Materiali überal dieselbe. Folglich
ist die Tugend des Christen von jener nur darinnen unterschieden, daß
sie die Ausübung ihrer Pflichten, die sie mit jener gemein hat, auf den
Befehl, das Beispiel und die Verheissungen Jesu
gründet – als welches ihr Formale ausmacht." Pag.
221.
Manuskriptseite
50.
Ia-01-1778-0108
5) Eine Erklärung.
Ia-01-1778-0109
"V. 19 "wirdder im Himmelreiche der kleinste sein." Dieß
versteht niemand. Und wie es Hr. S. in der Note
erklärt, wird es gar ein falscher Gedanke. Es sol nach seiner Meinung
so viel sagen: er verliert alle Ansprüche auf
den Karakter eines volkommenen Christen" Nicht
zu gedenken, daß "Anspüche
Ansprüche auf den Karakter" für "Ansprüche auf
das Verdienst" undeutsch ist; so ist es offenbar, daß ein Mensch, wie
ihn Christus hier
schildert, als einen solchen Irlehrer, der sogar die Moral aufhebt, und
die Gesezze der Tugend ausrotten wil, nicht nur nicht die Ansprüche auf
das Verdienst eines volkommenen Christen verliert, sondern gar aufhört,
ein Christ zu sein. Allein e?a??st?? e? t?
ßas. t. ???. heist das gar nicht. Nach der jüdischen
Theologie giebts in der Ewigkeit zwei Hxuffxn
Haufen, die Seeligen und die Verdamten. "Die
ersten heissen p????? und leztere e?a??st??.
Und darnach muste die Übersezzung bestimt werden." Pag.
249.
Ia-01-1778-0110
VIII.
Ia-01-1778-0111
Algemeine
theologische
Bibliothek. Dritter Band. Mietau, bei
Jakob Friedrich Hinz. 1775.
Ia-01-1778-0112
1) Die Absicht der
Erlösung.
Ia-01-1778-0113
"Die Absicht der
Erlösung ist nicht, wie man vorgiebt "Gott
mit den Menschen zu versöhnen"
– denn das ist aus dem Grunde verwerflich, weil Gott nie
die Menschen gehast hat, und also auch keine
Aussöhnung seines Herzens mit den Gegenständen
seines Zorns nöthig gewesen – sondern umgekehrt: "Die
Menschen
Manuskriptseite
51
mit
Gott auszusöhnen", d. h. ihnen bessere Gesinnungen und Grundsäzze
beizubringen, und sie zu einem vernünftigen Gottesdienste anzuführen."
Pag. 30.
Ia-01-1778-0114
2) Die Mittel die
Heilung unsers Jahrhunderts zu bewerkstelligen.
Ia-01-1778-0115
"Ex...x
Es muß vor allen Dingen die natürliche Religion
mehr in Aufnahme und Ansehen gebracht werden" –
Ia-01-1778-0116
"Die Heilung unsers
Jahrhunderts ist unmöglich durch neuen Aberglauben,
unmöglich durch Zwangs=Mittel für väterliche Meinungen, welche die junge
vornehme Welt abgelegt hat." –
Ia-01-1778-0117
"Meine Brüder, wie
sollen wir gegen diesen, alle menschliche Wohlfahrt umstürzenden Sturm
bestehen? Wo sollen wir die Hofnung, daß es unsern Kindern erträglich
ergehen werde, vor Axxxer
{Anker} legen?" – -
Ia-01-1778-0118
"Wir müssen machen,
sagt die Geistlichkeit der Christen,
daß der Glaube ans Christenthum wieder durchgängig eine häusliche und
geselschaftliche Sitte der vornehmen Stände werde. Verzeiht mir, Ehrwürdige,
daß ich euch einmal im Namen der Nichtchristen
antworte:"
Ia-01-1778-0119
"Wie denkt ihr das
anzufangen, ihr lieben Geistlichen? Auf unsre Hülfe werdet ihr doch
wohl keine Rechnung machen. Und wir, wir gelten
nicht wenig an Höfen; wir denken M...n unter unsern Mitbrüdern zu haben;
von uns ist immer die Hälfte der Rathsglieder;
wir kommandiren fast alle Besazzungen. Träumet nicht länger von Inquisitionen,
x...x verlast euch
nicht mehr auf eidliche Versprechungen, auf das Evangelienbuch, wenn der
Inhalt des Eides ist, daß wir Unmenschen sein, und die Dissidenten oder
Nichtchristen verfolgen sollen. Kurz
Manuskriptseite
52.
auf unsre Hülfe
macht keine Rechnung. Denn wir glauben euer Römisches, Wittenbergisches,
Heidelbergisches oder AthansianischesChristenthum
nicht; und weil kein anders bekannt ist, so glauben wir gar keins. Und
denkt nur nicht, daß ihr uns durch eure gelehrten und
kritischen Vorfechter wieder zu euch versamlen wollet. Es müste
keine Regel der Wahrscheinlichkeit in der Welt sein, wenn wir nicht Recht
hätten, zu vermuthen, daß s
die meisten Naturkenner, Geschichtkundigen,
Aerzte, Rechtsgelehrten, Philosophen und Poeten
(und selbst eine kleine Zahl eures Standes)
nicht zu euch, sondern zu uns gehören. Wir werden nichts fürs Christenthum
thun; sondern nur zusehen, was ihr selbst beginnen
wollet. Entweder ihr last eure Sachen so sein, wie sie sind; alsdan wist
ihr schon, wie es dem Glauben der Christen
seit 50 Jahren gegangen sei, und ferner ergehen
werde: oder ihr müst allesamt uns ein anders
(bei uns hie bisher nicht geltendes) Christenthum
vorstellen, das wir untersuchen und wahr
finden können. Aber, ihr ehrwürdigen Männer von Rom, Wittenberg und Zürch,
das werdet ihr (wenn keine neue Triebfeder wirkt) amtsmässig noch in 100
Jahren nicht thun; ja nicht einmal leiden."
Ia-01-1778-0120
"Sol aber die natürliche
Religion zu so grosser Absicht zureichend werden:
so müssen sich die Vernünftigsten {der} Naturalisten und der Christen
(und warum nicht auch der Juden?) vereinigen 1) den gründlichen Unterricht
in der natürlichen Religion bei allen zum eignen Denken
bestimten Menschen, und die gute Mei
Manuskriptseite
53.
nung von der wahren
Gründlichkeit desselben, bei dem grossen Haufen
zu befördern; 2) einen auf die natürliche Religion
gerichteten Gottesdienst in den Familien, und, wo es möglich ist, auch
in einem Tempel der allerheiligsten Providenz,
zu welchem sich ein Fenelon, ein Lavater,
ein Sak, ein Spalding,
ein Moses Mendelssohn, ein Reimarus
und alle, die solchen Männern zu folgen pflegen
(ohne Beleidigung ihrer, auch für andre Religionen
eingenommenen, Gewissen), und endlich die tausende
der Naturalisten, versamlen könten, und wohin
auch die Zweifler kämen, welche daselbst die Vortreflichkeit und Wahrheit
des Glaubens an die göttliche Vorsehung volkommene
Vorsehung, und an die künftige Vergeltung wahrlich einsehen lernten."
Pag. 49. 50. 51.
Ia-01-1778-0121
3) Von der Ewigkeit
der Höllenstrafen.
Ia-01-1778-0122
"Mit dieser lezten
Strophe werden Einige, sonderlich diejenigen unzufrieden sein, welche
die Ewigkeit der Höllenstrafen schlechthin leugnen, oder wenigstens sie
nicht für völlig erweislich halten. Freilich wird sie hier gar zu entscheident
behauptet. ( Der Recensent
ist der erkanten Wahrheit gewis aus Überzeugung und um des Gewissens
willen getreu, und von aller Neuerungssucht
entfernt; er versichert auch, daß ihm die meisten Erklärungen, wodurch
man bisher die deutlichen Schriftstellen, welche von ewigen Strafen reden,
zu mildern und anders zu deuten gesucht hat, nicht völlig Genüge thun.
Man sage, was man wil, Matth.25, 46. redet von demOrte
einer gänzlich endlosen Pein.)
Gleichwohl gestehe ich, der Rec., daß mir die gar zu dreuste und zuversichtliche
Behauptung einer völlig endlosen Verstossung und Strafe aller strafwürdigen
Sünder, die nur alsdan aufhören könne, wenn
Manuskriptseite
54.
Gott würde aufhören
Gott zu sein, nicht blos unbli unbiblich, nein
unerlaubt und verwegen scheint; da wir in die künftigen Haushaltungen
Gottes nicht durch aus keinen entscheidenden
Blik wagen dürfen. Wer fühlt nicht um der unzählbaren beklagenswerthen
unglükseeligen Millionen Menschen willen, den mitleidigen Wunsch, daß
die Höllenstrafen endlich einmal aufhören, daß Gott nicht ewig verstossen,
daß die Verdamten sich nicht ewig wider ihn empören; sondern,
nachdem sie die Schwere seiner Strafgerechtigkeit empfunden haben, ihren
feindseeligen Sin ablegen, Vergebung bitten und wie Abbadona imMessias, Gnade erlangen
mögen. Dieser Wunsch ist nicht ganz ohne Grund: ihn unterstüzzet der Gedanke,
daß Gott die Liebe ist; Liebe gegen alle
seine Geschöpfe, auch gegen verhärtete Sünder.
Die göttliche Gerechtigkeit selbst stehet dem Wunsche zur Seite.
Tugend und Laster gränzen nahe an einander; wer wil zwischen bxx
beiden die Gränzlinie ziehen? Gott! gut: aber
wir sollen empfangen, nachdem wir gehandelt haben bei Leibesleben. Vixlle
Viele Menschen haben eben so viel Gutes als Böses gethan: von hieraus
giebt es unzählbare Stufen zu einem volkommenen
Tugendhaften, oder Lasterhaften. Selbst der Glaube ist mit mehr, oder
wenigerm Unglauben vermischt. Daher die verschiednen
Grade, der Seeligkeit, und der Verdamnis. Solten
geringere Fehler eine eben so endlose Verstossung nach sich ziehen, als
die schändlichen Verbrechen; wo bliebe die Gerechtigkeit? Nur die deutlichsten
Sprüche, welche das höllische Feuer für ein ewiges, nicht blos äonisches,
sondern im Gegensazze der Seeligkeit für ein völlig endloses erklären,
scheinen weder un=
Manuskriptseite
55.
sern
Wunsch, noch dessen Grund zu begünstigen. Vielleicht
kann kan man von der Erbarmung Gottes eine einmalige
Loslassung der Gefangenen, eine völlige Begnadigung, erwarten und vermuthen,
obgleich das höllische Feuer im eigentlichen Sinne ewig, endlos heist.
Zu einer weitläuftigen Ausführung ist hier kein Raum: für prüfende Leser
stehen vielleicht folgende
kurze Gedanken nicht am unrechten Orte. Erstlich: vorausgesezt, daß Gott
wirklich unaufhörliche Strafen drohet, so versichert er doch nirgends
in der Bibel, wie schon andere angemerkt haben,
auf ewig seinem Begnadigungsrechte entsagen
zu wollen. Ninive sol untergehen; unbedingt wird dieses Urtheil ausgesprochen
und angekündigt: auf erfolgte Sinnesänderung folgt dennoch Gnade. Solte
man nicht berechtiget sein, für so viele Millionen gezüchtigter Menschen
gleiche Erbarmung zu erwarten. Allenfals könte man einen obgleich schwachen
Grund aus der dunkxxl
dunkeln Stelle 1 Petr.
3, 19. u. f. nehmen. Daß während der Strafe
durchaus keine Sinnesänderung Statt haben könne, ist aus der Bibel
schwerlich erweislich. Aber die Weisheit straft um zu bessern. Zweitens:
vor ihrem Falle genossen die verstossenen Engel das
Anschauen Gottes, folglich die ewige Seeligkeit, welche nach jener ihrer
Verstossung nicht aufhörte ewig zu sein. Das höllische Feuer hört eben
so wenig auf eine ewige Pein zu sein, obgleich von Zeit zu Zeit Verdamte
je nach ihrem Verhalten daraus erlöset, und begnadiget werden. Daß es
ein ewiges Feuer heist, mag vielleicht mehr
auf die Dauer des Kerkers selbst, als auf die Dauer des
Kerke der Verstossung gehen. Von den künftigen Schiksalen unsers
Planeten wissen wir sehr wenig, von den Schiksalen der übrigen bewohnten
Welten gar nichts. Es ist möglich, daß es auch bis in die entfernteste
Zukunft, und da
Manuskriptseite
56.
das Reich Gottes
ein ewiges ist, bis in Ewigkeit, Verbrecher gebe. Warum solte das bei
einem ewigen Reiche für nöthig befundene Gefängnis nicht ewig heissen
können, ohne daß dasselbe nothwendig eine ewige Verstossung zugleich in
sich begreift; da sogar desselben Endzwek, nemlich rebellische Unterthanen
zur Erkentnis und zum Gehorsam zu bringen, bis
in die Ewigkeit dauern würde. Eine so unwandelbare
Bestätigung im Guten, vermöge deren ein Geschöpf aller seiner Freiheit
ungeachtet durchaus nicht mehr
irren und fehlen kan, wird wohl in den theologischen Systemen, aber an
keinem Orte in der Bibel, so viel ich auch
darnach gesucht habe, deutlich gelehrt. Wer weis, ob nicht noch jezt und
fernerhin, zuweilen ein guter Engel aus dem seeligen Reiche Gottes auf
eine Zeitlang relegirt werde. Noch mehr, wenn nach BonnetsPalingenesie die unvernünftigen Geschöpfe in
der künftigen Veränderung unsers und auch wohl andrer,
Planeten zur Volkommenheit der vernünftigen erhoben werden; so können
sie doch wohl auch irren, selbst Laster begehen, straffällig
sein. So kan der Kerker fortdauern, bis in Ewigkeit nöthig sein, und grossen
Nuzzen verschaffen; mit x...x
Recht ein ewiges Feuer h heissen, ohne daß dadurch
den Verdamten auf ewig alle Hofnung einer endlichen Begnadigung abgeschnitten
wird. Sie gehen in das unauslöschliche, ewige Feuer; um durch ihre endliche
Befreiung aus demselben an sich deutlich zu
erfahren, daß der Herr nicht ewiglich
Zorn hält, Ps. 103, 9. und nicht
ewiglich verstöst. Ps. 77, 8.
Auf solche Art wird selbst der Ort der Pein mit dem ganzen
grossen göttlichen Plane harmonisch; er erhält eine Gott an=
Manuskriptseite
57
ständige Absicht;
und selbst das ewige höllische Feuer bezeugt, daß Gott die Liebe sei.
– Diese Gedanken, welche sich leicht volständiger auseinander
sezzen liessen, wage ich nicht mit einer Art von Entscheidung vorzutragen;
sie sind eine blosse Anfrage, zur Prüfung. – –" Pag.
83. 84. 85. 86. 87.
Ia-01-1778-0123
4) Von der Herrschaft
über die Kreaturen.
Ia-01-1778-0124
"Zu dem Ebenbilde
Gottes rechnet H. S. auch die Herrschaft über
die Kreaturen. Hat denn das der Mensch nicht
noch? Hat es nicht Gott dem Noah 1 Mos.
9, 1–3. fast mit eben den Worten, die 1, 25. stehn, bestätiget? Rechnet
es nicht DavidPs.
8. unter die Vorzüge des Menschen." Pag.
106.
Ia-01-1778-0125
5) Vom heiligen
Geist. (x...x)
Ia-01-1778-0126
"Vielleicht leitet
sie das auf {die} Untersuchung einer anderen theologischen Aufgabe, die
ich nicht minder x...x
wichtig halte: ob nemlich das p?e?µa a???? und der ????? nicht das nemliche
Individuum sein solte? zumal da, selbst nach dem Geständnisse unser orthodoxesten
Exeten, p?e?µa und p?e?µa ????, wenigstens in einigen Stellen der Schrift
ganz offenbar die göttliche Natur Christi bedeutet."
Pag. 210.
Ia-01-1778-0127
"Wir bemerken beiläufig,
daß uns ehemals bei Lesung dieser Programmen der Gedanke aufgestossen
ist, der auch bei dieser Recension wieder rege wurde: daß es doch immer
räthselhaft bleibe, wie die Lehre von einer dritten Person in der Gottheit
noch so wenige deklarirte Widersprecher finden könne, da unsre Theologen
selbst anfangenhaben,
zuzugeben, daß das höhere Wesen, welches in dem Menschen Christo
wohnte, oder mit dem Kompendio zu reden, daß seine göttliche
Natur (oder welches eben so viel ist, der Sohn Gottes, der Logus,
die sogenante zweite Person der Gottheit) p?e?µa und p?e?µa a???? heisse,
und folglich fast kein entscheidender
Grund vorhanden ist, unter dem p?e?µa a???? in andern Stellen eine
dritte Person zu denken. –" Pag.
239. 240.
Manuskriptseite
58.
Ia-01-1778-0128
6) Von dem Vermögen
des Menschen, sich selbst zu bekehren.
Ia-01-1778-0129
"Wenn man die Stellen,
wo die Apostel blos {von} ihrer Tüchtigkeit
zum Amte reden, abrechnet; wenn man ferner unter der Bekehrung, die zuweilen
ein Werk genant wird, das die Christen Gottes
Veranstaltungen allein zu danken haben, nicht die moralische Besserung
überhaupt, sondern die Verlassung des Irthums und den Übergang zur Christlichen
Religion versteht; wenn man das, was vom damals verfinsterten Menschen
gesagt werden kan – sorgfältig genug unterscheidet;
wenn man endlich den Ausspruch "Gott thuts allein" nach der Analogie aller
Sprachen (nach welcher man dem, der solche Veranstaltungen
macht, ohne welche der beste Wille und Eifer eines thätigen Subjekts,
den Effekt doch nicht hervorgebracht haben würde, den Effekt ganz zuschreibt,
ohne die Mitwirkung jenes Subjekts und die zur Mitwirkung nöthige Kraft
auszuschliessen) verstehn und erklären wil:
so dürfte wohl für jenen an sich so schädlichen Lehrsaz die Bibel
keinen beweisenden Ausspruch enthalten, auf
den man sich nur mit einigem Scheine berufen könte." Pag.
237. 238.
Ia-01-1778-0130
7) Von dem Worte
"Ewig". (a??????, $$$$$)
Ia-01-1778-0131
"Wir leugnen (und
wer Lust hat, beweise das Gegentheil) daß äonisch
jemals in der Bibel ewig heisse. Es ist gar das
Wort nicht, womit der Morgenländer den metaphysischen Begrif "ewig"
anfänglich angedeutet hat. Nur in neuern Zeiten haben R
die Rabinen den Begrif erweitert. Ursprünglich heißt $$$$ eine Zeit von
vielen Jahren. Hernach brauchte man es bestimt von einem halben Jahrhundert.
Daher heist $$$$$ "lange" oder "Jahrhunderte hindurch" und $$$$$ "von
langen Zeiten her." Dadurch ward es bei den
Morgenländern das Wort, das man brauchte, wenn man von einer unbestimten
Zeit reden wolte, dex
deren Anfang oder Ende man nicht anzugeben wuste.
Ich sage "wuste." Nie brauchte man es von einem
Zeitraume, der keinen Anfang und Ende hatte
hat – d. h. von der Ewigkeit;
Manuskriptseite
59.
sondern nur von
einer Zeit Zeit, deren Anfang oder Ende unbekant
ist. Vornehmlich bediente man sich des Worts, wenn man stark und emphatisch
reden, und die Dauer einer Sache exaggeriren wolte.
So heißt es, zum Exempel,
dort, daß Gott das Priesterthum bei der Familie (Ithamars,
glaube ich, war es – ich mag nicht erst nachschlagen) lassen wolte ewiglich
– nach Luthern – d. h. sehr lange Zeit,
– durch eine unabsehliche
Reihe von Jahren. Wer also diesen Sprachgebrauch der Hebräer gewohnt ist,
wird äonisch nie, ewig,
sondern "unabsehlich laxge
lang" übersezzen. Und so sagt ChristusMatth. 25. mehr nicht
als: die Frommen werden zu zx
einer unabsehlichen Freude eingehen, die Gottlosen aber zu unabsehlichem
Elende verurtheilt werden. So mus auch äonisch
nach dem gx...xt
grammatischen Sinne von Gott genommen werden: Z. E. dort: "ehe die
denn die Berge worden – bist du Gott von Jahrhunderten
zu Jahrhunderten." Nun mus der Exeget erst aus andern Stellen beweisen,
daß das "von Jahrhunderten zu Jahrhunderten" von Gott eine metaphysische
Ewigkeit involvire, aber aus den Worten $$$$ $$ $$$$$ kan er nichts beweisen.
So mus er also aus andern Stellen zeigen, daß das unabsehliche
Glük der Frommen wirklich kein Ende haben werde;
aber aus dieser kan er nur folgern, daß man kein Ende wisse. Und so fält
das Argument aus dem Gegensazze – von selbst übern Haufen. – Pag.
242. 243. 244.
Ia-01-1778-0132
IX.
Ia-01-1778-0133
Algemeine
theologische Bibliothek. Vierter
Band. Mietau, bei Jakob Friedrich Hinz 1775.
Ia-01-1778-0134
1) Von der Dreieinigkeit.
(alias)
Ia-01-1778-0135
"Man sol von Gott
dem Vater, von Jesu Christo und von seinem Geiste
dem gemeinen Manne das sagen, was die Schrift
saget. Man sol sie aber diese drei nicht als Dreieinigkeit
Manuskriptseite
60.
denken lehren, weil
das die Bibel nicht thut. Man sol sie mit den
unverständlichen Worten: Wesen, Person c. Dreifaltigkeit pp. verschonen,
weil das alles in der Bibel nicht stehet und
wegen seiner Unverständlichkeit keinen Nuzzen giebt. (Denn H. D.
sagt selbst: "Es wird uns leicht keine Lehre so sauer als diese, wenn
wir sie dem gemeinen Volke also vortragen sollen , daß sie das Nöthigste
davon fassen.") Man sol die x...xute
Leute dabei lassen, was die Bibel sagt, es ist nur ein
Gott. Dieser einige Gott hat einen Gesanden auf die Erde geschikt,
zum Besten der Menschen. Die Schrift nent ihn das Wort
(weil er in dem Namen Gottes mit den Menschen
reden solte:)auch
den Sohn Gottes, weil er von Gott auf eine uns unbegreifliche Art sein
Wesen hat, und folglich an Weisheit, Macht pp. seinem Vater gleich ist.
Dieser erhabne Geist. dieser Abx...xh
d Abkömling des Himmels (a?at??? e? ?s???) hat sich mit einem sterblichen
Menschen vereinigt. –" Pag.
2.
Ia-01-1778-0136
2) Die Mannichfaltigkeit
der Religionen.
Ia-01-1778-0137
"Man kan keines
Menschen wirkliche Religion mit Zuverlässigkeit erkennen und beurtheilen.
Die theoretische nicht, weil er dieselbe nicht anders als durch Worte
zu erkennen geben kan, die entweder an sich sehr durh
dunkel sind (wie H. Urlspergers
Versuche über die Dreieinigkeitslehre und vieles aus der scholastischen
Theologie unsrer Systematiker) oder die nie ganz so beschaffen sind, daß
der Mensch, der sie hört, völlig eben das
{dabei} denkt, als xer
als der, der sie sagt. Die praktische nicht, weil wir keine Herzenskündiger
sind. Man hat zwar versucht, durch geselschaftliche Verbindungen die wirkliche
Religion der Menschen einstimmig zu machen, aber auch dies Mittel hat
keine Wirkung gethan, und kan sie nicht thun. Diese Verbindung hat Identität
Manuskriptseite
61.
in gewissen Formeln,
Gebräuchen und Handlungen bewirkt, aber keine Identität
der subjektiven Religion selbst. Auch die göttliche Offenbarung
konte keine völlige Harmonie bewerkstelligen. Und Gott selbst kan diese
Absicht nicht mir ihrer Bekantmachung verbunden haben, weil er sie nicht
erreicht hat, und er gleichwohl vorhersehen muste, daß er sie nicht erreichen
würde. (Wir würden hinzusezzen, daß weder Vernunft, noch menschliche noch
göttliche Gesezze dies im Stande sind, weil doch immer theils ihre
Erklärung, theils ihr Gebrauch, den man davon
macht, der menschlichen Freiheit überlassen bleiben mus; wenn nicht alle
Moralität aufgehoben werden sol.) Man kan also die wirkliche Religion
keines Menschen zuverlässig beurtheilen, auch derer nicht, die sich freiwillig
zu einerlei Religion bekennen, und den Inhalt
der Bibel oder gewisser symbolischen Bücher zu
glauben vorgeben. Denn es ist unmöglich, daß alle bei den Worten dieser
Erkentnisquellen einerlei denken. Der Socinianer sieht z. E. die Gottheit
Christi nirgends, und der Athanasianer
findet sie auf allen
Seiten der h. Schrift. (So gehts auch, würden wir hinzusezzen, mit den
recipirten Lehrformeln. Manche sind gar Nichtsin,
und die meisten sind so, daß unter hunderten nicht einer ganz dasselbe
dabei denkt, was die andern dachten)."
Ia-01-1778-0138
"Von der theoretischen
Seite besteht die wirkliche Religion in der Summe der Begriffe, die ein
Mensch von Gott und göttlichen Dingen hat. Aber
niemand kan bei irgend einem Menschen diese
Summe wissen. Wenn einer auch z. E. das Athx...xsischeAthanasianische Glaubensbekentnis herbetete,
so kan ich doch nicht genau und bestimt wissen, was er für wirkliche Begriffe
von Gott habe. So viel ist unleugbar (man sieht nicht recht, wie das,
was der V. nun sagt, mit dem unmittelbar vorhergehenden
zusammenhängt. Um also den Faden der Demonstration
Manuskriptseite
62.
nicht zu verlieren,
so mus man ohngefehr aus dem Vorhergehenden
dieses hinzudenken: "Da also nicht zwei Menschen in Absicht auf ihre subjektive
oder wirkliche Religion einander ganz gleich
sind, so ist unleugbar, daß kein Mensch lauter vollkommen richtige Begriffe
von Gott habe, so wie es auch gewis ist, daß kein Mensch durchaus
falsche Begriffe von Gott habe. Ja es kan ein Mensch, der im Ganzen
falscheReligxxn
Religion bekent, im Einzelnen bessere Begriffe von Gott haben, als ein
anderer, der eine im Ganzen
wahre Religion bekent. Wenn ein Heide z. E. eine falsche Gottheit
anbetet, aber dieser Gottheit sehr rühmliche
und anständige Eigenschaften beileget, hingegen ein Christ
seinen Gott als einen Tyrannen glaubt, der in
einen eben so grimmigen Zorn geraten könne, als ein Mensch, so hat der
Heide im Einzelnen bessere Begriffe als der Christ.
Oder wenn ein Türke die Einheit Gottes glaubt, hingegen ein Christ
sich drei Personen der Gottheit als äussere und neben einander wirkliche
Substanzen vorstellet, so hat der Türke im Einzelnen
bessere Begriffe als der Christ. Daher kan man
zwar in abstracto sagen, daß die christliche Religion
die beste, de die einzige wahre sei, aber nicht
in concreto. Die wirkliche Re
Religion einzelner Christen kan schlechter sein
als die wirkliche Religion der Nichtchristen.
Man darf nur die wirkliche Religionserkentnis manches abergläubischen
Katholiken xxehmen
nehmen, so wird man bald finden, daß mancher Heide ohnmöglich einfältiger
und unrichtiger von Gott gedacht haben kan. (So wäre z. E. uns die
wirkliche Religion manches Muselmannes lieber, als die wirkliche Religion
eines Lutheraners, der im x...x
Stande ist, sich zu überreden, die Tugend sei dasjenige, wovon PaullusPhil. 3. sagt, daß er es für Koth achte gegen
die Gerechtigkeit Christi.) Eben so
Manuskriptseite
63.
mus man aber auch
von der wirklichen Religion der Menschen in Absicht auf das praktische
urtheilen. Es kan ein Christ schändlicher leben
als ein Heide. Es kan ein Heide bei seiner falschen Erkentnis mehr Gutes
thun, als ein Christ bei seiner wahren. Daher
man zwar von der Christlichen Tugend und Frömmigkeit
in abstracto sagen kan, sie sxx
sei die beste, die einzige ächte, aber keinesweges in
concreto. Vielmehr kan unter andern Religionen
viel wahre und ächte Frömmigkeit gefunden werden. Kein Mensch aber hat
eine theoretisch und praktisch volkommene – wirkliche
Religion, hingegen kan ein Mensch eine moralischrichtige
und unsündliche – wirkliche Religion haben; auch alsdenn, wenn
sie sich auf Irthum und Verirrung grüxd
gründete. Denn weder ein unvermeidlicher Irthum noch eine Handlung (wäre
sie auch an sich fehlerhaft) die aus einem unvermeidlichen Irthum entsteht,
ist Sünde. Gott verlangt von niemand, und kan als ein gerechter Gott nichts
mehr verlangen, als was in der Freiheit des
Menschen stund, und ihm durch seine Kräfte möglich war. Wenn also ein
Mensch einen falschen Unterricht bekomt, oder bei dem wahren Unterrichte
unverschuldet auf irrige Begriffe geräth (wie
tausend unsrer gemeinen Leute bei den drei PersohnenPersonen von Gott, bei dem h. Abendmahl)
so kan ihm das nicht angerechnet werden. Seine wirkliche Religion ist
falsch aber unsündlich. Aller dieser Menschen wirkliche Religion
aber, so sehr sie theoretisch falsch ist, kan doch moralisch richtig und
unsündlich sein." – Pag. 11.
12. 13. 14. 15.
Ia-01-1778-0139
3) Von
der Tugend.
Ia-01-1778-0140
"Darin hat H.
Krusius wohl recht, daß man die Tugend nicht
ohne Beziehung auf Christum und ohne evangelische
Motiven
Manuskriptseite
64.
predigen solte.
Aber er urtheilt auch sehr lieblos, wenn er den Tugendpredigern allen
den Vorwurf macht, daß sie Christum aus den
Augen sezten: und das um so viel mehr, da wir nicht einmal diejenigen
verurtheilen können, welche die Tugend ganz ohne Christo
predigen. Denn es ist {zwar} allemal zu beklagen, wenn es geschieht, aber
man darf doch dergleichen Moralisten eben so wenig ganz verwerfen, als
Christus jene Wunderthäter verwarf, die ihm
nicht nachfolgeten. Luk.
9, 49. 50. Tugend ist immer etwas gottgefälliges: sie mag ohne xdur
oder durch das Evangelium gewirkt werden. Wer sie ohne das Evangelium
{prediget} , da er doch von der Göttlichkeit des Evangeliums überzeugt
ist, der ist für seine Person strafbar. Aber dies macht weder seinen Vortrag
selbst verwerflich, noch die Zuhörer Tugend verächtlich,
die er in seinen Zuhörern bewirkte. Die Tugend des Heiden liebt Gott ohnstreitig
so sehr, als die Tugend des Christen. Denn der
Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. Folglich
wird wahre Rechtschaffenheit Gott überal belohnen. Denn aus allerlei Volk,
wer Gott fürchtet und recht thut, ist ihm angenehm. Das sagt die Schrift.
Aber es lehrt's auch schon die gesunde Vernunft.
Denn nichts kan ein Verdienst geben, wozu {man} nicht mit seiner Freiheit
wirksam war. Da also der Christ, dazu daß er
ein Christ ist, nichts freiwillig beigetragen
hat, da es vielmehr eine freie Wohlthat Gottes war, daß er von christlichen
Eltern gebohren und erzogen ward, und eo ipso
die Bekantschaft mit dem Evangelium erlangte, so kan ihm das kein Verdienst
in Gottes Augen geben. Es kan also den Heiden dieses, daß er ohne seine
Schuld kein Christ ist, in Gottes Augen nichts geringer machen. Sondern
beide erhalten ihr Verdienst durch den Gebrauch, den sie {von} ihrer Erkentnis
machen, die ix...x
ihnen die Vorsehung prokurirte. Folglich ist beider Tugend in
abstracto gleich schäzbar. Unter beiden
wird der der Gottgefälligste und Belohnungswürdigste,
der sich von seiner Erkentnis am willigsten leiten lies – um tugendhaft
zu werden." – Pag. 26. 27.
28.
Manuskriptseite
65.
Ia-01-1778-0141
4) Von dem Ebenbilde
Gottes.
Ia-01-1778-0142
"Gottes Ebenbild
ist die vernünftige und eines ewigen Glüks empfängliche Seele. Dies hat
noch kein Theolog gründlich widerlegen können. Und exegetische Machtsprüche
gelten nichts. – Der V. beweise erst die "überwiegende
Neigung" (zum Guten) mit einem expressenAusspruche der Schrift. Dann wollen
wir ihn für einen Mann gelten lassen. Wo überwiegende
Neigung zum Guten ist, da findet Sünde mit völliger Überzeugung
nicht stat. Übereilungen wohl. Aber dafür hat noch kein Theolog Adams
Fal erklärt. Aber vorsezliche Sünden nicht. Denn wer aus Gott gebohren
ist, sündiget (aµa?t?a heist bei Johannes
herschende und vorsezliche Sünde) nicht. - Doch weiter, "Weil sie aber
demohngeachtet ihr Nachdenken nicht gut genug brauchten – (es müssen also
gar schwache Menschen gewesen sein, an denen jene
anerschafne Weisheit und Heiligkeit ziemlich unsichtbar wird) – so ist
ihm Neigung zum Bösen überwiegend worden." Wo steht das? – Adam
blieb das gute, treuherzige Geschöpf, das er war. Er xx
erkante seinen Fehler, und trug mit Gedult die Folgen desselben.
Und wir lesen nicht, daß er sich in der Folge je wieder so vergangen hätte.
"Dieses Verderben ihrer geistigen Natur hat sich auf ihre Nachkommen fortgepflanzt."
alles ohne Beweis. – "Gott hat dies geschehen lassen, weil er es für gut
befunden, daß von diesen verderbten Stameltern alle übrige Menschen entstehen
solten, und weil er ihnen ein Mittel verschaffen wolte – pp." Das ist
nun gerade als wenn
man sagte: "Titius, ein sehr gütiger und liebreicher Man, heirathete in
der Absicht, um Kinder zu erzeugen, und diese
Kinder an seinen glüklichen Umständen Antheil nehmen zu lassen. Er heirathete
aber eine Person, die zwar anfangs nicht inficirt war, von der er aber
vorhersahe, daß sie einen gewissen Antheil
Umgang fortsezzen würde, der ihren Körper verunreinigen, und sie zur Hervorbringung
kranker und ungesunder Kinder determiniren würde. Dies that er deswegen,
weil er für gut befand, daß von dieser verderbten Mutter verdorbene Kinder
gebohren werden solten, indem er schon beschlossen hatte, Mutter und Kinder
hernach in den Schwizkasten zu stekken und wieder
kuriren zu lassen, wobei ihm freilich nicht
unbekant war, daß sieben Kinder von zehnen auf ewig
Krüpel und Elende
Manuskriptseite
66.
bleiben würden."
Wir fragen alle gute und rechtschafne Menschenseelen, ob sie bei solcher
Vorstellungsart unsers Systems sich beruhigen können. – Wir fragen sie,
ob ihnen folgende gegenseitige Vorstellungsart der neuern Theologen der
Vernunft und dem Karakter der Gottheit nicht viel anständiger ist. "Gott
schuf eine Welt vol endlicher Geister, welche zur sx...x
successiven Erlangung der zu ihrem
Glükke nöthigen Erkentnis, und einer nach dieser Erkentnis eingerichteten
freien Wahl des Guten und Heilsamen, in einer vernünftigen und freien
Seele zureichende Anlage hatten. Diese Menschen, ihrer eignen Wahl überlassen,
fingen sehr bald an, auszuarten. Gleich der erste lies sich von allerlei
Neigungen zu strafbaren Handlungen verleiten, und so machten es auch seine
Nachkommen. Je weiter es hinkam, je mehr nahm Blindheit und Lasterhaftigkeit
überhand. Daher eilte Gott durch allerlei Mittel, wenigstens die meisten
von dem Schiksale (durch harte Mittel einer aus Liebe strafenden Gerechtigkeit
– ihren Inbegrif nent der Katechismus, Hölle
– sich einer langwierigen Kur zur Besserung unterwerfen zu müssen) zu
befreien. Bei vielen schlugen auch diese Mittel an. Tausende von rechtschaffenen
Israëliten sind die Probe davon. Allein, bei
unzähligen waren sie vergeblich. Daher suchte
nunmehro der Vater der Menschen die grosse Reform
durchzusezzen, die er auf einem von seiner Weisheit schiklich befundenen
Zeitpunkt festgesezt hatte, und durch welche er vermittelst seines Sohnes
zuerst das jüdische Land von seiner Unwissenheit,
Aberglauben und Lastern zu reinigen und so
dan, durch dessen Apostel, dem ganzen Erdboden ErkentnisGottes des wahren Gottes, und mit ihr Tugend
und Rechtschaffenheit wieder zu schenken
beschlossen hatte pp. – Ohngeachtet nun auch
dies gröste und beste Mittel, das Gott an die Ausbesserung der Menschen
gewendet hat, nicht bei allen seine Wirkung thut, so daß immer noch ein
ansehnlicher Theil durch seine Schuld dem
obgedachten harten Schiksale in die Hände fallen wird, so hat Gott dennoch,
da er das alles vorhersahe, beschlossen, es geschehen zu lassen, daß
Manuskriptseite
67.
viele einer ewigen
Seeligkeit nicht ohne grosse Schmerzen
empfänglich würden, weil einmal eine successive Zubereitung bei endlichen
Geschöpfen unvermeidlich war, und er dennoch sich das Vergnügen schaffen
wolte, alle seine Geschöpfe an jener unaussprechlichen Seeligkeit Theil
nehmen zu sehen; an Seeligkeiten, deren
Grösse doch zulezt alles überwiegen wird, was
auch der oder jene alzu hartnäkkige Mensch auf seiner Walfahrt, und in
der Hölle selbst, ausgestanden haben möchte pp. –"Pag. 60. 61. 62.
Ia-01-1778-0143
5) Von der Erbsünde.
(alias)
Ia-01-1778-0144
"Äusserst
elend behandelt der V. in dem folgenden die Sprüche der Schrift, die von
der Erbsünde reden sollen. Er glaubt z. E., daß aus 1 Mos.
8, 21. jeder, der die Bibel zum erstenmal lieset, ganz natürlich die Erklärung
herausbringen würde "Die Menschen sind {von} ihrer Geburt an – zum Bö
Bösen geneigt: {a) Heist denn von Jugend
auf in Ps. 88, 16. Jes.
47, 12. Jer. 3, 24.
von {der} Geburt an? -} a) Da sieht man recht, was das theologische Vergrösserungsglas
thut, mit welchem die Herren Orthodoxen die Bibel lesen. Gott sagt mehr
nicht als "Die Menschen sind einmal ausgeartet" oder den Worten {nach}
: "die Menschen sind böse von Jugend auf."
Heist das von Geburt? Steht hier ein Wort davon,
daß alle Menschen ,der mit überwiegender Neigung
zum Bösen auf die Welt kommen? Man denke sich einen Menschen, der wie
Adam im sogenanten Stande der Unschuld gebohren
würde, der aber schon im zweiten, dritten Jahre, so wie er nur anfienge,
ein wenig nach eigner Wahl zu handeln, ausartete
und auf Abwege geriethe: würde man von dem nicht
sagen können: "der Mensch ist böse von Jugend auf
und immerdar?" Und solche Handgreiflichkeiten
mus man gleich wohl den alten Knaben noch alle Tage vorpredigen. – Eben
so gehts mit dem Spruche aus Ps. 51. Da sol
und mus sich der arme David für einen Menschen
ausgeben, der schon im Mutterleibe Lust zur Bathseba
hatte. Gleichwohl sagt er weiter nichts, als daß der
Manuskriptseite
68.
Trieb, der ihn zu
seinem groben Vergehen verleitet hatte, ein
heftiger und angebohrner Trieb sei, und daß er deshalb von Gott einiges
Mitleid verdiene. Denn der Saame, aus dem David
gezeugt war, kan doch weiter nicht sündlich genent werden, als wiefern
er beitrug, einen Körper zu bilden, in dem körperliche Veranlassungen
zur Sünde entstunden. Und ich möchte den Systematiker sehen, der aus sichx...x
sichern Sprachregeln beweisen könte, daß es mehr heisse. Da nun David
im Psalme von einer Sünde redet, die durch körperliche
Antriebe bei ihm entstanden war, so konte er nicht natürlicher und deutlicher
reden, um durch diesen Gedanken Gott zum Mitleid zu bewegen." Pag.
63. 64.
Ia-01-1778-0145
6) Von dem Verdienst.
Ia-01-1778-0146
"Verdienst
heist eigentlich der Werth, den ein Mensch durch
gewisse Handlungen erlangt, in den Augen dessen, zu dessen Nuzzen oder
Vergnügen jene Handlungen verrichtet wurden. Das ist der Sprachgebrauch.
– Verdienst ist also so viel, als Werth,
Würde – Anspruch auf Beifal und Zeichen desselben. – Dieser Werth ist
aber allemal relativ. Nicht jede Handlung giebt ihn. Nicht jede Handlung
giebt ihn in den Augen aller Menschen. Nur in den Augen derer giebt mir
mein Verhalten einen Werth, ein Verdienst, deren Wünsche oder Forderungen
es erfült. Verrichtet ein Mensch freie Handlungen, die den Nuzzen oder
das Vergnügen der menschlichen Gesellschaft überhaupt befördern, so hat
er ein Verdienst um die Welt. Ist der Nuzzen mannigfaltig,
so sagt man: Verdienste u. s. w. – die Grösse
des Werths oder des Verdienstes hängt theils
von der Grösse des Nuzzens und Vergnügens, theils von dem Grade des Eifers
und der Anstrengung ab, mit welcher ein Mensch jene Handlungen verrichtet.
In jedem Falle aber
wird dies dabei erfordert, daß jene Handlungen freie Handlungen sind.
Denn das ich gut verdaue – gut schlaffe
Manuskriptseite
69.
eine reiche Erbschaft
thue pp. giebt xi
mir kein Verdienst, wenn es auch zufälligerweise andern zum Nuzzen oder
Vergnügen gereicht. Daß ich aber als Richter unpartheiisch und gewissenhaft,
x...x als Kaufman
ehrlich, als Taglöhner fleissig bin pp. das giebt mir Verdienst. Warum?
Jene Dinge that ich mechanisch, diese frei. Jene Dinge wirkten Naturkräfte
von selbst, bei diesen aber sezte ich mit eigener
Überlegung und Vorsaz meine Kräfte in Thätigkeit. Dies bestimt also den
Werth in meiner Handlungen in den Augen derer,
für die sie geschehen. Daß einige derselben, daß viele, daß alle – Schuldigkeit
waren, kan ihren Werth nicht vermindern. Sonst fiele der Begrif des Verdienstes
weg. Wenn also eine Handlung, die ich frei verrichte, (das heist, wo ich,
ich, ohne unwiderstehlich gezwungen zu sein, meine Kräfte mit eigner Überlegung
in Thätigkeit sezze,) den Wunsch eines andern befriedigt, so verdient
sie seinen Beifal, wenn sie auch in einem
andern Betrachte Schuldigkeit war. Und sie verdient
ihx ihn in desto
höherem Grade, je eifriger, redlicher und angestrengter ich dabei zu Werke
gieng. Und so kan auch der Leibeigne Verdienst um mich haben, ohngeachtet
im Grunde, alles was er für mich thut Schuldigkeit ist. Denn ich kan ihn
doch nicht unwiderstehlich zu seiner Schuldigkeit
anhalten, daß er mit Eifer und Anstrengung für mich arbeitet. – Und hieraus
nun lasset uns einige wichtige Folgerungen machen.
Ein Mensch kan also {auch} vor Gott Verdienst
haben. – Die Tugend giebt ihm dieses Verdienst. Das heißt, ist
die Tugend ist das, was ihn in Gottes Augen werth und angenehm macht.
Denn die Tugend ist freie Thätigkeit: und sie ist dabei eine Sache, die
Gott zum Vergnügen gereicht: die Gottes Wunsche gemäs ist. Gott wünscht
mein Glük. Das sicherste Mittel darzu ist Tugend. Ich mus
also Gott gefallen, so bald ich tugendhaft bin. Ja diese Tugend ist in
mehrerm Betrachte der höchste Werth, das gröste Ver
Verdienst, d??a??s??? – in den Augen Gottes.
Manuskriptseite
70.
Ia-01-1778-0147
Daß dieser Werth
durch die Verhältnisse, in welche uns der Glaube
mit dem Sohne Gottes sezzet, erhöhet wird, versteht sich von selbst. Es
ist aber nicht huius loci. H. S.
irret also, wenn er dem Menschen Verdienst abspricht.
Und irret noch mehr, wenn er es ihm aus dem Grunde abspricht, weil seine
Tugend Schuldigkeit ist. Die Systeme gehen also
ganz vom Sprachgebrauche ab, und sezzen den absurdesten Gedanken an die
Stelle der Wahrheit, wenn sie es für einen der gefährlichsten Irthümer
erklären, dem Menschen Verdienst beizulegen. So
wohl des der la
lateinische Sprachgebrauch des Worts mereri ist
dawider, wie H. Ernesti und andere Philologen
schon oft gezeigt haben, als xx
auch der deutsche. – Im System heist Verdienst, das Recht zum lieben Gott
zu sagen "du must!" Kan man sich was abgeschmakters
denken? Hat je ein Mensch auch sogar der Katholik so etwas krasses im
Sinne gehabt, wenn er den Werken Verdienst
zuschrieb? – Und wahrhaftig die Katholiken haben in unsern Augen oft klügere
Grundsäzze, als manche unserer Gottesgelehrten, die mit ihrer albernen
Orthodoxie die Tugend verächtlich machen. Würden die Katholiken nur unter
guten Werken x anfangen
wahre christliche Tugend zu verstehen, und mit
ihren abgeschmakten operibus supererogationis
zu Hause bleiben, und sich dabei einiger unüberlegten Ausdrükke bei Erklärung
des Verdienstes, das sie der Tugend zuschreiben,
enthalten; so solte ihr Saz vom Verdienste der Werke uns allemal ehrwürdig
sein. Denn daß Tugend uns in Gottes Augen werth
und angenehm macht (de?t?? Apostelg.
10,34.) ist nicht nur unleugbar richtig, sondern es ist auch ein schlechterdings
unentbehrliches Motiv zu Tugend und Gottseeligkeit. Und unsere christliche
Moral wird in Ewigkeit unfruchtbar bleiben, so lange wir den Menschen
dieses Motiv
Manuskriptseite
71.
nicht wörtlich wiedergeben.
Man bringe tausend Befehle und Drohungen Gottes – und lasse den Leuten
dabei den unseeligen Systemsgedanken: "Gott sieht bei unserer Begnadigung
allein auf Christi Tod – gar nicht auf unsere
Tugend und Sinnesänderung: nur Christus – nicht,
gar nicht unsere Rechtschaffenheit, giebt uns Werth in Gottes Augen:"
so lange wird die Algemeinmachung einer recht eifrigen Tugend unmöglich
bleiben. Man sieht an den Katholiken, was ihre irrige Lehre
vom Verdienste für Wirkung thut: wie sich Vornehme und Geringe
überwinden lassen, die sauersten Übungen zu unternehmen – blos weil man
ihnen sagt, das sei das einzige Mittel den Himmel
zu verdienen. Was würde also nicht die wahre
Lehre vom Verdienste für Wirkung thun, wenn sie mit rechtem Ernste
und Eifer eingeschärft würde. – Und höchst kindisch ist es, wenn man hier
gleich mit der ängstlichen Besorgnis, daß diese Lehre die Menschen werkheilig
machen w würde, der Wahrheit in den Weg
lauft. Wir wünschten von Herzensgrunde, daß alle Christen
auf eine vernünftige Art werkheilig werden möchten. Freilich nicht, wie
mancher dumme Katholik, der sich überredet, ein Vermächtnis ins Kloster,
oder eine gut bezahlte Seelenmesse, schenke
Ansprüche auf Himmel und Seeligkeit: aber doch in dem Verstande, daß man
sich fest überredete: reines eifriges Bestreben,
Gott zu gefallen, sei in Gottes Augen die höchste
Zierde, der volkommenste Werth eines Menschen: Tugend allein gebe Antheil
an der Erlösung Jesu, an seinem Versöhnungstode,
an allen Seeligkeiten, die er uns erwarb und
versicherte: nur durch Rechtschaffenheit könne man Gott
gefallen, und seiner Gnade in Christo Jesu würdig
und empfänglich wxxd
werden. – Ist dies Werkheiligkeit, so lasse
Gott zur Ehre seines Namens alle Lutheraner
Werkheilige werden! – Unsere Systeme irren also ferner, wenn sie unter
dem Verdienste Christi
blos seinen Gehorsam bis in den Tod verstehen. Und dies in vielerlei Betrachte.
Manuskriptseite
72.
Erstlich weil sein
Tod nach dem Sprachgebrauche gar nicht sein
Verdienst heissen kan. Der Tod Jesu gehört zu
den Handlungen des Erlösers, durch welche er ein Verdienst erhielt: er
ist also nicht selbst Verdienst. Zweitens weil sie den Begrif des Verdienstes
nicht gehörig auseinander sezzen. Verdienst heist der Werth, den mir meine
Handlungen in den Augen eines andern geben – und der Anspruch, den ich
dadurch auf seinen Beifal und die Zeichen desselben
machen kan. Ich mus also bei dem Erlöser ein doppeltes Verdienst denken,
Jesus ward einmal durch die Erfüllung seiner
Aufträge der höchste Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens. Er erhielt
also ein Verdienst vor Gott. Und dies
Verdienst ist es eigentlich, welches wir uns durch den Glauben zueignen
– an welchem wir vermittelst einer seinen Vorschriften gemässen Sinnesänderung
persöhnl persönlichen Antheil nehmen: so daß
alle Menschen, die sich aufrichtig bessern, und in die Fusstapfen ihres
Erlösers treten, von Gott um Christi willen
zu Gnaden angenommen werden: so daß sich
das Wohlgefallen des Vaters an dem Sohne
auf alle seine Brüder ableitet. – Aber
Jesus erhielt eben dadurch auch die gerechtesten
Ansprüche auf unsere Liebe und Dankbarkeit.
Und eigentlich H. S.
dies ist sein Verdienst um die Welt, von welcher eigentlich H. S.
redet. Allein, H. S. irret mit dem System (das
ist der dritte Punkt) darinnen, daß er die Erleuchtung und Heiligung,
nur als Verdienst um die Welt ansieht. Nämlich
die meisten Theologen denken sich bei jenem Verdienst
vor Gott nur seinen blutigen Tod. Und gleichwohl machte dieser
sein ganzes Verdienst vor Gott aus, daß vielmehr jene beiden Stükke seines
Amtes in Gottes Augen den höchsten Werth hatten. Denn ward Jesus
nicht unser Heiligmacher, so konte er gar nicht
uns unser Versöhner sein. Die Heiligung der Menschen
Manuskriptseite
73.
ist der lezte und
höchste Zwek der ganzen göttlichen Haushaltung. Aber das sehen viele Systematiker
so wenig, daß sie den Tod Christi
nur deswegen als Verdienst betrachten, wie fern er uns versöhnet hat."
Pag. 81. 82. 83. 84. 85. 86.
87
Ia-01-1778-0148
7) Von denAkkomodationen und Allegationen.
Ia-01-1778-0149
"In dem N.
T. heist es oft: da ist erfüllet worden
das gesagt ist pp. und wenn man nachschläget, so ist mehrmalen klar, daß
der Prophet von ganz andern Personen und Dingen, und in ganz andern Absichten
dergleichen Worte gebraucht hat. Man findet, daß nicht die Sache mit ihren
historischen Umständen, sondern der prophetische
Ausdruk gemeint, und auf einen mehr xx
oder weniger ähnlichen Fal angewendet ist. Das
ist Akkomodation. Bisweilen aber werden auch
wahre Weissagungen der Propheten auf Christum
u. d. als jezt erfült angeführt und gezeiget, und das insgemein mit ebendenselben
oder doch ähnlichen Formeln. Das sind wahre Allegate. Soweit ist man ziemlich
einig. Aber wie unterscheidet man diese von
jenen auf eine sichere
Weise? Recensent hat geglaubt und glaubt noch:
Es sei kein anderes sicheres Kenzeichen als der Augenschein des prophetischen
Textes, ob er würklich nach den Umständen davon rede? und auf die Allegationsformeln
komme es nicht an." Pag.
91.
Ia-01-1778-0150
8) Von der Moral
(Tugend.)
Ia-01-1778-0151
"Die Moral ist ganz
auf den Zwek, die Menschen schon in der Welt glüklich und zufrieden zu
machen, erbaut. Sie ist ganz frei von jener schwärmerischen Orthodoxie,
welche die Tugend erniedrigt, und verächtlich macht. – Giebt es nun ein
anderes Leben nach diesem, so mus nothwendig die Tugend dasjenige sein,
was den Menschen glüklich macht, indem sie ihm die Gnade
des Gottes, von welchem jenes Leben abhängt, zuwege bringt.
Man kan seelig werden, ob man schon nicht von dieser oder jener Meinung
in den minder nöthigen Lehrepunkten ist. Aber man kan schlechterdings
nicht seelig werden, ohne Liebe und Gehorsam." – Pag.
117. 118.
Manuskriptseite
74.
Ia-01-1778-0152
9) Die Schilderung
der Morgenröthe.
Ia-01-1778-0153
"Kom hinaus, Jüngling,
aufs freie Feld und merke. Die urälteste herlichste Offenbarung Gottes,
erscheint dir jeden Morgen als Thatsache, grosses Werk Gottes in der Natur
Himmel und Erde! Siehe, wie sie noch zusammenvermischt um uns liegen:
Himmel auf der Erde! Erde zum Himmel erhaben.
Ia-01-1778-0154
Und die Erde war
wüste und leer,
Finsternis auf der Tiefe.
Kanst du dir auch in Worten der Urkunde mehr sinliche Schilderung des
grossen Nachtgrabes, des
Mitternachtschauers wie in unendlicher schwarzer Wüste denken? – Und nun
fühle den wehenden durchwehenden Nachtgeist, auch noch den Schauer der
tiefsten Frühe vor Tagesanbruch,
wie er Meer, Baum und alles durchnimt –
Ia-01-1778-0155
webender Geist
Gottes auf der Tiefe!
Wer ist's, der nicht unmittelbar vor Tages Anbruch von ihm ergriffen,
wie Gott, wie eine kommende Regkraft der Natur athme!
Ia-01-1778-0156
Und sieh, da Gott!
da den ersten Lichtstrahl!
– Licht!
und's ist Licht!
Mit dem Einsilbigten Blizworte der Urkunde nicht einzuholen!
Und siehe diese Entzükkung, dies unnenbare Morgengefühl, wie's scheint
alle Wesen zu ergreifen! zu liegen auf der ganzen Natur! Alles lag in
Nacht und Dunkel: der webende Geist kam, und bereitete, was zu erharren
– noch ruhn die Vögel, das Haupt unter die Flügel gesenkt: die Stadtwelt,
die vielleicht niemals Morgen gesehen, liegt begraben: selbst die frühe
Lerche steigt noch nicht – die Natur im harrenden
dunklen Tempel Gottes – lebender Wind und –
Ia-01-1778-0157
– Licht
's ward Licht!
Still wird er eingeweiht, der Tempel! Vielleicht die Blüte des Baums,
die Blume, die Knospe fühlen!
Manuskriptseite
75.
Lichtstrahl! ein
tönender Goldklang auf die grosse Laute der Natur – die Lerche erwacht
und schwingt sich – weh dem Fühllosen, der diese Scene gesehen, und Gott
nicht gefühlt hat! Es ist das Bild jenes Naturweisen: wie sie aufblikt
die Morgenröthe, und die Enden der Erde, und das grosse schwarze Nachttuch
Ia-01-1778-0158
– am Saum erfast
und abschüttelt die Räuber der Nacht
– Licht!
und 's ward Licht!
Siehst du jene stille Glorie! jene sanfte Augenwimper der Morgenröthe,
wie sie jeden Augenblik weiter hinaufschimmert, jeden Augenblik die Wolken
weiter um sich her, anders wandelt – welche
Farben! welch lachender
Glanz! Wer den Pinsel dahin eintauchte? – und wie stille! Das Auge bleibt
ruhen auf der zarten Stelle – – sanftes Angesicht der Gottheit! Offenbarung,
Erscheinung! Denke dir, was ich vom Licht gesagt, und es ist nichts gesagt
– wer, der hier nicht niederfält, anbetet – schweigend seufzt: o wär ewig
meine Seele wie das Licht! wie dieser Gottesanbruch! –" Pag.
147. 148. 149.
Ia-01-1778-0159
X.
Ia-01-1778-0160
Algemeine
theologische Bibliothek. Fünfter Band. Mietau, bei Jakob
Friederich Hinz – 1775.
Ia-01-1778-0161
1) Anfang der Welt.
Ia-01-1778-0162
"Ax...x
Anfänglich brachte Gott das ganze Universum, mit
Erde und allen Gestirnen, hervor. Lange Zeit hernach wurde unser Erdboden
$$$$$$ "verwüstet"
verglichen Jes.
34, 11. Jer. 4, 22.
(wo die Worte von geplünderten und verwüsteten Gegenden gebraucht werden)
Er erlit eine totale Revolution durch eine völlige Wasserüberschwem=
Manuskriptseite
76.
mung, (dies ist
der $$$$) was auch jezt noch die sonderbare
Beschaffenheit der verschiedenen Erdschichten,
die nicht wohl von der sogenanten Sündflut herkommen kan, vermuthen läst
– Gott brachte aus dieser ausgebranten Masse eines alten Weltkörpers einen
neu neuen hervor (hierbei wird das,
was v. 14. von der Hervorbringung der Gestirne
erzält wird, sehr richtig optisch erklärt)
"der Lauf der Gestirne sei nach der Hervorbringung der neuen Erde geordnet
worden, und habe die Einrichtung bekommen, die er seit dieser Zeit habe,
damit Jahreszeiten, erste Tage, Monate und Jahre
könten berechnet werden (x...x
($$$ und $$$ mit $ konstruirt.)" – Moses redet
nicht als Astronom, das war sein Beruf gar nicht. Wahrscheinlich wuste
er auch nicht anders, als was er mit seinen blossen Augen zu sehen glaubte,
daß nämlich die Sonne pp. sich um die Erde bewege.
Aber so viel sieht man doch aus der ganzen mosaischen
Schöpfungserzählung, daß es wahr ist, was der
Verfasser der ältesten Erd= und Menschengeschichte blos als Physiker vermuthet
hat, daß der alte Erdboden, so wie der Mond, eine von seinem jezzigen
Gange verschiedne Richtung und Bewegung um die Sonne gehabt habe. Nach
dieser Erklärung verschwinden auch alle ohnedem oft mit so vieler Gelehrsamkeit
und Unsin geführte Streitigkeiten über das Lux
primigenia. Über dem Erdboden lag eine durch die dikken Dünste
und Nebel, die noch nicht aufsteigen konten,
verursachte Dunkelheit, durch welche nur schwache gebrochne
Strahlen des in der übrigen Natur verbreiteten Sonnenlichts brechen konten."
Pag. 137. 138. 139.
Ia-01-1778-0163
2) Ein kindliches
Stük aus der reizenden Unschuldswelt von jenen patriarchalischen Zeiten?
– "Das Kind in seiner Unschuld!"
–
Ia-01-1778-0164
"O welche Freude,
welche Freude, kan
Des Menschen Herz empfinden, wenn es noch
Unschuldig ist! Ein Kind, das hingesezt
An einem schönen Frühlingsmorgen ist,
Manuskriptseite
77.
Vor einem schönen
Blumenkorb, und das
Zum erstenmale da sich sieht, und nun
Mit seiner zarten kleinen Kindeshand
In Blumen wühlt, wie lächelts! Wie so froh
Nimts eine Blume nach der andern! wie
So höchst vergnügt betrachtet's die und die!
Und wenn es dx...xschöne
denn die Rose nimt, wie stuzt's!
Und wenn die schöne Blume süssen Duft
In seine kleine Nase duftet, und
Das Kindchen niest, und seine Mutter dann
Ihr, Gott helf! Gott helf! ruft, o welche Lust
Empfindet dann das Kind, empfindet dann
Die zärtlichste der Mütter, die das Kind
Auf ihren sanften Mutterschoos sich holt,
Und herzt und küst! Von solcher Unschuld sei
Des Jünglings und des Greisen Herz, das hier
Am hellen Bach, am blauen Hügel dort,
Im Meer der Freuden, das der Vater, Gott,
Für seine Menschen ausgegossen hat,
Schon schöpfen wil! O welche Wonne dann,
In seinem hohen Sterngewölbe, Nachts,
Wenn alles still ist, diesen Vater sehn,
Der unser aller Vater ist! – –" Pag. 188. 189.
Ia-01-1778-0165
XI.
Ia-01-1778-0166
Algemeine
theologische Bibliothek. Sechster Band,
Mietau, bei Jakob Friederich Hinz 1776.
Ia-01-1778-0167
1) Von der h. Schrift.
(vex...x)
Ia-01-1778-0168
"Rezensent kan aber
nicht umhin, dem lieben Gott bei dieser Gelegenheit den innigsten Dank
zu sagen, daß es doch jezt jezt immer mehr aufkommen
wird, unsere Bibel als ein durch Jahrtausende
fortgehendes Religionsgeschichtsbuch zu betrachten.
Dieser Gesichtspunkt stelt wahre Würde unsrerBibel dar – und wird ja auch hoffentlich dem
jämmerlichen Geschwäz, das ein grosser Mann von al=
Manuskriptseite
78.
gemeinen
moralischen Begriffen, als dem Karakter eines biblischen
Buchs, vorgebracht hat, wobei die Samlung wahrhaftig
göttlicher Bücher im A. T. bis auf einige wenige eingeschrumpft
wäre, bald ein Ende machen, so daß man dessen
weiter mit einem Sylbchen zu gedenken sich schämen wird, die ganze Idee
hat sonst noch so viel Schiefes an sich, worauf ich mich aber hier x
nicht einlassen kan. Das hätten ja wohl rechte
Abstraktionsbücher sein sollen – und die lassen sich auch aus der Urwelt
her in bester Maase erwarten. – Und so würde die göttliche Offenbarung
den Weg genommen haben, den die Offenbarungen giengen, die Menschen dichteten,
sie würden schöne Moral, Liturgie und desgleichen geworden sein, wie dies
die vorhandene Menschendichtungsoffenbarungen Mohammeds,
Zoroasters und Konfuzius
wirklich sind, und nicht was Offenbarung eigentlich
sein sol, Aufschlus des Menschengeschlechts
in seiner Bestimmung. Ein solches Offenbarungsbuch können Menschen
gar nicht geben – und wenn es
uns Gott gab – so wollen wirs anders – wies ein schwaches Menschengeschöpf
selbst hätte machen
können, haben. -" Pag. 19.
20.
Ia-01-1778-0169
2) Die Unendlichkeit
Gottes.
Ia-01-1778-0170
"Glükliche Beschäftigung!
Die Deine Werke, o Herr! unaufhörlich betrachtet! Die Seele schwimt in
deiner Algegenwart – überal verliert sie sich in deiner Unendlichkeit
– durchdrungen von den Strahlen deiner Weisheit und Güte wird sie selbst
weise und gütig. Unbegreificher Gott! wie kan
die Sprache der Engel ihr Erstaunen ausdrükken, wie die noch
noch schwächere Sprache der Sterblichen, wenn ich
in den unermeslichen Tiefen deiner Almacht, und Weisheit und Güte ihre
Gedanken verloren gehen! Ach ein würdiger Lob,
ewiger Schöpfer!
Manuskriptseite
79.
ist das beredtere
Schweigen und ein von Andacht und Liebe schlagendes
Herz als der lauteste Lobgesang ist." Pag.
78.
Ia-01-1778-0171
3) Ewigkeit!? –
Ia-01-1778-0172
"Auf ewig gnadenreicher
Gott, sol ich denn zu dem nie untergehenden Tage der Ewigkeit erwachen!
– Gedanke voller Majestät! Dich denke oft das schmachtx...x
x...x die nachtwachende Seele, dich empfinde oft das schmachtende
Herz, dich zeige oft die gestirnte Nacht, mit
der Spiegel der Herrlichkeit Gottes! Dich empfinde die träumende Nacht,
mit dir erwache der fröliche Tag." – – Du belohnest
denkenden Weisen mit heiligem Schauer einer
süssen, erhabenen Empfindung, und mit dem Gefühl deiner Gegenwart, die
wie Freuden der Engel die innersten Nerven seiner Seele durchströmt, indem
er dich, Gott, in deinen Werken, mit unermüdeten Eifer entdekt." Pag.
79.
Ia-01-1778-0173
4) Von der Gottheit
Christi. alias
Ia-01-1778-0174
"Über den Saz des
Hrn. Basedow, daßJesus anzubeten sei wegen einer ihm von Gott
dem Vater verliehenen göttlichen Majestät, sagt Hr. A.
"läst es sich denken, daß Gott einem Geschöpf göttliche Majestät gebe?
Kan er machen, daß es aufhört, ein Geschöpf
zu sein, daß es gegen die vernünftige Geschöpfe in eben das Verhältnis
komt, in welchem Gott mit denselbigen steht?" Diese Schwierigkeit ist
freilich nicht unrichtig, allein, trift sie nicht eben so wohl die gewöhnliche
Lehre von der Vereinigung der menschlichen Natur Jesu
mit der göttlichen Natur und von der Erhöhung derselbigen, deren Möglichkeit
man aus jener Vereinigung erweisen wil? So weit man bei dieser Hypothese
behauptet, daß die menschliche Natur erhöhet werden könne, so weit scheint
es müsse man eingestehen, daß sie, ohne auf jene Hypothese
Manuskriptseite
80.
Rüksicht zu nehmen,
an sich erhöhet werden könne. Es wird dazu überhaupt
ein gewisses Verhältnis gegen die Gottheit erfordert,
aus der hernach ein bestimtes Verhältnis gegen andere Kreaturen
entsteht. Durch die gewöhnliche Kunstwörter, z. E. subsistere
in personalitate div. natura, oder possidere per
unionem personalem, wird dieses Verhältnis gegen Gott so wenig
erklärt, als wenn man sie unbestimt läst. Vielmehr scheinen dadurch neue
Schwierigkeiten hinzu zu kommen. Die menschliche
Natur bleibt dabei menschliche Natur, und also
kan ich immer fragen: wie kan sie aufhören, ein Geschöpf zu sein? - p.p.
Kann sie aber ohne aufzuhören, ein Geschöpf zu sein, in einen solchen
Zustand kommen, der ihr in unserer gewöhnlichen Religionslehre zugeschrieben
wird – und dessen Möglichkeit man aus der persönlichen Vereinigung herleiten
wil: so kan man weder den Arianern noch den
Socianern solche Einwürfe machen. Es scheint
wenigstens, es seie eben so gut, zu sagen: quod Christus
– homo – creatura – habet, habet per deum, als: quod
Christus homo habet, habet per unionem personalem.
Ob übrigens dieses Verhältnis eines und ebendasselbe mit dem Verhältnis
Gottes gegen die Kreaturen seie, das ist eine andre Frage. Wenigstens
kan man Hrn. Basedow
und seines gleichen nicht viel vorwerfen, wann
sie sagen, sie behaupten eben das Verhältnis der menschlichen Natur Jesu
gegen die Kreatur, ohne die Hypothese der persönlichen Vereinigung, welches
die Liebhaber dieser Hypothese vermittelst desselben annehmen. –" Pag.
162. 163. 164.
Manuskriptseite
81.
Ia-01-1778-0175
5) Von dem Ausdruk
"Jesushat die Sünden
der Menschen getragen."
Ia-01-1778-0176
"Der Ausdruk, daß
Jesus die Sünden der Menschen getragen habe,
scheint kein hinlänglicher Beweisgrund für die Genuthuung Jesu
zu sein. Wenn man den Ausdruk algemein macht, so heist Sünde
tragen überhaupt: beschwerliche Folgen, die von der Sünde herrühren,
ausstehen; diese Folgen mögen alsdenn nach
Beschaffenheit des Subjekts die Natur einer Strafe an sich haben oder
nicht. Wenn nämlich von einem gesagt wird, er
trage seine eigne Sünde, so haben diejenigen üblen Folgen, die die begangene
Sünde verursacht, die Beschaffenheit der Strafe; sie sind ein Strafübel
und also heist in diesem Fal, seine Sünde tragen: um derselbigen willen
Strafe xxgx...x
leiden. In dieser Bedeutung komt diese Redensart oft vor. Z. E. 3 B. M.
20, 17. 19. Wenn aber das Subjekt, das sündiget, und das Subjekt, von
dem gesagt wird, daß es diese Sünde trage, nicht einerlei ist; oder wenn
es heist: einer trage des andern Sünde: so ist auch die Bedeutung anders
zu bestimmen. Denn das Subjekt hat doch einen
Einflus in die Bedeutung des Prädikats. Eben die Stelle, die H. E.
für sich anführt:
Ezech.
18. bestättiget unsern Saz, besonders wenn man auf den ganzen Vortrag
des Propheten in diesem Kapitel, und nicht nur
auf den 20ten Vers allein siehet. Gott verweist
daselbst den Israëliten durch den Propheten, daß sie diese Redensart eines
andern Sünde tragen, in einem falschen und irrigen
Verstand brauchten. Denn wenn sie den Ausdruk
so gebraucht hätten, wie es ihren Umständen gemäs gewesen wäre, und wie
er überhaupt von Menschen gebraucht werden kan;
so hätte Gott nicht Ursache gehabt, sie hierüber eines andern zu belehren.
Sie hielten sich nämlich für unschuldig, und glaubten, ihr
Unglük seie blos eine Strafe derjenigen {Sünden} , die ihre Väter begangen
hätten; und also sahen sie Gottes Verhängnis
über sich als ungerecht an. V. 2. Darüber
Manuskriptseite
82.
weiset sie der Prophet
zurecht, und sagt ihnen, in diesem Verstand
dörfe der Sohn nie seines Vaters Missethat tragen; der Unschuldige
werde nie statt des Schuldigen gestraft, sondern wenn ein Strafübel über
den Sohn verhängt werde, so müsse er, wie der Vater, gesündiget
haben. – Gott stelt also hier einen algemeinen Grundsatz seiner Gerechtigkeit
auf. Und wenn nun in andern Stellen der h. Schrift dennoch gesagt wird,
entweder mit eben so viel, oder mit ähnlichen Worten, daß einer des andern
Sünde trage: so kan dieser Ausdruk nicht die Bedeutung haben, die ihm
die Israëliten beilegten; denn diese erklärt Gott
selbst hier irrig, er kan nicht ohne Einschränkung von den eigentlichen
Strafen der Sünde eines andern verstanden werden. Vielmehr ist hier wieder
ein Unterschied zu bemerken. Entweder hat der,
der z. E. seiner Vorfahren Sünde trägt, eben so, wie dxx
dieselbige gesündiget; oder nicht. In jenem
Fal, der Klagl. 5, 7. und Matth.
23, 35. 36. vorkomt, ist das verhängte Übel, nach der authentischen Erklärung
Gottes Ezech. 18.
eigentlich die Strafe derjenigen Sünden, die der, der es leidet, selbst
begangen hat. Es kan aber auch als die Strafe der Sünde der Voreltern
angesehen werden, in so fern es ein Beweis ist, daß Gott bei den Voreltern
nicht aus Gleichgültigkeit gegen die Sünde, sondern aus andern wichtigen
Ursachen Nachsicht und Langmuth bewiesen habe. Im andern Fal, wann der,
von dem gesagt wird, daß er die Sünde der Vorfahren
trage, nicht so, wie sie gesündiget hat, kan auch der durch diesen Ausdruk
bezeichnete Zustand keine eigentliche Strafe sein; sondern diese Redensart
deutet hier nur eine Beschwerde an, die zwar
aus der Sünde der Voreltern und aus der wesentlichen Einrichtung der menschlichen
Geselschaft, aus dem natürlichen Verhältnis der Menschen gegeneinander
entstehet – eben nicht die ??s?? oder Beschaffenheit einer von dem göttlichen
Manuskriptseite
83.
Gericht
zu erkannten Strafe hat. Z. E. 4 B. M.
33 sagt Gott, die Kinder der Israëliten, die aus Egypten ausgegangen seien,
sollen vierzig Jahre herum wandern in der Wüsten, und ihre, der Väter,
Hurerei tragen. Das heist doch wohl nicht, sie sollen im eigentlichsten
Verstande um ihrer Väter Missethat willen gestraft werden? Nein! den Vätern
wird die Strafe angekündigt, sie sollen das Land Kanaan nicht sehen; den
Kindern aber wird verheissen, sie sollen hineingebracht werden. V. 33.
Also wil Gott die Kinder nicht strafen; sondern weil die Väter in der
Wüsten sterben, und dieses nach und nach innerhalb 40. Jahren geschehen
solte, so müssen nothwendig die Kinder sichs gefallen lassen, diese Zeit
über mit herumzuziehen. Die Sache ist deutlich, und wir gebrauchen ja
diesen Ausdruk eben so. Wenn z. E. ein Vater sein Gut verschwendet, daß
die Kinder darüber ohne {ihre} Schuld in Armuth gerathen:
so sagen wir, die Kinder tragen die Missethat ihres Vaters; ihre Armuth
nämlich seie eine Folge, nicht eine Strafe seiner
Verschwendung. Es ist also nach dem bisherigen in Ansehung der Bedeutung
nicht einerlei, ob das Prädikat des andern Sünde tragen, Verneinungs=
oder Bejahungsweise bei seinem Subjekt stehet. In jenem Fal
heist es gewöhnlich, die Strafe leiden, die ein anderer mit seiner Sünde
verwürkt hat, wie Ezech.
18. in x...x ist
diesem ist die Bedeutung nach der gegebenen Anweisung
einzuschränken. Es scheint demnach nicht, daß diese Redensart einen unumstöslichen
Beweisgrund für den gewöhnlichen Begrif von der Genugthuung Christi
abgeben könne. – Die zweite Stelle von dieser Gattung,
die Hr. E. anführet, Joh.
1, 29. ist noch weniger entscheident. Es wird da von dem Evangelisten
das Wort a??e?? gebraucht. Hr. D.
sucht zwar das Eigenthümliche
Manuskriptseite
84.
der Bedeutung desselbigen
bei zubehalten, indem er es übersezt: peccata mundi in
se suscepta fx...xe
facere. Allein es ist ja dem Hr. D. bekant
genug, daß a??e?? eben so gut auch wegschaffen, wegnehmen
heist. Wenigstens gebrauchen die LXX. unsers Wissens
nicht das Wort a??e??, sondern ?aµßa?e??, fe?e??, a?afe?e??, ??µ??e?a?,
wenn es mit dem Wort: Sünde, zusammengesezt wird; und wo sie in dieser
Bedeutung Verbindung a??e??
gebrauchen, da heist es: Sünde vergeben, wegnehmen. Z. E. 1 Sam.
15, 25. 25, 28. In Ansehung der Stelle von der andern Gattung, 2 Kor.
5, 21. mus erst erwiesen werden, daß der Ausdruk:
Gott hat Jesum zur Sünde, oder zum Sünder gemacht,
nicht eben so gut heissen könne: Gott hat nach seinem Rathschlus zugegeben,
daß Jesus als ein Sünder behandelt wurde. Und
warum solte das wider den hebräischen Sprachgebrauch
sein, da in demselbigen oft etwas Gott gleichsam als dem Urheber, zugeschrieben
wird, was er zwar nicht selbst thut, aber in seinem Rathschlus zu gewissen
wichtigen Endzwekken ordnet, und wobei er vorher
und nachgehends zu Erzielung dieser Endzwekke geschäftig ist?
wenigstens kan also diese Stelle kein Hauptsiz
der Lehre von der Genugthuung
Christi sein, sondern ihre Erklärung mus sich
nach der anderwärtigen Erweislichkeit oder Unerweislichkeit derselbigen
richten. – Überhaupt wird es darauf ankommen, ob es nicht andere mehr
entscheidende Stellen für die
Lehre von der Genugthuung Christi
in dem N. T. giebt, und ob das vorbildliche
Verhältnis der Opfer zu Christo
nothwendig die bisherige Form dieser Lehre erfodere
oder nicht. –" Pag. 223. 224.
225. 226. 227. 228. 229.
Manuskriptseite
85.
Ia-01-1778-0177
6)
Vom Himmel.
Ia-01-1778-0178
"Himmel
heist in der Bibel, alles, was ausser unserer Erde
ist. Wo steht aber der Saz in der Bibel, daß alles, was ausser derselben
ist, zugleich sei erschaffen worden. Vielleicht die tausendste, möcht'
ich mit Hallern sagen,
vielleicht die tausendste der Sonnen dreht izt sich, und tausend derselben
bleiben noch zurükke!" Pag.
321.
"Es ist keinem Zweifel
unterworfen, daß zu den Zeiten Christi die Juden
Besizzungen geglaubt haben. Daraus aber folgt nicht, daß sie unter den
besizzenden höhern Geistern die Wesen verstanden
haben, die wir Teufel zu nennen gewohnt sind.
Ihre eigentliche Vorstellung ist ein Gegenstand historischer Untersuchung.
Hier sind aber Gründe zum Beweise, daß sie bei
ihrem Glauben an Besizungen nicht an Teufel gedacht haben: 1) Es ist keine
einzige stelle im N.T.,
aus der es erweislich sei, daß die Juden die
Besizungen dem Teufel zugeschrieben; nirgends ist vom Teufel
oder von Teufeln, sondern von einem Dämon
oder Dämonen die Rede. 2) Dämonen sind keine gefallene
Engel, sondern heidnische Gottheiten, und zwar solche, die vorher Menschen
gewesen waren. Das ist der Begrif, den sich Griechen und Lateiner von
den Dämonen machten, und die Sache ist nach den Zeugnissen die Farmer
darüber gesamlet hat, historisch erwiesen. Über eben diesen Begrif haben
die Juden; die nur gar zu geneigt waren ihrer Nachbaren Grundsäzze anzunehmen,
in ihre Philosophie aufgenommen. Auch sie dachten sich unter Dämonen nichts
anders, als jene vergötterte menschliche Geister. Das bewei=
Manuskriptseite
86.
set selbst der Vorwurf,
den die Juden Christo machten; Du
treibest die Dämonen aus durch Beelzebub, den
Obersten der Dämonen. Beelzebub, oder Beelzebul war den
Juden keineswegs der König des Teufel=Reiches, den sie mit ganz
andern Namen zu bezeichnen pflegten. Er war wie aus 2 Reg.
2 erhellet, ein Gözze der Philister (der Gott zu Ekron)
Es ist auch Irthum, daß ihm dieser Name von den Juden aus Verachtung oder
Spot beigelegt worden. Fliegen=Gott ward er genant,
weil von ihm Schuz gegen dieses schädliche Insekt erwartet ward. Beispiele
solcher Benennungen sind gar häufig. Invocant Elai myiagron
deum, muscarum multitudine pestilentiam afferente; qua protinus intereunt,
postquam litatum es ei deo. (Plin.Hist. nat.) So ward
Jupiter und Herkules mit gleichen Zunamen beehrt. ?p??t????, ????pe??,
????d??, ?p?µ????. Das ist gerade der Beelzebub
der Ekroniten. Bochart und Selden
sind auch der Meinung, daß ihn die Ekroniten selbst so genant haben. Beelzebub
war den Pharisäern also der Oberste der besizzenden Dämonen, nicht das
Haupt der Teufel. - Aber Christus sagt doch
bei dieser Gelegenheit: Wie kan ein Satan den andern
austreiben? Ist also Satan (der Teufel)
und Beelzebub einerlei? - Auf diesen Einwurf ist die Antwort nicht schwer
zu finden. Satan ist ein algemeiner Ausdruk, und
im Grunde nichts anders, als Widersacher, Gegner,
Feind. Er wird von guten Engeln, 4 Mos.
22, 22. 23. von Menschen 1 Sam.
29, 4. 1 Reg. 3, 7. von Krankheiten 2 Kor.
12, 7. von jedem hinderden Widerstande gebraucht. So hat ihn der Heiland
auch hier auf Kräfte, die sich einander entgegen arbeiten, angewandt.
(Die Antwort Jesu ist übrigens blosse Appellation
an den gesunden Menschenverstand, und Argumentum ad hominem,
daraus sich weder die Existenz der Dämonen, noch
der Satane erweisen läst, sondern die blos die Ungereimtheit des pharisäischen
Vorwurfs fühlbar machen solte.) - Ein Zeugnis des Josephus
sezt es
Manuskriptseite
87.
ausser Streit, welche
Vorstellung sich die Juden von den Dämonen machten. Diesem gelehrten Juden
war es gewis nicht darum zu thun, das Ansehen
und die Macht der Dämonen zu verkleinern. Er giebt aber von ihnen folgende
Erklärung: Dämonen sind die Geister gottloser Menschen,
die in die Lebendigen eingehen, und diejenigen tödten {,} die keine Hülfe
erlangen, de
bello jud.Lib. VII. c. 6.
- Wenn nun zu den Zeiten Christi und seiner
Apostel dies offenbar der herrschende Begrif von Dämonen war, können wir
dann diesem Worte in den Schriften des N.T.
einen andern Sin wilkührlich unterlegen? Die heiligen Schriftsteller
wären nicht verstanden worden, wenn sie das
Wort Dämon in einer andern als der gewöhnlichen Bedeutung genommen
hätten. Denn was man auch damals von andern bösen
Geistxx Geistern
lehrte; so stimten doch Juden und Heiden darin überein, daß sie die Besizzungen
den Geistern verstorbener Menschen zuschrieben, und es ist auch keine
einzige Ausnahme aus irgend einem gleichzeitigen oder früheren Schriftsteller
vorgebracht worden. Auch in den ersten Zeiten des Christenthums
war dies noch die herschende Meinung, worüber eine Stelle des Justin
entscheidend ist: ?? ???a?? ap??a???t?? ?aµßa??µe???
?a? ??pt?µe??? a????p?? ??? da?µ?????pt??? ?a? µa???µe???? ?a???? ?????S.
Später hinaus (hier wäre eine genaue historische Untersuchung; wann und
wodurch eigentlich Vorstellung und Lehrart in diesem Stük geändert worden,
zu wünschen.) ward es erst kirchliche Lehre, daß in dem Besessenen ein
Geist übermenschlichen Ursprungs sein Werk habe. Übrigens hielten die
Juden die besizzende Dämonen allerdings vor böse Geister, wie aus dem
angeführten Zeugnisse des Josephus klar ist.
Die Bx...xung Benennung
böse und unreine Geister
scheint dieses zwar auch zu beweisen; indessen
hatten dergleichen Benennungen,
Manuskriptseite
88.
mehr in den Wirkungen,
als in den persönlichen Eigenschaften der besizzenden Dämonen ihren Grund.
Taube, stumme Geister sind offenbar solche, deren
Einwirkung man diese leibliche Gebrechen zuschrieb.
So viel ist also von der Bedeutung der Worte da?µ??
und da?µ????? in den Schriften desN.T.
historisch erweislich. Die Untersuchung vom
Teufel und seinem Einflus ist dx...xh
demnach von der Untersuchung: wie es mit den dämonischen Menschen beschaffen
gewesen, ganz unabhängig. Alle dämonische Leute waren zugleich kranke
Personen. Das leidet keinen Widerspruch; e?e?ape?se p????? ap? ??s?? –
?a? p?e?µat?? p??????; p?e?µata p????a müssen
also auch Krankheiten gewesen sein, oder veranlasset haben. Welche Krankheiten
waren es aber, die von Heiden so wol als Juden der Besizzung der Geister
zugeschrieben wurden? Farmer beweist, daß obgleich
die Alten alle besonders schwere Krankheiten als solche ansahen, die von
den Göttern auferlegt waren, sie doch nur diejenigen,
die den Verstand angriffen, und mit Wahnsin begleitet waren, für Folgen
dämonischer Besizzungen hielten. Die Larvati und
Cerriti der Lateiner waren insgesamt Wahnsinnige,
so auch die da?µ?????µe???. Jedoch ward auch ausser der Raserei die fallende
Sucht der Besizzung der Dämonen zugeschrieben; es sei wegen der sonderbaren
Beschaffenheit dieses Übels oder weil dasselbe mit Verrükkung des Verstandes
gar nahe verwandt ist. Saepe enim evenit ut per longum
tempus dementia superveniat Epilepsia. Sunt enim affines hi morbi.
MEAD.
medica sacrap.
69. So waren denn auxh
auch alle Dämonische, deren im N.T.
gedacht wird, Kranke von der einen oder der andern Gattung. Der Vorwurf,
den die Juden unserm Heilande Joh.
10, 20. 8, 48. pp. und dem JohannesMatth.
18, 11 pp. machten, beweiset hinlänglich, daß bei den Juden, nicht
bei Sinnen sein, und dämonisch sein gleichbedeutend
war. - Man hat die Theologie und das Christenthum
mit einer sehr sonderbaren und
Manuskriptseite
89.
zuversichtlichen
Behauptung verunstaltet, nemlich: auf besondere Zulassung Gottes habe
es zu den Zeiten Christi unter den Juden allein
dämonische Menschen gegeben, oder derselben sei wenigstens unter einem
andern Volke und zu einer andern Zeit nicht eine so grosse Anzahl gewesen.
Damit hat man die Ehre Christi und den Werth
seiner Erlösung recht gros vorzustellen gemeint.
Die ganze Sache ist aber historisch falsch. Denn lange vor der Geburt
Christi und ausser dem jüdischen Lande schrieb
man Krankheiten überhaupt den Geistern zu, und dämonische
Leute finden sich in Schriftstellern von hohem Alterthum,
besonders in solchen aus denen sich der Volksglaube am besten erkennen
läst, nemlich in den dramatischen Dichtern. Juden waren mit Besizzungen
und mit einer antidämonischen Kunst schon lange
vor ChristiZeiten
bekant. Joseph berichtet: die
von Salomo vorgeschriebene Art des Exorzismus
habe beständig bis zu seinen Zeiten geherscht, und sei glüklich von statten
gegangen. Gab es keine von Dämonen geplagte,
was sollen denn Exorzisten? Und daß man nach den
Zeiten Christi Besizzungen noch viel häufiger
wahrzunehmen geglaubt habe, bedarf für den Geschichtskundigen keines Erweises.
Der ganze locus von
besonderer Macht des Teufels, der sich gleichsam zu guterletzt noch recht
was hat sehen lassen wollen, oder zu seiner Schande, und zur Vergrösserung
des Triumphs Christi zu seiner Zeit freier und
toller hat wüten können, ist ohne allen historischen Grund. - Auch das
ist wider die Geschichte, daß es mit den dämonischen Leuten, derer im
N.T. gedacht
wird, eine andere Bewandnis habe, als mit solchen, die in andern alten
Schriftstellern für dämonisch ausgegeben wurden.
Eben die Ausdrükke, eben die Krankheiten, was ist für ein Grund da, hier
eine Verschiedenheit anzunehmen? Der gelehrte Bischof Warburton,
ein eifriger Vertheidiger des Dämonismus, meint zwar dergleichen wahrzunehmen.
Seiner Meinung nach versahen sich die Alten oft darin, daß sie natürliche
Krankheiten für Besizzungen hielten; die
Manuskriptseite
90.
im N.T.
genanten, wären aber alle wirklich dämonische
gewesen; man müsse auch wohl erwägen: welche Rolle der
Teufel in der Haushaltung der Gnade gespielt habe, um von dieser
Sache ein richtiges Urtheil zu fällen. Bei diesem Urtheil wird zweierlei
vorausgesezt: einmal daß das System des Heidenthums in keiner Verbindung
mit der Dämonologie stehe, und zum andern,
daß die Lehre von der Erlösung und die von dem Einflus in dex
{die} Macht des Teufels, in Rüksicht auf die Frage von den Besizzungen,
sich so in einander fügeten, daß sie zusammen nur Ein ganzes ausmachen.
Beides ist aber falsch. Im N.T. steht auch
nicht ein Wort von diesem Unterschiede unter vermeintlich
und xwirklich
Besessenen, und alle Regeln, die man nachher zur Beurtheilung wirklicher
Besizzungen festgesezt hat, können hier gar nichts entscheiden. - Last
uns also von allen, die man von jeher dämonisch genennet hat, einerlei
Urtheil fällen. Diese kranke elende Menschen waren entweder überal von
Dämonen wirklich besessen, oder sie litten alle
von natürlichen Übeln, die nach algemeiner abergläubischer Meinung dem
Einflus böser Geister zugeschrieben wurden. Was sagt die Vernunft, was
sagt die Schrift dazu? - Die Vernunft weis nichts von der Macht verstorbener
Menschen und von ihrem Einflus auf das Wohl oder Wehe der Lebendigen.
Sie entdekt uns eben so wenig das Dasein gefallener Engel, oder deren
Kräfte und Verhältnisse. Auf welchen vernünftigen Grundsazze sol der Philosoph
also die Lehre von den Dämonen und ihrer über die Menschen vermeintlich
verübten Tyrannei gründen? Daß es mehr
unerklärliche Wirkungen in dem System der Natur giebt, berechtiget ihn
noch nicht die wirkenden Kräfte ausser den Grenzen der Natur zu suchen.
Die Philosophie, die überal Götter und Dämonen=Einflus annahm, ist in
den Zeiten
Manuskriptseite
91.
der Unwissenheit
und des dumsten Aberglaubens entstanden. Man kante die Natur
nicht, und wolte doch von ihren Erscheinungen Rechenschaft geben; und
von dem Volke ist die Lehre von der Influenz höherer Geister, wie alles,
was das Gepräge des Wunderbaren und Übernatürlichen hat, von jeher gern
angenommen worden. Männer im Gegentheil von genauer Bekanntschaft mit
der Natur und von freierem Geiste haben das, was man für dämonische Besizzungen
ansah, für blos natürliche Krankheit gehalten. Sadducäer, Epikuräer, Peripatethiker
glaubten nicht an Dämonen. Aristoteles,
Hippokrates, Celsus,
Plotinus (obgleich Platoniker)
sahen alle in der gemeinen Meinung nichts als die Frucht der Unwissenheit.
Wetstein hat verschiedene
berühmte Ärzte angeführt, die bei den Dämonischen
nichts als Wirkungen der Natur wahrnahmen. Und
wem an Zeugnissen dieser Art gelegen ist, dem
wird des grossen Naturkenners Mead
Urtheil Autorität genug sein - Insanorum
haec sunt omnia - nihil profecto hic sacrum, nihil quod ex male
affecta corporis sanitate oriri non posset, reperimus. Med.
s. c. IX. Verständige Ärzte gebrauchen gegen diese
natürliche Übel auch nichts als natürliche Mittel;
sie treiben den bösen Geist bald durch Arzenei, bald durch Aderlassen,
bald durch Bäder, bald durch Abführen, bald durch starke Bewegung aus.
Was hat die Vernunft also für Gründe, Krankheiten, die aus natürlichen
Ursachen entstehen, und durch natürliche Mittel geheilet oder gelindert
werden, der Besizzung eines bösen Geistes zuzuschreiben? Dazu kömt; dergleichen
angenommener Einflus höherer Geister erschaffener
Geister zur Qual der Menschen ist ganz wider die Analogie der Regierungsart
Gottes. Überal in der Welt wird eine bestimte Ordnung von Ursachen und
Wirkungen wahrgenommen, die nicht von irgend einem unsicht=
Manuskriptseite
92.
baren Wesen gestört
wird. Und der Mensch solte allein in diesem allerweisesten Plane eine
Ausnahme machen, und dem Eigensin oder der Schadenfreude böser Geister
unterworfen sein? Wo bleibt vernünftige Anbetung
Gottes, wo Ruhe und Trost des Herzens, sobald
das unser Glaube ist? Abgötterei und dummer Aberglaube und Betrug müssen
auf den Thron kommen, wenn die Meinung: Menschen können von bösen Geistern
besessen und gequält werden, angenommen wird, und auch hier liefert die
Geschichte die traurigsten Beweise. Juden selbst, so bald sie das heidnische
System der Dämonologie angenommen, brachten dem Sammael
Opfer, und wer kan ohne Schaudern an die Zauberei und Hexenprocesse unter
den Christen denken? Grosse Ursache haben wir
demnach Gott zu danken, daß nach dem Verhältnis der Erweiterung gründlicher
Naturkentnis , die gefährliche Lehre von
Besizzung böser Geister in Verachtung sinkt. Das Licht des Evangeliums
stelte schon bei seiner ersten Erscheinung die Thorheit aller magischen
Künste vor Augen (Aktor. 19, 18. 20.) und das
geschahe auch, als es zum zweitenmale bei der Reformation hervorleuchtete.
Um diese herliche Zeit erlangte die Vernunft, die durch den schändlichsten
Aberglauben so lange war gefangen gehalten worden, wiederum einiger Mx
massen die ihr gebührende Macht, und fieng an die thörichten Märchen von
Hexereien, Besizzungen und Geisterbeschwerungen zu verwerfen, die durch
listige und habsüchtige Betrüger ausgebreitet, und durch leichtgläubige
Menschen waren angenommen worden. Daß die Offenbarung die Lehre von den
Besizzungen eben so wenig begünstige, sondern derselben vielmehr grade
entgegen sei, beweist Farmer im 10ten Abschnitte;
und dieser Theil seiner Schrift verdient die meiste Aufmerksamkeit, weil
man grade hier die stärksten Gründe für die Dämonologie zu finden glaubt.
1) Die Lehre von den Besizzungen
Manuskriptseite
93.
war nicht auf die
Offenbarung gegründet, ist auch nicht von ihr bestätiget
worden, weder von den Propheten des A. noch
von denen des N. T. Jene ignoriren so gänzlich
diese ganze Lehre, daß sie derselben niemals weder gradezu, noch in Anspielungen
erwehnen. (Sauls böser Geist ist Schwermuth;
wer hebräisch versteht, wird hier nichts anders suchen) doch giebt es
Gelegenheiten genug, bei denen sie davon natürlicher Weise hätten sprechen
müssen, wofern sie davon gewust hätten; z. B.
bei der Erzählung wunderthätiger Heilungen; Moses
bei den Reinigungsgesezzen – von der Beflekkung durch teufelische oder
dämonische Besizzung, und von der Art der Reinigung
nach derselben nicht ein Wort – die Propheten
überhaupt bei Verkündigung der Herlichkeit und Macht des Messias; wie
kömts daß sie auch nicht ein einziges mal erwehnen: er werde Teufel oder
Dämonen austreiben? – Im A. T. also ein tiefes
Stillschweigen von dieser Sache. Im N. T. wird
dieselbe eben so wenig eigentlich gelehret. Der
Glaube an Dämonen war schon lange vor den Zeiten Christi
in der Welt, und unter dem jüdischen Volke gewesen;
er wird aber nie als ein Theil christlicher
Offenbarung vorgestelt oder empfolen. – 2) Das ganze System jüdischer
und christlicher Religion ist dieser Lehre geradezu
entgegen. Jehova, der einzige wahre Gott, (der allein Wunder thut) Jesus
Christus, der einzige Mitler
zwischen Gott und Menschen; diese Grundsäzze
können mit der Lehre von höheren Geistern, die über die Gesezze der Natur
und über das Menschengeschlecht insbesondere Macht haben, nicht vereiniget
werden. Auch der Beweis, der für die Warheit der Offenbarung
von den Wunderwerken herzunehmen ist, verliert seine Evidenz, wenn es
in den Wirkungen der Natur, noch eine andere als göttliche
Dazwischenkunft geben kan. – Alle Propheten haben das gänzliche Unvermögen
der Dämonen einstimmig behauptet, und damit die Lehre von den
Manuskriptseite
94
Besizzungen völlig
umgestossen. Farmerbezieht
sich hier auf seine Schrift von den Wunderwerken,
wo er dieses umständlich erörtert hat, und
erklärt weitläuftig die Stelle 1 Kor.x
8, 4. Wir wissen daß ein Gözze nichts in der Welt ist.
Gözzen, deren Nichtigkeit die Apostel behaupteten,
sind nicht Teufel, sondern heidnische Dämonen – und da diese nichts sind:
so kan es auch nie einen wirklich dämonischen Menschen in der Welt gegeben
haben. Mit vielem Scharfsin und exegetischen
Genauigkeit werden hier auch alle Stellen in den Briefen der Apostel,
darin von Dämonen die Rede ist, erläutert, besonders auch Jak.
2, 19. so der Verfasser aus Hiob
26, 5. genommen zu sein muthmasset. Im zweiten Hauptstükke begegnet Farmer
den Einwürfen, die gegen diese Erklärung von dämonischen Menschen vorgebracht
werden können. Erster Einwurf: Die Dämonischen
reden und handeln oft so, daß sich daraus vermuthen läst: höhere Geister
haben in ihnen gewürkt. Sie wusten und sagten: Jesus
sei der Messias; Christus verbietet ihnen (den
Dämonen) ihn ihn zu entdekken; sie reden vernünftiger
als der grosse Haufe; sie besizzen eine ungemeine Leibesstärke. Antwort:
Auch Wahnsinnige und Epileptische konten durch den algemeinen Ruf von
Christo und seinen Wunderwerken
gehört haben, und in guten Augenblikken den Heiland, ohne Inspiration,
für den, der er war, erkennen und bekennen. (Der Eindruk blieb ihnen dann,
daß sie auch in der Raserei davon spr sprachen
. Diese Anmerkung erkläret auch die Rede des wahnsinnigen Mägdgen
zu Philippi, dem ein p?e?µa p?????? zugeschrieben ward. – Wenn Christus
den Dämonen befiehlt xh
ihn nicht zu entdekken: so redet er mit denen Menschen, die man von Dämonen
besessen glaubte, und daher mit denselbigen verwechselte. – Vernünftige
Reden
Manuskriptseite
95.
der Dämonischen
wird man nicht viele aufweisen können. Das
Verhalten des Gadareners so man hier insbesondere zum Beweise anführt,
ist so in aller Absicht das Verhalten eines Menschen, der seiner Vernunft
nicht mächtig ist, daß es unbegreiflich ist, wie man darin Spuren einer
vorzüglichen Verstandeskraft hat bemerken wollen. - Ungemeine Leibesstärke
endlich ist bei Kranken dieser Art gar nichts ungewöhnliches, und die
erzählten Facta beweisen gar nichts, das der Erfahrung
entgegen wäre. Zweiter Einwurf: Die Dämonen sind
doch gleichwol auf Christi Erlaubnis in die
Heerde Säue gefahren, und haben sie ins Meer
herabgestürzt. – Das ist ja Beweises genug, daß hier wirklich Dämonen
waren, und daß sie in Menschen und Thiere eingehen
konten. Antwort: Das Wüthend=werden
der Schweine war ein Strafwunder Jesu.
Die Raserei, von der er die beiden Gadarener befreite, muste auf seinen
Willen die Heerde befallen. Dämonen fuhren aus, und fuhren in die Schweine,
heist nichts anders, als: die Krankheit verliesdie die Menschen, und überfiel die Heerde. Der
Verfasser vertheidigt auch gelegentlich die Absicht dieses Strafwunders
Jesu, als einer gerechten Strafe der Eigenthümer,
als Beweises der Wirklichkeit der an den Dämonischen
verrichteten wunderthätigen Heilung, als eines Mittels zur Ausbreitung
des Glaubens an Jesum,
zur Berichtigung der Begriffe von der Macht der Dämonen, zur Abhaltung
irdischgesinter irdischgesinter
Israeliten von der Nachfolge Christi, endlich
als einer Warnung durch Verachtung der liebreichen Anerbietungen
Gottes, sich nicht gerechte Strafen zuzuziehen. Dritter
Einwurf: Wenn die vermeinten Besizzungen nur natürliche Krankheiten
waren, warum reden Jesus und die Evangelisten
von denselben nicht, als von natürlichen Krankheiten? Warum ist in der
evangelischen Geschichte so oft von Dämonen, von austreiben
und ausfahren derselben die Rede? Zeigt diese
Art zu reden
Manuskriptseite
96.
nicht an: die Sache
verhalte sich wirklich so, wie sie damals geglaubt ward? Antwort
: Der Heiland und seine Apostel bedienten sich der gemeinen populären
Sprache ihres Zeitalters, gaben aber dadurch M
der Meinung, aus welcher sie entstanden war, keinesweges ihre Bestätigung.
Es war bei Personen von allen Ständen, insbesondere bei den hohenSchr Schriftstellern,
und bei unserm Heilande selbst gewöhnlich, in der Sprache des gemeinen
Volks zu reden, so falsch auch die Philosophie sein mochte, auf die sie
sich gründete. Ihre Gedanken von den dämonischen Leuten können folglich
niemals aus den blossen Ausdrükken, deren sie
sich bei Beschreibung derselben bedient haben, geschlossen werden. Es
konte nicht unschiklich sein, wenn sie die gemeine Redensarten, weil sie
durchgängig von aussen in die Sinne fallende Wirkungen gebraucht wurden
, auf die Zufälle der dämonischen Leute, und auf ihre Heilung anwendeten,
obgleich sie ursprünglich von der eingebildeten Ursache
ihrer Krankheiten entlehnt waren. Es war ihnen von Gott auch nicht aufgetragen
worden, die Menschen in der Natur solcher Krankheiten, die sie zu heilen
die Macht hatten, zu unterrichten, oder einige physikalische Irthümer,
die dieselben betrafen, zu verbessern, und sie konten also über diesen
Punkt keine Belehrungen mittheilen, ohne ihren Auftrag zu überschreiten.
Ja, die Frage von den Besizzungen konte durch das Ansehen Christi
und seiner Apostel, nicht ohne grosse Unschiklichkeit geradezu und unmittelbar
entschieden werden; da die an den Besessenen verrichtete Wunderwerke ein
Theil von derjenigen Evidenz des Evangeliums waren, die allezeit durch
die natürliche Vernunft beurtheilt werden mus. Indessen, obgleich die
ersten Prediger des Evangeliums sich in keine philosophische Untersuchung
über die Natur der Krankheiten einliessen, so stiessen
sie doch in der That das ganze System des da=
Manuskriptseite
97.
mals herschenden
Aberglaubens um, wenn sie die Nichtigkeit der Dämonen behaupteten und
deutlich bewiesen, daß, wenn man ihre Macht zugestehe, man den ersten
Grundsäzzen des Evangeliums widerspreche. Dieses thaten sie bei der
der schiklichsten Gelegenheit, nämlich wenn sie Menschen in den Lehren
des Christenthums unterrichteten. Gleich wie man nun eines Mannes Lehrbegrif
von der Sternkunde oder Arzneikunst aus der Vorstellung, die er mit Fleis
davon macht, lernet , und nicht daraus, wenn
er gewisse himlische Erscheinungen oder leibliche Krankheiten in der Sprache
des gemeinen Volkes beschreibet; so mus man auch die wirklichen Gedanken
der Apostel von den Dämonen aus ihrer ausdrüklichen
Lehre von denselben lernen; nicht aber aus ihren Beschreibungen der dämonischen
Leute, in welchen sie sich, wie es nöthig war, der damals herschenden
Sprache bedienten. –" Pag.
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.
Ia-01-1778-0183
2) Von den Mängeln
der Jünger Jesu
Ia-01-1778-0184
"Wir halten viele
Dinge für sehr unchristlich, unedel, ungültig,
für entehrend, für Bekenner Jesu, für mehr als
blosse Irrungen, Übereilungen, Schwachheiten – und bedenken nicht, xxß
daß die Apostel offenbar alles dies an sich hatten, d
und gleichwol gewürdiget wurden, aus einer ganzen Welt auserwählt zu werden,
um die nächsten Freunde des Erlösers zu sein.
Jesus der billigste, heiligste Menschenfreund,
trug ihre Schwachheiten und Irthümer, da edle feurige Liebe
zur Redlichkeit, zur Tugend und Religion, da wahre reine brennende Liebe
für ihn, ihren Herrn, ihr Herz erfüllten. Intolerante lieblose Menschen,
lernet den Christus Sin, Güte des Herzens, bei
Mängeln der Theorie – die meistens doch nur eurer
Einbildung nach Mängel sind, zu schäzzen." Pag.
73.
Manuskriptseite
98.
Ia-01-1778-0185
3) Wie man seelig
werden kan.
Ia-01-1778-0186
"Überhaupt solle
nur ein jeder, wenn er auch ein Heide ist, der
von Christo und seiner Lehre nichts gehört hat,
die Kräfte und Mittel, die ihn Gott selbst zu
seiner Erkentnis an die Hand gegeben, treulich und gewissenhaft gebrauchen;
so lebt er dem Worte Gottes gemäs, und man kan ihm die
Hofnung zur Seeligkeit nicht absprechen." Pag.
119. 120.
Ia-01-1778-0187
"Diejenigen, die
nach der Vernunft gelebt haben, sind Christen,
wenn sie schon für Atheisten gehalten worden wären, wie unter den Heiden
ein Sokrates und Heraklitus,
und andre dergleichen." Pag.
236.
Ia-01-1778-0188
4) Von der Gottheit
Christi. –
Ia-01-1778-0189
"Wir verehren den
Schöpfer der Welt: wir verehren auch unsern Sch
Lehrer, der dazu gebohren ist, Jesum
Christum, den wir für den Sohn des wahren
Gottes erkennen, und ihm die zwote Stelle in
unsrer Anbetung einräumen, so wie wir dem
prophetischen Geist die dritte Stelle anweisen, den wir neben dem Wort
ehren. Man hält uns freilich für Rasende, daß wir einem gekreuzzigten
Menschen die zweite und nächste Stelle an dem unveränderlichen
und ewig wahrhaftigen Gott geben: aber
man weis eben das Geheimnis nicht. (nämlich daß er nicht blosser Mensch
gewesen, sondern der menschgewordene Logus)" –
Ia-01-1778-0190
"Was wir von Christo
sagen, das sagt ihr (Heiden) von Jupiters Söhnen.–
Der Sohn Gottes, der Jesus
heist, wenn er auch ein blosser gemeiner Mensch wäre, so verdient er,
seiner Weisheit wegen, der Sohn Gottes zu heissen. Wenn wir aber sagen,
daß er neben seiner gemeinen Geburt zu einem Menschen, im eigentlichen
oder besondern Verstande, aus Gott, als Gottes Wort
ge=
Manuskriptseite
99.
bohren seie, so
behaupten wir etwas ähnliches von dem, was ihr vom Merkur saget." 234.
235. 236.
Ia-01-1778-0191
5) Von der Entstehung
der Tugend und des Lasters.
Ia-01-1778-0192
"Wenn man sich recht
erklärt, so kann man alle Laster als verschiedene Modifikationen
der unordentlichen Eigenliebe ansehen; gleichwie viele
Tugenden in den x
mannigfaltigen Modifikationen der wohlgeordneten Eigenliebe bestehen.
Nun ist die Eigenliebe der algemeine erste Naturtrieb
der menschlichen Seele, welcher eben sowohl zu einer vernünftigen Liebe
seiner eignen wahren Glükseeligkeit, als
auch seiner eigenen Scheinglükseeligkeit, mit der Zeit erhöhet werden
oder ausarten kan. In dem ersten Fal ist dieser Naturtrieb die natürliche
Anlage zur Tugend; in dem andern aber die natürliche Anlage zum Laster.
– " Pag. 342.
Ia-01-1778-0193
XIII.
Ia-01-1778-0194
Algemeine
theologische Bibliothek. Achter Band.
Mietau, beiJakob
Friedrich Hinz, 1777.
Ia-01-1778-0195
1) Von der Erlösung
des Menschen durch Jesum Christum.
Ia-01-1778-0196
"In dem zweiten
Kapitel werden diejenigen Stellen des N.
T., welche von den Gesinnungen Gottes gegen die Menschen vor dem
Tode Christi handeln, angeführt und einige derselben
erläutert. Es ist derselben eine grosse Menge, wovon wir nur folgende
anzeigen: Matth.
6, 1. 4. 6. 8. 9. Gott wird unser Vater genent, nicht blos, weil er unser
Schöpfer ist, sondern auch, weil er mit der grösten Liebe und Gütigkeit
für unser Bestes sorget. Lucä
1, 68. Hier wird Gott die Erlösung oder Befreiung seines Volkes zugeschrieben,
noch ehe Christus anfieng zu predigen.
Manuskriptseite
100.
Lucä
2, 14; Victor Vitensis
in seiner Leidensgeschichte der 7 Märtyrer lieset hier: pax
hominibus bonæ voluntatis, also nach der Leseart ?? ?a????p???
xx ??d???a?. Behält
man die gewöhnliche Leseart, so ist der Sin dieser Worte, Gott habe durch
die Geburt Christi seine gütigen Gesinnungen
gegen die Menschen gezeiget. Röm. 3, 24. Der
Apostel lehret in dieser Stelle, daß Gott aus blosser Gnade und Güte alle
Menschen, d. i. Juden und Heiden, gerecht spreche und zwar durch die Erlösung,
so durch Jesum Christum geschehen ist, oder
durch die Maasregeln, die er gxx
genommen hat, die Menschen zu befreien, d. i. sie von den Folgen der Sünde
zu erretten. Röm. 8, 29. 30: Die Vorherbestimmung
bedeutet hier, wie in verschiedenen andern Örtern der Schrift, den Vorsaz
Gottes die Heiden zu berufen. Ephes. 1, 7=9.
11: Die Herunterlassung Christi zum Tode war
das Mittel, durch welches die Heiden alles Gute von Gott erhielten, welches
er für sie bestimmet hatte. In den Anmerkungen über diese Stellen wird
erinnert, daß Gott die Menschen geliebet habe,
noch ehe er seinen Sohn sandte, und habe dx
durch diese Sendung seine Liebe noch mehr offenbaret. Es sind zwar einige,
welche behaupten, Christus habe unsere Busse
kräftig gemacht; allein Gott wird als unser Vater beschrieben, der seinen
Kindern gute Gaben giebt, wenn sie ihn darum bitten. Wolte man sagen,
Christus sei das Lam, das von der Grundlegung
der Welt an, geschlachtet worden, (nach einer unrichtigen Abtheilung der
Worte Offenb. Joh.
13, 8.) so wird geantwortet, daß Johannes 1
Brief 4, 9. 10. da er die Liebe Gottes so sehr
erhebt, dieser Ursache nicht gedenket. Es heist zwar, wir sind angenehm
gemacht in dem Geliebten, aber nicht um seinetwillen, sondern durch ihn
hat Gott seine Gnade auf eine besondere Weise bewiesen.
Manuskriptseite
101.
Das dritte Kapitel
enthält die Stellen des neuen Testaments, welche von der Offenbarung der
Liebe Gottes gegen die Menschen durch Christum
handeln. Unter denselben verdienen folgende wegen der beigefügten Erklärung
vornehmlich unsere Aufmerksamkeit. Röm. 8,
3. 4. Gott sandte seinen Sohn – um der Sünde willen,
nicht als ein Opfer für die Sünde, sondern der Sünde wegen, er
verdamte die Sünde im Fleisch, er
zeigte, daß die Sünde könte überwunden werden im Fleisch, und daß folglich
die genauste moralische Rechtschaffenheit von uns könte beobachtet werden,
wenn wir nach dem Geiste wandeln. 2 Kor. 5,
18. 19. 21: Gott war in Christo und versöhnte
die Welt mit ihm selbst. So grosse Sünder auch die Heiden waren,
so lies ihnen doch Gott die Vergebung der Sünden und die Bedingungen des
Evangeliums bekant machen, und nahm sie, da sie glaubten, zu seinem V
Volk an. Er hat den, der von keiner Sünde wuste, für
uns zur Sünde gemacht, er ist so mit ihm umgegangen, als wenn er
ein Sünder wäre, daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit vor Gott, daß
wir rechtschaffen würden vor Gott, wie es die Verordnung des Evangeliums,
die Christus bekant gemacht hat, erfordert.
???e?? ?µa?t?a? heist nicht, zum Sündopfer machen, p??e?? wird zwar von
den Opfern gebraucht, aber in einer andern Verbindung,
als 2 Mos. 29, 36.
39. ???e?? µ?s??? x...x9
2 Mos. 32, 8. heist
ein Kalb machen. Die Stellen welche Whitby anführet,
als 3. Mos. 4, 20.
Kap. 9, 7. 8. Kap. 14, 19. Kap. 15, 30. 4 Mos.
6, 11. 16. Kap. 8, 12. worin xx
pe?? ?µa?t?a? vorkömt, sind von einer andern Art und dienen nicht zur
Sache. Ephes. 1, 7. in welchem
wir haben die Erlösung durch sein Blut, nemlich
die Vergebung der Sünden nach dem Reichthum seiner Gnade. Durch
seinen Gehorsam bis zum Tode haben wir Heiden unsere Befreiung von dem,
der uns gefangen hielt, erlanget, indem uns
alle unsere vorigen Sünden vergeben worden sind. Ephes.
2, 8: Denn aus Gnaden seid ihr seelig worden, und das
nicht von euch selbst,
Manuskriptseite
102
es
ist Gottes Gabe. Paullus giebt den Heiden
zu erkennen, daß sie es blos der Gnade Gottes und nicht ihnen selbst zu
danken hätten, daß sie in den Stand, die Seeligkeit zu erlangen, gesezt
wären. Kol. 1, 19. 20: Denn
es ist das Wohlgefallen des Vaters gewesen, daß in ihm alle Fülle wohnen
solte, und durch ihn versöhnet würde durch ihn selbst, es sei auf Erden,
oder im Himmel, damit, daß er Frieden machet durch das Blut an seinem
Kreuz, durch sich selbst. Die Wörter ?ata???ss?, ap??ata???ss?,
?ata??a??, versöhnen oder zum Freunde machen, kommen 12 mal im N.
T. vor, und in allen diesen Stellen, zwei ausgenommen,
beziehen {sie} sich auf die Zurükbringung, insonderheit der Heiden, zu
Gott, als Ephes. 2, 16. 2 Kor.
5, 18. 19. 20. ?ata??a?? ist Röm. 5, 11. im
Englischen durch Atonement, Versöhnung, aber nicht
richtig übersezt. Einmal, nehmlich 1 Kor. 7,
11. wird dies Wort von der Wiedervereinigung einer Frau mit ihrem Man,
den sie verlassen hatte, gebraucht. Das hebr. Wort $$$ wird von
den LXX Dolmetschern niemals durch ????ss?, ?ata???ss?,
d?a???ss?, d?a??a??, ?ata??a?? übersezt. – Jes.
43, 3, wird zwar $$$ durch ?????µa ausgedrükt, es hat aber keine Beziehung
auf die Versöhnung, sondern bedeutet etwas, das man für eine andere Sache
giebt. Amos 5, 12
wird es durch Beschenkung, um einen Richter zu bestechen, erkläret. Wenn
von unserm Erlöser gesagt wird: er habe Friede gemacht
durch das Blut an seinem Kxxxz
Kreuz, so ist der Sin dieser: er habe durch seinen
Gehorsam gegen den Willen seines Vaters, indem er sich in den Tod begab,
die Welt mit Gott wieder vereiniget und diejenigen zu Freunden gemacht,
die vorher in einem Zustande der Empörung sxxh
und Feindschaft mit Gott sich befanden. 2 Petr.
2, 1: sie werden verleugnen den Hern, der sie erkauft hat. Das Wort desp?t??
wird niemals von Christo im N.
T., sondern beständig von dem Vater gebraucht,
nur allein die Handlung des Erkaufens wird Christo
zugeschrieben. Petrus will hiermit sagen: es
werden Menschen kommen, die den grossen Regierer der Welt verleugnen und
vorgeben werden, er
Manuskriptseite
103.
sei nicht der oberste
Herr über alles, eben derjenige, dem wir erkauft sind und dem wir zugehören.
In den Anmerkungen über diese Stellen wird unter andern erinnert, daß
die Barmherzigkeit, Gnade und Liebe Gottes gegen die Menschen keine Wirkungen
des Todes Christi, sondern in Gott gewesen sind,
ehe Christus uns erlöset hatte. Es heist zwar:
wir haben zwar die Erlösung durch sein Blut,
nämlich die Vergebung der Sünden, Ephes. 1,
7. es wird aber gleich hinzugesezt: nach dem Reichthum seiner (Gottes)
Gnade. Viele denken zwar, es hätten selbst die jüdischen Opfer ihre x
ganze Wirkung von dem Opfer Christi gehabt,
weil sie für sich selbst die Sünde nicht wegnehmen konten, Hebr.
10, 11. Es wird aber nirgends deutlich gesagt, daß die jüdischen Opfer
ihre Kraft dem Opfer Christi hätten zu danken
gehabt. Sie konten die Sünden wegnehmen, weil es Gott so gefiel, unter
gewissen Bedingungen die Sünden zu vergeben. Gott ist in sich selbst und
ursprünglich gut, er wolte durch Christum die
Menschen zubereiten, daß sie würdige Gegenstände
seiner Gnade würden. Wenn einige meinen, Gott habe darum seinen Sohn
in die Welt gesandt, um das Ansehen seiner Gesezze zu
retten, oder Gott mit der Welt zu versöhnen,
so wird dagegen gesaget, daß in keiner Schriftstelle hiervon etwas gedacht
würde. Auch die Vorstellung, daß Christus
darum für uns gestraft sei, um die Menschen von der Sünde abzuschrekken,
wird als ungegründet verworfen. Denn es stehet nirgends, daß Christus
bestrafet sei, oder daß er die Strafe für andere getragen habe. Es heist
nur: er habe für uns gelitten; Leiden ist aber nicht immer eine Strafe.
Es würde auch eine sehr seltsame Art sein,
einen von der Sünde abzuschrekken, wenn man einen Unschuldigen leiden
liesse. Die Stelle Jes.
53, 6 mus eigentlich so verstanden werden: man
ist mit ihm als einem Sünder umgegangen, als wenn er dazu bestimt
wäre, das Leiden für uns alle über sich zu nehmen. Alles Gute, was Gott
uns erweiset wird in den vorher angeführten Stellen ihm eigenthümlich
zugeschrieben, ohne Absicht auf eine ausser
ihm befindliche Ursache, die solches gewirket hätte.
Manuskriptseite
104
Salviande gubernatione deilib. IV. hat diese Anmerkung
gemacht: quantum ad rationem humanam pertinet, injustam
rem homo quilibet fecerat, si pro pessimis servis filium bonum fecisset
occidi. Diese Anmerkung läst sich leicht auf Gott selbst und die
Art, wie er {mit} seinem Sohn handelte, anwenden; wenn man nicht sagen
wolte, dasjenige, was mit der menschlichen Vernunft übereinkömt, sei falsch,
wenn es auf Gott angewendet werde. – Das vierte Kapitel begreift diejenigen
Stellen der h. Schrift in sich, welche von dem Zustande der Menschen überhaupt,
und insbesondere vor der Ankunft Christi in
die Welt handeln. Es wird genug sein, wenn wir nur einige derselben, die
etwas schwer zu verstehen sind, auswählen. Joh.
3, 5: Aus Wasser und Geist gebohren sein, ist
eben so viel, als aus geistlichem Wasser gebohren sein. Christus
lehret in dieser Stelle, er könne Niemand in das Reich Gottes eingehen,
wenn er nicht erneuert und gereiniget sei, oder den Bund eines guten Gewissens
mit Gott habe. Joh.
6, 44. Es ist hier nicht die Rede von der Erwählung zur Seeligkeit. Gott
ziehet die Menschen, wenn er ihnen solche Bewegungsgründe verschaft, die
sie antreiben, ihm zu folgen. Hosea
11, 4. Röm. 1, 29. 30. Diese und andere ähnliche
Stellen gehen die Heiden überhaupt an; es folget also daraus nicht, daß
alle und jede Heiden diese hier angezeigten böse Eigenschaften an sich
gehabt haben, sondern nur, daß dies überhaupt der Zustand der heidnischen
Welt gewesen sei. Röm. 3, 23. Es wird hier
nur gesaget, daß die Juden, überhaupt betrachtet, grosse Sünder wären,
obwol es einige unter ihnen gab, die ein unsträfliches Leben führten,
Luk.1,
6. Röm. 5, 12: weil sie alle
gesündiget haben; sie sind als Sünder betrachtet worden, es ist
ihnen so gegangen, als wenn sie Sünder wären, 1 B. Mos.
43, 9. 1 Korinth. 2, 14: dernatürliche Mensch ist, der keine andere Hülfe
hat, als das Licht der natürlichen Vernunft; und der geistliche
Mensch in dem folgenden Vers ist derjenige, der in den prophetischen
Schriften, oder in der Offenbarung wohl bewandert ist. Die Dinge
des Geistes Gottesx...x
sind solche Wahrheiten, die man nur aus der göttlichen Offenbarung wissen
kan. 2 Kor. 3, 5. Es ist hier
Manuskriptseite
105.
die Rede von den
Aposteln, daß sie durch Christum sind belehret
worden, dasjenige recht zu verstehen, was im
A. T. vom Messias ist verkündiget
worden. Unsere Tüchtigkeit ist von Gott, die Tüchtigkeit,
das Evangelium zu predigen, ist von Gott, der uns dasjenige offenbaret
hat, was zu dem neuen Bunde gehöret. Man kann also mit dieser Stelle nicht
beweisen, daß der Mensch, ohne den Beistand einer besondern Gnade, nicht
vermögend sei, etwas Gutes zu denken, oder eine Gott wohlgefällige Handlung
auszuüben. 2 Kor. 4, 3. 4. Der Gott
dieser Welt ist eben so viel, als Reichthum und Wollust, oder diejenigen
Dinge, die man am meisten bewundert und denen die Welt am meisten dienet.
So sagt VirgilAeneid.IX, 185, an sua cuique deus fit
dira cupido. M. s. auch Phil. 3, 19.
2 Kor. 5, 14. 15. Alle waren durch die Sünde
dem Tode unterworfen und Christus kam, allen
das ewige Leben anzubieten. Ephes.
2, 1. 2: ?µ?? ??ta? ?e????? t??? pa?apt?µas? ?a? ta?? ?µa?t?a??, und v.
5: ?e????? t??? pa?apt?µas? heist nicht, todt in Sünden, sondern todt
den Übertretungen und Sünden, als Röm. 8, 2,
nachdem ihr den Sünden abgestorben seid, hat euch Christus
auferwekket. An die Kolosser Kap. 2, 13 steht
in einigen Handschriften ?e????? ??ta? ?? t??? pa?apt?µas?, todt
in Sünden, kan heissen, unempfindlich gegen das Gute, oder die
wegen der Sünde den Tod verdienet haben. Ephes.
2, 3, F?se? heist hier nicht von Natur, indem von wirklichen Sünden die
Rede ist, sondern in der That. Ephes. 2, 8.
und dies nicht von euch selbst, es ist Gottes Gabe.
Nicht der Glaube ist Gottes Gabe, sondern die Seeligmachung der Heiden
rührte von der Gnade Gottes her. 2 Tim.
2, 26. Der Knecht Gottes solte die Widerspenstigen mit Sanftmuth unterrichten,
ob sie etwan ihr Leben ändern und aus ihrem Sündenschlaf erwachen würden,
als ??????µ???? Gefangene durch den Knecht Gottes, der sie zum Gehorsam
gegen den Willen Gottes führen solte. Es ist hiermit zu vergleichen Lucä
5, 10. Nach seinem
Manuskriptseite
106.
Willen
heist hier also: nach Gottes Willen; denn das Wort sein
beziehet sich auf Gott in dem vorhergehenden Vers.
Der Inhalt der Anmerkungen über diese Stellen ist folgender: alle Menschen
vor der Zukunft Christi waren der Sünde ergeben;
es wird aber doch der Zustand der Heiden als weit
schlechter vorgestelt als der Juden, welche
die götliche Offenbarung und verschiedne andere damit verbundene Vorzüge
hatten. Beiden aber wird derselbe Friede angeboten, weil sie beide in
dem Stande der Empörung sich befanden. Man mus
dasjenige, was von diesem Verderben gesaget wird, nicht auf solche ziehen,
die das Licht des Evangeliums haben; ferner, was an den Juden und Heiden
als Völkern überhaupt getadelt wird, kan nicht ohne Unterschied von allen
einzeln Personen, die zu denselben gehören, gelten. Bald nach der Sündfluth
fielen die Menschen in die Abgötterei, welche eine Art von Empörung gegen
Gott ist. Gott x...x
erwählte die Juden zu seinem Volk; dieselben waren zwar auf gewisse Weise
auch grosse Sünder, aber doch in einer andern Absicht Unterthanen Gottes.
Sie sowohl, als die Heiden, hatten der ihnen im Evangelium angebothenen
Gnade Gottes nöthig. – In dem fünften Kapitel werden diejenigen Stellen
der Schrift betrachtet, welche desjenigen, was Christus
für uns gethan und gelitten hat, und der Wirkungen dieses seines Thuns
und Leidens gedenken. Wir bleiben bei einigen von den merkwürdigsten derselben
stehen. Matth. 1, 21: er wird
sein Volk seelig machen von ihren Sünden, d. i. er wird alle diejenigen,
die an ihn glauben, von den üblen Folgen ihrer Sünden und derselben Wirkungen
befreien, indem Gott bereit ist, ihnen ihre Übertretungen nicht zuzurechnen.
Die Heidenwelt hatte sich einer sehr groben Abgötterei schuldig gemacht,
und befand sich deswegen in einem Zustande der Widersezzung und Empörung
gegen Gott. Die Juden waren grosse Sünder, weil sie das Gesez des ewigen
Rechts aus den Augen sezten, deshalb mangelten sie des Ruhms
Manuskriptseite
107.
vor Gott, und hatten
den zukünftigen Zorn zu fürchten. Da nun Gott
der Welt Friede und eine Aufnahme in seine Gnade und Gunst
unter den Bedingungen des Glaubens und des darauf
in der künftigen Zeit folgenden Gehorsams anboth, so wurden diejenigen,
welche diese Bedingungen annahmen, selig, d.
i. sie wurden von der Gefahr, worin sie sich befanden, befreiet und in
einen sichern und ruhigen Zustand gesezt; sie solten auch, wenn sie in
der künftigen Zeit sich wohl verhielten, ewig glükseelig sein. Da nun
Jesus die Person war, durch welche alles dieses
solte zu Stande gebracht werden, so wird von ihm gesagt, daß er die Welt
seelig mache: und Gott, welcher durch Christum
Versöhnung, Gnade und Friede anboth, wird unser Seeligmacher genennet.
Matth. 8, 17. Er
hat uns unsere Schwachheit auf sich genommen
und unsere Seuche, oder Krankheit, hat
er getragen. Er nahm durch Mitleiden Antheil
daran, und suchte sie wegzuschaffen. Kap. 9, 2. Deine
Sünden sind dir vergeben. Gott wolte alle diejenigen als Gerechte
ansehen, welche durch den Glauben an Christum
in sein Rx...xh
Reich kommen, und seinem Gesez gemäs leben würden, er both deswegen
allen die Bedingungen der Versöhnung an, nämlich
daß er ihnen ihre vorigen Sünden nicht zurechnen wolle, wenn sie ihre
Sünden verlassen, und so handeln würden, wie es seinen Unterthanen geziemt.
Röm. 3, 25. 26. Da nun unser Erlöser in die
Welt kam, diese Lehre zu predigen, so sagte er oft zu denjenigen, die
an ihn glaubten, oder die er gesund machte:
Deine Sünden sind dir vergeben. Matth.
20, 28: Zu geben sein Leben zu
einer Erlösung für viele. Die vornemsten Stellen, in welchen von
unserer Erlösung geredet wird, sind folgende: Lucä
21, 27. 28. Röm. 3, 24. Kap. 8, 23. Ephes.
1, 7. 14. Kap. 4, 30. Kol. 1, 14.
1 Tim. 2, 6. Tit.
2, 14. 1 Petr. 1,
18. Offenb. Joh.5, 9. Der Zwek der Zukunft Christi
war, daß er uns erlösete von aller Ungerechtigkeit; daß wir haben möchten
die Vergebung der Sünden; daß er uns von unsern
Sünden oder den üblen Folgen derselben befreiete; daß uns unsere Sünden
nicht möchten zugerechnet werden; und daß wir endlich, wenn er mit Macht
und grosser Herlichkeit erscheinen wird, unser Erbtheil, das
Manuskriptseite
108.
ewige Leben, empfangen
könten. Das ??t??? oder Mittel
der Erlösung, ist nicht ein der Person, die uns gefangen hielt, bezahltes
Lösegeld: sondern es bedeutet dasjenige, was Christus
that, um seine Absicht zu erreichen. Er gab deswegen sein Leben hin, er
vergos sein Blut, um dasjenige, was er unternahmhatte, zu erfüllen. Er gab sein Leben zu einer
Erlösung für viele, ??t? p?????, und dies war das Mittel, wodurch er das
von ihm erworbene Eigenthum Gott erkaufte: Erlösen
schliesset also nicht in sich die Bezahlung eines Lösegeldes an die Person,
die uns gefangen hielt, sondern bedeutet nur unsere Befreiung von einem
kx knechtischen
und sklavischen Zustande. Wir waren alle Gefangene und Sklaven der Sünde,
der Welt und des Todes; aber kein Lösegeld ist einem von diesen bezahlet,
sondern wir sind von denselben befreiet, und Gott erkauft worden. In diesem
Sin wird Moses ??t??t??, ein Erlöser, Apost. Gesch. 7, 35 genennet, und
von Gott heist es, daß er seinsein
Volk erlöse, 2 B. Mos.
15, 13. 5 B. Mos.
7, 8 pp. nicht durch ein Lösegeld, welches der Person, die die Kinder
Israel gefangen hielt, ist bezahlet worden; (denn es wurde dem Pharao
kein Lösegeld bezahlet,) sondern er befreiete sie von dem Stande der Knechtschaft,
wodurch sie bedrükket wurden, und machte, daß sie nicht länger darin blieben.
Auf eine gleiche Weise erlösete uns Christus,
d. i. er machte uns von der Dienstbarkeit der Sünde frei, indem er uns
von der Dienstbarkeit ihren Folgen und Wirkungen
los machte. Fragt man, was war das Lösegeld, welches
Christus bezahlte? so wird alles dasjenige,
was unsere Erlösung Christo kostete, unser Lösegeld
genennet. Er wurde nämlich seinem Vater gehorsam in seiner Erniedrigung,
in seinem Leben, in, Leiden und zulezt in seinem
Tode. Was er also für uns that und litte; kömt unter dem Nahmen eines
Lösegeldes vor, indem es das Mittel war, wodurch wir Gott zum Eigenthum
erkauft wurden. Wenn es in einigen Stellen heist: sein Blut
Manuskriptseite
109.
sei für viele
vergossen Matth.
26, 28, er sei geopfert, die Sünden vieler wegzunehmen, Hebr.
9, 28 und in andern, daß er sich selbst zu einer Erlösung für alle
dahin gegeben habe, so kan dies so mit einander vereiniget werden, daß
viele an dieser Erlösung Antheil haben, die nämlich
die Bedingungen dieser götlichen Gnade annehmen; daß aber die Anerbiethung
dieser Erlösung allen, so wohl Juden und
{als} Heiden, geschehen solte, sie möchten sie annehmen oder nicht. Man
legt bei der Erklärung der Lehre von der Erlösung gemeiniglich ein grosses
Gewicht auf die Bedeutung des Vorworts ??t?. Nun ist nicht zu leugnen,
daß dasselbe zuweilen so viel heisse, als anstat.
Hebr. 12, 2. 1 Petr.
3, 9. Röm. 12, 17. Matth.
5, 38. In andern Stellen hat es eine Beziehung auf den Endzwek, um dessen
willen etwas geschiehet, als Matth.
17, 27. I Kor. 11, 15. Diejenigen also, die
da meinen, daß in den Redensarten Christus
hat für uns gelitten, er hat sein Leben zu einer Erlösung für uns
dahin gegeben, es anstat bedeute, können damit dieses nicht beweisen,
daß es zuweilen diese Bedeutung habe. – Matth.
26, 28: Es wird hier gesehen auf das Blut des Alten
Bundes, 2 B. Mos.
24, 8. So wie ein Theil des Blutes auf den Altar, ein Theil über das Volk
gesprenget wurde, so solte damit angedeutet werden, daß ein Bund zwischen
Gott und dem Volk wäre gemacht worden, und daß das Blut derjenigen, welche
die Bedingungen dieses Bundes nicht erfüllen würden, eben so, wie das
Blut der Opfer , solte, solte vergossen werden.
Da nun der Messias einen neuen Bund, dessen die Propheten gedenken, Hebr.
10, 16. 17. Kap. 8, 10 = = 13. Jerem.
31, 31 – 34, einführen und denselben durch seinen Tod bestätigen wolte,
so gab er den Befehl, daß das Andenken desselben solte erhalten
werden. Wie nun beim Moses das Blut des Bundes
dasjenige Blut ist, welches diesen Bund bekräftigte,
so ist in dieser
Manuskriptseite
110.
Stelle mein
Blut des N. T. oder Bundes, das Blut
Christi, welches diesen neuen Bund bestätigte.
Der neue Bund bestehet an Gottes Seite in dieser Verheissung: ihrer
Sünden und Übertretungen wil ich nicht mehr gedenken. Das Blut,
das zur Bestätigung dieses Bundes vergosssen ist, ist also eigentlich
für viele vergossen für viele zur Vergebung
der Sünden, nämlich um denjenigen Bund zu bestätigen, durch welchen die
Vergebung der Sünden allen denjenigen verheissen wird, welche die Bedingungen
desselben annehmen. Joh.
1, 29. 36. In allen dergleichen bildlichen Ausdrükken, als diese, ist
es zuweilen schwer, die eigentliche Meinung des Schriftstellers zu bestimmen.
Der Verf. sucht zu s zeigen, welches der wahre
Sin dieser Stelle und woher das hier gebrauchte Bild genommen sei. Johannes
der Täufer war, wie er sagt, in den Geheimnissen
des Himmelreichs nicht unterrichtet, noch scheinet es, daß er mehr gewust
habe, als was ihm besonders von der Person unsers Heilandes offenbaret,
und was ihm, als dem Vorläufer desselben, zu wissen nöthig war. Er hatte
sorgfältig die Propheten gelesen und gefunden, daß Jesaias
den Messias beschreibe als ein Lam, das zur Schlachtbank
geführet wird, das verstummet vor seinem Scheerer und seinen Mund nicht
aufthut. Deswegen nennet er unsern hochgelobten Herrn, das Lam
Gottes, die geduldige, nothleidende und unterdrükte Person, die
von den Propheten beschrieben wird. Und da unser Heiland den neuen Bund
in die Welt einführen wolte, nach welchem Gott verheisset, daß
er ihrer Übertretungen nicht mehr gedenken wolle, Jer.
31, 31–34, so saget Johannes blos in diesem
Sin, daß derselbe die Sünde der Welx
Welt wegnehme, Röm. 11, 27. 1 Joh.
3, 5. In dem A. T. wird diese Redensart beständig,
so wie dem V. däucht, in dem Sin gebraucht, die Wegschaffung, Vergebung
der Sünde und die Aufhebung ihrer Schädlichkeit anzudeuten; aber niemals
zeigt dieselbe die Versöhnung der Sünde durch ein
Manuskriptseite
111.
Opfer an, 1 B. Sam.
15, 25. Kap. 25, 28. Derowegen die Sünden der Welt
wegnehmen, heist in dieser Stelle nicht, sie versöhnen, ein
Opfer für sie darbringen, und auf diese Art dieselben tilgen, (denn
in diesem Sin kommen die hier gebrauchten Worte weder in dem A.
noch N. T. vor,) sondern es bedeutet überhaupt,
dieselben wegschaffen und machen, daß sie uns
nicht nachtheilig sind, auf was Weise dieses auch geschehen mag. Da nun
Christus den neuen Bund bestätigte, nach welchem
unserer Sünden nicht mehr solte gedacht werden, so nahm
er, auf diese Art und allein in diesem Sin, unsere Sünden
weg, m. s. auch Hiob
7, 21. Zach. 3, 4.
Joh. 3, 36. Unser
Erlöser legte den Menschen die gewissen Mittel vor, das ewige Leben zu
erlangen, und gab ihnen die volkommenste Versicherung von einem solchen
Zustande. Das glauben, was er bekant machte, und von der Wahrheit desselben
volkommen versichert sein, und darauf sein Nachfolger oder Jünger werden,
heist hier an ihn glauben, ??? ??t??; es ist eben
so viel als an seinen Nahmen glauben, ??? t?
???µa ??t??, so daß man sein Jünger wird, Joh.
1, 12. Kap. 2, 23. Es ist ein merklicher Unterschied zwischen p?st??e??
??? ??t?? und p?st??e?? ??t?, und die Schrift hat denselben so genau beobachtet,
daß der Verf. sich nur eines einzigen Beispiels, wo davon abgewichen wäre,
(wobei aber eine verschiedene Lesxxt
Leseart sich findet) erinnert. Es ist dasselbe Apost.
Gesch. 8, 8, wo die gemeine Leseart ist ?p?ste?se t? ?????; allein,
die Kambridger Handschrift des Beza hat hier
??? t?? ??????, wie es in der That heissen mus. Joh.
14, 6. Diese Worte erklären einige also: ich bin der wahre Weg zum Leben;
allein dieses drükt nicht den völligen Sin derselben aus. Christus
wil eigentlich sagen: ich bin der Lehrer des Weges
zu Gott, derjenige, welcher euch in der Wahrheit unterrichtet, die den
Menschen Gott angenehm machen kan, ich bin derjenige, der ein ewiges
Leben an das Licht bringet. Wenn hinzugesezt wird: niemand
kömt zum Vater, als durch mich, so heist dieses
Manuskriptseite
112.
niemand kan den
Willen meines Vaters auf die Art thun, wie ich es lehre, wenn er sich
nicht meiner Unterweisung bedienet. Diese Worte haben keine Beziehung
auf das endliche Glük der Menschen, und zeigen nicht an, daß keiner eine
Belohnung seiner Tugend und Rechtschaffenheit erlangen könne, wenn er
nicht ein Jünger Christi ist. Alles, was hier
behauptet wird, ist, Christus sei der wahre
Lehrer der Menschen, in Ansehung des Willens Gottes, und keiner könne
denselben wissen, als durch ihn. Röm. 10, 14.
– Joh. 12, 16 er
sol bei euch bleiben ewiglich, er sol immer bei
euch bleiben, und euch niemals verlassen. 2. Mos.
21, 6. Kap. 32, 12. 2 B. d. Könige 5, 27. Ps.
61, 4. 119, 44. Philem.
v. 15. – Joh. 15,16
die Redensart xin meinem Nahmen hat vielerlei Bedeutungen. Hier
ist der Sin: als meine Jünger, die von mir bevolmächtiget sind, das Evangelium
auszubreiten. – Joh.
17, 19. Vorher sagte Christus v. 14: ich habe
ihnen dein Wort gegeben, und v. 26: ich habe ihnen deinen Nahmen, d. i.
deinen Willen kund gemacht, also die Apostel
heiligen in oder durch den Willen
oder das Wort Gottes, heist nichts anders, als sie durch die Bekantmachung
des Willens Gottes so zu ihrem künftigen Amte vorbereiten, daß sie dasselbe
treulich verwalten können. Dies geschah, ehe
eh unser Erlöser sich selbst als ein Opfer Gott darbrachte. Wenn also
unser Heiland sagt, ich heilige mich selbst für sie, so ist der Sin der
Worte für sie dieser, auf daß sie
auch sie geheiliget sein in der Wahrheit ?? t? a???e?a. Ich habe mich
ganz dem Lehramt gewidmet, und mich so volkommen nach dem Willen meines
Vaters gerichtet, daß ich die Worte bekant gemacht habe, welche er mir
gegeben hat, v. 6. 8. 14. Sondere die Apostel ab, deinen Willen und Wort
zu predigen, so wie ich mich selbst abgesondert habe, ihnen deinen
Willen bekant zu machen. – Apost. Gesch. 4,
12. Es haben diese Worte ihre Beziehung auf die
Manuskriptseite
113.
Heilung des lahmen
Mannes, die Petrus verrichtete, v. 9 ?? t???
??t?? s?s?sta?. Keine andere Art von s?te??a stimt mit der Frag überein
v. 7. aus welcher Macht, oder in welchem Nahmen habt
ihr das gethan? Petrus sagt ihnen deswegen,
daß dieser Man s?s?sta?, geheilet und
gesund gemacht sei in dem Nahmen Jesu Christi
v. 10, und er sezzet hinzu, es sei keine Heilung oder Wiederherstellung
einer so unvermögenden Person möglich, als durch Jesum;
denn es ist kein anderer Nahme unter dem Himmel den Menschen gegeben,
durch den sie auf eine solche Art zur Gesundheit könten wieder hergestelt
werden. Es ist also s?s?sta? einerlei mit ????? v. 10. Dieses Zeitwort
wird öfters auf diese Art in den Evangelien gebx...x
gebraucht. Matth.
9, 21. 22. Marci5, 23. Kap. 6, 25.
LuxäLucä
8, 36. 50. Joh. 11.
12. – Apost. Gesch.
20, 28. Die besten und ältesten Handschriften,
wie D. Klarke in seiner Schriftlehre
von der Dreieinigkeit N. 538 bemerkt, lesen und die ältesten
Kirchenväter führen diese Worte so an: die Gemeine
des Hern, dieses ist also wahrscheinlicher Weise
die richtige Leseart. Oder, wenn das Wort, Gott, vom Vater verstanden,
(welches, wenn man diese Leseart annimt, die natürliche Erklärung ist,)
denn bedeutet sein Blut, das Blut
seines eigenen Sohnes. Oder endlich, wenn man, wie zuvor, sezt,
daß das Wort, Gott, ächt ist, so kön können die
folgenden Worte, welche Er durch sein eigen Blut erworben
hat, nach derselben Art zu reden, die Lucä
1, 16 1. Joh. 3,
5. 16. vorkömt, von Christo verstanden werden.
– Apost. Gesch. 26, 18. Man mus nicht lesen,
die geheiliget werden durch den Glauben, sondern
nach den Worten, geheiliget werden, mus ein Komma
stehen. Röm. 1, 16. 17. Die Gerechtigkeit
Gottes bedeutet in dieser Stelle theils seine Güte und Leutseeligkeit
gegen die Menschen, theils seine Wahrhaftigkeit und Treue bei der Sendung
seines Sohnes in die Welt nach seiner Verheissung, axs
als Röm.3, 5. –
Röm 3, 24 f. die Erlösung ist die Befreiung
von der Sünde und ihren Wirkungen, welche die Menschen zu Knechten
Gottes macht. Wie dieses geschehe, lehrt der Apostel Kap.
5, 1. Unsere vorige Sünden werden uns nicht
zugerechnet, wenn wir wirkliche Jünger
Manuskriptseite
114.
Christi
werden. Es mus aber hierbei erinnert werden, daß der Apostel nicht rede
von Sünden, die von solchen, die bereits Christen sind, begangen werden;
denn die werden alle vor dem RichterstuhlChristi
angerechnet; von denselben haben wir keine Erlösung anders zu hoffen,
als durch eine besondere und aufrichtige Busse. Es mus auch angemerket
werden, daß der Apostel von Juden und Heiden überhaupt rede, worauf das
Wort alle gehet, obwohl nicht alle und jede insbesondere
an dieser Wohlthat Antheil haben. Wenn es heist: Gott habe ChrisxChristum gesezt zu einemGnadenstuhl durch den Glauben an sein Blut, so
ist damit zu vergleichen 2 B. Mos.
25, 17 usque ad 22. 4 B. Mos.
7, 89. Im Tempel zu Delph war auch tet?ap??? d?f???, welcher Tisch vom
Jamblichusde
myster. p. 13 ?d?a Te?? genennet wird, und mit dem Dreifus,
worauf die Priesterin sas, nicht mus verwechselt werden. Es gedenken desselben
auch JosephusHist.L. III. c. 7. und Plinius.
Man kan davon den Gale über den Jamblichus
nachsehen. So wie der Gnadenstuhl der besondere Ort war, den Gott bestimmet
hatte, um von demselben den Kindern Israel seine Befehle zu ertheilen,
so wird auch Christus als ein Gnadenstuhl betrachtet,
weil Gott durch ihn allen Menschen seinen Willen bekant gemacht hat. Durch
ihn hat Gott den Menschen seinen Willen offenbaret, und ihn vorgestelt
zu einem Gnadenstuhl, oder ihn dazu bestimt, daß
er in die Welt kommen solte, seine Worte zu verkündigen. Joh.
17, 8. 14. Frägt man, was hat das BlutChristi
für eine Verbindung mit dem Gnadenstuhl? so mus man nicht denken, als
wenn ??ast????? ein Versöhnopfer wäre, dessen Blut Gott dargebracht worden,
um ihn zu befriedigen; sondern, da v. 24 ausdrüklich gesaget wird, alle
würden umsonst durch seine Gnade gerechtfertiget, so wird hier blos auf
3 B. Mos. 16, 14.
15. angezeigten Gebrauch gesehen, da der Gnadenstuhl mit dem Blut des
Boks besprenget wurde. Christus wird also
hier betrachtet, als mit seinem eigenen Blut besprenget. Die Worte durch
den Glauben sind in der alexandrinischen
Handschrift und vom Krysostomus in seinem Kommentarius
Manuskriptseite
115.
ausgelassen; wil
man sie aber behalten, so mus nach ihnen ein Komma stehen, und in
seinem Blut mus mit Gnadenstuhl verbunden werden. – Röm.
5, 11. ?ata??a?? ist die Wiederbringung zu Gott. Wenn es von den Heiden
heist, sie wären durch den Todversöhnet, so ist zu merken, daß der Tod
Christi das Mittel war, diese Versöhnung zu
Stande zu bringen, sie wurden dadurch in solche Umstände, und in eine
solche Verbindung mit Gott gesezt, daß sie sich seiner als ihres Gottes
erfreuen konten. Weil die Juden den Messias verwarfen, so ist durch ihren
Fal den Heiden Heil wiederfahren, und hierzu gab der Tod Christi
Gelegenheit. – Röm. 6, 8: t? ?µa?t?? ap??a?e?,
er ist gestorben, als wenn er unter der Herschaft
der Sünde gewesen wäre, indem er den Sold der Sünde, den Tod, bekommen
hat. Es kan diese Redensart nicht heissen, er ist für die Sünde gestorben,
alsdan müste d?? ?µa?t?a? oder ?p?? ?µa?t?a? stehen. – Röm.
8, 23 des Leibes Erlösung ist nicht die Auferstehung
des Leibes, sondern die Befreiung von dem Leibe, den wir in diesem Leben
haben. 1 Kor. 5, 7. Christus
wird unser Osterlam genennet, weil er das Mittel
ist, durch welches wir von den Wirkungen der Sünde befreiet werden, er
ist geopfert für uns, weil er zu unserm Besten gestorben ist. Das Osterlam
war zwar ein Opfer, aber kein Sündopfer, und war auch von einem Dankopfer
darin unterschieden, daß die Hände nicht auf das Haupt desselben gelegt
wurden.
Ia-01-1778-0197
2 Kor.
5, 20 ?p?? ???st??, heist nicht, an Christi
stat, sondern seinetwegen. Polybius: p?esße?a
?p?? s?µµa??a?, ?p?? ß???e?a?. Gal.
3, 13 er ward ein Fluch für uns, er wurde so behandelt,
als wenn er ein Übelthäter gewesen wäre, der mit Recht dem Fluch
des Gesezzes unterworfen gewesen, indem er auf die schmählichste Art hingerichtet
wurde, 2 Kor. 5, 21. Ephes.
1, 7. Wenn man fragt, wie die Heiden die Erlösung durch den Tod oder das
BlutChristi erlanget
haben, kan man sagen, daß, obwohl seine Herunter=
Manuskriptseite
116.
lassung zum Tode,
da er keiner Sünde schuldig war, der grosse Beweis seiner Liebe gegen
die Menschen und seiner Ergebung an Gott gewesen ist; dennoch das Mittel,
wodurch die Heiden die Erlösung erlangten, seine Kreuzzigung
war, weil ihn die Juden durch diese Handlung verworfen
hatten: denn bald hernach wurde das Heil den Heiden angebothen, und sie
wurden angenehm in dem Geliebten. – Ephes.
2, 16. Die Juden wurden mit Gott versöhnet; obwohl sie das Volk Gottes
waren, so hatten sie doch das Gesez der Gerchtigkeit, welches ihnen der
Messias bekant machte, verworfen. Derselbe schafte das Gesez Mosis
ab, und machte aus Juden und Heiden einen Leib, verband sie zusammen,
daß sie beide durch das Kreuz mit Gott versöhnet werden konten. Aber warum
heist es: durch sein Kreuz, oder durch seinen
Tod, oder sein Blut, und nicht durch sein Leben?
Der Grund davon ist, weil man nicht eher sagen konte, die Juden hätten
ihn verworfen, als bis x...x
er an das Kreuz genagelt worden, und dem Tod übergeben war, aber nachdem
dieses geschehen, war es volbracht, und man konte
die Juden nicht mehr als solche betrachten, die noch
in denselben Umständen wären, als vorher.
Es öfnete sich eine neue Scene: das Volk Gottes wurde zu der Bedingung
des Glaubens und der Busse gebracht, und war
nicht mehr an die Beobachtung der Mosaischen
Anordnung gebunden. Und da das Kreuz Christi,
oder sein Tod, oder sein Blut als eine von seinen lezten Handlungen, die
für die Jüden endigend und für die Heiden anfangend war, angesehen werden
kan: so wird daher auch von den Heiden gesagt, sie d
seien durch das Kreuz Christi versöhnet worden,
weil sie dadurch die Versöhnung expfx...xgen
empfiengen. Ephes. 4, 32: Vergebet einer dem
andern, wie Gott um Christi willen ?? ???st?
in oder durch Christum) euch vergeben hat. Ephes.
5, 2. Da dies die einzige Stelle in einem Briefe an die Heiden ist, wo
Christus eine Gabe und Opfer
Gott zu einem süssen Geruch p???f??? ?a? T?s?a Te?, ??? ?sµ?? ???d?a?
genennet wird, so wird es nicht undienlich sein, den Sin dieser Ausdrükke
zu untersuchen. Ein
Manuskriptseite
117.
süsser
Geruch kan nichts anders bedeuten, als
als Gott angenehm. 2 Kor.
2, 15. Phil. 4, 18. In dieser lezten Stelle
wird auf die gewöhnlichen Opfer gesehen; und der Sin ist nicht, daß die
Liebesgabe auf einem Altar sei gebracht worden, sondern daß ihre Liebesgabe
eine solche sei, die Gott angenehm wäre, als ein Opfer, welches die gute
Gesinnung des Opfernden zu erkennen gab. Auf gleiche Weise war der freiwillige
Tod unsers Erlösers, eine Gott sehr angenehme Gabe
und Opfer. Er gab sich selbst dahin in den Tod,
und was er that, war Gott eben so angenehm, als nur irgend ein Opfer oder
Gabe sein konte. pa??d??e wird sehr oft im N. T.
von demjenigen gebraucht, was sich mit unserm Heil
Heilande bei und kurz vor seinem Tod zutrug; zuweilen heist es von den
Juden, daß sie ihn übergeben haben. Apost. Gesch.
3, 13. Vom Judas wird gesagt, daß er ihn überantwortet
oder verrathen habe: öfters heist es von Gott, er habe ihn für uns alle
dahin gegeben, Rx...xRöm. 8, 32. und zuweilen wird von Christo
gesagt, er habe sich selbst für uns dahin gegeben. Das Wort pa?ad?d?µ?
also, oder das einfache Zeitwort d?d?µ? schlieset nicht den Begrif eines
Opfers, welches Gott dargebracht wird, in sich. Wenn man also aus dieser
Stelle etwas folgern wil, so mus es aus den
Worten p???f??? und T?s?a ??? ?sµ?? ???d?a? hergeleitet werden. Und da
ist die Frage, ob diese Worte in dieser Stelle in einer andern Bedeutung
müssen genommen werden, als Philip. 4, 18.
So viel ist gewis, daß kein Theil von dem Leibe unsers Heilandes, auf
einem wirklichen oder angenommenen Altare durch das Feuer verzehret wurde.
Er starb freilich am Kreuz, es kan aber kein Beispiel von einer solchen
Todesart angeführet werden, welches man als ein wirkliches Gott dargebrachtes
Opfer betrachtet hätte. Hingegen ist nichts
gemeiner als die gewöhnlichen Opfer Ausdrükke in einem etwas weix
weitern Sin zu gebrauchen, wenn man blos eine algemeine Ähnlichkeit mit
den Opfern in einer besondern Absicht andeuten
wil. So wird vom Remus, da er war getödtet worden, gesaget: er
sei prima victima munitionemque urbis novæ sanguine suo consecravit.
Iornandes. Die Opfer,
deren in der Schrift gedacht wird, waren ent=
Manuskriptseite
118.
weder vierfüssige
Thiere, oder Vögel,
oder die Mincha: zu den beiden erstern Arten wurde
nothwendig erfodert, daß man sie tödtete; bei der dritten, da sie kein
Leben hatte, konte kein Tödten Stat finden. Aber darin kamen
sie alle überein, daß sie Gott dargebracht wurden, und daß man ihm entweder
sie ganz, oder einigen Theil davon zueignete, indem das Opfer auf dem
Altar, welcher Gottes Tafel war, verzehret wurde, auf welchem er mit
dem Opfernden zum Zeichen der Freundschaft gleichsam
as und trank. Hieraus nun folget, daß dasjenige, was uns zu Freunden Gottes
macht, und uns bei ihm inin
Gunst sezzet, (insonderheit, wenn der Tod dazwischen kömt,) nicht
uneigentlich ein Opfer genennet werde. Und in dieser Bedeutung finden
wir hier dies Wort gebraucht, wenn es auf Christum
angewandt wird. Er war nicht ein Opfer, die
Sünde zu versöhnen, oder Gott zu besänftigen;
denn Gott war bereits besänftiget, und war gnädig
und vergab den Menschen die Sünde umsonst; sondern indem Christus
die Welt mit Gott versöhnete, und indem er sich selbst bis zum Tode erniedrigte,
indem er diejenigen, die entfremdet waren von den Bündnissen der Verheissung,
zu Mitgenossen der Verheissung Gottes und zu Miterben und desselben Leibes
theilhaftig machte. Ephes. 3, 6, so that er
dasjenige, was Gott ungemein angenehm war, und machte diejenigen zu Freunden,
die vorher in einer Feindschaft standen. Philip.
2, 5-11. Christus war vor seiner Menschwerdung
in der Gestalt Gottes; und als Gott zu handeln und zu erscheinen, war
eine Würde, die er sehr wohl zu schäzzen w
wuste. Er bildete sich nicht ein, daß als Gott geehret
zu werden, ein so geringer und leicht zu erhaltender Preis sei,
daß man nur darnach greifen dürfe, um sich denselben
zuzueignen. Nein: eine so hohe Ehre verdiente
viele Mühe und Arbeit, und die Erwerbung derselben würde die dabei ausgestandene
Unruhe reichlich belohnen. Derowegen entäusserte er sich selbst der Herlichkeit,
welche er besas, und nahm die Gestalt eines Knechts an,
indem er den Menschen gleichWxr
wurde; ja er erniedrigte sich noch tiefer und wurde gehorsam bis zum Tode;
und nicht allein that er dies, sondern er gieng
so weit, daß er an dem
Manuskriptseite
119.
Kreuzze starb;
um dieser Herablassung willen erhöhte ihn Gott so sehr, daß er sein solte
?sa Te?, geehret als Gott, indem sich alle Knie
im Himmel und auf Erden vor ihm beugen solten.
Die Worte: er hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich
zu sein, erklärt der V. also: er stelte sich nicht vor, daß, um
als Gott verehret zu werden, es ein so geringer und leichter Preis
sei, daß er sich denselben durch eine blosse Besiznehmung zueignen könte.
Daß ??? ??pa?µ?? ???sat? so müsse verstanden werden, wird hier mit verschiedenen
Beispielen dargethan. – Kap. 4, 7. Der Friede,
welchen Gott der Heidenwelt dargebothen hat,
welcher alle unsere Begriffe übersteigt: dies
ist dasjenige, was Gott offenbaret hat, welches keiner von den Obersten
dieser Welt wuste; das ist die Weisheit Gottes in einem Geheimnis. – Kol.
2, 9. Diese Fülle, wovon hier geredet wird, ist,
wie der V. glaubt, nicht die Gabe Wunder zu thun,
sondern der Seegen des Evangeliums, den wir durch Christum
erhalten. Röm. 15, 29. Dieser Seegen bestand
darin, daß die Kolossenser als Heiden solten die Vergebung aller Sünden
haben, und zu dem Erbe der Kinder Gottes gelangen. Kol.
1, 19. Joh. 1, 16.
Ephes. 1, 23. Kap. 3, 19. Der wahre Reichthum
der Gnade Gottes ist nur allein bei Christo
wirklich und volständig zu finden. – 1 Tim.
2, 5. Moses war Mitler zwischen Gott und den
Kindern Israel. 3 B. Mos.
26, 46. 5 B. Mos.
5, 5 in so ferne er den Bund zwischen Gott, und diesem Volke zu Stande
b brachte, in Ansehung des
neuen Bundes wird Christus auch ein Mitler genennet.
– Kap. 2, 6. Unser Heiland sagt selbst Matth.
20, 28 er sei gekommen, sein Leben zu geben ??t??? ??t? p????? zu einem
Lösegeld für viele, so auch Marci
10, 45. Und hier heist es, er habe sich selbst gegeben ??t???t??? ?p??
p????? für alle zur Erlösung. Diese Stellen nun, welche die einzigen im
N. T. sind, x
in denen die Wörter ??t??? und ??t???t??? vorkommen, müssen aus dem öftern
Gebrauch des Zeitworts ??t??? und der davon abgeleiteten Wörter, in so
ferne sie auf Christum angewendet werden und anzeigen, was von ihm geschehen
ist, erkläret werden. ap???t??s?? be
Manuskriptseite
120.
deutet eigentlich
die Befreiung von einer Sache; es schliest auch
dieses Wort nicht nothwendig x
ein Lösegeld in sich, das einem, der gewisse Sklaven in der Gefangenschaft
hält, bezahlet würde, sondern es zeiget nur eine Befreiung von solchem
Zustand, und eine Versezzung in einen Stand der Fx...xh
Freiheit an. So wird ??t??? gebraucht 2 B. Mos.
6, 6. Kap. 15, 13. Ps. 69, 18. 72, 14. 74,
2. 77, 15. ??t??s?? Ps. 111, 8. 130, 7. ??t??t??
Ps. 18, 15. Apost. Gesch.
7, 35. ap???t??s?? Röm. 3, 4. 5. Kap. 8, 23.
Ephes. 1, 7. 14. Kap 4, 30. Kol.
1, 14. 1 Kor. 1, 30. Wenn also gesaget wird,
Christus habe sein Leben oder sich selbst dahin
gegeben, daß er ??t??? oder ??t???t??? ein Lösegeld für alle wäre, so
heist dies weiter nichts, als daß er gestorben {ist} , um die Menschen
von den Wirkungen der Sünde zu befreien, nicht daß er sein Leben Gott
oder der Sünde gezahlet habe, um die Menschen von der Sünde zu erlösen:
sondern um die grosse Absicht Gottes zu Stande zu bringen, damit die Heiden
so wohl als die Juden zu desselben Volke gemacht würden, lies sich Christus
bereit finden, so gar sein Leben dahin zu geben, um dieselben von ihren
Sünden, oder den Wirkungen derselben zu befreien. Sein Leben war dasjenige,
was er darauf wandte, um diesen Zwek zu erreichen und derowegen war es
das ??t??? oder ??t???t???, welches er gab. Man mus niemals vergessen,
daß Gott jederzeit gut und gnädig
ist und so viel Liebe zu den Menschen behalten habe, daß die Sendung seines
Sohnes in die Welt beständig als ein starker
Beweis seiner Gütigkeit zu uns, als vor dem Tode unsers Heilandes vorhergehend,
betrachtet wird. Gott ist nicht durch ein Lösegeld zu uns
erkauft, sondern wir sind ihm erkauft. Anstat,
daß er hätte unversöhnlich sein sollen ausser einem Lösegelde, oder bis
dasselbe bezahlet worden, so zeigte er vielmehr seine Liebe gegen uns
vor demselben
Manuskriptseite
121.
indem er seinen
Sohn sandte. Er rechtfertigte uns gratis, umsonst;
und seine Gnade und der {grosse} Reichthum derselben,
wird von dem Apostel Paullus
in seinen Briefen an die Römer und Epheser gepriesen und seine beständige
Lehre ist, daß wir durch Gnade seelig werden.
Wie kan dieses wahr sein, wenn ein Lösegeld, welches von gleicher Gültigkeit
als die Knechtschaft ist, erfodert oder bezahlet worden wäre? oder worin
bestehet diese Gnade oder der überaus
grosse Reichthum der Gnade, wenn ein Preis von gleicher Gültigkeit
für uns ist bezahlet worden? wie kan das eine freie
Gabe genant werden, welches die Wirkung eines Kaufes
ist? Hingegen nimt man das Wort Erlösung
?p???t??s?? in seiner gewöhnlichen Bedeutung, anstat Befreiung
wovon, und ??t??? auf dieselbe Art, so ist kein Widerspruch oder
sonst einige Schwierigkeit in der Lehre der Schrift
von unserer Erlösung. Es ist Ein Gott, derselbe für alle, und Einer, der
zwischen Gott und die Menschen getreten ist, Friede zwischen ihnen
zu machen und die Welt mit Gott zu versöhnen, nämlich Jesus
Christus, welcher sein Leben für sie alle dahin gab, damit solches
zu der rechten Zeit bezeuget würde. Man könte vielleicht sagen, Gott sei
durch die Vermittelung Christiangetrieben
worden, sich in einen Vergleich mit den Menschen einzulassen, und
er sei mit demjenigen, was unser Herr um unsert willen that und litte,
so wohl zufrieden gewesen, daß er ihn bestimmet
habe, der Welt bekant zu machen, wiewohl er dasjenige, was unser Mitler
gethan hat, aufgenommen habe, und daß an seiner Seite keine Hindernis,
die uns entgegen sei, liege, wenn wir nur bereitwillig sind, die uns vorgelegten
Bedingungen anzunehmen. Allein man mus sich erinnern, daß
Gott die Welt so liebte, daß er seinen Sohn in dieselbe sandte, damit
die Welt durch ihn möchte seelig werden, Joh.
3, 17. 1 Joh. 4,
10. Daß diese Liebe
aus einiger Vermittelung Christi
entstanden sei, wird nirgends in der Schrift ausdrüklich gesaget, und
vielleicht kan man solches nicht mit den moralischen Volkommenheiten Gottes
Manuskriptseite
122.
vereinigen.
Das einzige, was nöthig war, bestand darin,
daß diejenigen, die Feinde Gottes und seines Reichs
waren, mit ihm solten versöhnt werden; dieses Geschäfte übernahm Christus
und brachte diejenigen in die Nähe, die ferne
waren, indem er die Bedingungen bekant machte, unter welchen sie die Erbschaft
bekommen und Gottes Erben werden könten. Dies that er auf eine so treuliche
und dem Willen Gottes so angenehme Art, daß der Gehorsam unsers Hern von
seinem und unserm Vater besonders wohl aufgenommen
und reichlich belohnet wurde, Philip. 2, 9.
– 1 Tim. 3, 16. Es
scheinet nicht zweifelhaft zu sein, ob die wahre Leseart in dieser Stelle
sei, Gott ist offenbaret, oder welches
geoffenbaret ist ?? oder ?. So viel ist gewis, daß Te??, Gott,
nicht die Leseart bis ins fünfte, oder bis zum Anfange des sechsten Jahrhunderts
gewesen ist. In der syrischen Übersezzung steht auch nicht Gott.
– Hebr. 2, 17. 18. ???s?esta? heist hier nicht
Gott versöhnen, sondern die Sünde wegschaffen,
oder machen, daß ihrer nicht gedacht werde, Jes.
Sirach 3, 3. 30. Kap. 20, 28.
K. 27, 5. – Hebr.
4, 14. 15. Unser Hoherpriester ist eingegangen
in den Himmel, als das wahre Heilige, um daselbst vor Gott zu erscheinen,
als einer, der seinen Willen gethan hat. Von diesem Eingehen in den Himmel,
welcher das wahre Allerheiligste ist, wird er
unser Hoherpriester genennet; so wie keiner als
der Hohepriest Hoherpriester der Juden in das
Allerheiligste gehen konte. Und wie der Hohepriester bei den Juden diejenige
Person war, welche jährlich durch Tilgung ihrer Sünden sie wieder in den
Besiz des ihnen in ihrem Gesez
Gesez versprochenen Seegens sezte: so ist Christus,
unser Hoherpriester, derjenige, welcher durch Wegnehmung und Bedekkung
unserer Sünden uns zu dem im Evangelium versprochenen Seegen des ewigen
Lebens bringet. – Hebr. 5, 7 – 9. Weil Christus
ohne Sünde war und frei von dem Tode hätte sein
müssen, so war es seine eine Handlung von ausserordentlichem
Verdienst, da er starb, und er wurde deswegen mit der Macht, allen seinen
wahren Jüngern das ewige Leben
Manuskriptseite
123
zu schenken, begabet,
?p? t?? ???aße?a?, vulgi
pro reverentia sua, wegen der Ehrfurcht, die er als ein Sohn
gegen seinen Vater bewies. Kap. 7, 25. Es scheinet nicht mit der Macht
und Herschaft, die Christo gegeben ist, übereinzustimmen,
daß er beständig bei dem Vater eine Fürbitte thun solte, um die Sünden
derjenigen zu vergeben, die der Vater geliebet, die er ohne Verdienst
gerechtfertiget, und denen er die Sünden vxrvergeben und denen er Gnade versprochen und über
welche er seinen Sohn zum Könige gesezzet hat.
Deswegen mus dieses so verstanden werden: Christus
ist in den Himmel gegangen und lebet immerdar,
indem er ein unveränderliches Priesterthum hat und beständig in der Gegenwart
Gottes erscheinet; und deswegen hat er einen grossen Vorzug vor den jüdischen
Priestern, die nur einmal des Jahres vor Gott gelassen wurden. Er kan
beständig die Menschen bei Gott vertreten, indem er ein
unaufhörliches Leben hat. Kap. 7, 25. ??t?????? bedeutet zu
einem gehen, einen antreffen, mit einem umgehen. Der Sin dieser
Worte ist also: Christus ist im Stande, alle,
die an ihn glauben, seelig zu machen, weil er immer lebt und beständig
in der Gegenwart Gottes ist, um gleichsam für ihr Bestes mit ihm zu reden.
Der Hohepriester hatte nur einmal des Jahres einen Zutrit zu Gott, welches
wohl nur einmal in seinem Leben geschehen konte. Einen so großen Vorzug
hat das Priesterthum Christi vor dem jüdischen.
– Kap. 7, 27. ?a?t?? a???e??a, da
er sich selbst opferte. Es ist nicht zu leugnen, daß p??f??e??
und ??af??e?? von den Sündopfern gebraucht wird, und da es hier von Christo,
als unserm Hohenpriester, vers
vorkömt, so könte es scheinen, als wenn es diese Bedeutung hätte. Man
mus aber sich erinnern, daß Gott bereit war, die Sünden der Menschen
zu übersehen, und daß er die Welt so sehr liebte, daß er seinen Sohn in
dieselbe sandte; er rechtfertiget alle Menschend??e??gratis, umsonst;
und dero wegen spricht der Apostel überal von Gottes Gnade
und dem Reichthum seiner Gnade, dem überaus grossen
Reich
Manuskriptseite
124
thum seiner Gnade.
Was also unser Heiland auch immer Gott darbrachte, hat solches doch nicht
eine Art von Genugthuung,
dxe die ihm geleistet
wäre, sein können; weil sonst unsere Erlösung
nicht aus Gnade sein könte, sondern aus Verdienst
wäre. Es hat auch nicht etwas sein können, das Gott besänftigte,
da er zornig gewesen war;
denn Gott war schon vorher so gut gesinnet, daß er seinen Sohn in die
Welt sandte, daß die Welt durch ihn möchte seelig werden. Es mus also
etwas anders verstanden werden, wenn es heist: er habe
sich Gott dargebracht für die Sünden des Volks. Man mus deswegen
merken, daß Christus sich nicht habe Gott dargebracht,
auch nicht habe darbringen können, ehe er zu unserm Hohenpriester x
bestellet war; und dieses geschah nicht vor seiner Himmelfarth. Hebr.
8, 4. Er konte also Gott kein Opfer bringen, so lange er hier auf der
Erde war: und folglich, welches hier beiläufig zu bemerken ist, brachte
er Gott kein Opfer, da er sein leztes Abendmahl einsezte, noch kan solches
eine Opfermalzeit sein: noch kan das Kreuz ein Altar
genennet werden, auch nicht einmal in einem metaphorischen Sin, weil Christus
sich nicht selbst opfern konte, da er nicht eher auf einige Weise ein
Priester war, als erst nach seinem Tode, d. i.
bis alles, was an dem Kreuz sich mit ihm zutrug, geendiget war. Joh.
20, 17. Hebr. 7, 24. Kap. 9, 12. 24. Die Redensart
also, sich selbst darbringen für die Sünden des
Volks, heist nicht; sich selbst als ein Söhnopfer
für die Sünden der Menschen dahin geben, sondern sich selbst Gott darstellen,
als der seinen Willen auf der Erde gethan, der die Vergebung der Sünden
durch den Glauben geprediget, und die Menschen von einem ewigen Erbe versichert,
der sie mit Gott versöhnet hatte. Es war beschlossen, daß Christus
einen Leib annehmen oder Mensch werden, und
in die Welt kommen, und den Willen Gottes thun und sterben sxx
solte. Alles dieses war geschehen, und darauf kehrte sich
Manuskriptseite
125.
Christus
wieder in den Himmel und stelte
sich Gott dar, als der seinen Willen gethan hatte. Er
stelte sich dar als der dasjenige vollendet hatte, was für die Seeligkeit
der Menschen geschehen solte. Da nun die Sünde die grosse Hindernis an
unserer Seeligkeit war, und der grosse Grund, warum Christus
in die Welt kam, und da er den Willen Gottes auf der Erde gethan hatte,
so fuhr er gen Himmel zu seinem Vater und hier stelte er sich dar, und
opferte sich selbst ein für alle mal, als derjenige
der dasjenige vollendet, was er in Absicht auf die Sünden der Welt zu
thun hatte. Er brachte Gott Ein
Opfer von sich selbst; da hingegen die jüdischen Hohenpriester, indem
sie Schwachheiten an sich hatten, öfters sowohl
für sich selbst, als für die Sünden des Volks opfern musten. – Hebr.
9, 16. 17. Der Sin des Apostels in diesen beiden
Versen ist nicht leicht einzusehen. Er kan nicht reden von einem Testament
oder lezten Willen, oder einem, der ein Testament
macht, denn dieses dient gar nicht zu seinem Zwek, da er von einem
Bunde redet, wovon Christus der Mittler ist.
Nach der Meinung des Verf. schliesset er so: wo ein Bund zwischen zweien
Partheien gemacht wird, und man die Absicht hat, sie beide auf das stärkste
zu verbinden, da mus der Tod der bundmachenden Parthei
als ein Beweis können ax...x
angeführet werden, daß dieselbe sich verbindlich mache zu sterben, wenn
sie denselben brechen solte. Denn wenn der Tod auf diese Weise dazwischen
kömt, so zeiget er an, daß ein Bund sehr fest ist. Wenn aber kein solches
Zeichen der Befestigung sich findet, so ist der Bund von keiner Kraft,
weil man nicht siehet, daß die bundmachende Parthei eingewilliget
habe, sich zur Haltung desselben zu verbinden. – Kap. 10, 14. So wie die
Opfer ein Mittel und Zeichen der Freundschaft waren, so ist Christus
das Mittel, und ein gewisses Zeichen der Freundschaft mit Gott. Christus
wird deswegen unser Opfer genennet, und alle Redensarten von den Opfern
werden gebraucht, und auf ihn angewandt, weil er dasjenige Mittel ist,
durch welches die Menschen in einen Stand der
Freundschaft mit Gott gebracht werden, wie dazu die Opfer dienten. – 1
Joh. 2, 1. 2. ?a?
Manuskriptseite
126.
??? t?? ?µ??t? nicht,
so jemand sündiget, sondern, so jemand gesündiget hat, nemlich ehe er
ein Christ geworden ist. In den Anmerkungen
über diese Stellen wird unter andern gezeiget, was für eine Beschaffenheit
die Söhnopfer im A. T.gehxxt
ghab gehabt haben, und ob Christus ein
eigentiches Versöhnopfer sei. 1) Wo die Absonderung der Vertilgung gedrohet
war, da fand kein Söhnopfer Stat. 2) Das Leben des Opferthiers wurde nicht
für das Leben des Opfernden gegeben. 3) Söhnopfer waren nur verordnet
bei Vergehungen, die man aus Unwissenheit begangen
hatte. Es finden sich nur einige wenige Fälle, wo bei muthwilligen Vergehungen
ein Opfer veranstaltet verordnet war. 3. B. Mos.
6, 1–7. Kap. 19, 20–23. 4) Auch am Versöhnungstage wurde geopfert für
?????µata, für Sünden der Unwissenheit, wie im Briefe an die Hebräer gesaget
wird. 5) Söhnopfer wurden auch gebracht für Sachen
und Öx...xr Öx...xrÖrter, da nun dieselben kein Leben
haben, so kan man nicht sagen, daß bei den Söhnopfern
Leben für Leben gegeben wurde. In Ansehung Christi
ist zu merken: 1) Daß er nicht in dem Sin eine Versöhnung
sein könne, als wenn er sein Leben für unser Leben gegeben hätte, denn
das würden die Juden nicht verstanden haben. 2) Die Söhnopfer
wurden nur dargebracht für Sünden der Unwissenheit; Christus
aber wolte uns von allen Sünden erlösen. Die Stellen, welche man anführet
um zu beweisen, daß Christus ein eigentliches
Söhnopfer sei, sind Röm. 3, 25. Kap. 5, 2.
1 Kor. 5, 7. Ephes.
5, 2. 1 Joh. 2, 2.
Kap. 4, 10. Woraus aber das nicht folget, was man daraus herleiten wil.
??ast????? wird in den Büchern Mosis 24 mal
gebraucht, wo es immer den Gnadenstuhl bedeutet, und den zeiget es auch
an Röm. 3, 25. Christo
wurden nicht die Hände aufgelegt, wie bei einem Söhnopfer gebräuchlich
war, sein Blut wurde nicht an einen Altar gesprenget,
der Sünder opferte ihn nicht Gott, er hatte
Manuskriptseite
127.
gar nicht die Absicht,
ihn Gott für seine Sünde darzubringen
pp. Daß der Tod Christi eine Strafe
an der Menschen Stelle gewesen sei, wil man mit folgenden Stellen
beweisen. Matth.
8, 17. K. 20, 28. Joh.
1, 29. 1 Petri 2,
24. Es heist zwar, Christus habe für uns gelitten,
aber nicht, er sei für uns gestrafet wx...xen
worden, welches ein grosser Unterschied ist. Man pflegt auch zu sagen:
die jüdischen Opfer hätten alle ihre Kraft dem
von dem Opfer Christi gehabt, Christus
habe gemacht, daß Gott unsere Busse annehme, das Leiden Christi
habe gedienet, das Ansehen der götlichen Gesezze zu befestigen; aber alles
dieses stehet nirgends in der Schrift. Die Wohlthaten, welche wir Christo
zu danken haben, sind: 1) er hat uns von der Knechtschaft der Sünde und
des Todes befreiet. 2) Er hat uns zu dem ewigen Leben gebracht, und uns
davon eine Versicherung gx...xben
gegeben. Der Unterschied zwischen den Frommen und Gotlosen ist dieser,
daß die erstern bei ihrem Tode nicht ihr Bewustsein verlieren, sondern
gleich in einen glüklichen Zustand versezzet werden; die andern
aber so lange im Tode bleiben, bis sie am jüngsten Gericht wieder auferwekket
werden, welches der V. mit verschiedenen Gründen
und folgenden Stellen der Schrift zu erweisen sucht. Offenb.
2, 7. 1 Joh. 3, 8.
Hebr. 2, 14. 1 Joh.
3, 14. Joh. 5, 24.
Kap. 8, 5. 3) Er bringt die Menschen in den Stand der Ruhe, daß sie sich
die Gnade Gottes versprechen können. 4) Alle, die an Christum
glauben, erlangen die Vergebung ihrer Sünden. Den Aposteln wurde aufgetragen,
diese Vergebung der Sünden bekannt zu machen,
Joh. 20, 22. 23.
5) Mit der Vergebung der Sünden ist die Rechtfertigung verbunden. 6) Wir
werden durch den Gehorsam Christi gerecht. 7)
Wir werden geheiliget durch den Nahmen des Hern
Jesu, d. i. wir werden von der Welt abgesondert,
und zu einem eignen Volk Gottes gemacht. Hierbei ist noch zu bemerken:
1) Obgleich einige Redensarten vorkommen, die anzuzeigen scheinen, als
Manuskriptseite
128.
wenn Gott über
die Menschen erzürnt gewesen, und von Christo
versöhnet worden wäre, so haben sie doch, wenn man sie recht versteht,
eine ganz andere Bedeutung. 2) In manchen Stellen
der Schrift wird gesaget, Christusx
mache uns seelig, er erlöse uns; in andern wird Gott unser Seeligmacher
und Erlöser genennet. Dieses kömt daher, weil
Christus hierbei, nach diesem ganzen Werke seinen
volkomnen Gehorsam gegen den Vater bewies. 3) Christus
war der Mittler zwischen Gott und den Menschen;
ihm wird also alles das Gute zugeschrieben, was durch seine Vermittelung
ist zu Stande gebracht worden. In dem sechsten Kapitel werden diejenigen
Stellen des N. T., welche von dem Tode Christi,
den Ursachen und Absichten desselben handeln, in Betrachtung gezogen.
In den Anmerkungen darüber wird sonderlich behauptet, daß die Lehre von
einer gewissen Genugthuung und einer Vertretung unserer Stelle bei dem
Leiden Christi aus einem Misverstande einiger
Schriftstellen aufgenommen sei. Man habe dabei 2 Säzze zum Grunde gelegt,
die beide unrichtig sind: 1) daß Leiden und Strafe
einerlei sei, 2) daß man nicht gewis wüßte, ob Gott einem busfertigen
Sünder vergeben wolle. – – –" Pag.
124 usque ad. 171.
Ia-01-1778-0198
2) Von
dem Leiden Jesu.
Ia-01-1778-0199
"In allen evangelischen
Nachrichten vom Leben Jesu, auch in den Schriften
seiner Apostel, steht nicht ein Jota davon, daß seine Seele für unsere
Sünden gequält, oder von allen Werken der Finsternis bestürmt worden,
daß Jesus auch in seinen Leidesstunden nicht
als der Sohn, der Geliebte Gottes, von Gott wäre angesehen worden, daß
Gott jezt dem Heiland schröklich geworden,
daß Gott als der unwürdigste Sünder wäre empfangen
worden. Nach unserer Bibel blieb der leidende
Erlöser vor Gott, dem Richter aller Welt, sein
Heiliger, sein Geliebter, und Jesus behielt
auch in der Stunde seiner grösten Angst, alle Liebe, allen Gehorsam, alles
kindliche Zu=
Manuskriptseite
129.
trauen
zu seinem himlischen Vater. Und jene Art der
Vorstellung, welche dem Verf. beliebt, empört alle Vernunft, ist vol von
Widersprüchen, von aller Wahrheit entfernt,
und kan ein christliches Herz nicht blutend machen, wenn das anders heissen
sol, es tief rühren und gründlich bessern und trösten. – –" Pag.
187. 188.
Ia-01-1778-0200
3) Begrif vom Glauben.
Ia-01-1778-0201
"Den Glauben nent
Klemens auch einen Gehorsam
gegen Christum, und die Ausrichtung der Gebote
Gottes. Heutiges Tages würde er sich bei dadurch
bei den unverständigen Eiferern den Namen eines Socinianers zuziehn: wiewol
es keine andre Erklärung des Glaubens giebt, die auf alle Stellen der
h. Schrift {passe,} worin das Wort Glaube gebraucht
wird, als wenn man ihn von einem Gehorsam gegen alle Erklärungen des götlichen
Willens erklärt. Diese Erklärungen des götlichen Willens aber sind theils
Verheissungen, theils Verhaltungsbefehle. Gehorsam gegen Verheissungen
ist, wenn man ihre Erfüllung mit Vertrauen und Zuversicht glaubt, gegen
Verhaltungsbefehle, wenn man sie auszuüben sucht.
Beides zusammen genommen macht den Glauben
der Christen aus, und kan nicht getrennet werden. –" Pag.
195. 196.
Ia-01-1778-0202
4) Von dem Sohne
Gottes (Christo)
Ia-01-1778-0203
"Man kan nicht annehmen,
daß Gott jemalen ausser der Zeugung dieser Weisheit gewesen sei; und es
wäre seiner wenig anständig, wenn man sagen wolte, er habe es entweder
nicht immer thun können oder nicht thun wollen. Man stelt sich also vor,
daß die Weisheit ausser allem Anfang gezeugt gewesen sei. Sie war der
Anfang der Wege, d. i. sie begrif den Anfang, Form und Gestalt aller Kreaturen
in sich. Dem Wort und Weisheit des Vaters einen Anfang zuschreiben, ist
gotlos. Das heist eben soviel, als Gott sei
Manuskriptseite
130.
nicht immer Vater
gewesen, habe nicht immer den Logos gehabt,
die Weisheit gezeuget. Man mus sich insonderheit die Zeugung des eingebohrnen
Sohnes als nichts menschliches oder leibliches denken. Kein menschlicher
Verstand kan es erreichen. Wie der ungebohrne
Gott, der Vater des eingebohrnen Sohnes werde. Diese Zeugung
ist so ewig als der Glanz aus dem Licht. Er
ist kein angenommener, sondern ein natürlicher Sohn. Ebr.
1 heist er der Abglanz seiner Herlichkeit, das Ebenbild seines Wesens.
Man denke nach, ob nicht des wegen, weil er macht, daß wir Gott wissen
und Er erkennen. Man kan es auch so verstehn,
er sei, so zu reden, der Vater im kleinen: wie {wenn} man Einem in einem
kleineren Modell etwas vorstelt, das man
an sich, weil es zu gros ist, nicht so übersehen kan. Wer mich sieht,
sagt daher Christus, der sieht den Vater. Er
ist das Hauchen der götlichen Kraft. Dies Hauchen der götlichen Kraft
war allezeit und hat keinen andern Anfang, als Gott selbst. Wenn man irgend
einen Anfang annimt, so kan man immer fragen, warum nicht früher? und
kann nie antworten. Er heist ferner ein Strahl der Herlichkeit des Almächtigen.
Gott ist immer almächtig: es mus also nur etwas da gewesen sein, woran
Gott seine Macht übte, oder zeigen konte. – " Pag.
203. 204. 205.
Ia-01-1778-0204
XIV.
Ia-01-1778-0205
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des zwei und dreissigsten Bandes erstes
Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai.
1777.
Ia-01-1778-0206
1) Über die Änderungen
des Barometers.
Ia-01-1778-0207
"Wärme dehnt die
Queksilbersäule ein wenig aus: da die Gesezze,
nach denen das geschieht, bekant sind, so sezt Hr. B.
solches beiseite. In der Luft verstärkt die
Wärme die Feder=
Manuskriptseite
131.
kraft, und verursacht
also, daß das Barometer wenigstens ax...x
anfangs steigt. Nachdem aber xwird es sinken
bei vermehrter Wärme sinken, weil aus der warmen Luftsäule Luft weggeht,
wodurch sie leichter wird, zugleich nimt ihre Federkraft ab, wie sie sich
mehr ausbreitet. Trokne verstärkt die Federkraft der Luft, und so steigt
das Barometer bei ihr. Kälte und Feuchte thun
das Entgegensezte von jenen beiden. Hr. B.
liefert hieraus Regeln für die Änderungen des Barometers her, wenigstens
in dortigen Gegenden. Z. E. es steigt bei N.
Winden, und sinkt ser bei S. Winden. Begreiflich
wirken hier viel Ursachen zusammen, die oft
einander hindern, und so ist was Algemeines und Sicheres zu sagen schwer.
–" Pag. 25.
Ia-01-1778-0208
2) "Ob ein Blinder,
der sehend geworden, durch Gesicht erkennen kann, was er durch Gefühl
erkant hat?"
Ia-01-1778-0209
"Eine Figur fühlen
und sie sehen, sind zwo ganz unterschiedene Sachen, die nichts mit einander
gemein haben, als für uns die symbolische Verbindung, da eins uns ein
Zeichen des andern ist. Also, vom Sehendgewordenen verlangen, er sol Kugel
und Würfel durchs Gesicht erkennen, die er blind befühlt hatte, heist
von ihm fodern: Er sol sie in einer ihm fremden Sprache nennen. (Volkommen
richtig! aber wie kan man über so was so lange streiten?) –" Pag.
31.
Ia-01-1778-0210
XV.
Ia-01-1778-0211
Die
christliche Lehre vom Gebet und der Bekehrung, nebst einem Anhange.
Von Gottfried Less, D. und Pr. der Theol. Gottingen,
bei Johann Christian Dieterich. 1776.
Ia-01-1778-0212
1) Von der Ruhe
des Gemüths.
Ia-01-1778-0213
"Eine längere Erfahrung
zeigt uns die Welt ganz anders, als wir sie in
der Jugend zu finden glaubten, und noch mehr dereinst zu finden hoften.
In der Jugend sind wir hauptsächlich durch Hofnungen und eitle Einbil
Manuskriptseite
132.
dungen froh. Wir
glauben, die Welt habe nur eine gute Seite: denn wir sind noch nicht erfahren
genug, zu wissen, daß sie auch noch eine viel schlimmere habe. Wir betrachten
jenen emsigen Vogel mit dem innigsten Vergnügen, welcher seine Bruth mit
so vieler Sorgfalt pfleget; aber wir kennen
den Raubvogel nicht, der wenig Tage darauf nach seinem Neste schiest,
und die geliebte Bruth plözlich verschlinget. Die zärtliche Mutter sizt
dort schmachtend! girret vol Schmerz über den Verlust ihrer Geliebten;
und indem sie betrübt die Augen nach dem leeren Neste richtet, wird auch
sie ein Opfer des Räubers ihrer Jungen. Personen, die gröstentheils vergnügte
Tage zählen, und noch in der Blüthe ihres Lebens stehn; diese wissen die
Kostbarkeit der Ruhe des Gemüths nur halb zu schäzzen. Aber diejenigen,
welche zu reiferer Erfahrung gekommen, die fröhliche Jugend
zurük gelegt, von mancherlei Anliegen gedrukt
werden, und in einem Leibe wohnen, den sie täglich als eine Last fühlen;
diese schäzzen erst recht die Gemuthsruhe, und die unaussprechliche
Wohlthat Gottes, welcher uns in dem Gebet das kräftigste Mittel geschenkt,
sie auch bei allem Leiden dennoch zu erhalten. –" Pag.
6.
Ia-01-1778-0214
2) Vom Strafen der
Prediger.
Ia-01-1778-0215
"Ich weis gar wohl,
und führe es hier um derer willen öffentlich an, welche sich dazu (zux
Predigx...x) widmen, dereinst mit
mir einerlei Amt zu verwalten: Prediger sind keine solche Bothen Gottes,
durch welche er selbst in seinem eigenen Namen redet. – Sie haben also
gar kein Recht, so wie ehedem die Propheten und Apostel, dieser oder jener
einzelnen Person in ihrer Gemeine nachdrükliche Verweise zu geben, und
wegen ihrer Vergehungen eifrige Straf=Predigten zu halten. Sie sind nur
Diener Gottes, denen das Amt aufgetragen worden, ihre Brüder aus Gottes
Wort zu unxx unterrichten,
und die Pflicht der brüderlichen Besserung und Bestrafung
vorzüglich vor andern auszuüben. Niemals müssen sie mit Gleich=
Manuskriptseite
133.
gültigkeit oder
einer geheimen Freude zu solcher Bestrafung schreiten; sondern sie vielmehr
für das traurigste Geschäfte ihres Amtes ansehen. Nie müssen sie, bei
Erinnerung ihrer Brüder, heftige Affekten unter dem Schein des Eifers
für Gott in ihrer Seele ernähren. Mitleiden, Wehmuth und herzliche Liebe
müssen ihnen den Inhalt und die Worte eingeben; und eine jede Bestrafung,
wobei sie nicht dieses fühlen, müssen sie für einen verwegenen Eingrif
in die Rechte ihrer Brüder, und für eine strafbare Beleidigung Gottes
halten. – –" Pag. 12. 13.
Ia-01-1778-0216
3) Ein Heide mit
vol Menschenliebe.
Ia-01-1778-0217
"Ein Heide führete
auf seinem Sterbe=Bette dieses als dasjenige Stük seines Lebens an, welches
ihm das reinste Vergnügen geschaft, und wovon er bei der Nachwelt den
grösten Ruhm hofte: = = daß er keinem einzigen
seiner Mitbürger Ursache zu Thränen gegeben. = = Seine Freunde rühmten
bei seinem Sterbe=Bette,
da er schon halb fühllos mit dem Tode rang, seine weisen Rathschläge,
seine vortrefliche Anordnung, und grosse Heldenthaten; denn er war ein
grosser General, und ein noch grösserer Minister. Der halb Todte ermannete
sich noch und starb mit diesen Worten an seine Freunde: "Ich wundere mich,
daß ihr die edelsten aller meiner Thaten auslast: denn Niemand meiner
Mitbürger ist durch mich in Trauer gesezt worden. – " O! was würde dieser
Man gethan haben, wenn er die neuen und unaussprechlich grossen Bewegungs=Gründe
der Menschenliebe gekant, welche uns die christliche Religion lehret!
Menschen, die Freunde, Kinder, Erlösete Gottes, Brüder Jesu
Christi; diese betrüben, oder wohl gar in verzehrenden Kummer stürzen,
und um ihr ganzes Glük bringen; wie erschreklich ist das einer Seele,
die den edlen Affekt der Menschenliebe fühlt? Menschen, die Freunde, Kinder,
Erlösete Gottes, und Brüder Jesu Christi; diese
erfreuen, ihre x...x
Ruhe befördern, ihr Glük befördern
gründen und erweitern; ihr Wohlthäter werden; wie reizend ist das für
eine Seele, welche von Menschenliebe erwärmet wird?" – Pag.
21. 22.
Manuskriptseite
134.
Ia-01-1778-0218
4) "Das Gebet giebt
Ruhe in der Todes=Stunde."
Ia-01-1778-0219
"Das Gebet bildet
den Menschen immer mehr nach dem Muster Gottes, und seiner Geselschaft
immer würdiger; machet ihn immer begieriger nach dem vertraulichen Umgange
mit Gott, immer begieriger nach dem Grade der Tugend, welcher rein von
allen Flekken, Mängeln und Fehltritten ist. Einem so gesinten Menschen,
was kan diesem beim Sterben noch schreklich bleiben? Oder vielmehr, was
kan dem erfreulicher sein als der Tod? – – Solte
ihn etwa der Abschied von der Welt erschrekken? Diejenigen kan dieser
Abschied freilich in Schrekken sezzen, welche der Welt als Knechte anhängen;
nicht aber den Christen, welcher durch das Gebet
sie als Herr brauchen gelernt! Solte ihn etwa die Sterbe=Glokke, die finstre
Gruft, die Würmer erschrekken, welche an seinem Körper nagen werden? Diejenigen
mus dieses freilich in Schrekken jagen, welche hier so begehren und handeln,
als wären sie nichts denn Körper! Aber der edlere Theil, für den der Christ
durchs Gebet sorget, wird in keine finstere Gruft gesperret; ist keiner
Verwesung und Fäulnis unterworfen! Oder solte ihn jenes strenge Gericht
erschrekken? Aber das Gebet hat ihn schon lange, in die Verfassung gesezzet,
daß er nach dem Tode , an Gott nicht einen strengen Richter, sondern einen
wohl bekanten und schon lange gewohnten Freund antrift! Oder sollte ihn
die nahe Gegenwart des Almächtigen erschrekken? Aber diese ist es eben,
nach welcher ihn das Gebet so begierig gemacht, und welche er dort allererst,
ohne alle Sünde und ohne alle Furcht der Trennung geniessen sol! Gleich
einem erhabenen Berge, welcher noch im Glanze der Sonne steht, wenn die
niedri {niedrige}
Erde schon mit Finsternis bedekt ist, erhebt er also in der schxschwarzen Stunde des Todes seinen Geist über
alle Furcht, Schrekken und Verzweiflung niedriger Seelen empor. Mit sicherer
Ruhe und himlischer Wonne stirbt er: das heist,
er gesellet sich zu der frohen Schaar volkommener Geister, welche nicht
mehr wehmüthige Klagen, nicht mehr bange mit Thränen begleitete
Seufzer, sondern lauter Gebete des reinsten Lobes und fröhlichsten Dankes
vor dem götlichen Thron in Ewigkeit anstimmen!" – Pag.
131. 132.
Manuskriptseite
135.
Ia-01-1778-0220
XVI.
Ia-01-1778-0221
Neue
Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnüzzige Wochenschrift mit
Kupfern. Ersten Jahrganges
1tes und 2tes Quartal. Berlin, verlegt und zu finden bei D.
L. verehl. Bossen, in der Wilhelmstrasse.
1774.
Ia-01-1778-0222
1) "Lied eines
armen Jünglings."
"Arm bin ich, ja! – und in der Welt
Hab ich nicht viel Vergnügen:
Doch schenkt mir Gott Zufriedenheit,
Die Armuth zu besiegen.
Ich bin gesund, was brauch ich noch
Zum kummerlosen Leben?
Dem Reichen ist das Ungemach
Der Krankheit nur gegeben.
Zwat thut der Hunger oft sehr weh,
Ich kann ja nichts erwerben:
Doch klag' ich nicht, ich werde nie,
Das hoffich, Hungers
sterben.
Wie stärkte Gott, oft denk ich dran,
Nicht neulich meinen Glauben?
Der Hunger wollte mir beinah
Mein junges Leben rauben;
Mein junges Leben rauben;
In einer Ohnmacht lag ich schon,
Und konte nicht mehr beten,
Da gab mir wer ein Stükchen Brod, Mein Leben zu erretten.
Das Stükchen Brod, wie schmekt es nicht! -
Das Stükchen Brod, wie schmekt es nicht! -
Nie schmekt dem reichen Prasser
Sein süsser Wein, sein Kuchen so,
Als mir mein Brod
und Wasser. x
Manuskriptseite
136.
Ich danke Gott,
und rühm' ihn stets
Für seine grosse Liebe;
Nur ihm weih' ich mein ganzes Herz
Und alle fromme Triebe.
Werd' ich einst gros, und kann ich dann
Mein Brod durch Arbeit haben:
So sollens halb, – wie freu ich mich!
Ja halb – die Armen haben."
– Pag. 11. 12.
Ia-01-1778-0223
2)
Ia-01-1778-0224
"Morgenvorfälle"
"Das Land, das erst erstorben lag,
Erwacht und lebt nun wieder;
Es strömt an jedem neuen Tag
Sein Seegen neu hernieder.
Der Wurm, der in dem Staube lebt,
Der Vogel der in den Lüften schwebt;
Erfreut sich seines xex
Lebens.
Der Erden Antliz ist verjüngt;
Erheitert glänzt der Himmel,
Gebirg' und Thal und Wald erklingt,
Von freudigem Getümmel:
Und vol Erbarmen schaut herab,
Der allen Seg Seeg'n und Leben gab,
Auf seiner Schöpfung Werke.
Schön und anmuthig war der Morgen, der den 19.
Mai der Welt brachte. Ich erwachte mit dem Glokkenschlag Viere. Entzükkung
und Freude stralte mit der Morgensonne in mein Herz. So prächtig, so heiter
warest du vielleicht: erster junger Morgen der
Schöpfung, da dich noch unschuldige Menschenseelen empfanden, und dir
un=
Manuskriptseite
137.
entweihete Geschöpfe
entgegen jauchzeten. Kaum war ich erwacht; so war die ganze Schöpfung
wieder mein. Ich hatte sie gleichsam im Schlafe
verlohren. Mein Auge sahe. Mein Ohr hörte. Mein
Herz wurde entzündet. Ich fühlte Dasein. Noch mehr! ich empfand das erhabene,
das götliche meines Vorzuges. Ich dachte meinen Schöpfer.
Gott dachte ich in seiner ganzen Grösse, in
dem ganzen Umfange seiner Wohlthaten dachte
ich ihn, womit er mich auch in der Nacht auf meinem Lager gesegnet hatte.
Ich fühlte seine Algegenwart, und schauerte. Ich
fühlte seine Güte, und freuete
mich. Wie nahe war er mir, der Unendliche! Ich hatte ja in seinen
Armen geschlafen. Mein Herr und mein Gott! – Vol
von diesem frommen Gedanken vxlies
verlies ich mein Lager, und eilte mit schnellen Schritten aus den Thoren
der Stadt, wo noch so viele Unthätige und Unempfindliche die edlen Stunden
verträumten, in welchen uns die schöne Natur umsonst die herlichsten Anblikke
giebt, vor welchen alle Kunst der Malerei verschwindet. Mit offenen Armen
empfieng mich das freie Feld, der lebendige
Wald; eine Stimme, und die ganze Schöpfung, ohne Neid erböthig, ihre Schönheiten
mir sehen zu lassen. – Meine Gedanken wurden immer frömmer, meine Empfindungen
immer heiliger. Ich kam durch stille Anbetung dem Almächtigen immer näher.
Ich sah ihn, ich fand ihn, ich fühlte ihn in jeder Blume unter meinen
Füssen, in jedem Thautropfen, der auf einem Blatte glänzte, in jedem berauschenden
Dufte der süssen Blüten, in jedem Vogel, der sein Futter suchte, und dankbar
zum Himmel aufstieg. Schmekket und sehet, wie freundlich der Herr ist,
rief mir eine, nur eine laute
algemeine Stimme der gütigen Natur xentgegen. Mein Herz antwortete: Mein
Herr und mein Gott! – Hier fiel mir der kosmotheologische
Gedanke, das grosse Thema des algemeinen Naturkonzertesxx ein. Gott
ist die
Manuskriptseite
138.
Liebe,
und erfüllete meine ganze Seele. Gott ist die Liebe –
Liebe – war das beständige Echo. Liebe,
beständige, so wohlthätige Liebe, giesset der
Vater der Menschen über uns aus. Mit solcher Liebe
denkt er an mich, und ich sollte nicht an meine Freunde, an meine Brüder
denken? Liebe ist also das Band der Volkommenheit,
das Gott und Menschen verknüpfet. Mit einer so warmen, und durch götliche
Züge geheiligten Liebe dachte ich zuerstan einen kranken Freund in B = = n, der mir kürzlich
seine Schmerzen geklagt, und gleichsam in meinen Schoos geschüttet hatte.
Ich gestehe es, daß ich fast nie mit solcher Inbrunst
für einen Freund gebetet habe, als unter den gegenwärtigen Empfindungen.
Gott erquikke ihn auf seinem Siechbette! Mein zärtlicher
Freund! wenn sie dieses lesen; so stärken sie sich durch den Trost, daß
oft Freunde für uns im Leiden beten, die weit entfernt
sind, und durch fromme Seufzer süsse Tröstungen
des algegenwärtigen zu uns herab beten. – Nun will ich meine Morgenvorfälle
erzählen, die mir bei diesem Spazziergange begegneten. Da ich über eine
Brükke gieng, so kam ich hinter ein Paar ehrliche Bauersleute,
die schon in der Stadt gewesen, und ihr Dörfchen, ihre Hütte, diese Wohnung
der Stille, und Zufriedenheit wieder suchten. Sie schienen in einem ernsthaften
Gespräche begriffen zu sein. Ich folgte ihnen langsam nach, und vernahm
folgendes:
Ia-01-1778-0225
"Ich komme nicht
aus der der Noth, sagte der eine. Vor Weinachten habe ich meinen alten
Vater begraben lassen, und bin den Sarg noch
schuldig. Vor vierzehn Tagen ist mir die Frau gestorben,
und hat mir fünf kleine Kinder zurükgelassen – eine gute Frau,
dich die ich recht lieb hatte: sie war from,
liebte mich, zog ihre Kinder zur Gottesfurcht, und nahm ihre Wirthschaft
in Acht."
Ia-01-1778-0226
Diese
Lobrede höx...xten
hörten gewis die Engel nicht ohne Freude.
Manuskriptseite
139.
Ia-01-1778-0227
"Nun, fuhr er fort,
bin ich ein armer verlassener Mann. Ich stekke in Schulden. Gift und Gaben
gehen fort. Ich bin in der Stadt gewesen, bei einem Freunde, und bat ihn,
mir nur in mit etwas zu helfen. Aber Freunde
in der Noth – Lieber Nachbar! was sol ich nun anfangen? Ich weis, daß
ihr mir gerne hülfet; aber ihr habt selber nichts."
– Hier zerflos meine Seele in Freude und Mitleiden.
Ia-01-1778-0228
"Komme ich nun nach
Hause; so schreien meine armen Kinder nach Brod. Ich habe etwa noch achtzehn
Pfennige von gestern. Es reicht nirgends hin. Du lieber Gott! wie wirds
doch noch in der Welt werden? Wenn xxh
ich nur nicht von vielem Gram krank werde. Wenn ich gesund bleibe; so
wil ich gern arbeiten, und mich halb sat essen, wenn meine Kinder nur
etwas haben." –
Ia-01-1778-0229
O! dachte ich, du
ehrlicher Man, bist du so gesinnet, so wird dich Gott nicht verlassen.
Ich gieng ihm näher, und lies mich mit beiden in ein Gespräch ein, ohne
daß ich mirs merken lies seine Klagen gehört zu haben. Da ich ihn ansahe,
glänze mir noch die Thräne aus seinem Auge entgegen.
Mein Freund! sagte ich zu ihm, seid ihr schon
so früh auf der Strasse? Ist das ist nicht ein
schöner Morgen? Ihr freuet euch wohl recht, wenn ihr des Morgends
an eure Arbeit gehen könnet! Ja! antwortete
er, das thun wir wohl; wenn wir nur nicht so viel Noth und Leiden hätten.
Wa drükt euch denn? erwiederte ich. Er erzählte mir seine Umstände noch
einmal, die ich, ihm unwissend, schon gehöret hatte, und es gereuete mich
nicht, sie aus seinem Munde noch
einmal zu hören. Da ich sehr weichherzig bin; – so kommen mir einigemal
die Thränen in die Augen. Dies befremdete meinen Pilgrim. Er wunderte
sich, und fragte mich, ob denn das wohl x...x
Ernst wäre, daß mir seine Noth zu Herzen gieng? Die Stadtleute hätten
sonst eben nicht viel Mitleiden mit dem geplagten Landvolke. Dies rührte
mich noch mehr. Ich
Manuskriptseite
140.
fragte ihn, ob er
das bete und arbeite recht verstünde? Ich forschte
weiter, ob er das erste Gebot gelernet hätte,
und auch ausüben solte wolte? Ich wies ihn auf
den Himmel, auf die Wolken, auf die Erde, auf ein Würmchen, das Gott erhalten
wolle. Er solte nicht mistrauisch sorgen; sondern Gott fürchten, fleissig
arbeiten, und gedultig sein; so würde ihm Gott Mittel
zeigen, aus seiner Noth zu kommen, und mit seinen Kindern zu essen und
sat zu werden. Der Mensch wurde {ganz} stark. Er war noch in den Mitteljahren.
Er ermante sich, rief sein gesunkenes Vetrauen zurük, und sagte: "Nun
wil so wil ich denn
dem guten Rathe folgen. Ich bin recht getröstet. Es sind doch lauter Narren,
die uns vorsprechen wollen: es sei kein Gott, oder s
es sei umsonst, daß man viel bete, und from sei. Der liebe Herr,
Gott des Daniels und des Elias
nicht vergas. Er wird mich mit meinen armen
Kindern auch nicht vergessen." Ich merkte, daß ich zu weit mit ihm gegangen
war,erinnerte mich, daß
er den Sarg noch für seinen alten Vater schuldig war, auch kein Brod für
seine Kinder hatte – und bat Gott in meinem Herzen, diesen redlichen
Vater zu einem Gegenstande zu machen, an welchen
sich Beispiele der Wohlthätigkeit auszeichnen xx
mögten. Der andere Vorfal, der mir diesen Morgen
begegnete, ist von jenem ganz unterschieden. Er hat mir das menschliche
Herz von einer andern Seite sehen lassen. Da ich ein grosser Freund der
Naturkentnis bin, und mich oft bemühe, den grossen Gott im kleinen zu
suchen, so gehe ich nie aus, ohne etwas für
mein Favoritstudium
zu erforschen. Diesmal suchte ich in einem kleinen Graben Wasserinsekten.
Ich fülte einige Gläser, nahm meine Handlupe, und hielt sie gegen die
Gläser. Hinter mir lagen auf einem Akker ein halb Duzzend Leute, die
Manuskriptseite
141.
das Unkraut ausgäteten.
Ich merkte, daß sie mir schon eine Weile zugesehen, und sich in die Höhe
gerichtet hatten. Doch lies ich mich solches nicht irren. Als ich meine
Gläser verwahret, und eingestekt hatte; stand ich auf, und wolte fortgehen.
Die Leute standen auch auf. Dies bewog mich, auf sie loszugehen, weil
ich mich gerne mit allerlei Arten von Menschen unterhalte. Sie flohen
mich aber, und ich konte aus ihren Gesichtern lesen, daß sie eine Furcht
vor mir hatten. Es waren unten auf dem Lande noch mehrere. Zu denen geselten
sxxt sie sich, traten
in einen Kreis, und unterredeten sich, so viel ich vermuthen konnte, von
meinen Handlungen. Sie hatten ihr Gesicht beständig
nach mir hingerichtet, und wxx
weil ich ihre Gedanken leicht errathen konte; so verlies ich sie, um sie
nicht weiter zu beunruhigen. Hier sahe ich den alten Aberglauben in seiner
thörigten Furcht, der noch in so vielen Seelen der Einfältigen herschet.
Nachgehends habe ich erfahren, daß sie wunderliche Gedanken von mir gehabt.
Ist es nicht zu beklagen, daß noch so viel Menschen
das eiserne Joch des Aberglaubens schleppen, der sie tyrannisirt? Wenn
man zu einer ungewöhnlichen Zeit, etwa des Morgens sehr früh,
auf dem Felde gehet, welches dergleichen Leute von Personen unsers Standes
nicht gewohnt sind, oder wenn man auf dem Feld etwas anders, als Korn,
Flachs, Rüben und Wurzeln betrachtet, oder wenn man gar einen Schmetterling,
einen Stein, eine Raupe, oder dergleichen aufnimt;
so haben sie gleich andere {arge} Gedanken, und
halten solche Beschäftigungen für Zaubereien und verbotene Künste. Die
blinden Leute! Sie dauren mich, da sie täglich die Natur bearbeiten, und
so unwissend in ihren Werken sind; auch oft über der Vernachlässigung
des Geschöpfes ihren grossen und gütigen
Manuskriptseite
142.
Schöpfer vergessen.
Bei meinem Rükwege nach Hause hatte ich Gelegenheit, noch eine Unterredung
von politischen Angelegenheiten mit anzuhören.
Fünf oder sechs Personen standen auf einer Brükke; aus jedem Munde dampfte
der narkotische Qualm, der ihre Zunge zu lösen schien. Sie wogen Krieg
und Frieden ab. Das Schiksal von Polen wurde durch ihr Urtheil entschieden.
Sie liessen Franzosen, Spanier und Engelländer marschieren. Kurz! es waren
politische Kannengiesser, Faullenzer, die hier halbe Tage mit faulen Gesprächen
verschwendeten, und mitlerweile zu Hause Frau und Kinder darben liessen.
Leute, die ihren Beruf vernachlässigen, und sich einen Beruf anmassen,
dazu sie weder Einsicht, noch Kräfte haben, sind in der Republik weit
schädlicher, als offenbare Räuber, denen man
mit Gewalt Einhalt thun kan. Diese aber sind wie die Pest, die im Finstern
schleicht. – Ich hatte bisher verschiedene Auftritte gesehen, die mir
zu mancherlei Betrachtungen Anlas gaben. Nun aber hörte ich ganz andere
Stimmen; Stimmen, die alles erschütterten, und mich anmahnten, nach Hause
zu eilen. Es war die majestätische Sprache des Donners, der sich x
schon von ferne hören lies. Ich hörte ihn reden, den Gott der Ehre, und
er fuhr schon auf den Fittigen des Windes daher. Dunkel war sein Gezelt,
und die zükkenden Blizze warf sein Bxx
Bogen umher. Eine bange Stille verbreitete sich um mich her. Der vor wenig
Augenblikken so laut ertönende Wald verstumte. Jedes Geschöpf fühlte die
Fusstapfen des Hern, der der den Tag in Nacht
verwandelte, und seine schrökliche Strahlen leuchten lies. Ich zitterte
vor seiner Majestät; aber kindlich liebte ich, und xx
betete ihn an, den Gott der Götter, der in Wettern dennoch Erbarmung und
Segen austheilet. Ich sang das Klop=
Manuskriptseite
143.
stokkische
Lied vom Gewitter, und gieng frölich nach Hause. Vielleicht ist es weniger
bekant. Vielleicht erwekt es in manchen,
zur Zeit des eines Gewitters, ganz andere Gedanken,
als er bisher gehabt hat. Es verdient gemeinnüzziger gemacht zu werden.
Hier ist es das Gedicht, welches allein seinen Meister unsterblich machen
konte.
Ia-01-1778-0230
Nicht
in den Ocean
Der Welten alle
Wil ich mich stürzen! Nicht schweben, wo die Erschaffenen,
Wo die Jubelchöre der Söhne des Lichts
Anbeten, tief anbeten,
Und in Entzükkung vergehn.
Nur um den Tropfen am Eimer,
Um die Erde nur will ich schweben,
Und anbeten!
Hallelujah! Hallelujah!
Auch der Tropfen am Eimer
Ran aus der Hand des Almächtigen.
Da aus der Hand des Almächtigen
Die grössern Erden quollen;
Da die Ströme des Lichts
Rauschten, und Orionen wurden;
Da ran der Tropfen
Aus der Hand des Almächtigen.
Wer sind die tausendmal Tausend
Die Myriadenmal hundert tausend,
Die den Tropfen bewohnen, Und bewohnten? Wer bin ich?
Manuskriptseite
144.
Hallelujah! dem
Schaffenden! Mehr, als die Erden, die quollen, Mehr, als die Orionen,
Die aus den Strahlen zusammenströmten.
Aber du Frühlingswürmchen,
Das grünlich golden,
Neben mir spielt!
Du lebst;
Und bist vielleicht – Nicht unsterblich!
Ich bin herausgegangen Anzubeten –
Und ich weine!
Vergieb! Vergieb dem Endlichen
Auch diese Thränen! O! du, der sein wird!
Du wirst sie alle mir enthüllen,
Diese Zweifel alle –
O! du, der mich durchs dunkle Thal
Des Todes führen wird!
Dann werd' ich es wissen,
Ob das goldne Würmchen
Eine Seele hatte.
Warest du nur gebildeter Staub
Würmchen! so werde denn
Wieder verfliegender Staub!
Oder, was sonst der Ewige wil –
Ergeus von neuem, du mein Auge
Freudenthränen!
Du meine Harfe
Preise den Hern!
Manuskriptseite
145.
Umwunden, wieder
von Palmen umwunden
Ist meine Harfe!
Ich singe dem Hern.
Hier steh ich! Rund um mich ist alles Almacht; Ist alles Wunder!
Mit tiefster Ehrfurcht
Schau ich die Schöpfung an
Denn du
Namenlosenster! Du
Erschufest sie.
Lüfte, die um mich wehen,
Und süsse Kühlungen
Auf mein glüendes Angesicht giessen
Euch, wunderbare Lüfte
Sendet der Herr, der Unendliche.
Aber jezt werden sie stil –
Kaum athmen sie –
Die Morgensonne wird schwül,
Wolken strömen herauf, Das ist sichtbar, der Ewige! Der komt –
Nun fliegen, und wirbeln, und rauschen die Winde!
Wie beugt sich der bebende Wald!
Wie hebt sich der Strom! Sichtbar, wie du es Sterblichen sein kanst, Ja! das bist du, sichtbar, Unendlicher!
Der Wald neigt sich -
Der Strom flieht!
Und ich falle nicht auf mein Angesicht?
Herr, Herr, Gott! barmherzig und gnädig, Du Naher!
Erbarm dich meiner!
Manuskriptseite
146.
Zürnest
du, Herr, weil Nacht dein
Gewand ist?
Diese Nacht ist der Segen der Erde,
Du zürnest nicht, Vater!
Sie komt, Erfrischung auszuschütten
Über den stärkenden Halm,
Über die Herzerfreuende Traube, Vater, du zürnest nicht!
Alles ist stille vor dir, du Naher!
Ringsum ist alles stille –
Auch das goldne Würmchen merkt auf,
Ist es vielleicht nicht Seelenlos?
Ist es unsterblich?
Ach! vermögt' ich dich, Herr, wie ich wünschte zu preisen! Immer herlicher offenbarst du dich:
Immer dunkler, Herr! wird die Nacht um dich.
Und voller Segen.
Seht ihr den Zeugen des Nahen, den zükkenden
Bliz!
Hört ihr den Donner Jehovah!
Hört ihr ihn –
Hört ihr ihn
Den erschütternden Donner des Hern?
Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig,
Angebetet, gepriesen
Sei dein herlicher Name! Und die Gewitterwinde? Sie tragen den Donner,
Wie sie rauschen, wie sie die Wälder durchrauschen! Und nun schweigen sie – majestätischer
Wandeln die Wolken herauf.
Seht ihr den neuen Zeugen des Nahen,
Seht ihr den fliehenden Bliz?
Manuskriptseite
147.
Hört ihr, hoch in
den Wolken den Donner des Hern?
Er ruft: Jehovah! Jehovah! Jehovah! Und der gesplitterte Wald dampft. –
Aber nicht unsere Hütte!
Unser Vater gebot
Seinem Verderber
Vor unsrer Hütte vorüber zu gehen.
Ach! schon rauschet, schon rauschet
Himmel und Erde von gnädigem Regen.
Nun ist, wie dürstete sie? die Erd erquikt,
Und der Himmel der Fülle des Segens entladen.
Siehe, nun komt Jehovah nicht mehr im Wetter
In stillem sanften Säuseln
Komt Jehovah,
Und unter ihm neigt sich der Bogen
des Friedens." – – Pag. 17. 18. 19. 20. 21.
22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.
Ia-01-1778-0231
3)
Ia-01-1778-0232
"Auf eine Hyacinthenflor
im Sch. Garten zu Q."
"Ich sah im Mai des Frühlings Pracht;
Aurorens güldenes Gewand umflos die grünen Hügel;
Ich sah der Göttin majestätisch Bild im Spiegel
Von jeder Quell', und sprach: Wie schön, Natur, bist du!
Ich sah den Segen, der auf Fluren lacht;
Der Wiesen erstes Grün,
Narcissen, Tausendschön, Jasmin,
Mit buntem Klee vermischt, mit Rosen, Violetten,
Auf den Zephyre sich mit jungen Amors betten,
Und sprach: wie reich, Natur, bis du!
Da führte mich zum Sch–schen Garten
Die Hand der Blumengöttin hin.
Hier sah' ich tausendfache Arten
Prachtvoller Hyacinthen blühn.
Manuskriptseite
148.
Welch Meisterstük,
rief ich, läst sich von dir nicht hoffen,
Erhabene Natur, du hast dich übertroffen! –" Pag. 31.
Ia-01-1778-0233
4)
Ia-01-1778-0234
"Herausforderungslied
eines russischen Grenadirs an seinen Feind."
"Heraus, verwegner Muselman,
Heraus ins ofne Feld! Kum! Dreimal hundert tausend Man
Sind lange keine Welt.
Und eine Welt zu schlagen, steht
Der Rux Rus auf
seiner Huth.
Kalt ist die Gegend wo er geht,
Warm ist sein Heldenbluth.
Zwar unser Schöpfer lebt nicht mehr:
Er ruhet grosse Ruh;
Im Sternenglanze wandelt er,
Und winket Muth uns zu.
Doch Mutter Katharina
lebt,
Die ohne Schwerdt und Huth
Nach grossen Männerthaten strebt,
Und mehr, als Peter,
x thut." – Pag. 78.
Ia-01-1778-0235
5)
Ia-01-1778-0236
"Der Unterschied."
"Du weigerst, Mädchen, mir den Tanz. Herodias, denkst du,
verlohr den Ehrenkranz.
Gut! Hast du aber nicht gelesen,
Daß sie ausnehmend schön gewesen?" Pag. 78.
Manuskriptseite
149.
Ia-01-1778-0237
6)
Ia-01-1778-0238
"Hannibal
und Antiochus." Antiochus.
"Sieh', Hannibal, mein Heer!
kaum ists zu übersehen.
Wie glänzt nicht überal der Reichthum und die Pracht!
Kein König hat wol je solch Heer ins Feld gebracht.
Sag an, ist es genug, dem Feind zu widerstehen? Hannibal.
Genug, Monarch, als König dich zu zeigen:
Doch wisse dieses auch: der Geiz ist Römern eigen." Pag. 149.
Ia-01-1778-0239
7)
Ia-01-1778-0240
"Marull."
"Marull weis Ökonom zu sein;
Er hasset alle Prasser.
Als Gast verlang er immer Wein; –
Zu Hause trinkt er Wasser. -" Pag. 150.
Ia-01-1778-0241
8)
Ia-01-1778-0242
"Der Bescheid."
"Wilst du der deutsche Bako
werden?
Ein Cherbury,
ein Milton? Nein! –
Auch Yorik nicht, und
Diderot? auf Erden
Gepriesen, so wie sie, zu sein? –
Nein! Nein!
Nichts will ich werden;
Nur was ich bin, ganz sein. – – " Pag. 174.
Ia-01-1778-0243
9)
Ia-01-1778-0244
"Der Schulze in
der Schenke."
"Wie eitel ist doch Fleis und Müh;
Mir stirbt jetzt alles Vieh.
Die besten Rinder, Schaaf und Küh
Sind todt.
Auch uns starb manch Stük Vieh –
So sprach ein Greis, doch sieh!
Nur unser Stier –
die Schenke schrie:
Manuskriptseite
150.
Nur unser Schulze
– nie." Pag. 190.
Ia-01-1778-0245
10)
Ia-01-1778-0246
"Posthumus."
"Wenn Posthumus, nach altem Brauch,
Am Abend brav getrunken:
Alsdann verspricht auf Morgen früh,
Er alles; hält es aber nie.
O, tränk' er doch des Morgends auch! – " Pag. 222.
Ia-01-1778-0247
11)
Ia-01-1778-0248
"Auf den neugierigen
Purzel."
"Herr Purzel eilt, um auszugehn,
Ein Bär und Affe sind zu sehn.
Der Thor! Er hat ja schon zu Hause ganz genau
Von beiden die Kopie, vom Affen in dem Spiegel, –
Vom Bär in – seiner Frau. – " Pag. 223.
Ia-01-1778-0249
12)
Ia-01-1778-0250
"Grabschrift des
Porkus."
"Wanderer! unter diesem Steine
Liegt der Leib, und die Gebeine
Des feisten Porkus begraben.
Frägst du nach seiner Seele:
So wiß' er glaubte keine,
Und schien auch keine zu haben." Pag. 269.
Ia-01-1778-0251
13)
Ia-01-1778-0252
"An einen Schmetterling".
"Kleiner bunter
Schmetterling!
Scherzhaft, munter
Flatterst du
Auf ein kleines Blümchen zu.
Flattern, Närchen,
Flattern, Närchen,
Kanst du wohl;
Aber denken? – Nein
Solten unre süssen Herchen
Wohl vielleicht nur Schmetterlinge,
Und verwünscht durch Feen sein?" – Pag. 286.
Manuskriptseite
151.
Ia-01-1778-0253
XVII.
Ia-01-1778-0254
Die
Stimme des Hirten. Vertraute Reden eines Pfarhern an seine Pfarkinder.
Auf alle Sontage im Jahre. Vom Hern Reguis,
d. Z. Pfarhern des Kirchsprengels
zu Gap. Non ut confundam vos haec scribo, sed ut filios
carissimos moneo. 1. Cor. 4, 14. Aus
dem Französischen übersezt. Zweite Sontagspredigten. Erster
Theil. Leipzig und Wien, verlegts Johan Paul
Kraus, Buchhändler in Wien, 1774.
Ia-01-1778-0255
1) Vom Menschen.
Ia-01-1778-0256
"Ob ihr reich, oder
arm, von vornehmen oder geringen Herkommen, über x...x
andere erhaben, oder unter alle herunter gesezt seid; ob ihr das
Ansehen, Ehre und Ehrenstellen, oder nichts von dem allen habet, und in
der Dunkelheit, Vergessenheit und Verachtung der Menschen lebet; ob ihr
Herr oder Knecht seid, in einem Pallaste, oder in einer schlechten Hütte
wohnet; kostbare Kleider traget, oder mit Lumpen bedekket seid; ob ihr
einen Überflus an Gütern habet, oder vor Hunger sterbet; ob ihr gesund
oder krank seid, von Ergözlichkeiten berauschet, oder vom Schmerze und
Betrübnisse zu Boden geschlagen werdet; mit einem Worte, euer Zustand,
euer Schiksal, euer Theil
{mag} auf der Welt mag auf der Welt
beschaffen sein, wie er wil, alles dieses ändert
an eurer Natur nichts; ihr seid deswegen weder
mehr, noch weniger ein Mensch, das heist, ein mit Vernunft und Verstand
begabtes Geschöpf; das übrige ist etwas fremdes, und gehöret euch nicht
zu. Eure Seele mag sich immerhin an die Güter dieser Welt hängen; diese
Güter sind nicht was ihr seid. Eure Herschaften, eure Heerden,
eure euer Amt,
Manuskriptseite
152.
euer Ansehen sind
nicht, das was ihr seid. Die Kostbarkeit, oder
die Armseeligkeit eures Hauses, eurer Kleider, eures
Hausgeräthes, eures Tisches, ist nicht, was ihr seid. Die Lobsprüche,
die man euch xx
ertheilet; die Ehrenbezeigungen, die man euch erweiset; Die
Ergözlichkeiten, die euch umgeben, sind nicht, was ihr seid. Das Elend,
welches euch zu Boden schlägt; der Verdrus, der euch das Herz abnagt;
die Verachtung, die man gegen euch an den Tag legt; die Schimpfworte,
die man gegen euch ausstösset; die Schmerzen, die euch quälen und martern;
alles dieses, alles dieses ist nicht, was ihr seid; und so lange ihr die
Augen nur auf diese Dinge richtet, werdet ihr euch selbst niemals kennen
lernen. Als ihr auf die Welt kamet, waret ihr ein vernünftiges Geschöpf,
und weiter nichts. Wenn ihr wieder aus der Welt gehet, werdet ihr ein
vernünftiges Geschöpf, und weiter nichts sein. Ihr seid nakkend aus dem
Schoosse der Erde, unserer algemeinen Mutter,
gekommen, und ihr werdet auch wiederum nakkend und von allem ent
entblösset in dieselbe zurük kehren. Wenn ihr euch also recht wollet kennen
lernen; so müsset ihr zuvörderst die Augen vor
allem denjenigen verschliessen, was euch umgiebt, ihr möget davon gerühret
werden, auf was für eine Art ihr immer wollet. Alsdenn müsset ihr eure
Blikke auf die vernünftige Seele richten, die euch von den ver
unvernünftigen Thieren unterscheidet, und auf alles übrige weiter nicht
nicht Acht haben, alls daß ihr untersuchet, ob ihr es gebrauchet, wie
es ein vernünftiges Geschöpf gebrauchen sol. – Wenn wir nun nur einigermassen
über die Kräfte unserer Seele nachdenken wollen,
so werden wir gar bald gewahr werden, daß der Mensch wirklich das Bild
Gottes ist. Wir werden in unserer Vernunft das Bild und gleichsam einen
Strahl von seinem Lichte antreffen. Der Mensch ist mit einer Weisheit,
einer Vorsichtigkeit, einer Gerechtigkeit, einer Gütigkeit und einer Macht
begabet, die von niemand anders, als von Gott, herkommen
können, und welche augenscheinlich x...x
eine Mittheilung
Manuskriptseite
153.
seiner Weisheit,
seiner Vorsehung, seiner Gerechtigkeit, seiner Güte und seiner ewigen
Macht sind. Stehet hier einen Augenblik stille, meine Brüder, und sehet
also, was der Mensch ist. Er denket; dieses ist nicht genug; er denket
über seine Gedanken nach, er betrachtet sie,
erwäget sie, verbindet sie, ordnet sie, und siehet die Verhältnisse ein,
die sie s mit einander haben. Sein Gedanke fleugt,
so zu sagen, in einem Augenblikke, von einem Ende des Erdbodens bis an
das andere. Er durchwandert die Himmel, und mist ihren Umfang.
Er begiebt sich in die Tiefen Abgründe,
des Meeres, und erforschet seine Tiefe. Er gehet zurük, und siehet das
Vergangene, als ob es gegenwärtig wäre. Er betrachtet, vermöge seiner
Vorhersehung und seiner richtigen Muthmassungen, das Zukünftige. Das,
was in den Wahrheiten der Natur am verborgensten ist, aufsuchen, herausbringen
und entdekken; das, was in den Wahrheiten der Sittenlehre am
volkommensten und erhabensten ist, einsehen und begreifen; unzählige Bücher
von allerlei Materien herausgeben, vermehren und häuffen; was ist denn
also dieser Verstand, der alles kennen und einsehen wil? diese Flamme,
welche ausbricht, sich x
erhebt, sich ausbreitet, und durch alles hindurchdringen
wil? Kan man wohl das Bild des allerhöchsten Wesens daran verkennen, dessen
ewiger Blik auf einmal siehet, was gewesen, was ist, was sein und nicht
sein wird, was werden und nicht werden kan? Verbindet mit der Einsicht
und Scharfsichtigkeit des menschlichen Verstandes seine weisen Betrachtungen,
die Klugheit, die er so wohl in seinem eigenen Verhalten,
als in dem Verhalten anderer, an den Tag legt. Leset, ich wil nicht sagen,
was der der heilige Geist dem Salomo
von den Grundsäzzen der wahren Weisheit eingegeben hat; sondern was die
Heiden vermittelst des blossen Lichtes der x
Vernunft davon entdekt, was sie gedacht, und was sie ihre Schüler gelehret
haben. Stellet euch hierauf x
einen von den Männern vor, die sich durch eine
volkommene
Manuskriptseite
154.
Klugheit bekant
gemacht haben, oder noch bekannt machen, eine
Klugheit, die aus ihren Handlungen, aus ihren Worten, aus ihrem {Verhalten,
und aus ihrem} ganzen äusserlichen Betragen hervorleuchtet.
Eine Klugheit, welche ihre Art mit ihren Freunden, ihren Feinden, den
Fremden, ihren Anverwandten, ihren Vorgesezten, ihren Untergebenen, in
der Freude, in der Traurigkeit, bei den verschiedenen Umständen und mannigfaltigen
Begebenheiten des Lebens zu reden und zu handeln einrichtet. Eine Klugheit,
eine Weisheit, die aus ihren Augen herausleuchtet, die auf ihren Lippen
ruhet, die man ihnen an der Stirne ansiehet, und welche, wie der heil.
Geist sagt, auf ihrem Gesichte zu leuchten und sich über dasselbe ausbreiten
scheinet: Sapientia hominis lucet in vultu eius.
Ist dieses nicht ein Strahl von der tiefen Weisheit, die in Gott
ist, und von welcher wir in allen seinen Werken so liebenswürdige so rührende
Spuren x und Merkmaale
antreffen? – Aus was für einer Quelle hat der Mensch geschöpfet? Wer hat
ihm die Grundsäzze der Gerechtigkeit bekant gemacht, auf welchen alles
beruhet, was wahr, gut, nüzlich, heilig und ehrwürdig
in den Gesezzen ist, welche die Menschen gemacht haben, die Pflichten
des bürger bürgerlichen Lebens einzurichten,
einen jeden bei seinen Rechten, und die Ordnung in der algemeinen und
in einer jeden besondern Geselschaft zu erhalten; um einem jeden zu geben,
was ihm gehört, die einen zu belohnen, die andern zu bestrafen; alle Stände
in Bewegung zu sezzen, und den Gang aller Glieder, aus welchen sie bestehen,
einzurichten? Woher hat der Mensch die innere Empfindung, x
vermöge welcher er das, was gut ist, von dem, was böse ist; das, was recht
und billig ist, von dem, was es nicht ist, unterscheidet?
Woher hat er das Gewissen, welches bei gewissen Gelegenheiten schreiet
und sich empöret, bei andern hingegen sich freuet, und ein geheimes Vergnügen
empfindet, wenn es auch gleich keinen andern Zeugen
seiner Tugend, als sich selbst hat? Ist die Gerechtigkeit derW Menschen nicht augenscheinlich das Bild der
Gerechtigkeit
Manuskriptseite
155.
Gottes? Und machen
uns die innere Zufriedenheit, die Ruhe und die Freude eines reinen Gewissens
nicht wenigstens einen schwachen Begrif von der Ruhe und höchsten Glükseligkeit,
die du, o unendlich volkommenes Wesen, in Betrachtung deiner selbst findest?
– Aber die Güte des Herzens, die einen rechtschaffenen Man so liebenswürdig,
und allen denen, die sich ihm nähern, die von ihm abhängen, von welcher
er abhängt, oder die mit ihm zu thun haben, so schäzbar macht; die Güte
welche macht, daß er es einmal wie das andere fühlet und empfindet, es
mag seinem Nächsten wol oder übel gehen; die sich mit den einen freuet,
mit den andern betrübet, und an eines jeden seinem Gükke oder Unglükke
Theil nimt. Die Güte, die alles leidet, alles vergiebet, und von keiner
Rache weis; welche die Feinde, wie die Freunde umarmet, das Andenken einer
Beleidigung nur deswegen beibehält, damit das innere Vergnügen desto länger
dauern möge, welches sie empfand, als sie dieselbe vergab. Die Güte, welche,
indem sie allen alles wird, die Grossen gegen
die Kleinen so gespräch macht, sich erniedriget,
sich zu ihnen neiget, und sich, so zu sagen, von ihnen x
anbeten läst? Was ist diese Güte? Wie ist sie in das menschliche Herz
gekommen, wenn das menschliche Herz nicht das Gepräge der gutthätigen
Hand an sich hat, die es bildete, die es, wenn ich mich so ausdrükken
darf, mit einigen Tropfen aus der unendlichen Quelle von Güte einmachte,
die sich über alle Wesen ausbreitet, die alle Menschen in ihr Herz einschliesset,
die die Sonne über den Bösen, wie über Guten aufgehen läst, und welche
eine jede lebendige Seele mit ihrem Seegen erfüllet? Hierzu sezzet nun
noch, meine Brüder, die Macht und Gewalt, die Herschaft, die der Mensch
nicht nur über seinen eigenen Leib ausübet,
welcher gleichsam eine Art von einer kleinen Welt ist, deren Geschöpfe
er verschiedene Theile er nach seinem Gefallen ausübet
beweget und regieret; sondern auch über alle Geschöpfe, die zu seinen
Diensten stehen. Er vereiniget sie, trennet sie, erhebet sie, erniedriget
sie, vermehret und ver=
Manuskriptseite
156.
mindert sie; er
sorget für ihre Erhaltung, er befördert ihre Vermehrung; er bringet zusammen,
er theilet, er löset auf, er v versteinert, er
verhärtet, er erweichet. Wie viel vxxs
verschiedene Gestalten giebt er ihnen nicht? Mit was für einer wunderbaren
Veränderung verbindet er nicht die einen xxx
d mit den andern, damit sie zu seinen Bedürfnissen, oder zu seinem
Vergnügen dienen können? Wir haben Nahrung und Speise, wir haben Wohnungen
und Kleider, wir machen die finstere Nacht helle. Wo kömt alles dieses
her? Aus der Erde, die alles hx...xor
hervor bringet. Aber wie viele Gestalten bekommen nicht diese Früchte
und Gewächse unter unsern Händen Sind sie kentlich? Und giebt es deren
nicht eine unzählige Menge, deren sich die mehresten Menschen bedienen,
ohne zu wissen, wie sie die Gestalt
bekommen haben, in welcher sie ihnen so nüzlich oder so angenehm zu sein
scheinen? Wir wollen uns nicht in eine Weitläuftigkeit einlassen, bei
der wir kein Ende finden würden. Lasset uns bei demjenigen stehen bleiben,
was am gemeinsten ist. Betrachtet das Zimmerholz, die Fusböden, und das
Geräthe eures Hauses. Erkennet ihr wohl die
die Bäume daran, unter deren Schatten ihr ehemals sasset? Sehet diesen
schönen Stof, der einem bunten Blumenbeete gleichet.
Erkennet ihr wohl den unmerklichen Faden, den ihr eine ekkelhafte Raupe
habet von sich geben, in dem weissen und feinen Chorhemde, welches ihr
mich tragen sehet? Erkennet ihr wohl an den
Blättern dieses Buchs, welches ihr xx
in euren Händen habet, die grobe leinene oder hänfene Pflanze, die ihr
jährlich auf euren Feldern bauet und einsamlet? Erkennet ihr wohl an den
Kleidern, mit welchen ihr vom Kopfe an bis auf die Füsse bedekt seid,
die Wolle oder das Fel der Thiere, die ihr habet sehen
sehen gebohren werden, die ihr gefüttert und aufgezogen habet, und welche
nur um eurentwillen leben und sterben? Ja, o mein Gott! die Geschiklichkeit,
die Stärke und der Fleis, die du den Menschen verliehen hast, sind wirklich
das Bild von der Macht, die alles aus nichts gemacht hat, und es scheinet,
als ob du, um dieses Bild noch in die Augen fallender
Manuskriptseite
157.
zu machen, uns erlaubt
hättest, dxx dir
es zuvor zu thun, und dich in der Schönheit deiner eigenen Werke zu übertreffen.
Wir wollen uns izzo einmal vorstellen, meine Brüder, und einen Augenblik
sezzen, es befände sich alles, was in der mensch
menschlichen Natur und Vernunft recht, gut, gros, schön, liebenswürdig
oder vortreflich ist, in einem Menschen beisammen, welcher alles, was
die Weisheit tiefes und verborgenes, die Wissenschaften klares und deutliches,
die Künste seltenes, die Gerechtigkeit heiliges,
und die Gütigkeit rührendes hat, in sich versxh
vereiniget; kurz einen Menschen, der alle Tugenden, alle Wissenschaften
und Talente besizt: Wxx
Wer wird nicht mit dem heiligenAugustinus
(über den 8 Psalm) ausrufen:
O Mensch! du bist ein vortrefliches Werk! das Meisterstük des Schöpfers
und sein vorzügliches Werk! – Leset in der alten und neuen Geschichte
das Leben der berühmten Personen, welche die Bewunderung ihrer Zeiten
gewesen sind, und deren Leben der Menschheit so viel Ehre gemacht hat.
Was für edle und erhabene Gedanken! welche Grösse der Seele! welche Grosmuth!
welche Gütigkeit! welches Herz! Sind dieses nicht gleichsam lauter Strahlen
von dem Lichte, welches der Hauch des Schöpfers über den Verstand und
in dem Herzen des Menschen ausgebreitet hat? Kostbares Licht von dessen
Glanze, wie ein gewisser Prophet sagt, man den Wiederschein so gar auf
unserem Gesichte wahrnimt: Signatum
est super nos lumen vultus tui. Giebt dieses Gesicht, auf welchem
sich die Bewegungen unserer Seele abmalen, und gleichsam als in einem
Spiegel erscheinen; geben diese Augen, welche sich, zur Zeit der Freude
oder des Betrübnisses von Natur zum H Himmel
erheben; giebt dieser Mund, der sich bei gewissen Gelegenheiten von sich
selbst aufthut, um unsern gemeinschaftlichen Vater anzurufen;
giebt alles dieses nicht ein Geschöpf zu erkennen, das vom Himmel herab
gekommen ist, und dessen lezter Zwek du allein,
o mein Gott! bist, gleichwie du allein sein Anfang bist? Beweiset
Manuskriptseite
158.
aber die Geschäftigkeit
des Geistes, dessen ausgebreiteste Kentnisse nur die Neugierigkeit vermehren;
der das, was er weis, in Vergleichung mit dem, was er gern noch wissen
möchte, für nichts hält; und der weite Umfang des Herzens, welches sich
erweitert und ausbreitet, nach dem es sich genug
zu thun glaubt; beweisen sie, sage ich, nicht, daß unser Geist eben so
wohl, als unser Herz, etwas unendliches nöthig hat, um so wohl den einen,
als das andere, volkommen zu vergnügen? Ist die Mühe, die wir uns geben,
die Wahrheit zu suchen, oder das Glük zu finden, nicht der unaufhörlichen
Bewegung einer starken Flamme gleich, die sich erhebt, und ihren Mittelpunkt
zu erreichen sucht? Der Mittelpunkt des menschlichen Verstandes ist also
eine ewige Wahrheit? und der Mittelpunkt des menschlichen Herzens
ein unendliches Gut? Es haben also der Verstand und das Herz des Menschen,
das heist seine Seele, die Gotheit zum Mittelpunkte? Sie ist also von
ihr losgerissen? Sie ist also von ihr ausgegangen? Sie ist also gleichsam
ihr Hauch? und wenn ich mich hier des Ausdruks eines heidnischen Schriftstellers
bedienen darf, unsere Seele ist also gewissermassen ein Theil von der
Gotheit selbst? – –" Pag. 69.
70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79.
Ia-01-1778-0257
2) Ein rührendes
Gebet!
Ia-01-1778-0258
"O mein Gott! was
ist das nicht für eine schändliche und abscheuliche Undankbarkeit! Mein
Verstand, mein Herz, meine Gesundheit, meine Stärke, meine Talente, mein
Fleis, meine Güter, alles, was ich besizze, ich selbst, alles, was ich
bin; alles dieses kömt von dir; und ich gebrauche
alles dieses wider dich. Ich mag mich wenden und sehen, wohin ich nur
wx...x wil , über
und unter mir, zur Rechten und zur Linken, in und ausser mir, allenthalben
treffe ich dein Werk und deine Wohlthaten an;
und in deinem Werke, und d in deinen Wohlthaten
finde ich allent=
Manuskriptseite
159.
halben die Werkzeuge
meiner Übelthaten, meines Stolzes, und meiner Eitelkeit, meines Geizes
und meiner Raubereien, meiner Ehrsucht, meiner Rache, meines liederlichen
und ruchlosen Lebens, meiner Irthümer und meines Unglaubens. Ich
beleidige dich täglich, und indem ich dich beleidige, bescheinet mich
die Sonne, die Finsternisse der Nacht verbergen mich; die Erde trägt und
hält mich; die Luft umgiebt mich, ich schlukke sie ein, du lässest es
zu, und alles dieses geschiehet auf deinen Befehl. Mein Verstand siehet
das Böse, und findet ein Vergnügen daran; mein Wille erwählet es, und
mein Herz hängt sich daran. Sie rufen die Gliedmassen meines Leibes zu
Hülfe, und diese Augen, diese Ohren, dieser Mund, diese Zunge, diese Füsse,
diese Hände, alle diese Glieder, die du mit so vieler Weisheit und Gütigkeit
gebildet hast, kommen auf Befehl meiner Seele, und helfen ihr dich schmähen
und lästern; ist wohl jemals eine solche Undankbarkeit und Bosheit gefunden
worden? Ach! Herr, wenn ich noch nicht in den Abgrund der Blindheit und
Bosheit gerathen bin, in welchem der Sünder weiter nichts thut, als daß
er deine strengen Gerichte verachtet, und über deine Drohungen spottet;
so siehe meine Seele, welche dein Bild ist,
mit barmherzigen Augen an, und reiche ihr die gutthätige und väterliche
Hand, deren Werk sie ist, und las an ihr die Züge der Gerechtigkeit, der
Wahrheit und Güte wieder aufleben, welche du ihr eindrüktest, als du sie
bildetest, und welche ich fast ganz ausgelöschet, indem ich Unglükseeliger
mich in dem Kothe und Unflathe dieser elenden Welt herumgewälzet habe.
Las mich endlich den Adel dieser Seele einsehen, las mich ihre Würde in
Ehren halten, und gieb, daß ich das götliche und ewige Orginal, nach welchem
sie ist gebildet worden, niemals aus den Augen lasse.
Du, grosser Gott, bist der unveränderliche Mittelpunkt, von welchem sie
ausgegangen ist, nach welchem sie trachten, und zu welchem sie sich aus
allen ihren Kräften erheben sol. Möchte sie doch diesen elenden Leib nur
verlassen, um hinweg zu eilen, und sich glüklicher
Weise in dem Schoose deiner unendlichen Barmherzigkeit zu verliehren.
– – –" Pag. 95. 96. 97.
Manuskriptseite
160.
Ia-01-1778-0259
3) Strafen! –
Ia-01-1778-0260
"Geizhals, Geizhals,
samle, häufe über einander, mache deine Kästen
vol; kaufe aber auch Jahre, und stirb niemals. Ehrsüchtiger, erhebe dich;
erhebe dich aber, und sezze dich über den Tod. Las ihn
zu deinen Befehlen stehen; las ihn deiner Tage schonen, und sich nicht
daran vergreifen. Unzüchtiger, werde ux...xixhxtrunken in Ergözlichkeiten: mache aber auch
dein Fleisch unverweslich; mache, daß es nicht abzehret, und nicht alt
wird. Behalte die ganze Munterkeit deiner Jugend beisammen, und das Blut,
welches heute in deinen Adern schlägt, müsse niemals stil stehen. Wenn
aber alles dieses unmöglich ist; wenn wir mit aller Gewalt zu dem Hause
der Ewigkeit hingerissen werden; wenn es nicht in unserer Macht und Gewalt
stehet, immer zu leben, auch nicht einmal lange zu leben; wenn wir nur
über die Erde hingehen, als Wandersleute, welche fortgehen, um nicht wiederzukommen;
ach! meine Brüder, meine geliebten Brüder, so sind wir nicht wol bxi
bei Sinnen, und Thoren, daß wir auf derselben leben, und unser Herz an
sie hängen, wie wir es zu thun pflegen." – Pag.
171.
Ia-01-1778-0261
XVIII.
Ia-01-1778-0262
Algemeine
deutsche Bibliothek. Des drei und dreissigsten Bandes erstes
Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai.
1778.
Ia-01-1778-0263
1) Vom Teufel.
Ia-01-1778-0264
"Wir werden je länger,
je mehr überzeugt, daß man Kindern entweder nichts von dxx
den besondern Umständen des Fals Adams sagen,
oder wenn das geschehen sol, sie dieselben lieber mit Mosis
eigenen Worten, der nichts vom Teufel weis, lesen lassen müsse. Wie lange
wil man denn noch zur Schande unserer Vernunft
Manuskriptseite
161.
und, wir wollens
{nur} gerade heraussagen, wies uns vorkömt, zur Beschimpfung der Macht,
Weisheit und Güte Gottes, den Teufel seine bisherige Rolle in der Theologie
fortspielen lassen? In der Theologie, sagen
wir, denn ausser derselben hat er längst sein Ansehen verlohren." – Pag.
70.
Ia-01-1778-0265
2) Eine Erklärung
und Erinnerung.
Ia-01-1778-0266
Überaus richtig
erinnert der V. bei den Worten unsers Hern, Joh.
14, 14. Was ihr bitten werdet in meinem Namen,
(d. h. für mich, zur Ausbreitung meiner Religion, K.
15, 21.) das wil Ich thun: "Diese Zusage der Wunderkraft
ist blos den Aposteln gegeben. Mit diesen
redet ihr {hier} Jesus.
Und die Wundergaben sollen nur so lange
dauern, bis die christliche Religion gegründet
worden. Eph. 4, 11 – 13." Ganz natürlich müssen
in einem an Apostel ergehenden Unterrichte manche,
ja wohl meistens, Lehren vorkommen, die ihre eigenthümliche
Bestimmung, Beruf, Amtausschliessungsweise
betreffen, nicht die Algemeinheit der Menschen
zugleich bezielen, und so in diesem Gespräche, der lezten, von dem, seinem
Tode entgegen gehenden, Lehrer seinen zurükbleibenden
zwölf Schülern ertheilten Instruktion.
–" Pag. 75.
Ia-01-1778-0267
3) Von der Genugthuung
Jesu. (Deutlicher: wider die Genugthuung.)
Ia-01-1778-0268
"Welcher Antagonist
jener Lehre (der Genugthuung) hat diesen lezten
Saz (daß die Güte die Sünden nicht ungestraft läst) geläugnet? Wo ist
aber die Ungestraftheit? Werden die Sünder nicht gestrafet? Wem sollte
nicht bei genauer Beobachtung das mannichfache Unangenehme
und Schmerzhafte, welches der Sünder in Absicht
auf seinen äusserlichen, besonders aber innerlichen
Zustand, hier auf Erden empfinden mus, zu allen
Zeiten merkbar sein, der Strafen nach
dem Tod nicht zu gedenken? Zu was sol
also die Genugthuung, da der Sünder ohnedem x...x
schon für seine Sünden gestraft wird? –" Pag.
76.
Manuskriptseite
162.
Ia-01-1778-0269
4) Vom Zustande
des Judas Ischarioth in der Ewigkeit.
Ia-01-1778-0270
"Es läst sich freilich
sagen, Judas hätte des in ihm aufsteigenden
Gedankens, des Selbstmordes, sich entschlagen,
vom Geize sich losmachen, den Tugendeifer verdoppeln,
durch Lehre und Beispiel Viele zu Jesu
Religion bekehren, zur Glükseeligkeit führen sollen, pp. so würden ihm
"Vergebung und Gnade bei Gott u. dgl. m. gewis,
unbetrüglich gewis" gewesen sein. Es dürfte aber auch, von der
andern Seite, etwan folgendes zu erinnern sein: sein Kummer über jenen
Schrit gegen Jesum, der sich, unter andern,
durch die Zurükgabe der 30 Silberlinge, und die dabei g
ausgesprochenen Worte äusserte, wuchs almählig so an, daß er den Eingang,
oder Eindruk, jener Überlegungen gehindert; Judas
schämte sich vor Andern, besonders vor seinen Mitaposteln,
so sehr, ihre Blikke waren für ihn eben so viele, und so schmerzhafte
Vorwürfe, daß er diesen zu entgehen selbst sich
das Leben verkürzet; wo sich aber solche
Reue offenbart: da ist an keine Verwerfung, keine Verdammung
von Seiten Gottes zu gedenken, wiewohl jener allemal
durch solchen Selbstmord seine Glükseeligkeit nach dem
Todeetwas beschränkt
hat. pp. Diesem sei nun so, oder anders: dem Judas
die Seeligkeit abzusprechen, – eine dem Menschen
in Ansehung seines Mitknechts
überhaupt nicht zustehende Sache: – dazu liefert unsere einzige Quelle,
die h. Geschichte, da sie z. B. sein Verhalten
nach jenem Verrathe nicht ausführlich vorlegt,
uns keine hinlänglichen Data; dazu berechtigen
selbst die Worte Jesu:
es wäre ihm besser pp. (Matth.
26, 24.) gar nicht. Lasset uns nicht vor der Zeit richten,
bis der Herr komme, welcher auch wird ans Licht bringen, was im Finstern
verborgen ist, und den Rath der Herzen offenbaren,
– vielmehr das endliche Schiksal jenes Gesandten Jesu,
demjenigen überlassen, vor dem der ganze Mensch
offen liegt, welcher kent, was für ein Gemächte wir
sind, nicht ungötlich, nicht ungerecht handelt,
der Nahe
Manuskriptseite
163.
ist
bei denen, die zerbrochenes Herzens sind; der nicht ewiglich verstösset,
nicht immer hadert, noch ewiglich Zorn hält, – der
die Liebe ist, und bleibt. – –" Pag.
78. 79.
Ia-01-1778-0271
5) Abermal vom Teufel.
Ia-01-1778-0272
"In der Einleitung
zeigt der ungenante V., daß 2 Petr.
2, 4 und Br. Jud.
v. 6 unter ???e???? ?µa?t. nicht Engel zu verstehen
seien, sondern Gesandte, oder Boten,
– die Männer nämlich, die aus der Wüste Pharan
gesandt wurden, um das Land Kanaan zu besehen,
welches Gott den Kindern Israel versprochen hatte. Diese sündigten;
denn bei ihrer Rükkunft statteten sie dem Volke einen bösen und übertriebenen
Bericht ab, wodurch das Herz desselben verzagt,
und sie abgeschrekt wurden, dem Hern zu folgen, der ihnen die Verheissung
gegeben hatte. 4 B. Mos.
Kap. 13. 14. Häupter und Vorsteher in ihren Stämmen, zu denen sie gehörten,
wachten sie nicht gehörig über ihr Fürstenthum,
über diejenigen, die sich unter ihrer Botmässigkeit befanden, waren sie
nicht geschäftig und besorgt genug, sie auf dem rechten Wege – standhaft
bei dem Hern – zu erhalten. Sie ermunterten
sie auch nicht, und führten sie nicht weiter zu dem versprochenen Besizze;
xx sie ja sie verliessen
im Gegentheile sogar ihre angewiesene Stelle;
denn sie weigerten sich schlechterdings, an der Spizze ihres Volks hinauszuziehen,
so wie es doch ihre Pflicht gewesen wäre. se??a??
??f?? ta?t. – desµ??? ??d???? ?p? ??f?? txt??. – ??? ???s?? pp. bezeichnet
die Finsternis des Unglaubens und Mistrauens, in welcher ihre Herzen gehalten
wurden, bis zu dem Gerichte des grossen Tages, wo der Herr das Urtheil
über sie aussprach, und sie durch die Plage vor
ihm starben. 4 B. Mos.
14, 36 f.; an das künftige Weltgerichte zu denken,
erlaubt der Zusammenhang nicht. – Was der V. in der Untersuchung
über die Stellen A. T. 1 Chron.
21, 1. Hiob Kap.
1. 2. Ps. 109, 6 und Zach.
3, 1. 2. – denn auf diese schränkt er sich gegenwärtig
Manuskriptseite
164.
ein, vorträgt: komt
auf folgendes hinaus. Der Sin der Worte 1 Chron.
21, 1. vergl. 2 Sam.
24, 1. ist dieser. Ein Gegner, ein Feind, vielleicht mehrere, aus der
Nachbarschaft, erhub sich, bedrohete den David,
und sein Volk, mit Krieg. Natürlich muste hierdurch der Gedanke bei ihm
entstehen, sein Volk zu zählen, damit er seine Stärke wissen, und versichert
sein möchte, was er bei dieser Gelegenheit für eine Macht ins Feld bringen
könte. Es geschieht zwar des Feindes, oder Gegners David's
keine besondere Erwähnung. Aber dies beweiset Nichts;
die Geschichte von David's
Feinden, Kriegen, Gefechten pp. würde ein Buch
ausgemacht haben, das weit grösser, als die Bibel
ganze Bibel geworden wäre. – Die ganze Vorstellung
Hiob 1. 2. ist eine
Fiktion des V. dieses Buchs. Die Söhne
Gottes, oder seine Engel oder Gesandten,
stellen die Verehrer des einigen wahren Gottes vor, und Satan
ist der Repräsentant ihrer Widersacher. Beide Partheien werden vor das
Angesicht Gottes gebracht, um uns zu belehren, daß seine Vorsehung anordne,
und warum und was
sie anordne. Durch das kurze Gespräch werden wir untterrichtet, daß Gott
seinen Knecht den Trübsalen übergab, um die
Widersacher oder den Satan zu überzeugen und
zu bekehren. Die Widersacher in diesem Falle waren die Sabäer
und Chaldäer, um derentwillen die Blizze
und die WindeHiobs
Widersacher, und er selbst mit bösen Schwären geschlagen wurde. Dem Repräsentanten
der Widersacher werden also alle diese Mächte
anvertraut – theils, weil sie die Veranlassung
waren, daß diese Mächte gegen Hiob etwas vermochten,
und theils, weil diese Mächte in der That gegen HiobSatan, d. i. Widersacher wurden, und, wenn auch
keine andre Widersacher Einflus gehabt hätten, so wäre es zierlich und
gar nicht unschiklich gewesen, ihnen einen handelnden
Repräsentanten zu geben. Es ist weiter Nichts, als eine – bei den
besten alten und neuern Schriftstellern gewöhnliche
– Personifikation lebloser und verborgener Kräfte. – Ps.
109, 6 ist Satan der Widersacher entweder ein
Verfolger, oder welches wahrscheinlicher ist,
ein Ankläger; denn die rechteHand Hand des Beklagten
war die Stelle des Klägers.
Manuskriptseite
165.
Zachar.
3, 1. 2 ist unter dem SatanThatnai,
der der Stathalter disseits des Stromes heist, Schetharbosnai
und ihre Räthe, (vermuthlich die untergeordneten Landpfleger, die in Gemeinschaft
mit handelten ihnen
handelten) zu verstehen; diese widerstunden dem Josua
im Tempelbau, und sandten eine Klage gegen ihn und sein Volk an den König
Darius (Efr.
5, 3 f.) – waren also in der That Satan gegen
Josua und sein Volk Israel."
– Pag. 89. 90. 91.
Ia-01-1778-0273
6) Von den Empfindungen.
Ia-01-1778-0274
"Wir empfinden durch
die Sinne. Dieses geschieht vermöge einer Berührung
und gewissen Stimmung der Nerven. Die Erschütterung der sinlichen Nerven
erregt in Zasern des Gehirns eine harmonische Stimmung oder Erschütterung.
Hieraus entsteht die Vorstellung. Gesezt nun, die Stimmung der Hirnzasern
harmonirte nicht verhältnismässig mit jener der Nervenzasern: so giebt
es falsche Vorstellung, Irresein: so wie es unordentliche
Empfindungen giebt, wenn die Erschütterung der Nervenzasern mit
nicht mit der erschütternden Ursache im Verhältnisse
ist, wenn sie geringer, heftiger oder anders ward, als sie vermöge der
Berührung hätte geschehen sollen. Bei unordentlichen Empfindungen werden
wir sagen: die Nervenzasern waren mehr oder weniger beweglich; sie waren
gehindert, gedrükt, in einer falschen Lage, oder alzu reizbar; kurz, es
lag ein Fehler in den Zasern der Nerven. Bei unordentlichen
Vorstellungen werden wir sagen müssen: es hat ein Fehler in den
Zasern des Gehirns gelegen. Was also die Hirnzasern unbeweglich, alzu
beweglich, nur nach einer Seite biegsam, oder in einer anhaltenden
gewissen unordentlichen Bewegung erhalten könte, das würde Gelegenheit
zum Wahnsinne geben. Denn so, wie die erste Vorstellung,
welche auf Empfindung folgte, in einer gewissen Stimmung der Hirnzasern
lag, eben so wird auch die Erinnerung, das Nachdenken,
u. dgl. (welches nichts als erneuerte Vorstellungen sind,) in einer wieder
erneuerten schiklichen Stellung der Zasern gegründet sein." – Pag.
145.
Manuskriptseite
166.
Ia-01-1778-0275
7) Das Grab!
Ia-01-1778-0276
"Als du gesäet wurdest,
du heiliger Eichbaum! als du noch nicht dich aus dem Schoosse
des Laubes keimend hervordrängtest und befruchtende
Säfte noch ungesehen für Menschen deine herliche Entwikkelung bearbeiteten;
als in finstrer Stille unten in der Erde alle deine x...x
Kräfte j izt zum Rauschen und zur Verbreitung
edler Schauer geschaffen sich im Kleinen von einander sonderten, da warst
du ganz ein Bild meines Aufenthaltes im Grabe. – Einst, wenn die Sommernächte
ihren Thau über meinen Hügel strömen, und die Winternächte Reif über ihn
hinstreuen, wenn man die leise Stimme in hxhxx
hohen durchweheten Rasen höret, oder ein einförmiges Schweigen
von der Schneewolke niedersinkt; wenn die Biene Dank an meinem Grabe für
die gefundene Blume singt, oder die Lerche,
eine Priesterin Gottes, über meinem Hügel, wenn er am Frühlingsmorgen
dampfet, Hymnen unter die Wolken versendet; dann nimt in ihren dunklen
Schoos die sterbliche Erde alle ihre Uxx
Unvolkommenheiten, die sie meinem ersten Körper liehe, zurük, und indes
alles, was an ihm Staub ist ist, wieder zum Staube
zurükkehret, und der Verwesung sein unerlasbares, aber nur einmal gefordertes
Opfer bringt; indes alles Vergängliche meines
ersten Wesens wieder zu der Mutter übergehet, zur neuen Schöpfung sich
verwandeln sol; da eilen indessen über mir hin die mannigfaltigen Perioden
von Zeiten und Leben. –" Pag.
157.
Ia-01-1778-0277
8) Von der Nonexistenz
des Teufels.
Ia-01-1778-0278
"Jesus
trieb den Teufel aus, heist also nach der original
Bibelsprache, er gab den Rasenden die gesunde
Vernunft, er heilte epileptische Zufälle, u. s. f. Luk.
10, 8. sagt Jesus: Ich sah
wohl den Satan wie einen Bliz vom Himmel fallen, d. i. Ich sah
im Geiste, wie durch er mich und
Manuskriptseite
167.
meine Lehre die
bisherige vermeinte Macht des Teufels, die im Aberglauben, Unglauben,
und herschenden Lastern besteht, auf einmal aufhören, und in sehr kurzer
Zeit von ihrer Höhe herunter gestürzet werde. Luc.
22. Simon, Simon
sieh, der Satan hat euer begehret, u. s. f. heist so viel als:
Simon! es steht dir eine schwere Versuchung
bevor. Wegen des Satans Engels
2 Kor. 12, 7. wird
das Tellerische Wörterbuch angepriesen: Fleisch
und Blut im Gegensazze gegen die FürstenFürsten und Gewaltigen
pp. Eph. 6, 12 sind nach dem Sprachgebrauch
des Apostels, geringe Menschen gegen die Fürsten und Gewaltigen der Heiden,
von denen die ersten Christen so sehr gedrükt wurden. Der
Fürst, der in der Luft herschet, ist
Eph. 2, 2. nach dem Kontexte eine mächtig herschende
oder dichte Finsternis, oder, wenn der Tropus weg ist, Unglauben, Unwissenheit,
herschende Laster." Pag. 196.
197.
Ia-01-1778-0279
"Was Moses
1 B. 3. von der Schlange als einer Verführerin zur Sünde saget, das wäre
uneigentlich und bildlich,
nach Masgebung der angegebenen Umstände zu verstehen. Der Sündenfal ist
auch ohne Teufel begreiflich. Moses
saget nirgends, daß ein böser Geist unter der Schlange verstanden werden
müsse: es sagt dies auch kein anderer Prophet,
nur die Juden verbanden einen bösen Geist mit der Schlange in den spätern
Zeiten, wo sie x...x
von dem heidnischen System schon angestekt waren. Im
Buch Hiob ward des
Satans als eines neidischen und boshaften Feindes, als eines Verläumders
und Anklägers der Frommen, gedacht, ohne daß ein Wort von seiner Natur
gesagt wird. Wie nun das Buch Hiob
mehr ein Gedicht als eine Geschichte ist, so wäre der Hiobische
Teufel, höchstens ein poetischer Teufel. Im 1 Buche
der Könige Kap. 22, 21. 22. ist der Geist ein Gesicht,
das Micha hatte, und beweiset nur, daß die Propheten,
denen Achab traute, nicht aus götlicher Eingebung
redeten. Ein
Manuskriptseite
168.
Gesicht wäre aber
nur eine bildliche Vorstellung. Eben so ists im
Zacharia Kap. 3,
2. Die Egyptischen Zauberer und die Hern zu Endor würden nirgends für
Wirkung eines bösen Geistes erklärt; Sauls
Unruhe und Schwermüthigkeit noch weniger. 1. Sam.
29, 4. und das 1 Buch der Chron. 21, 1. beweise
klar, daß Satan jeden
Widersacher, und nicht einen von den Menschen verschiedenen
bösen Geist bedeute. Psalm 109, 6. bedeute
Satan eben dies; und Psalm 106, 37. wäre es
dem von dem Gözzen zu verstehen; S. 39 wird umständlich
gezeigt, wie die heidnische Teufelshierarchie
unter dem obersten Pluto zu den Juden übergieng,
und eine jüdische Teufelshierarchie unter dem
Beelzebub wurde. Was Christus unter dem Worte
Satan verstund, zeigt sich Matth.
16, 23. Mark. 13,
33. wo er zu Petro sagte: Satan!
(d. i. Verführer,) hebe dich von mir, du meinst nicht,
was götlich, sondern was menschlich ist. Zum Judas
sagte er Joh. 6,
70. Einer unter euch ist ein Teufel, (d. i. ein Verräther, ein böser Mensch,)
u. s. f.. Die Versuchung ChristiMatth.
4, Mark. 1, und Luk.
4, war nach des Verf. Meinung vielmehr ein Gesicht,
als eine wirkliche Begebenheit, und wirklich fallen da die meisten Schwierigkeiten
und Widersprüche weg, wenn man diese Auslegung annimt, die, wenn alle
drei Evangelisten zusammen genommen werden, auch vielen Grund hat, und
der Würde Christi angemesner ist; denn ganz
unsinnig ist es, wenn buchstäblich angenommen
würde, daß der Teufel Jesum mit sich durch die
Luft wegführt, auf die Zinne des Tempels, oder auf einen hohen Berg geführt
hätte. Und wo ist denn
der hohe Berg, auf welchem man alle Reiche
der Welt mit einem Blikke übersehen kan? Alle
Schwierigkeiten fallen bei keiner Auslegung ganz
weg. Wenn man also einmal nicht buchstäblich auslegen kan, so wähle man
lieber diejenige Erklärung, die minder Schwierigkeiten
hat. Nimt man das jüdische
Manuskriptseite
169.
Teufelssystem zum
Grunde der Erklärung: so sind die Schwierigkeiten weit grösser, der Bibelsprache,
und selbst der Vernunft widersprechender, der Würde und der Lehre Jesu
unwürdiger, u. s. f. Überhaupt sind die Worte Satan
und Teufel in allen Stellen des N.
T. ein Bild und der Name
alles Bösen, böser Menschen, der Verfolger, der Feinde und Lästerer der
Wahrheit und ihrer Bekenner, und bezeichnen das alles, was Wahrheit
und Gutes hindert; Zerrüttung
aber und Böses veranlast oder befördert. – – Pag.
300. 301.
Ia-01-1778-0280
XIX.
Ia-01-1778-0281
Algemeine
theologische Bibliothek. Neunter Band. Mietau, bei Jakob
Friedrich Hinz, 1778.
Ia-01-1778-0282
1) Die Stimme der
Weisheit.
Ia-01-1778-0283
"Fange frühe an,
für Gott und für die Ewigkeit zu leben, damit, wenn du von der Welt abgerufen
wirst, du zu deinem Sterben desto geschikter sein mögest: – Thue nichts,
als was du sterbend wünschen wirst gethan zu haben. – Vollende deinen
Beruf mit so beständiger als gewissenhafter Treue. Wisse, daß ein früher
Tod, wenn man darzu bereitet ist, ein um so grösserer Gewin sei. – Tadle
also nicht deinen Schöpfer, wenn er dein Leben bald wid
wieder zurük fodert. – Berichtige die Angelegenheiten dieses Lebens in
Zeiten, damit du in den lezten Augenblikken desselben deinen Geist desto
mehr zu einem seeligen Sterben samlen könnest. – Stirb mit einem
liebreichen und versöhnlichen Herzen gegen alle Menschen, vornehmlich
aber gegen deine Feinde. – Gewöhn dich beständig
daran, Gott und die künftige Welt in einem erfreulichen Lichte zu betrachten,
daß du auf jenen deine
Manuskriptseite
170.
Zuversicht sezzen
darfst, und diese dein bester Trost sein könne, wenn nun alles Irdische
dich verläst, und alles um dich her finster wird. – Und wenn endlich der
Tod für dich da ist, so demüthige dich unter die Hand Gottes, und verlas
mit der tröstlichen Zuversicht die Welt, daß der Herr an dich denkt,
daß du mit deinem Jesu
verherlicht sein werdest. –" Pag.
198. 199.
Ia-01-1778-0284
2) Von den physischen
Übeln {in} dieser Welt.
Ia-01-1778-0285
"Der erste Saz ist
der: Viele Dinge, die wir Übel nennen, sind blosse, nothwendige
Einschränkungen unsrer Natur und unsrer Kräfte.
– Hieher Unwissenheit – Irthum,
– Mangel und AbnahmxAbnahme der Kräfte und natürliche Schwachheit.
– – –"
Ia-01-1778-0286
"Bei dem Irthum,
worüber wir Menschen manchmal als über eine Einschränkung unserer Natur
klagen, sollten wir überdem noch allemal
bedenken, daß nur sehr selten unsre Irthümer
Total= sondern fast allemal Partial=Irthümer
sind. – Daß ein jeder Irthum, als Irthum (auf unsre einmalige Lage Rüksicht
genommen) eine gewisse Beruhigung gebe, und
daß er also in dieser Absicht allemal etwas Gutes habe, und also nicht
ganz Übel seie, daß wir Menschen öfters mit gutem Willen gewissen einzelnen
Irthümern, oft auch einer ganzen Art derselben
nachhängen, weil wir sie für das System unsrer Wünsche, Neigungen, Projekte,
Hofnungen u. dgl. bequem finden. – –"
Ia-01-1778-0287
"Der zweite: Viele
Dinge, die wir Übel nennen, und die auch
in gewisser Absicht diesen Namen verdienen,
sind nichts anders, als heilsame Warnungen
vor weit grössern Übeln. – Auch im
Schmerze selbst liegt etwas
Manuskriptseite
171.
angenehmes. Dies
haben vielleicht die Alten auch nur gemeint. Besonders wenn der, der den
Schmerz fühlt oder ausstehet, auf die Folge sieht, die ihn von demselben
befreien wird. So hatte Sokrates
eine innige Wollust, sich an dem Ort jukken zu können, wo vorhero die
Ketten gesessen hatten. Besonders wird dies sichtbar, sobald der Schmerz
vorüber ist, und man also in den Stand gesezt wird, über den vorigen und
den gegenwärtigen Zustand reiflich nachdenken, und sie beide gegen einander
halten zu können.
Ia-01-1778-0288
Vortreflich beantwortet
Hr. Z. den Einwurf, daß es
manchen Schmerz gebe, der den Körper zerstöhre, oder doch zerstöhren helfe
– hier ist die Antwort:
Ia-01-1778-0289
Freilich giebt es
auch Schmerzen, unter welchen der Mensch erliegt, die seinen Körper zerstöhren
helfen, und die also nicht mehr blxse
blose Warnungen sein können. Aber gemeiniglich ist unser Ungehorsam gegen
vorhergegangene gelindere, sanftere Warnungen,
und also unser eigenes fehlerhaftes Verhalten, Schuld daran; und über
Übel, die wir uns selbst zuziehen, dürfen wir uns doch nicht als über
erlittenes Unrecht beklagen! Giebt es aber seltene Fälle, wo den Menschen
solche zerstöhrende Schmerzen ohne alle seine Schuld treffen, so gehören
sie zu denjenigen Übeln, ohne deren Möglichkeit
wir tausend schäzbare Vortheile entbehren müsten, oder die uns in der
Tugend üben, und der geistigen Volkommenheit näher bringen sollen: ein
doppelter wichtiger Gesichtspunkt, aus welchem wir die natürlichen Übel
bei einer andern Gelegenheit betrachten werden." –
Ia-01-1778-0290
Der dritte: Viele
Dinge, die wir Übel nennen, sind Mittel zu überwiegenden Vortheilen,
oder Bedingungen und Gründe, ohne welche wir dieser Vortheile entbehren
müsten. –
Manuskriptseite
172.
Ia-01-1778-0291
Der vierte:
Viele andere Dinge sind blos nothwendige Veranlassungen
und Antriebe zur Entwiklung und Äusrung unsrer Kräfte.
Ia-01-1778-0292
Der fünfte: Noch
andere sollen unsre moralische Besserung befördern, und uns in der Tugend
üben. –
Ia-01-1778-0293
Der sechste:
Viele Übel sind nothwendige und unvermeidliche Folgen
der Verhältnisse, in welchen die äusseren Dinge gegen uns, und wir gegen
sie stehen. –
Ia-01-1778-0294
Der siebende: Der
Mensch ist selbst der Urheber der meisten und peinlichen Übel, die ihn
hier treffen, und die übrigen würden ihm auch weit leichter und erträglicher
sein, wenn sein Verhalten weiser und besser wäre. –
Ia-01-1778-0295
Der achte: Selbst
der Tod, ist das grosse Übel nicht, wofür er so oft gehalten wird.
– – " Pag. 241. 243. 244. 245.
Ia-01-1778-0296
3) Von der Endlichkeit
der Höllenstrafen.
Ia-01-1778-0297
"Übrigens scheint
der Hr. Z. (Zollikofer)
auch für die Endlichkeit der Höllenstrafen zu
sein, wie es denn wohl auch nicht anders sein kan. "Früher oder später,
sagt er S. 81, wird sich Gott seiner ganzen Schöpfung als die Liebe offenbaren
–" Dergleichen Meinungen stellen Gott so vor, wie er wirklich ist, als
einen gnädigen und nachsichtsvollen Vater aller Menschen und der ganzen
Schöpfung, der aus keiner andern Absicht straft, als um uns Menschen zu
bessern, und auf den rechten Weg der Tugend und Gottesfurcht zurükzuführen.
–" Pag. 247.
Manuskriptseite
173.
Ia-01-1778-0298
4) Moral und Dogmatik.
–
Ia-01-1778-0299
"Die Trennung der
Moral von Dogmatik
– wovon man lange nach Luthers Zeiten noch nichts
wuste, bedauerte er (G. T. Zacharias) auch sehr
und hatte noch immer im Sin, diese beiden Glieder einer unzertrenlichen
Einheit – (denn Glauben und Thun heist Christenreligion,
das Jesus und seine Apostel nie getrent
lehrten,) zu Einem Ganzen in Einem aneinanderhängenden
Vorlesungslaufe wieder zu vereinigen. Daher sagte er auch, die ewig misverstandenen,
und mehrentheils übel beantworteten Fragen izziger Zeit, ob man Dogmatik
oder Moral, oder, jene ebenfals auch predigen solle? eben solche windschiefe
Fragen, ob man für den Kopf, oder für das Herz predigen solle? Daher –
durchs menschliche Scheiden des, was Gott zusammenfügte durch Urbild und
Natur der Sache – hat man doch noch x...x
andere Stükke des ganzen Menschen abgespaltet – Einbildungskraft – Gewissen
– die einige ausschliessend bearbeiten wollen. Die da nun anderseits väterlicher
gesinnet sind, glauben auf der Kanzel in der Sphäre wohlerlernter Kompendiendogmatik
gewissenhaftiglich bleiben zu müssen. – Predige
künftig lauter Bibel, Gottes anschauliche Natur und Menschenherz, Jüngling:
so weist du, was du predigen solst, hast unversiegende Quelle, und wirst
treffende Pfeile auf den ganzen Sin des Menschen, zu seiner Besserung,
abschiessen. –" Pag. 253. 254.
Ia-01-1778-0300
5) Von der Auferstehung
der Toden.
Ia-01-1778-0301
"Die aufmerksame
Betrachtung der Natur lehrt uns schon: 1) daß sterben, aufgelöset werden,
verwesen, ein Mittel eines zweiten Lebens, einer zweiten Zusammensezzung
der Köper Körper sein könne. 2) Daß der der
auf diese Art wieder hergestelte Körper von einer ganz andern Art sein,
Manuskriptseite
174.
eine ganz andre
innere und äussere Beschaffenheit haben könne. Denn, wie verschieden
ist die Weizenstaude mit ihren Wurzeln, ihrem Halme, ihren Blättern, ihrer
fruchtvollen Ähre, wie verschieden von dem vermoderten
Korne, aus dem sie erwachsen ist? Sie ist ja aber doch nichts anders,
als das neubelebte, aufx...xte
auferwekte, in die Höhe gewachsene Korn. Erst mus ein solches Korn verwesen
und sterben, ehe diese Staude entstehen kan. – Und von solchen Beweisen
der Macht und des höchsten Verstandes Gottes ist die ganze Natur vol.
Sterben und wieder auferstehen – zu diesen beiden
Zwekken arbeiten unaufhörlich die regen Kräfte,
die Gott in die Natur gelegt hat. Den Frühling insbesondere mag man mit
Recht einen angenehmen Prediger der Auferstehung nennen. Da wird wieder
lebendig, was todt war; da geschehen tausend und abermal tausend Verwandlungen,
die uns Menschen laut genug zuruffen: Betet Gott, den almächtigen Schöpfer,
an, und fürchtet Tod und Grab nicht, ihr solt leben, ob ihr gleich sterbet.
Wir bemerken dergleichen Verwandlungen insbesondere an einigen Thieren,
die durch das Sterben, durch das Verwesen einen weit schönern, feinern
Sin, und kraftvolleren Leib wid
wieder erhalten, als sie in ihrem ersten Zustande hatten. Sehet zum Beispiele
den schönen vielfarbigen, in der Luft flatternden Schmetterling; wie durchaus
verschieden ist er von dem kriechenden Wurm, der er zuvor war. Er ist
aber doch nichts anders, als eine wieder lebendig gewordne, eine auferstandene
Raupe. – Auf dergleichen Erfahrungen, wil der Apostel, sollen wir aufmerksam
sein. Er wil auch: wir sollen Acht geben auf die Mannigfaltigkeit der
Werke Gottes in der sichtbaren
Manuskriptseite
175.
Schöpfung, wie da
immer ein Körper vor dem andern an Grösse, Gestalt, inrer und äusrer Bildung
verschieden ist, alle aber doch mit der höchsten Weisheit eingerichtet
sind. Nicht ist alles Fleisch einerlei Fleisch,
schreibt er 1 Kor.XV, 39. sondern andres Fleisch
ist der Menschen, ein andres des Viehes, ein
andres der Fische, ein andres der Vögel. Und es sind Himlische
Körper und irdische Körper. Aber eine andre Herlichkeit haben die Himlischen,
und eine andre die irdischen. Aus allem diesen sollen wir nun den
Schlus machen, einmal: Natur und Offenbarung, Vernunft und Schrift, nie
im Streit, wenn sie recht verstanden werden, führen uns zu einer und derselben
Hofnung einer zweiten höhern Art des Lebens; jene, die Natur, durch Winke,
die freilich nur der weisere Kenner ihrer Absichten und Ordnungen verstehen
kan; diese, die Offenbarung, durch Thaten und Verheissungen Gottes, die
dem, der ein Herz hat, ihx
ihre Wahrheit und
Tröstlichkeit zu empfinden, über seine Bestimmung keinen Zweifel mehr
übrig lassen. Dann solten wir aber auch es Gottes Weisheit und Macht zu
trauen: Der Leib, den er uns durch die Auferstehung wieder geben wird,
werde gewis der Herlichkeit jener Welt auf das volkommenste angemessen
sein, werde gerade eine solche Gestalt, solche sinliche Werkzeuge, solche
Kräfte und Fähigkeiten haben, als sich für den Himmel, für jenen volkommneren
seeligen beständigen Zustand schikken. Fleisch und Blut
werde nicht in dieser gegenwärtigen Mischung und Bildung wieder dargestelt
werden. Gar verschiedenalso werde also, seinem Leibe nach, der auferwekte
Mensch von dem gestorbenen sein. Übergehen werde
er durch den Tod und Auferstehung von einem Zustande
der Schwachheit in einen Zustand der Kraft, von einem Zustande enger Einschränkung
in einen Zustand herlicher Freiheit, von einem Erdenleben in ein Engelsleben."
– Pag. 266. 267. 268.
269.
Manuskriptseite
176.
Ia-01-1778-0302
6) Die
Erbsünde.
Ia-01-1778-0303
"Der Mensch empfängt
alle seine erste Kentnis durch die Sinne; die Sinne stellen die Sachen
nicht immer richtig vor. Hier entsteht Irthum, Imagination komt dazu;
der Irthum bekomt Anstrich der Wahrheit – die Vernunft erwacht nach und
nach, sie fängt an zu lallen, die Sinlichkeit schreit, die Vernunft wird
stärker. – Hier entsteht der Krieg – der Sieg ist, wenn er gros ist, abwechselnd
– der Körper wird in nichtsinlichen Bewegungen
immer mehr und mehr geübt – das Blut kälter, langsam gehender – die Nerven
stärker, die durch Erfahrung angelehrte Wachsamkeit grösser. Die
Vernunft besteigt den Thron. – –" Pag.
280.
Ia-01-1778-0304
7) Erklärung des
{Worts, Geistes, im} 8ten Kap. an die Römer.
Ia-01-1778-0305
"V.1. So
ist nun nichts verdamliches an denen, die in Christo
Jesu sind. Diejenigen also, welche aufrichtig an Christum
glauben, sind von der Herschaft der Sünde frei. Die Herschaft der Sünde
wird ?at????µa genent, weil sie die Ursache der Verdammung ist. Daß die
Worte, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach
dem Geist, hier am unrechten Orte stehen und aus dem 4ten V. dahin
gebracht worden sind, wird aus kritischen Gründen gezeiget.
Ia-01-1778-0306
V. 2. Denn
das Gesez des Geistes, der da lebendig macht in Christo
Jesu, hat mich frei gemacht von dem Gesez
der Sünde und des Todes. Denn das geistliche Gesez des Lebens,
d. i. die volkommene Lehre der Religion, welche das Evangelium enthält,
hat mich von der Herschaft der Sünde, worauf der Tod folget, befreiet.
Ia-01-1778-0307
V. 3. Denn
das dem Gesez unmöglich war (sinte mal es durch
das Fleisch geschwächet ward); das thät Gott und
sandte seinen Sohn in der Gestalt des
Manuskriptseite
177.
sündlichen
Fleisches. Denn da es das Gesez, wegen
der grösten Verdorbenheit der menschlichen Natur, nicht thun konte, nämlich
die Menschen recht zu bessern und glükseelig zu machen; so sandte Gott
seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches, der zwar den Menschen
in allen Stükken gleich, aber doch ohne alle Sünde war. Und
verdamte die Sünde im Fleisch durch Sünde. Und um der Sünde willen,
d. i. um uns von der Sünde zu befreien, und verdamte oder zerstörte die
in dem Fleisch wohnende Sünde, d. i. Gott nahm der Sünde durch Christum
die Macht, ferner über die Menschen zu herschen.
Ia-01-1778-0308
V. 4. AufAuf daß die Gerechtigkeit, vom Gesez erfodert, in uns
erfüllet würde, daß wir dasjenige, was das Gesez von uns fodert,
leisten möchten, (weil wir nicht mehr durch die Beherschung der Sünde
daran gehindert würden
werden) die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln,
nicht mehr nach den verkehrten Neigungen unser Leben einrichten, sondern
nach dem Geist, nach der erleuchteten Einsicht und gebesserten
Gesinnung.
Ia-01-1778-0309
V. 5. Denn
die da fleischlich sind, dx
die ihren verkehrten Neigungen folgen, die sind fleischlich
gesinnet, sind nur auf nur die Dinge dieser
Welt und dasjenige, was die Sinne vergnüget, bedacht: die
aber geistlich sind, diejenigen, bei welchen sich diese gebesserte
Gemüthsart findet, die sind geistlich gesinnet,
richten ihre Gedanken auf G geistliche Dinge,
auf die Ausübung der Tugend und Gotseeligkeit.
Ia-01-1778-0310
V. 6. Aber
fleischlich gesinnet sein, ist der Tod,
ist mit lauter Elend verbunden: und geistlich gesinnet
sein, ist Leben und Friede, ist die Ursache einer wahren und beständigen
Glükseeligkeit.
Ia-01-1778-0311
Dasjenige,
was Paullus im Anfange dieses Kapitels überhaupt
von diesen beiden verschiedenen Arten von Men=
Manuskriptseite
178.
schen saget, wendet
er vom 9 bis 17 V. auf die Römer an, es behält
also das Wort Geist auch hier dieselbe Bedeutung.
Ia-01-1778-0312
V. 9. Ihr
aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich: so anders Gottes Geist
in euch wohnet, wofern ihr geistlich gesinnet und so beschaffen
seid, wie ich es vorher beschrieben habe.
Gottes Geist heist hier so viel als eine Gott wohlgefällige Gesinnung.
Wer aber Christus Geist nicht
hat, der ist nicht sein, wer nicht eine solche Gesinnung hat, als
Christus von den Seinigen verlanget, der ist
nicht sein wahrer Jünger und hat an ihm keinen Antheil.
Ia-01-1778-0313
V. 10. So
aber Christus in euch ist, wenn ihr so
gesinnet seid, wie es wahren Christen geziemt:
so ist der Leib zwar todt um der Sünde willen,
so seid ihr zwar, in Ansehung des Leibes, wegen der Sünde, wie alle Menschen,
dem Tode unterworfen, der Geist aber ist das Leben um
der Gerechtigkeit Willen, in Ansehung eurer
Seele aber, die unsterblich ist, habet ihr {eine} immerwährende Glükseeligkeit
als die Frucht eurer Rechtfertigung und als die Belohnung eurer unverfälschten
Tugend zu hoffen.
Ia-01-1778-0314
V. 11. So
nun der Geist des, der Jesum von den Todten
auferwekket hat, in euch wohnet, denn wenn ihr in
eurer Gesinnung Gott, der Jesum von den Todten
auferwekket hat, ähnlich zu werden sucht: so wird auch
derselbe, der Christum von den Todten auferwekket
hat, eure sterbliche Leibe lebendig machen, um des willen, daß sein Geist
in euch wohnet. Euer Leib wird nicht im Tode bleiben, sondern Gott
wird ihn auferwekken, weil die Gott wohlgefällige
Gesinnung, die sich in euch findet, sich auch durch euren Leib wirksam
bewiesen hat. Es findet sich hier eine verschiedene
Leseart; denn anstat d?? t?? ????????t?? ??t?? p???µat?? stehet in einigen
verschiedenen
Manuskriptseite
179.
Handschriften und
bei einigen von den ältesten Kirchenvätern, womit auch einige alte Übersezzungen
übereinstimmen; d?? t? ????????. ??t?? p???µa. Daß aber die leztere Leseart
der andern vorzuziehen sei, wird sehr hier sehr
bündig erwiesen. Auch in den folgenden Versen, selbst im 14ten, bedeutet
Geist die veränderte und gebesserte Gemüthsart eines Christen.
Der knechtliche Geist im 15ten Vers ist eben so
viel als eine knechtische Gesinnung und der kindliche
Geiste eine kindliche Gesinnung.
Ia-01-1778-0315
Wenn es im 16ten
Vers heist: derselbige Geist giebt Zeugnis unserm Geist,
daß wir Gottes Kinder sind, so heist dieses so viel: eben diese
gute Gesinnung lehret oder überzeuget uns, daß wir Gottes Kinder sind.
S?µµa?t??e?? ist hier gesezt anstat µa?t??e??.
Ia-01-1778-0316
Dasjenige, was im
26 und 27sten V. von dem Geist gesaget wird, mus ebenfals von der guten
Gemüthsart eines Wiedergebohrnen verstanden werden. Es beziehen sich diese
beiden Verse auf den 16ten. Der Geist hilft unserer Schwachheit
auf, diese gute Gesinnung Gemüthsart unterstüzzet
uns bei unserm Leiden. Denn wir wissen nicht, was wir
beten solten, wie sichs gebühret. In diesen Bedrängnissen wissen
wir uns nicht zu rathen, und wir getrauen uns nicht, Gott zu bitten, daß
er uns daraus errette. Sondern der Geist selbst vertrit
uns aufs beste, mit unaussprechlichen Seufzen. Die in uns herschende
gute Gesinnung ist gleichsam unser Fürsprecher bei Gott und beweget ihn,
daß er sich unser annimt, wenn wir gleich unser Anliegen nicht mit Worten
ausdrükken, sondern es bei geheimen Seufzern bewenden lassen. Der
aber die Herzen forschet, der weis, was des Geistes Sin sei. Gott
sind diese geheime Seufzer nicht verborgen, sondern er erhöret sie: denn
er vertrit die Heiligen nach dem, das Gott gefält,
diese kindliche Gesinnung ist dem Willen Gottes gemäs und was solche recht=
Manuskriptseite
180.
schaffene Christen
für sich selbst begehren, bleibt nicht unerhört. Wolte man diese Worte
von dem heil. Geist oder von seinen Wirkungen verstehen, so würde im ersten
Fal es sehr unschiklich sein, wenn von Gott gesaget würde, er wisse, was
des heil. Geistes Sin sei; und im andern Fal würden die Worte: er vertrit
die Heiligen nach dem Willen Gottes, anzeigen, daß ein vom heil. Geist
in den Gläubigen gewirktes Gebet auch wohl etwas, das dem Willen Gottes
nicht gemäs wäre, enthalten könne könte. – Pag.
310. 1 311. 312. 313. 314. 315.
Ia-01-1778-0317
8) "Über Wahrheit,
Denken und Lehren."
Ia-01-1778-0318
"Er bemerket sehr
wohl, daß es bei Untersuchung der Wahrheit höchst nöthig sei, immer weiter
zu gehen und daß durch nichts unsere zunehmende Erkentnis mehr gehindert
werde, als wenn man sich einbildet, die Wahrheit bereits völlig gefunden
zu haben, und wenn man unserm Wissen eine gewisse Gränze sezzen wil. Gott
hat einem jeden Menschen Verstandeskraft zu
denken und Herzensgefühl zu folgen gegeben. Ein jeder kan einsehen, was
für Folgen seine Handlungen haben und kan nach und nach seine Fehler verbessern.
Wil er in der Erkentnis der Wahrheit und in der Übung des Guten es zu
einer grössern Volkommenheit bringen, so mus er vor allen Dingen die Leidenschaften
zu beherschen suchen, die das ruhige stille Wandeln zum Tempel der Weisheit
unterbrechen. Hier zeiget sich aber ein grosser
Unterschied unter den Menschen, in Ansehung der Gemüthsfähigkeiten und
der äussern Umstände, welche machen, daß einige eher zum Tempel der Weisheit
gelangen, als andere. Es giebt Männer von zwanzig Jahren und Kinder
von siebenzig, am Verstande und Herzen. Man kan nicht von allen Menschen
einerlei Kentnis erwarten.
Manuskriptseite
181.
Die Wahrheit pflegt
man einzutheilen in die subjektivische, das ist:
die Meinung, die jemand hat, daß eine Sache wahr sei, und in die Objektivische,
das ist, wenn unser Urtheil mit der wahren Natur der Sache übereinkömt.
Eigentlich ist nur das lezte Wahrheit. Weil aber die Menschen nicht vermögend
sind, in allen Fällen ganz richtig zu urtheilen, so ist für sie
dasjenige Wahrheit, was sie auf eine dauerhafte Art ruhig und zufrieden
macht. Der V. fasset dasjenige, was er von der Wahrheit saget, in folgenden
4 Säzzen zusammen: 1) Eine mit der innern Natur der Dinge völlig übereinstimmende
Erkentnis, objektivische Wahrheit, ist bei dem Menschen unmöglich. 2)
Selbst die subjektivische Wahrheit, die Urtheile der Menschen über (viele)
Dinge, sind verschieden. 3) Alle Kentnisse des
Menschen haben auf ihn einen, obwohl
nicht gleichen Einflus. 4) Es giebt gewisse algemeine unleugbare praktische
Säzze. Dergleichen sind, wie hier behauptet wird: 1) der Saz des Widerspruchs,
daß etwas nicht zugleich sein und nicht sein könne. 2) Der Saz von Grund
und Folge, daß nichts ohne Grund sein könne, daß nicht ein und derselbe
Grund andere Folgen haben könne. 3) Der Saz, daß ein erstes gütiges, weises
und höchst mächtiges Wesen sei, und daß dieses Wesen alles glüklich machen
könne, wolle und werde. 4) Der Saz, daß mit
einer gewissen Art sich zu betragen Gutes, und mit einer andern Böses
zusammenhänge, noch ganz unbestimt, mit welcher.
Daß diese Säzze algemein unleugbar und praktisch sind, wird sehr gut
erwiesen und dasjenige, was zur Erläuterung derselben
dienet, hinzugefügt. Frägt man, wie diese Säzze für alle und jede Menschen
recht brauchbar zu machen sind? so antwortet der V. man müsse es mit diesen
Wahrheiten eben so, wie mit einer Arzenei, wobei man auf die besondere
Beschaffenheit des Kranken zu sehen hat, machen. So lange nicht alle Menschen
einerlei Verstandeskräfte, einerlei Herzensgefühle, einerlei Körper, durchgängig
einerlei Situationen
Manuskriptseite
182.
haben, so lange
ist es unmöglich, alle auf gleiche Weise mit glüklichem Erfolg zu behandeln.
Jesus, der volkommenste Lehrer der Wahrheit
hat auch hierin uns das beste Beispiel gegeben, wie man bei dem Unterricht
der Menschen in der Religion sich nach ihrer Einsicht und Schwachheit
bequemen müsse. Er gab algemeine Regeln des Thuns und Lassens, und überlies
die Anwendung derselben eines jeden Gewissen. Er lies ihre unschädliche
Irthümer, ihre Kinderspiele stehen; er sagte nicht allen alles. Ehrfurcht
vor Gott, Zutrauen und Hofnung zu ihm, Liebe gegen alle Menschen, Einschränkung
der Sinlichkeit, ein stilles gelassenes Wesen in allen seinem Thun, und
Aufmerksamkeit auf seine jedesmalige Pflicht sind Gegenstände des Unterrichts
für alle Menschen in ihrem weitesten Umfange . Das sind die Grade von
Kentnis, welchen der gewöhnliche Menschenverstand am nächsten kömt, deren
auch Niemand, wenn er glükseelig sein wil, entbehren kan; ein jeder, dem
dies gesagt wird, sieht ein, daß es gut ist, er fühlt es, die Erfahrung
bestätigt es ihm. Man mus sich hierbei sorgfältig hüten, daß man bei dem
Menschen keine widersprechende Vorstellungen von Gott, seinen Pflichten
und Erwartungen errege, und daß man ihm nicht, um Irthümer willen, Gottes
Strafen androhe. Da fast nie jeder Staat, vermöge der verschiedenen Erziehung
und Beschaffenheit seiner Bürger, ein im Ganzen zwar den übrigen ähnliches,
aber doch in besondern Stükken eigenes Religionssystem hat, und es offenbar
gefährlich sein würde, hierin plözliche algemeine
Änderungen zu machen, insbesondere wenn die Meinungen und Gedanken, woran
jemand gewöhnt ist, nicht schädlich xx
sind, so giebt der V. die Regel: "Man mus schlechterdings
alles Unschädliche stehen lassen und nicht jemanden seine Beruhigungsgründe
wegnehmen, solten sie auch unrer Meinung nach wirklich falsch
Manuskriptseite
183.
sein. Denn haben
wir ihm die genommen und können nichts ihm Genugthuendes an die Stelle
sezzen, so haben wir ihm alles genommen." Ob es gleich keine algemeine
Religion giebt und geben kan, indem zwar gewisse Grundsäzze algemein aber
nicht alle zu gleicher Anwendung für alle sind; so ist doch die christliche
Religion von der Art, daß sie, der Erkentnis und den Wünschen aller Menschen
entsprechen kan. Man mus sie aber in der Simplicität und Klarheit behalten,
in der sie Jesus gelehret hat, nicht mit dem
ganzen Wuste menschlicher Erklärungen, Spizfindigkeiten und subtiler Beweise,
worüber natürlicher Weise keine Vereinigung möglich ist, weil sie sich
zulezt in unendliche Hypothesen und Grillenfängereien auflösen. Wenn der
Unterricht zur Besserung, moralischen Ausbildung und zu der dadurch entstehenden
Beruhigung der Menschen dx...x
{dienen} sol, so hat man dabei nicht nur auf die {Deutlichkeit, sondern
auch auf die} Lebhaftigkeit der Begriffe zu sehen. Daher ist es nicht
gut, ganz die Gefühle aus dem Unterricht verbannen
zu wollen; diejenigen, wovor man warnet, sind falsche Einbildungen, Schwärmereien
und selbst eine zu hochgespante richtige Empfindung. Denn sie gebähren
Aberglauben, Muthlosigkeit, eingebildete Hofnungen, Krankheiten und nicht
selten Verrükkung und einen fürchterlichen Tod. Hieraus folget, daß die
Lehrer der Weisheit und Tugend in ihren Vorträgen
alles sinlose Geschwäz, welches die Unwissenheit erdacht, die Leidenschaften
ernährt und feierliche Koncilien privilegirt haben, und alle unnüzze {Untersuchungen}
Untersux...x über
Säzze, die von Menschen entweder selbst erfunden, oder doch durch
falsche Erklärung entstanden sind, und die nicht vertheidiget werden können,
vermeiden müssen. Die theologischen Streitigkeiten
sind vornehmlich aus der natürlichen Verschiedenheit der Fähigkeiten,
Denkungsarten u.s.w. herzuleiten. Man lies es
Manuskriptseite
184.
nicht bei den einfachen
Religionssäzzen, welche Jesus
vorgetragen hatte, bewenden, sondern verband sie mit verschiedenen Zusäzzen,
wovon man meinte, daß sie dazu gehörten. Um die Religionswahrheiten zu
erklären, nahm man nicht die eigentliche Philosophie, sondern sein ganzes
Unsystem von Grillen, von Einbildungen, Meinungen und Fabeln, welche der
Sekte, zu der man sich bekante, eigen waren, zu Hülfe. Man erdachte allerlei
Hypothesen, merkte man gar einen Widerspruch, so hies die Sache ein Geheimnis,
wolte man dieses angebliche Geheimnis nicht gelten lassen, so wurden Wunder
gebraucht, die Sache zu bestätigen; als wenn wxx
irgend etwasx
eine unglaubliche Sache glaubwürdig machen könte. Das ärgste hierbei ist,
daß man oft diejenigen, welche nach unserer Meinung nicht den wahren Glauben
haben, verleumdet, ihnen allerlei boshafte Absichten andichtet, sie als
gotlose, schädliche Leute, und ihre Meinungen als grundstürzende verderbliche
Lehren abmahlen, ihrer Ehre, ihrem zeitlichen Glük zu schaden sucht, kurz,
nicht eher ruhet, als bis man sie auf die eine oder andere Art
unglüklich gemacht hat. Der V. thut gewisse Vorschläge zur Beilegung dieser
unnüzzen Streitigkeiten. Weil es nicht möglich ist, daß wir alle jemals
ganz gleichdenkend werden solten, so ist es am rathsamsten, sich einander
liebreich und brüderlich zu ertragen und alle Uneinigkeit und Zanksucht
zu vermeiden. Er vergleicht die Irthümer mit den Krankheiten des Körpers,
bei deren Heilung man die gröste Vorsicht anwenden mus. "Aber in der That,
(dies ist die Erinnerung, welche er dabei macht,) meine orthodoxen und
heterodoxen Brüder! nicht alles, was wir dafür
ansehen, sind
Manuskriptseite
185.
bei unserm Nächsten
Krankheiten in der Seele, es sind gröstentheils noch nicht völlig aufgewachsene
Blumen in ihrx...x
in ihrer Erkentnis, Mängel der Ausbildung, oft unschädliche Irthümer auf
beiden Seiten, auf der orthodoxen und heterodoxen,
unschädliche Wahrheiten, oft aber auch bei den Orthodoxen schädliche Irthümer,
und bei den Heterodoxen schädliche Wahrheiten,
nicht an sich, aber für x...x
manchen in der Anwendung, die er nicht recht zu machen weis." – Pag.
329. 330. 331. 332. 333. 334. 335. 336.
Ia-01-1778-0319
9) Denken! – Lehren!
–
Ia-01-1778-0320
"Wir sind wahrlich
dem denkenden Publiko, dem Zweifler auch, Achtung schuldig. Der gemeine
Man hört in unsern Tagen eine freiere Sprache.
Er horcht. Wir müssen keinen Bruder – auch den schwächsten an Einsicht,
nicht gering achten. Ja! wodurch ist er so schwach an Einsichten? Väter
und Brüder, denket! –"Pag.
337.
Ia-01-1778-0321
"Was hat nun die
Welt gewonnen – wie viel ist sie besser geworden, seit dem man so ängstlich
Dreieinigkeit – Erbsünde – Teufels Allenthalbenheit
– unbiblischen Ausdruk Genugthuung – des heil.
Geistes Gottheit – und Jesu höchste Gotheit
– allen Menschen beizubringen gesucht? Wie, wenn man unter sich eins würde,
in 50 Jahren etwan alle dies wegzulassen? Wie wenn man blos Jesu
Lehre nach der Bibel in der künftigen Zeit predigte – und jeder Lehrer
so lebte; solte die Jugend nicht besser einschlagen
– der Sünder nicht leicht zu gewinnen sein – der Denker länger Zweifler
bleiben? Gehe ich zu weit? –" 342.
Ia-01-1778-0322
"Ist es christlich
– menschenfreundlich, sogleich mit Heterodoxie zu betrüben, zu plagen
– wenn man nicht mit dem
Manuskriptseite
186.
Katechismo
– mit den symbolischen Büchern denket? Kleider
haben ihre Moden, verändern sich also. Sind Katechismus und symbolische
Bücher unveränderlich? Ist es christlich, von allen,
die anders denken, zu behaupten, daß sie das
wahre Christenthum ganz verdrängen – ganz umstürzen
wollen? Sind Dreieinigkeit – Erbsünde
– Genugthuung – zwote – dritte Person in dem
einigen götlichen Wesen – pp. das wahre wesentliche
Christenthum? Lavater
sagt: Die Liebe sieht Böses – glaubt aber doch gute Absichten: der Argwohn
sieht Gutes – glaubt doch böse Absichten. Ist es nicht viel gewagt, so
gerade zu in die Seele seines anders denkenden Bruders einzusehn – lauter
Böses zu sehen – zu richten – zu verdammen?
Ist es nicht hart, aus einigen oder allen verdächtig gemachten Kirchen–Meinungen,
Absichten, das ganze Christenthum umzustürzen,
vermuthen {zu} wollen? Er weis, daß Bahrdt unbeständig
– auch wiederruft. Jesus ist menschlich – dies
macht seinem Karakter Ehre. Änderte Luther nie
etwas von seinen Vorstellungen? Wie, wenn der gx...x
grosse Luther in dem Lichte gelebet x...x
das dies Jahrhundert der Welt zugeführet? Wie, wenn er erwachte und merkte,
daß wir nicht weiter gekommen – daß wir die abhalten, die weiter wollen!
würde er nicht ausrufen: O Faule, Furchtsame! – –" Pag.
342. 343. 344.
Ia-01-1778-0323
10) Von der Verdorbenheit
der Menschen.
Ia-01-1778-0324
"Wenn ich x...x
nach der Ursache (der Verdorbenheit der Menschen) forsche, so sehe ich
wohl ein, weil mein Verstand in den ersten
Jahren der Kindheit noch seine Kräfte
Manuskriptseite
187.
nicht recht brauchen
kan, und noch keine Erfahrung erlangt hat, daß er gar leicht in Irthum
gerathen kan. Die Sinne – führen die ersten Begriffe dem Verstande zu,
und da er sie noch nicht zu unterscheiden weis, so hält er alles dasjenige
für gut, was angenehme Empfindungen in ihm erwekket, und der Wille hat
ein Verlangen darnach, – dieses Verlangen wird immer stärker; je mehr
die sinlichen Vorstellungen wiederholt und vermehret werden u. s. w. –"
Pag. 354. 355.
Ia-01-1778-0325
XX.
Ia-01-1778-0326
Algemeine
theologische Bibliothek. Zehnter Band. Mietau, bei Jakob
Friedrich Hinz, 1778.
Ia-01-1778-0327
1) Von der Inspiration
des N. T.
Ia-01-1778-0328
"Wenn jemand Jesum
für einen untrüglichen Boten Gottes – und die Lehren, die wir in den Schriften
des N. T. antreffen, für Säzze derjenigen Religion
hält, die Christus auf götlichen Befehl predigte
und den Aposteln zu predigen befahl, so begreifen wir nicht, was die geglaubte
oder nicht geglaubte Inspiration für einen Einflus haben könne. Die entstehenden
Schwierigkeiten wegen anscheinender Widersprüche
müssen alsdann durch eine richtige Schrifterklärung gehoben werden; die
blosse Lehre von der Inspiration kan dabei nichts thun. –" Pag.
50.
Ia-01-1778-0329
2) x
Toleranz! –
Ia-01-1778-0330
"Du spöttelst, wenn
wir Herdern sanft und
prüfend widerlegen: allein, wenn Schönschwäzzer und Gefühlelektrisirer
und Belletristengenies Semlern
und Tellern zu Religionsleugnern
machen, und aus einseitigerx
Individuelempfindung das Anathem zu ihrem Glauben sprechen, oder sie der
Manuskriptseite
188.
Heuchelei beschuldigen,
und dann doch von Freiheit und Toleranz schwazzen, – ach, Brüder! da fliessen
Thränen aus der Seele des Redlichen, und er schüttelt den Staub von seinem
Kleide, und steht erstaunt über die freche eiserne Stirn der Schaamlosen
und – Gott wolle sie bessern! –" Pag.
152. 153.
Ia-01-1778-0331
3) Von Opfern.
Ia-01-1778-0332
"Hierauf zeigt der
V., daß Opfer, welche ohne moralische Gesinnungen
gebracht würden, in Gottes Augen keinen Werth haben könten, daß die Opfer
immer mit solchen Gebräuchen und Ceremonien begleitet wx...x
waren, welche die moralischen Gesinnungen des Herzens deutlich genug bezeichneten.
Das Waschen des Opfernden; – das Verbot des Opfertiers mit natürlichen
Mängeln, das Auflegen der Hände auf den Kopf des Opferthiers, welches
nach dem Philo ein Zeichen
der Unschuld, und des reinen Sinnes des Opfernden, nach andern ein Zeichen
der Übertragung der Sünde und der Schuld des Menschen auf das Thier sein
solte, war nach des Verf. Meinung
die Weihung auf dem Altar. Die Bedeutung dieses Symbols sucht er aus den
verschiedenen Gelegenheiten, da man sich desselben
bediente, z. B. wenn man Gott etwas empfehlen
wolte, in Fürbitten für andere, wenn man jemanden geistliche Güter mittheilte
u. s. w. zu beweisen; bestätigt sie durch die Fälle, wo diese Ceremonie
bei den Opfern nicht gebräuchlich war, z. B. bei den Zehnten
der Erstg Erstgeburt
(weil diese nicht erst Gott geweihet werden
durften, sondern schon durch
Manuskriptseite
189.
ein götliches Gesez
ein Eigenthum der Priester des Tempels, und daher Gottes waren,) bei dem
Pascha, weil es ein Opfer der Geselschaft war, die durch keine Repräsentanten
vorgestelt werden durfte. So durfte kein Tauber, kein Wahnwizziger und
Minderjähriger, kein Substitut, kein Knecht, kein Eheweib die Hände auflegen,
weil derjenige, der das thun wolte, über sein Eigenthum muste disponiren
können. Die besondre
Absicht des Opfers muste daher noch besonders entweder
durch Bekentnis der Sünde, durch Dank, oder Wunschgebeter
angezeiget werden.
Ia-01-1778-0333
Unter den bedeutenden
Gebräuchen der Heiden bei den Opfern, erklärt der Verf. besonders die
dreimalige Umwindung des Altars mit weisser
Wolle für ein Symbol der Friedfertigkeit und Freundschaft.
Ia-01-1778-0334
Die Opfer, fährt
er fort, waren überhaupt Bundsgebräuche, Zeichen, daß die Menschen mit
Gott in Freundschaft getreten sind; oder, wenn sie durch Übertretung der
Bedingungen des Bundes die Freundschaft mit Gott verlezt hatten, so waren
sie Zeichen der erneuerten Freundschaft, oder Versöhnung mit Gott. Die
Beispiele Isaaks, Abimelechs,
Jakobs, Labans,
u. s. w. lehren, daß die Alten bei einem jeden Bündnis, das sie aufrichteten,
zusammen zu essen und zu trinken pflegten. Eben
das ist aus andern Stellen der heil. Schrift, aus dem Homer,
und andern Profanskribenten erweislich. Wenn
sie also mit Freundschaft stiften oder erneuern wolten, so beobachteten
sie dergleichen Ceremonien. Assen die Götter von den Opfern, so war das
ein Beweis ihrer Freund=
Manuskriptseite
190.
schaft, assen sie
nicht davon, so gaben sie ihr Misfallen und ihren Has dadurch zu erkennen.
Daher heist in der heil. Schrift Opfer auch Brod
oder eine Speise Gottes, 3 B.
Mose21, 6.
8. 17. 21. 22, und das ist nicht blos von dem Speiseopfern zu verstehen.
Daher ward bei allen Opfern Salz gebraucht, 3 B. Mos.
2, 13, ein bekantes Sinbild errichteter Freundschaft, und eines geschlossenen
Bundes. Daher ward auch fein Mehl und Öhl (die x...x
Ingredienzien eines guten Brods, und Brod muste doch bei einer gutbesezten
Tafel sein,) geopfert. Weihrauch gehörte nicht zum Opfer selbst, sondern
war nur da, um den üblen Geruch, der aus dem Schlachten und Verbrennen
so vieler Thiere entstehen muste, zu vertreiben. An Getränken durfte es
auch nicht fehlen. Honig ward bei den Juden nicht geopfert, weil
weil die Heiden ein so nothwendiges Stük des Opfers daraus machten, und
er zur eigentlichen Absicht der Opfer
nicht nöthig war. x...x
Ia-01-1778-0335
Aus diesem allen
scheint dem Verf. zu erhellen, daß die Opfer ihrer eigentlichen Absicht
nach nicht die Stelle des Sünders haben vertreten sollen, daß das Leben
des Opferthiers nicht anstat des Lebens des Sünders sei
hingegeben worden, ohnerachtet man es sich oft so vorgestelt hat. Im A.
Test. ward nichts ausdrükliches davon gesagt. Gott forderte nicht
in allen Fällen, wo eine Versöhnung geschehen solte,
Leben für Leben. Das Speisopfer aus Semmelmehl
z. B. war auch eine Versöhnung für Arme, 3 B. Mos.
5, 13. – Wäre bx...x
Manuskriptseite
191.
den
Opfern die Absicht gewesen, zu wünschen, daß
Gott das Leben der Opferthiere stat des Lebens der Sünder annehmen möchte,
so wäre lediglich die Abschlachtung derselben
nöthig gewesen. Wozu denn alle übrige so sehr
häufige Ceremonien? Ferner, schien es beinahe
unbegreiflich, daß in den Büchern, die ganz eigenthümlich von der Stiftung
und Anordnung der Opfer handeln, und in der Übersezzung dieser Bücher
niemals ??t???, a?t???t?a, a?t????a, – x...xäquivalenter Ersaz, Auswechslung,
und Stelvertretung genant werden, sondern daß
dieser Begrif eines Hingebens des Lebens für Leben nur aus Worten gefolgert
werden mus, die ihn nicht nothwendig in sich
schliessen. Es werden auch Söhnopfer in Fällen gefordert, wo kein Verbrechen
begangen, und also auch kein Tod verwürkt war.
Z. B. ein Weib muste nach ihrem Wochenbette, ein Nasiräer, wenn er sich
irgend einer unreinen Sache genähert hatte, ein Aussäzziger muste ein
Lam zum Opfer bringen, und so muste ihn, wie es dann heisset, der Priester
versöhnen. –" Pag. 219. 220.
221. 222. 223.
Ia-01-1778-0336
"Die Opfer waren
nicht im Stande, Gott zu versöhnen, weil Gott immer derselbe bleibt, und
unmöglich die Opfer als für den Opfernden geschlachtet ansehe, oder durch
sie zu andern Gesinnungen gebracht werden kan. So kan man sie auch nicht
als Strafen oder Bussen ansehen, weil die heilige Schrift davon kein Wort
erwähnt erwähnet. – –" Pag.
226.
Manuskriptseite
192.
Ia-01-1778-0337
4) Das Schulsystem!
–
Ia-01-1778-0338
"Dies grosse Verbrechen,
daß das Schulsystem ganz von der Bibel abweicht, ist aus einem unrichtigen
Verstande der Geschichte des Paradieses und der Stellen Ephes.
4, 22–24. Kol. 3, 8–10 und Röm.
5, entstanden; die apokryphischen Stellen, B. der
Weisheit 1, 13.2, 14. und Sir.
25, 32, haben uns dazu verleitet, und das matte Licht der scholastischen
Weltweisheit hat es so geschehen lassen. Hauptsächlich aber scheinen dem
richtigen Verstande obiger Stellen die Schwierigkeiten im Wege gewesen
zu sein, die man sich in der Ursache von der Sünde
gemacht hat. Es fiel uns leichter zu sagen: die Sünde hat der Teufel in
die Welt gebracht, als: sie ist, da sie doch schon einmal da ist, nach
dem ewigen Plane Gottes entstanden. Die Stelle Röm.
5, 12. 13 enthält weiter nichts, als daß der Tod auf die Sünde folge,
und Adam in der ewigen und unwandelbaren Ordnung Gottes, der erste Sünder
und Sterbliche gewesen sei. –" Pag.
230. 231.
Ia-01-1778-0339
5) Von der Heiligkeit
Adams und andern
Sachen. –
Ia-01-1778-0340
"Gott kann den Menschen
mit keiner sittlichen Volkommenheit geschaffen haben, weil das Anerschafne
etwas natürliches ist, das Sitliche aber aus einer freien Wahl entstehen
mus; die Schrift kent den Teufel nicht in der
Schlange, wie Moses überhaupt desselben nicht
gedenket; sie weis nichts von einem Fal, nichts x...x
von Erbsünde als Erbsündenschuld; sie sagt
nichts von einem ewigen Leben im Paradiese:
also weis sie auch von dessen unglüklichem
Manuskriptseite
193.
Verluste nichts,
man findet auch nichts darin von einem verlohrnen Ebenbilde Gottes, von
einem Kriminalproces, der den beiden ersten Menschen wäre gemacht worden,
noch von einem verunglükten Plane Gottes mit der Menschheit und der ganzen
Welt; Christus kan
nichtdxssx
deswegen von Gott gesandt worden sein, um das vom Teufel zerstörte Schöpfungswerk
des alweisen und almächtigen Sxhxpfuxgs
Schöpfers wieder herzustellen, weil dasselbe nicht verdorben war und Gott
selber sagt: siehe, es ist alles sehr gut; wenn es nur darauf ankäme,
um seelig zu werden, daß man Christum als den Bürgen für die Sünden der
Menschen annehme, so ist die herliche Tugendlehre der Schrift unnüz. –
Dieses System macht den Menschen in dem Baue der Rechtschaffenheit fast
gänzlich unthätig. Er kan täglich Böses thun, und täglich nur wieder,
wie die gewöhnliche Sprache lautet, um Vergebung bitten, um dennoch seelig
zu wxxdxx
werden. Alles, was man sich hierzu zu wünschen pflegt, ist ein ruhiges
und vernünftiges Ende, und, wenn man es stellen kan, unter Singen, Beten
und dem Genusse des heiligen Abendmahls. Die Seeligkeit selbst stelt man
sich, eben weil der Bau der innern Rechtschaffenheit so sehr verkant wird,
als einen Zusta nd, nicht, der uns als tüchtig beschäftigen, sondern uns
nur wohlthun werde, und damit als einen ganz unthätigen Zustand vor. –"
Pag. 234. 235.
Ia-01-1778-0341
6) Von den sinlichen
Vergnügungen.
Ia-01-1778-0342
"So wenig wir die
Auschweifungen unserer thierischen Triebe damit entschuldigen können,
daß uns Gott so und nicht anders geschaffen habe, indem wir, als
vernünftige
Manuskriptseite
194.
Geschöpfe, über
das Thierische in uns zu herschen haben; so wenig ziehen wir damit, daß
wir sie in ihre gehörigen Schranken sezzen, die Natur so weit aus, daß
wir auf der Welt gar kein irdisches Gut besizzen, allem Reize der Sinnen
gänzlich entsagen, und gar keine Ehre empfinden wollen: sonst würden wir
auch zu leben aufhören müssen. Nein! wir sezzen unsern Trieben nur Maas
und Ziel, gx...xs
geniessen aus der Hand des Schöpfers die Ergözlichkeiten und Freuden dieses
Lebens, um unsern Geist und x...x
Körper in Munterkeit zu erhalten; befördern unsern zeitlichen Wohlstand,
so viel es rechtmässig und rühmlich geschehen kan, um selbst zu leben,
die Unsrigen versorgen und andern Gutes thun zu können; und achten die
wahre Ehre hoch, um unsre Würde in Gott heilig zu halten, und um selbiger
werth zu sein.–" Pag. 240.
241.
Ia-01-1778-0343
7) Wir
müssen bei unserer Tugend auch das künftige
Leben sehen! –
Ia-01-1778-0344
"Wir können aus
diesem Leben allein schon genug Bewegungsgründe für die Tugend hernehmen;
aber in der Ausübung zeigt uns diese Aussicht gar zu viele Nebenwege,
es bleibt immer nur beim Äussern, und die innere Rechtschaffenheit
kan zur Noth entbehrt werden. Die algemeinen
Begriffe aber, die wir von unserer ewigen Bestimmung haben, sie sagen
uns
Manuskriptseite
195.
nicht nur, wozu
und warum wir hier rechtschaffen werden sollen, sondern sie gestatten
uns auch keine andere, als eine innere und auch im Tode unauslöschliche
Tugendverfassung unsrer Seele." – Pag.
241.
Ia-01-1778-0345
8) x...x
Von den götlichen Gnadenwirkungen
Ia-01-1778-0346
"Wenn unmittelbare
Handlungen von Gott verrichtet würden, so müste sich ein Zeitpunkt
denken lassen, da Gott diese Handlung noch nicht
hervorgebracht hätte; ein anderer, da er sie hervorbrachte; und wieder
ein andrer, da er hervorgebracht hatte. In jedem dieser Zeitpunkte würde
in dem Begrif von Gott eine Bestimmung sein, die in dem andern Zeitpunkte
nicht stat fände. Dinge, welche verschiedne Bestimmungen haben, sind unter
sich selbst verschieden. Folglich müste Gott bei der angenommenen Voraussezzung
etwas verschiedenes von dem sein, was er in
dem andern wäre. Folglich müste er, wie alle endliche Substanzen, der
Veränderung unterworfen sein. –" Pag.
355.
Ia-01-1778-0347
XXI.
Ia-01-1778-0348
C.
F. GellertsMoralische Vorlesungen.
Erster Band. Nach des Verfassers Tode herausgegeben von Johann
Adolf Schlegeln und Gottlieb Leberecht Heyern.
Neue Ausgabe, mit dem Ehrengedächtnis des Verfassers,
von Hern Ernesti vermehrt. Biel, in der Heilmannischen
Buchhandlung, 1771.
Manuskriptseite
196.
Ia-01-1778-0349
1) Von der Moral,
wie sie das Herz bessert.
Ia-01-1778-0350
"Die Moral ist,
gleich der Sonne, ein Licht, das unsern Geist erleuchtet; sie breitet
ihren Glanz über die sitlichen Gegenstände aus, und kläret dem Auge
des Menschen die mannichfaltigen Schuldigkeiten und Absichten seines Daseins
aus seinen Fähigkeiten und verschiedenen Bestimmungen auf. Allein, sie
ist nicht blos ein Licht, das erleuchtet, sie sol auch das Herz
beleben. Sie sol den Samen der natürlich guten Neigungen erwärmen,
daß er seine Früchte, die Früchte der Tugend und Glükseeligkeit für uns
und andre trage. Unser Geschmak am Guten nimt zu, je mehr wir die Schönheit
und Götlichkeit der Tugend und ihren wohlthätigen Einflus in alle Vxx
Verhältnisse des Lebens kennen lernen. Wir fangen an, das Löbliche, das
Rechtschafne und Gesezmässige der Gedanken, Neigungen und Handlungen lebhaft,
geschwind und in seinen verschiedenen Graden zu empfinden. Und diese Empfindung,
wenn wir sie warten und pflegen, begleitet uns durch alle Umstände des
Lebens, ermuntert uns zu unsrer Schuldigkeit, und macht uns sinreich und
eifrig, sie auf die beste Art zu beobachten. Diese fortgesezte Beobachtung
fliest wieder in unsre Neigung ein, und stärkt sie dankbar mit neuen Kräften.
Es wird uns leichter, gut zu sein, xx
weil wirs schon oft gewesen sind. Ein geheimes Vergnügen, recht gethan
zu haben, breitet sich in unserm Herzen aus, und macht uns muthig, froh
für uns, froh für Andre, freudig gegen Gott;
Manuskriptseite
197.
denn der Tugendhafte,
wie der weiseste König es ausgedrükt hat, ist
getrost, wie ein junger Löwe.
Dieses stille Vergnügen, der erste Segen der Tugend, durchströmt, gleich
einem sanften Bache, das Herz und tränket seine edlen Neigungen; sie schlagen
Wurzel und wachsen. So wächst auch der Abscheu gegen das Laster. Wir erkennen
seine Häslichkeit, seinen schändlichen Einflus, seinen Streit mit der
Vernunft und dem Gesezze Gottes; wir fühlen an unsern eignen
Thorheiten und Vergehungen die bestrafende Last
des Bösen, und lernen es hassen. Dieser Has
begleitet uns in die Versuchungen, und hilft
uns siegen. Wir finden an den Beispielen und dem Umgange der
Rechtschafnen einen Gefallen; unser Herz eifert ihnen nach, und wird {durch
sie} edler. Wir bemerken die Beispiele der Lasterhaften mit Misfallen,
unser Herz verschliest sich ihrem Umgange, und schäzt das Gute desto höher.
So macht ein glükliches Gemählde der Kunst, das neben einem häslichen
aufgestelt ist, unsern Geschmak an dem Schönen nur lebhafter; und das
Misfallen an dem Schlechten erhöht die Liebe zu
dem Schönen. – Auf diese Weise bildet und bessert
die Moral das Herz. –" Pag.
16. 17. 18.
Ia-01-1778-0351
2) Das Hauptgesez
der Moral.
Ia-01-1778-0352
"Thue aus Gehorsam
und mit Aufrichtigkeit des Herzens gegen deinen almächtigen Schöpfer und
Hern, alles, was den Volkommenheiten Gottes, was deinem eigenen wahren
Glükke und der Wohlfahrt deiner Nebenmenschen gemäs ist; und unterlas
das Gegentheil. – –" Pag. 20.
Ia-01-1778-0353
3) Die höchste Pflicht
und das höchste Glük der Seele.
Ia-01-1778-0354
"Wir fühlen Neigungen
zum Guten, die das Gewissen
Manuskriptseite
198.
eingiebt, und die
Vernunft rechtfertiget; wir fühlen Neigungen des Herzens zum Bösen, deren
Schändlichkeit das Gewissen aussagt, x
und die Vernunft durch Gründe erweist. In dem Mangel dieser unerlaubten
Neigungen, und in der grössern Anwesenheit der guten, in der Regierung
der natürlichen Triebe und Begierden des Willens nach den erkanten götlichen
Gesezzen und Absichten, in der Beherrschung unsrer Sinne und Unterdrükkung
der Leidenschaften, in dem Bewustsein, daß wir das sind, was wir nach
dem Plane und der Anordnung Gottes sein sollen, oder vielmehr, daß wir
uns aufrichtig und eifrig bestreben, so gut zu sein, als wir sein sollen;
– darinnen mus unsre höchste Pflicht und das
höchste Glük der Seele bestehen. –" Pag.
22.
Ia-01-1778-0355
4) Ein Beweisgrund
für die Tugend.
Ia-01-1778-0356
"Der Bösewicht,
der diese Güter (die Tugenden) nicht besizt, erklärt sie durch seine Unruhen
und schrekkensvollen Empfindungen für die höchsten. Warum zittert er,
wenn ihm sein Glük nicht mangelt? Der Gute erklärt sie durch seine Zufriedenheit
und ein geheimes Bewustsein für die höchsten. Warum wäre er in ihrem Besizze
ruhig, wenn noch grössere Güter für sein Herz vorhanden wären? Unser Gewissen
kündiget mit einer unwiderstehlichen Beredsamkeit uns diese Eigenschaften
als edel und liebenswürdig, und die entgegen gesezten als schreklich und
strafwürdig an. –" Pag.
23.
Manuskriptseite
199.
Ia-01-1778-0357
5)
Ia-01-1778-0358
Die Tugend! –
"O Jüngling, fas doch diese Lehren,
Jezt ist dein Herz geschikt dazu.
Dem kleinsten Laster vorzuwehren,
Die Tugend ewig zu verehren,
Sei Niemand eifriger, als du.
Durch sie steigst du zum götlichen Geschlechte,
Und ohne sie sind Könige nur Knechte.
Sie macht dir erst des Lebens Anmuth schön.
Sie wird in widrigem Geschikke,
Dich über dein Geschik erhöhn;
Sie wird im lezten Augenblikke,
Wenn alle traurig von dir gehn
In himlischer Gestalt zu deiner Seiten stehn
Und in die Welt der Herlichkeiten
Den Geist, den sie geliebt, begleiten.
Sie wird dein Schmuk vor jenen Geistern sein
Die sich schon auf dein Glük und deinen Umgang
freuen
O Mensch, ist dir dies Glük zu klein,
Um strenge gegen dich, um tugendhaft zu sein?
– –
– Pag. 57. 58.
Ia-01-1778-0359
6) Die Freude! –
Ia-01-1778-0360
"Einen Gott erkennen,
ist der Freude Anfang; einen Gott anbeten, ist der Freude Wachsthum; einen
Gott lieben, ist der Freude völlige Reife. –"
Pag. 128.
Manuskriptseite
200.
Ia-01-1778-0361
7)
Ia-01-1778-0362
Das
Schöne der Welt! –
"O wenn nur aller Menschen Ehre
Die Neigung Andre zu erfreun,
Die Zärtlichkeit und x...x
Liebe wäre,
Welch Glük wär es, ein Mensch zu sein!
Wenn sie einander froh umfiengen,
Und nie durch Tükke hintergiengen,
Durch Neid und Rachgier nie entstelt;
Wenn niemals andre Thränen flössen,
Als welche Lieb und Dank vergössen,
Wie götlich wäre dann die Welt! –" Pag. 158.
Ia-01-1778-0363
8) Von der Erbsünde.
–
Ia-01-1778-0364
"Wir sind in den
ersten Jahren unsers Lebens beinahe, nichts,
als Sin. So lange unsre Vernunft noch nicht erwacht,
vertrit die Empfindung die Stelle der Vernunft;
und wenn sich diese regt, hat jene schon bei den Meisten ihre Herschaft
aufgerichtet. In der Minderjährigkeit des Verstandes, da diejenigen, die
für unsre Erziehung zu sorgen haben, unsre Begierden bilden und uns gewöhnen
solten, von dx...xmässig und richtig zu
empfinden, uns vornehmlich solche Gegenstände zeigen solten, von denen
wir einen edlen Eindruk annehmen könten, werden wir vielmehr den Sinnen
und ihrer Gewalt überliefert. Die Beispiele unterrichten
uns stilschweigend, werden
Manuskriptseite
201.
die Philosophie
unserer Begierden, und stekken uns mit vielen
falschen Begriffen des Vergnügens und Misvergnügens an. Also verstreichen
unsere ersten Jahre. Nunmehr wird es uns schwer, Sachen des Verstandes
zu denken, da wir so lange nichts als die Gegenstände der Sinne gedacht
und empfunden haben. Wir können unsrer Vernunft schwerlich gebieten, wenn
wir ihr gebieten solten. Wir wissen die Güte unsrer
Empfindungen nicht anders zu bestimmen, als nach dem angenehmen
oder widrigen Eindrukke, den die Sinne erreget
haben; und angenehme Empfindungen scheinen uns
allein gute zu sein. Alle Begierden wachsen dadurch,
daß sie oft befriediget worden; und so wächst die Gewalt der Sinlichkeit;
das Nachdenken wird uns beschwerlich; und wir urtheilen von dem Werthe
oder Unwerthe einer Sache nach dem Auge, dem Ohre, dem Gefühle. –" Pag.
233. 234.
Ia-01-1778-0365
XXII.
Ia-01-1778-0366
C.
F. Gellerts Moralische Vorlesungen. Zweiter Band.
Nach des Verfassers Tode herausgegeben von Johann Adolf
Schlegeln und Gottlieb Leberecht Heyern.
Neue Ausgabe, mit dem Ehrengedächtnis des Verfassers,
von Hern Ernesti vermehrt. Biel,
in der Heilmannischen Buchhandlung, 1771.
Manuskriptseite
202.
Ia-01-1778-0367
1) Betrachtung über
die Natur.
Ia-01-1778-0368
"Man fange
von den leblosen Gegenständen an und sehe, wie immer zwo nächst auf einander
folgende Arten von sehr geringem Abstande sind.
Endlich steigen sie auf so vielen Staffeln immer höher, daß die obersten
leblosen Werke den geringsten unter den organischen Körpern fast gleich
kommen. Das Pflanzenreich grenzt an das Steinreich. Man hat die x...x
Korallen, als Seegeschöpfe, für wahre Pflanzen gehalten; und die neuern
Entdekkungen lehren daß ihre so genante Blume ein wirkliches Thier sei.
Von den Thieren steigt die Volkommenheit auf unzähligen Stufen bis zum
Menschen, und von ihm, nach den Lehren der Offenbarungen bis zu den höchsten
Ordnungen der Geister, der Engel und Erzengel.
–" Pag. 435.
436.
Ia-01-1778-0369
2) Vom Menschen.
Ia-01-1778-0370
"Wie der Mensch
das Meisterstük der Schöpfung ist; so ist er auch für den Menschen das
wichtigste und lehrreichste Studium. Schon die
Wohnung seines Geistes, sein Körper ist eine ganze Welt im Kleinen, eine
Welt vol Weisheit und Harmonie. Alle seine Theile sind von der richtigsten
und manche von der zartesten und feisnten Zusammenfügung; jedes ist zu
seiner Bestimmung, die oft so vielfach ist, besonders eingerichtet; und
alle Werkzeuge aller Sinnen, die unter einander so verschieden sind, kommen
doch in dem grosen Endzwekke der Erhaltung des Lebens, der Brauchbar=
Manuskriptseite
203.
keit zu Geschäften,
und des Dienstes, den sie den höhern Kräften x
der Seele leisten, zusammen. – Eben der Mund, durch welchen wir die nöthige
Nahrung empfangen, eben die Zunge, welche uns hierzu behülfich ist, dienen
uns auch die Gedanken unsers Herzens zu offenbaren. Das einzige Werkzeug
der Zunge, welcher Inbegrif von Wundern ist es für uns!
Ia-01-1778-0371
O Zunge, was nur
Geister fassen
Kanst du den Sin doch fühlen lassen,
Durch dich wird der Gedank ein Schal;
Durch süsse Töne kanst du siegen;
in einem Geist herscht das Vergnügen,
Du sprichst: so herscht es überal.
Geheimnis, das kein Wiz ergründet,
Wer hat auf deine Wunder Acht,
Der dich nicht bald, vom Dank entzündet,
Zum Herold deines Schöpfers macht?
Der Mensch hat an seinem Gesichte, diesem zartesten Sinne, den wachsamsten
Hüter wider die Gefahren des Lebens; und in
der aufgerichteten Bildung seines Leibes hat er Würde und Vorzug vor den
Thieren. – Was von seinen Sinnen oder Gliedmassen am nothwendigsten ist,
hat ihm die Vorsehung doppelt geschenkt, damit der Verlust des einen ihn
nicht so gleich ganz hülflos und zu den Geschäften x
und Vergnügungen des geselschaftlichen Lebens unfähig mache. Die Schärfe,
Stärke und Fertigkeit dxx
Manuskriptseite
204.
seiner Sinne ist
genau abgemessen. Wäre sein Gesicht stumpfer und sein Gehör schwächer:
so würden die äusserlichen Theile der Natur
mit ihren Schönheiten grösten Theils für ihn verhült sein, und der geselschaftliche
Umgang würde dadurch viel verlieren. Ein mikroskopisches Auge würde einige
Theile der Natur ekelhaft und andre fürchterlich machen. Ein teleskopisches
Auge würde die kleinen sanften Erhöhungen in Berge, die Berge in ungeheure
Höhen, und die anmuthigsten Thäler in scheusliche Abgründe verwandeln.
Solte der Sin des Gehörs in gleichem Grade stärker werden, so würde der
Schal des Donners uns betäuben, die menschliche Stimme unserm Ohre das
werden, was ihm izt der Donner ist, und ein beständiges Geräusch und Getöse
würde die Stille des Schlafs unterbrechen und alle Ruhe des menschlichen
Lebens stören. Wäre das Gefühl feiner und zarter, so würde uns das, was
uns jezt sanft dünkt, die empfindlichsten Schmerzen verursachen. –" Pag.
441. 442. 443. 444.
Ia-01-1778-0372
3) Was Verleumdung?
–
Ia-01-1778-0373
"Du stehest auf
der Höhe der Pflicht. Siehe die matten Pfeile,
aus dem Thale der Verleumdung auf dich abgeschossen, fallen zu deinen
Füssen nieder. Trit herzhaft darauf und steige auf ihnen noch höher
empor. –" Pag. 490.
Ia-01-1778-0374
4) Es ist ein Gott!
–
Manuskriptseite
205.
Ia-01-1778-0375
Ist es möglich,
daß man den Himmel un die Erde, die Wunder der Weisheit, Macht und Güte,
die sie unsern Augen darstellen, daß man ihre Ordnung und Schönheit, ihre
Anmuth und ihren Nuzzen betrachten und doch keinen Gott erkennen kan?
Ist es möglich, daß man sein eigenes Dasein
glauben, einen denkenden Geist, ein nach Glük entbrantes
Herz, ein redendes Gewissen in sich fühlen, einen wundervollen Körper
mit sich herum tragen, und Millionen Gegenstände für seine Bedürfnisse
eingerichtet sehen, und doch keinen weisen und
almächtigen und heiligen Urheber der Welt glauben und dafür ein Ohngefähr,
eine blinde Nothwendigkeit, an seine Stelle
sezzen kan? – Pag. 640.
Ia-01-1778-0376
XXIII.
Ia-01-1778-0377
Von
der Sicherheit wider die Donner–Stralen. Eine Abhandlung,
welcher die Kur=Baierische Akademie der Wissenschaften eine goldne
Medaille zuerkant hat, von Philipp
Peter Guden. Summa petunt dextra fulmina
missa dei OVIDIUS. Göttingen und Gotha,
gedrukt und verlegt bei Johann Christian Dieterich.
1774.
Ia-01-1778-0378
1) Von der Atmosphäre
der Wolken.
Ia-01-1778-0379
"Eine jede Wolke
hat wiederum ihre Atmosphäre.
Manuskriptseite
206.
D. i. die gleichartigen
Theile begeben sich nicht insgesamt auf eine Stelle dicht beisammen, sondern
ob sie wol sich an einen Ort am dichtesten zusammen fügen; so fliegen
dennoch viele zerstreuete Theilchen um sie herum, welche desto weiter
von einander getrennet sind, je weiter sie vom Mittelpunkte der Wolke
entfernt schweben." Pag. 4.
Ia-01-1778-0380
2) Von der Höhe
der Wolken.
Ia-01-1778-0381
"Die höchsten Wolken
schweben nicht über eine Viertel=Meile in der Höhe, die Gewitte=–Wolken
aber nicht über 1000 Fus insgemein nur 600 Fus, und die Hagel=Wolken stehen
viel niedriger." Pag.
8.
Ia-01-1778-0382
3) Schnee
und Hagel entstehn in dem Augenblikke, wenn sie niederfallen.
Ia-01-1778-0383
"Mir gefält die
Meinung des Hern P. Monestier nebst andern am
besten, welche dafür halten, daß sie {der Schnee
und Hagel} durch Veränderung der Dünste in Betracht ihrer Elementarischen
Theile entstehen, wenn salzigte mit sauren oder schwefelichten vermischt
worden. Hierzu mag vieles freilich vieles beitragen,
wenn die obere Luft einen Wind in der untern
verursacht, und die kalte Luft von Norden herüber treibt, welche die wässerichten
Dünste, so xx über
der Erde stehn, gefrierend macht." – Pag.
11.
Ia-01-1778-0384
4) Von der Länge
der Gewitter.
Ia-01-1778-0385
"Die Gewitter
sind wenigstens 200 Ruthen lang, gemeiniglich noch länger, und haben unten
eine mehrentheils gerade und ebene Fläche, und sind an den Seiten gewölbt."
Pag. 12.
Manuskriptseite
207.
Ia-01-1778-0386
5) Wie die Wolken
elektrisch werden.
Ia-01-1778-0387
"Indem die Wolken
und die Materie woraus sie bestehen wirbelnd
gegen einander herum getrieben werden, so reiben sie sich, und dadurch
werden sie elektrisch. –" Pag.
20.
Ia-01-1778-0388
6) Was ein Gewitter
ist.
Ia-01-1778-0389
"Ein Gewitter ist
dahero nichts anders als ein grosses elektrisirtes Gewölke." Pag.
22.
Ia-01-1778-0390
7) Wie das Wetterleuchten
entsteht.
Ia-01-1778-0391
"Das Wetterleuchten
entsteht, wenn eine elektrische Wolke oder ein
anderer Körper von verschiedener Elektricität der Atmosphäre einer elektrischen
Wolken begegnet. –" Pag. 26.
27.
Ia-01-1778-0392
8) Wie Bliz oder
Donnerstral entstehen.
Ia-01-1778-0393
"Der
Bliz oder Donnerstral entsteht, wenn eine Gewitter=Wolke einem andern
Körper oder einer andern Wolken von entgegengesezter Elektricität zu nahe
komt. –" Pag. 33.
Ia-01-1778-0394
XXIV.
Ia-01-1778-0395
Betrachtungen
über die vornehmsten Wahrheiten der Religion an Se. Durchlaucht den Erbprinz
von Braunschweig und Lünneburg. Mit gnädigster Freiheit.
(Von Jerusalem, 1 Theil) Braunschweig , im Verlag
der Fürstl Waisenhaus=Buchhandlung, 1768.
Manuskriptseite
208.
Ia-01-1778-0396
1) Verschiedenheit
der Thiere.
Ia-01-1778-0397
"Die niedrigste
Pflanze war noch halb Stein; das niedrigste Thier ist sichtbarlich mit
der Pflanze noch verwandt; Halbthiere, die noch in Ästen fortwachsen,
Thiere von Einer Art von Empfindungen, Thiere,
die Fünfe haben; einige, die noch auf der Stelle sterben, worauf sie gebohren
werden, denen ihre Schaale ihre ganze Welt noch ist; andere, die durch
den Geruch, das Gehör, das Gesicht die entfernsten Dinge empfinden; Thiere,
ungeheuer wie Berge; Thiere, denen der Raum von einem Sandkorne, ein Tropfen
Wasser, ein Blat eine Welt ist." Pag.
5.
Ia-01-1778-0398
2) Alles ist nur
Eine Kette, nur ein volkommenes Ganzesx...x
Ia-01-1778-0399
"Und alle diese
Mannigfaltigkeit ist nur eine Kette; vom Stein zur Pflanze, von der Pflanze
bis zum Affen; es sind alles Glieder die sich
berühren. Es ist alles vol, nirgend ein Raum, nichts sich volkommen gleich,
alles stuffenweise. Wo ich mit meinen Augen am Ende bin, da entdekken
mir die Vergrösserungs= und Ferngläser neue Welten; und vielleicht bin
ich auch mit diesen in der Hand noch immer auf den Mittelstuffen dieser
unendlichen Leiter. Die Verbindung bleibt indessen immer dieselbe. Pflanzen,
Thiere, Wasser, die Planeten, die Sonne selbst, alles ist um des anderen
Willen da; es x...x
macht alles nur ein Ganzes, ein volkommenes Ganzes aus. –" Pag.
6. 7.
Manuskriptseite
209.
Ia-01-1778-0400
3) Was ist der Mensch,
wenn kein Gott ist? –
Ia-01-1778-0401
"Und was bin ich,
wenn kein Gott ist? ein noch dunkeler Räthsel. Von lauter sterblichen
Vätern von Ewigkeit her; – das widersprechendste Geschöpfe, von allen
Seiten eingeschränkt, und in allen meinen Aussichten und Begierden unendlich;
mit einer Anlage zu unendlichen Fähigkeiten, um als ein Embryo zu sterben;
ein Herr der Thiere, ein Herr der ganzen Natur, mit allen Schiksalen eines
Insekts; ein todter Staub vol götlicher Kraft; ein denkendes Wesen, das
sich über alle Himmel erhebt; und in dem Augenblik ein Fras der Würmer;
mit dem strengsten Gesez gebohren, ohne Gesezgeber. Wie räthselhaft! wie
finster! –" Pag. 9.
Ia-01-1778-0402
4) Die Mannigfaltigkeit
und Ordnung im Thierreiche.
Ia-01-1778-0403
"Im Thierreiche
finde ich eben die Mannigfaltigkeit, dieselbige
Ordnung. Ein jedes vermehret sich nach dem Maasse
der Nahrungsmittel und seiner Brauchbarkeit; die Fische und Insekten
vermehren sich unendlich, der Walfisch wirft nur zwei Junge, und die Insekten,
damit sie von ihrem Geburtsorte sich so viel mehr verbreiten können,
bekommen vor ihrer Vermehrung Flügel. Unter
den Landthieren ist eben dieses Verhältnis. Die nüzlichern Heerden leben
vom Grase, der gröste Theil der übrigen lebt, um den Reichthum der Natur
zu verfältigen, eines von dem andern; aber vom Löwen in der afrikanischen
Wüsten bis zum Ameisenlöwen, sind die Stärke,
der Instinkt und die Vermehrungskraft in
dem raubenden und leidenden Geschlechte, so genau gegen einander abgemessen
Manuskriptseite
210.
daß
eine jede Art unveränderlich dieselbe bleibt. Sie haben alle einerlei
Nahrungs= und Erhaltungsglieder, aber in einem jeden sind sie nach der
Nahrung die es braucht, nach dem Elemente worin es lebt, und nach seiner
besondern Natur aufs genaueste abgeändert; alles ist gegen einander abgemessen,
der Bau und das Gewicht des Vogels gegen das Gewicht der Luft; der Bau
und das Gewicht des Fisches gegen das Gewicht des Wassers; ein jedes Glied
hat in einem jeden seine abgemessene Stelle, und das genaueste Verhältnis,
mit dem ganzen übrigen Leibe; ich verändre in
Gedanken ein einziges, ich verrükke es um eine
Linie, so ist das ganze Thier ein fühllose Misgeburt. Wo der Mechanismus
aufhört, da fängt der Instinkt an; ein jedes kennet seine Nahrung, seinen
Gatten, seinen Feind, dessen Waffen und Angriffe; es kennet das Maas seiner
eignen Kräfte, es weis, ob es fliehen, ob es
sich zur Wehre sezzen, ob es List zur List seine
Zuflucht nehmen sol. Einige sterben mit einem Sommer, andre sind nur auf
den Winter todt; einige samlen sich mit der
ökonomischsten Vorsicht ihren Wintervorrath, andre reisen mit der
{einer} geographischen Kentnis der Erdgegenden, die den erfahrensten Steuerman
beschämt; und dieser Instinkt ist xx
in dem kleinsten Thiere, weil er zu eines jeden Erhaltung
gleich unentbehrlich ist, eben so stark als
in dem grösten. Nur die höhere denkende Kraft,
wenn ich sie so nennen kan, steigt wiederum,
von unendlicher Weisheit und Güte gemessen, von x...x
dem einfachsten Gefühle, durch unzählige Stuffen immer feinerer Empfindungen,
bis an die Grenzen der Vernunft, in einem jeden Thiere in dem Maasse seiner
übrigen Volkommenheit. Wie unbrauchbar wären
der Hund
Manuskriptseite
211.
und das Pferd bei
allen ihren übrigen Volkommenheiten, wenn sie nicht eben dies Maas von
Gelehrigkeit und Gedächtnis hätten; aber wie unglüklich, wenn sie noch
um den geringsten Grad höhere oder wahre Vernunft hätten. – –
– Pag. 25. 26. 27.
Ia-01-1778-0404
5) Ich stehe mit
der Welt in einer harmonischen Verbindung.
Ia-01-1778-0405
"In eben einer solchen
harmonischen Verbindung mit der Welt stehe ich auch. Meine Figur, meine
Sinne, meine Kräfte – ich bin ganz nach dieser Welt abgemessen. Mein Gesicht,
mein Gehör, alle meine Sinne, könten in eben
so unendlichen Graden schärfer sein; aber ich nehme einen von diesen,
so ist die Welt nicht mehr für mich; ich würde leben können, aber es würde
für mich keine Schönheit, keine Harmonie mehr sein. – –" Pag.
27. 28.
Ia-01-1778-0406
6) Unendlich ist
Gott! –
Ia-01-1778-0407
"Gott ist nothwendig
durch sich selbst; unmöglich, daß er nicht sein könte, unmöglich, daß
er je nicht gewesen, unmöglich, daß er irgendwo nicht sein könte; unendlich
in der Dauer und im Dasein, von Ewigkeit zu Ewigkeit da, von Unendlichkeit
zu Unendlichkeit gegenwärtig. Er ist nicht selbst Dauer oder Raum; Dauer
und Raum sind nur durch ihn, Ewigkeit und Unendlichkeit wären beide ohne
Ihn Nichts. Überal Gott; in jener Ewigkeit, da noch ausser ihm Nichts
war, wo eine ewige Nacht noch die Tiefen dekte, worin nachher durch sein
Wort die Welten wurden, da war Er schon der er ist. In jenen Tiefen, dort
an dem äussersten Ufer der Schöpfung, in einem jeden Punkte, des grenzenlosen
Raums, da ist Er, und ohne Ausdehnung, ohne
Theile,
Manuskriptseite
212.
wo Er ist, unendlich;
alles auf einmal; alles Auge, alles Ohr, alles Vernunft, alles Wirkung;
aber nicht wie die Seele der Welt, sonst wäre er leidend und wirkend zugleich,
so wären ihre Theile, Theile von Ihm, und so würde er alle Veränderungen
der Welt zugleich leiden. Er ist nicht mehr die Seele der Welt, als unsre
Seele die Seele von den Dingen ist die sie
ausser sich empfindet. Überal gegenwärtig mit aller Unendlichkeit; nicht
durch die Wirksamkeit allein, denn Wirksamkeit läst sich ohne Gegenx...xt
{Gegenwart} nicht begreifen, sondern dem Wesen nach, ohne Figur, sonst
wäre er eingeschränkt, und wenn er irgendwo nicht sein könte, so wäre
er nirgend nothwendig. Das einfachste Wesen;
sich immer volkommen ähnlich, in Ewigkeit unveränderlich dassebe; auf
einmal Alles, ohne Wachsthum, ohne Abnahme, denn er ist durch sich selbst.
Unmöglich deswegen auch mehr als Eins. Denn bei mehrern unendlichen Wesen,
die ausser einander und von einander unterschieden wären, wäre keines
unendlich. Dies widerspricht der Natur eines durch sich selbst nothwendigen
Wesens, und diese Einheit wird durch die Gleichförmigkeit und Harmonie
der ganzen Natur bestätigt. –" Pag.
48. 49. 50.
Ia-01-1778-0408
"Der Schöpfer der
Welt ist ein lebendiges, vernünftiges, freies Wesen; hiervon sind wir
so deutlich überzeugt, als wir in der Welt Ordnung und Weisheit wahrnehmen,
und als {wir} in uns selbst eine Kraft zu denken und zu wollen haben.
Wo aber in einem endlichen Wesen ein endlicher Verstand möglich ist, da
ist in dem unendlichen Schöpfer dieser Wesen
ein unendlicher Verstand nothwendig, oder der
Widerspruch
Manuskriptseite
213.
müste in der Unendlichkeit
liegen; dies hiesse aber die Zeit für möglich und die Ewigkeit für unmöglich
halten. Die volkommenste Vernunft kan eine solche Alwissenheit zwar nicht
fassen, aber die schwächste kan sich Gott ohne dieselbe nicht denken.
Alle Geschöpfe empfinden und denken nur durch ihn. Von der Schnekke bis
zum Engel, der mit einem Blikke ganze Welten übersieht, theilte er das
nach Wohlgefallen das Maas der Empfindungen aus. Aber wer hätte seiner
Erkentnis ihr Maas bestimmen können? Meine Erkentnis ist kurz, weil x...x
meine Dauer kurz ist, und sie ist eingeschränkt, weil meine Gegenwart
eingeschränkt ist. Ich erkenne daher nichts als was ich mit meinen stumpfen
Sinnen erreiche, alles nur einzeln, alles stükweise, nach und nach wie
ich es erkrieche, und so wie ich das eine erreiche, so verschwindet mir
das andre schon wieder. Das eine ist mir unendlich
zu gros, das andre unendlich zu klein, und von dem wenigen was ich sehe,
sehe ich noch nichts als die Schaale, das
innere bleibt mir überal verschlossen. Meine Vernunft führet mich zwar
etwas weiter, x...x
meine Einbildung noch etwas weiter, aber, je weiter ich mich wage, je
dunkler und unsichrer wird auch meine Aussicht. Der Weise bauet sich Systemen
und schmeichelt sich als einem Schöpfer der auch Welten bauen könne, aber
eine einzige neue Erfahrung, ein neuer Wurm zernichtet die ganze
Schöpfung. Der Schöpfer der Welt kan nicht so, wie ich, erkennen. Ich
würde ihn erniedrigen, wenn ich aus dem Grunde daß ich auch denke, ihn
mit mir darin vergleichen wolte. Wie sehr mus meine Seele von dem Lebensgeiste
des Wurms schon unterschieden sein! Gott mus nothwendig alles auf einmal
mit der deutlichsten Gewisheit sehen. Er ist allen Dingen unmittelbar
zugegen; hier ist alles in ihm ein Blik, ein
Manuskriptseite
214.
Gedanke; Seine Wohnung
ist der {ganze} unendliche Raum, in einem jeden Punkte desselben ist er
Gott, er würde also nichts kennen, wenn er nicht alles kennete. Und nicht
das wirkliche und gegenwärtige allein; er mus auch das mögliche und x
zukünftige mit eben der Gewisheit und Deutlichkeit kennen; denn er ist
zugleich als der Schöpfer gegenwärtig, dem nothwendig x...x
alles was er erschaffen konte, ewig gegenwärtig sein muste, als der Schöpfer,
der allen Dingen die Natur, die Kräfte, das Maas von Kräften und die Verbindung
gab, wie sie nach seiner Weisheit ihre Wirksamkeit erhalten solten, und
durch dessen almächtigen schöpferischen Willen, alles in seiner bestimten
Wirksamkeit von einem Augenblik zum andern nur fortdauert; denn alles
ist nur Existenz und Kraft, wie und so lange er wil daß es sein sol. Es
müssen also alle mögliche Verbindungen und Folgen der Dinge bis in alle
Ewigkeit in seinem unendlichen Verstande gegenwärtig sein. –" Pag.
58. 59. 60. 61.
Ia-01-1778-0409
7) Heiligkeit Gottes!
–
Ia-01-1778-0410
"Die Heiligkeit
nach ihrer Anwendung auf die empfindenden Geschöpfe ist Güte, in der Verbindung
mit der volkommensten Weisheit ist sie Gerechtigkeit; die eigentliche
grosse moralische Volkommenheit des höchsten Wesens. –" Pag.
71.
Ia-01-1778-0411
8) Nichts
von Ungefähr! –
Ia-01-1778-0412
"Alles ist in der
Welt untereinander wirklich verbunden; es berührt sich alles, das eine
ist in dem andern gegründet, und verrükke ich das eine, so bekömt das
übrige alles eine ganz andre Lage. Ein ungefährer Zufal, der in dem vorhergehenden
nirgend seinen Grund hätte, ist der gröste Widerspruch in der
Natur. Es hat alles seinen Grund und seine Folge; seinen Grund der
der bis an die Schöpfung zurük geht, seine Folge
Manuskriptseite
215.
die bis an das Ende
desselben reicht, und es kan sich so wenig aus der Natur etwas ganz verlieren,
so wenig als aus Nichts darin etwas entstehen kan. –" Pag.
91.
Ia-01-1778-0413
9) Verbindung! –
–
Ia-01-1778-0414
"Eine jede einzelne
Handlung von mir sezzet tausend andre in Bewegung;
ich verliere sie vielleicht in der nechsten Verbindung schon aus dem Gesichte,
aber ihr Einflus kan nicht annihiliret werden; der Verstand des ewigen
Regenten der Welt übersieht sie bis in die Ewigkeit.
Hier ist Muth für den tugendhaften Man, für
den Gerechten, für den Wohlthätigen! Muth, um die Wahrheit und die Tugend
zu ehren – Muth, seine Begierden zu verleugnen, die Kronen der Könige
zu verleugnen, die Welt zu verleugnen – Auch Muth in dem Geringsten getreu
zu sein, auch die kleinste gute Handlung nicht gering zu schäzzen! Unsre
Augen sehen zwar ihre nächste Wirkung nur; auch diese ist vielleicht so
klein, daß sie kaum zu bemerken ist. Ein ernsthaftes Wort, zur Vertheidigung
der Wahrheit und der Tugend geredt – ein gutes beherztes Wort zur Vertheidigung
der Unschuld gesprochen – ein Trunk x...x
kaltes Wassers dem Elenden zur Erquikkung gereicht – eine geringe Hülfe
dem Unterdrükten in seiner Noth gewähret – ein verlassenes Kind mit ein
Paar Worten zum Guten ermuntert – es mit einer Kleinigkeit zur Geschiklichkeit
und Tugend ermuntert – Wir sterben darüber; die That wird auch in keine
Jahrbücher aufgezeichnet, ihre nächsten Folgen werden durch unzählige
Verbindungen durchflochten, endlich komt ihre grosse Wirkung; vielleicht
Jahrhunderte nach uns, in einer ganz andern Gegend, wo kein menschliches
Auge auf ihren Grund zurük spüren kan, aber solte der algegenwärtige Schöpfer
der Welt sie aus seinem Auge indessen verloren haben? –" Pag.
99. 100.
Manuskriptseite
216.
Ia-01-1778-0415
10) Diese Erde ist
eine Wohnung der Glükseeligkeit und Zufriedenheit! –
Ia-01-1778-0416
"Die abgemessene
Stellung der Erde gegen die Sonne, die weise Vermischung ihrer Erdlagen,
die mit eben so vieler Weisheit ausgesuchte
Abwechselung und Lage ihrer Berge und Thäler, ihr unerschöpflicher Reichthum,
die wohlthätigex...xAbwechselung der Jahrzeiten, die liebreiche
Fürsorge für alle Jahrszeiten und Gegenden, die unendlich weise Verbindung
aller ihrer Theile, die weise Vertheilung der Güter über den ganzen Erdboden
– – Denken Sie sich eine Schönheit, die keine Kopie der Natur wäre, denken
Sie sich ein Vergnügen, was sie Ihnen nicht darböte; Sie können sie mit
aller Ihrer Einbildung nicht übertreffen. Dieser Reichthum, diese Schönheit
ist aber offenbar für die empfindenden Geschöpfe nach dem Maasse ihrer
Fähigkeiten, und daher besonders für den Menschen. Denn nehmen
Sie die Harmonie aller dieser Objekte mit unsern Sinnen, nehmen Sie die
besondern Arten der Sinne, wie sie dazu ausgesucht
sind, diesen ganzen Reichthum zu erschöpfen; nehmen Sie den abgemessenen
Grad ihrer Schärfe, das Maas ihrer Reizbarkeit,
die Mässigung dieser Reizbarkeit nach den verschiednen Umständen unsers
Lebens, ihren wohlthätigen Wachsthum und Abnahme
nach dem Alter, den glüklichen Leichtsin unserer Kindheit, die eben so
glükliche Abnahme dieser Lebhaftigkeit mit dem
Alter, die wohlthätige Einrichtung unsers Leibes,
die alle Lebensgeschäfte mit den angenehmsten Empfindungen belohnet, die
weise Einrichtung unserer Glieder die alle diese Geschäfte erleichtert
und womit wir den Reichthum der Natur alle Augenblik nach unsern Absichten
umschaffen, und ins unendliche vervielfältigen. Nehmen Sie die Einrichtung
Ihrer moralischen Natur hinzu; die höhern Vergnügungen der Seele
vernünftigen Seele, welche die
Manuskriptseite
217
Erkentnis der Wahrheit
und die Übung der Tugend Ihnen darbietet, und
deren Reizungen mit dem Alter in dem Maasse
so viel lebhafter werden, als die sinlichen Empfindungen abnehmen; nehmen
Sie die glükliche Fruchtbarkeit der Einbildung, den wohlthätigen Grundtrieb
der Selbstliebe, die wohlthätige Abänderung dieses Triebes in so viel
besondere, und die Empfindungen unsers Vergnügens vervielfältigende Leidenschaften,
den eben so glüklichen, und fast eben so starken Trieb zur Geselligkeit;
die zärtlichen Empfindungen der Freundschaft, die noch sanftern Freuden
des Hausstandes, das reizende Vergnügen sich in allen Situationen des
Lebens auf so mannigfaltige Art wolthätig machen
zu können; nehmen Sie noch hinzu, daß Sie Ihren herlichen Schöpfer in
allen diesen Werken denken, daß Sie ihn darin sehen, empfinden und lieben
können; so müssen Sie bekennen, daß wir nach den Absichten dieses gütigen
Schöpfers, auch in diesem ersten Auftritte unserer Existenz, schon sehr
glükliche Geschöpfe haben sein sollen. –" Pag.
126. 127. 128.
Ia-01-1778-0417
11) Widerlegung
des Einwurfs gegen die götliche Fürsehung, "Der
Mensch ist zu seiner Erhaltung nirgend allein hinreichend." -
Ia-01-1778-0418
"Wir sind (wirft
man ein) zu unserer Erhaltung nirgend allein hinreichend; die Mittel dazu
sind mit karger Hand unter alle vertheilet, das dürftigste Leben erfordert
zu seiner Erhaltung täglich tausend Hände. Aber da die Fürsehung die Welt
so weislich eingerichtet hat, daß diese tausend Hände ohne von
uns gedungen zu sein, in allen vier Theilen der Welt täglich für uns beschäftiget
sind, was beschweren wir uns? Jezt sind alle
Manuskriptseite
218.
Reichthümer der
Natur von Grönland bis Peru unser, und der dürftigste geniest sie so reichlich
als die Früchte seines eigenen Akkers. Können
wir uns auch einen glüklichern Reichthum denken? Was sol ich mit der Stärke
und Geschwindigkeit des Pferdes, da Pferde genug für mich da sind, wenn
ich ihrer nöthig habe; und wird mir die Geschiklichkeit
des Künstlers nicht eben so nüzlich, als wenn ich mir alles selbst zubereiten
müste? Der Akkerman säet für den Weisen, und dieser rechnet ihm dagegen
zu seiner Anweisung den Kauf des Himmels aus; Condamine
und Maupertuis gehen nach Peru
und Lapland, um die Figur der Erde zu messen, und der Schiffer braucht
ihre Berechnungen so sicher, als wenn er sie selbst gemessen hätte.
Ia-01-1778-0419
So findet jede
Pflicht ihr eigen Maas Verstand;
Der eingetheilte Wiz, wird ganz zum Nuz verwandt.
Wollen wir alle gleiche Fähigkeiten des Geistes, gleich feine Empfindungen?
Ein Fontenelle hinterm Pfluge: – was wäre unglüklicher?
Durch die Vertheilung werden alle Kräfte der Natur unser, wollen wir sie
alle in uns selbst vereinigt, so sind sie
sie uns alle unbrauchbar. Die Art und Grösse des Guts macht die wahre
Glükseeligkeit nicht aus; der ist der glüklichste, der die wenigsten unangenehmen
Empfindungen hat; hiedurch bleibt die wesentliche Glükseeligkeit, sich
bei allem Unterschiede der Güter und Fähigkeiten gleich. Hat der Einfältige,
der Niedrige etliche Vorzüge weniger, wie glüklich ist er dafür in seiner
Ruhe; hat der eine so viel feinere Empfindungen, so sind des andern seine
auch so viel sicherer und wohlfeiler gesättigt; hat er nicht so viel Vermögen,
so hat er auch so x...x viele phantastische
Bedürfnisse nicht, wobei der Reiche immer arm bleibt; und die Empfindung
einer dauer
Manuskriptseite
219.
haften Gesundheit,
vergütet dem Akkermanne sehr leicht die ungekanten Vergnügen des Weisen,
und die langweiligen Üppigkeiten des verzärtelten Reichen. Wir müssen
einen jeden nur nach seinen und nicht nach unsern Empfindungen beurtheilen;
und wenn wir uns einbilden, daß das Loos der Mühseeligkeit nur allein
auf die Niedrigen falle, so ist es ein sicherer Beweis daß wir die Grossen
nur nach ihrem äusserlichen Glanze kennen. Die grossen Wohlthaten des
Lebens, die reizenden Schönheiten der Natur, die angenehmen Empfindungen
der Sinne, das Vergnügen der Freundschaft, die zärtlichen Freuden der
häuslichen Verbindungen, geniest der Niedrigste mit dem Reichen und Grossen
in gleichem Maasse, und mit seinen unverdorbenen
Sinnen und seiner gesunden Seele vielleicht noch voller, wie jener. Ein
ruhiges Gesicht und die laute Freude sind der Beweis, wer sie am vollesten
geniest. –" Pag. 135. 136.
137.
Ia-01-1778-0420
12) Alle Vernunft
ist ewig! –
Ia-01-1778-0421
"Ein vernünftiges
Geschöpf, das seine ganze Existenz auf immer verliert, stirbt alle Zeit,
wenn es stirbt, zu früh; es stirbt alle Zeit gegen seine Natur. Eine Maschine
erhält durch ihre Zusammensezzung auf einmal ihre ganze Volkommenheit;
das Thier erreicht auch mit seinem Alter alle Volkommenheit, deren seine
Natur fähig ist. Aber ein vernünftiges moralisches Wesen hat seiner Natur
nach keine Gränzen; nirgend eine Gränze in seiner
Erkentnis, nirgend eine in seinen Wünschen, nirgend eine in seiner
Glükseeligkeit. – Alle Vernunft ist ewig. – " Pag.
243.
Manuskriptseite
220.
Ia-01-1778-0422
Verzeichnis
der Bücher in diesem Bande.
Ia-01-1778-0423
I.
Journual für Prediger.
Erster Band. 1770. Pag.
1.
Ia-01-1778-0424
II.
Journual für Prediger.
Zweiter Band. 1771. Pag. 2.
Ia-01-1778-0425
III.
Journual für Prediger.
Dritter Band. 1772. Pag. 10.
Ia-01-1778-0426
IV.
Predigten von
protestantischen Gottesgelehrten. Erste
Samlung. 1771. Pag. 13.
Ia-01-1778-0427
V.
Predigten von
protestantischen Gottesgelehrten. Zweite Samlung. 1772.
Pag. 23.
Ia-01-1778-0428
VI.
Algemeine theologische
Bibliothek. Erster Band. 1774.
Pag. 24.
Ia-01-1778-0429
VII.
Algemeine theologische
Bibliothek. Zweiter Band. 1774.
Pag. 43.
Ia-01-1778-0430
VIII.
Algemeine theologische
Bibliothek. Dritter Band. 1775. Pag.
50.
Ia-01-1778-0431
IX.
Algemeine theologische
Bibliothek. Vierter Band. 1775. Pag.
59.
XI.
Algemeine theologische
Bibliothek. Sechster Band. 1776. Pag.
77.
Ia-01-1778-0434
XII.
Algemeine theologische
Bibliothek. Siebender Band. 1777. Pag.
85.
Manuskriptseite
221.
Ia-01-1778-0435
XIII.
Algemeine theologische
Bibliothek. Achter Band. 1777. Pag.
99.
Ia-01-1778-0436
XIV.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des zwei und dreissigsten Bandes erstes Stük.
1777. Pag. 130.
Ia-01-1778-0437
XV.
Die christliche
Lehre vom Gebet und der Bekehrung, nebst einem Anhange.
Von Gottfried Less, D. und Pr. der Theol. 1776.
Pag. 131.
Ia-01-1778-0438
XVI.
Neue Mannigfaltigkeiten.
Ersten Jahrganges 1tes und 2tes Quartal. 1774. Pag.
135.
Ia-01-1778-0439
XVII.
Die Stimme des
Hirten. Vertraute Reden eines Pfarhern
an seine Pfarkinder. x
Auf alle Sontage im Jahr. Vom Hern Reguis,
D. Z. Pfarhern des Kirchsprengels
zu Gap. Zweite Sontagspredigten. Erster Theil.
1774. Pag. 151.
Ia-01-1778-0440
XVIII.
Algemeine deutsche
Bibliothek. Des drei und dreissigsten Bandes erstes Stük.
1778. Pag. 160.
Ia-01-1778-0441
XIX.
Algemeine theologische
Bibliothek. Neunter Band. 1778. Pag.
169.
Ia-01-1778-0442
XX.
Algemeine theologische
Bibliothek. Zehnter Band. 1778. Pag.
187.
Ia-01-1778-0443
XXI.
C.
F. GellertsMoralische Vorlesungen.
Erster Band. 1771. Pag. 195.
Manuskriptseite
222.
Ia-01-1778-0444
XXII.
C.
F. Gellerts Moralische Vorlesungen. Zweiter Band.
1771. Pag. 201.
Ia-01-1778-0445
XXIII.
Von
der Sicherheit wider die Donner–Stralen. Von Philipp
Peter Guden. 1774. Pag. 205.
Ia-01-1778-0446
XXIV.
Betrachtungen
über die vornehmsten Wahrheiten der Religion an Se. Durchlaucht den Erbprinz
von Braunschweig und Lünneburg. (von
Jerusalem, 1 Theil) 1768. Pag. 207.
Ia-01-1778-0447
Anmerkung.
Das fünf und zwanzigste Buch, das in diesem Bande
{xxax} enthalten sein solte, (denn in jedem Bande werden alzeit
25 Bücher enthalten sein,) wird in dem folgenden
Bande eingebracht werden. Also werden im folgenden
Bande 26 Bücher sein. -
Manuskriptseite
223.
Ia-01-1778-0448
Register
der in diesem ersten Bande enthaltnen Sachen.
Ia-01-1778-0449
Anmerkung.
Das Register wird
von Seite zu Seite oder wie die Materien folgen,
nicht nach dem Alphabet, gemacht werden.
Ia-01-1778-0450
1) Von der Ewigkeit
der Höllenstrafen Seite 1.
Ia-01-1778-0451
2) Von den Wirkungen
des Teufels 2. -
Ia-01-1778-0452
3) Was die Beredsamkeit
sei 2.
Ia-01-1778-0453
4) Gesinnungen des
Samariters bei dem Anblikke des Elenden 3.
Ia-01-1778-0454
5) Verbindung der
natürlichen Religion mit der christlichen Offenbahrung
3.
Ia-01-1778-0455
6) Der schwerste
und leichteste Beweis für die Wahrheit des Christenthums
6.
Ia-01-1778-0456
7) Von der Kürze
des jugendlichen Lebens 8.
Ia-01-1778-0457
8) Eine Bemerkung
10.
Ia-01-1778-0458
9) Das Glück des
Gottwohlgefälligen 10.
Ia-01-1778-0459
10) Schilderung
des busfertigen Zölners 11.
Ia-01-1778-0460
11) Von der Lehre
Jesu Christi 12.
Ia-01-1778-0461
12) Vom Namen unsers
Erlösers 12.
Ia-01-1778-0462
13) Von der Verdammnis
13.
Ia-01-1778-0463
14) Von der Liebe
gegen die Feinde 13.
Ia-01-1778-0464
15) "Sie wissen
nicht, was sie thun." 15.
Manuskriptseite
224.
Ia-01-1778-0465
16) Von der unendlichen
Weisheit Gottes Seit. 16.
Ia-01-1778-0466
17) Von der Unsterblichkeit
der Seele 21.
Ia-01-1778-0467
18) Die Lehren Jesu
23.
Ia-01-1778-0468
19) Von Akkommodationen
und Allegationen 24.
Ia-01-1778-0469
20) Von {den} christlichen
Tugenden 24.
Ia-01-1778-0470
21 Von der Versöhnung
28.
Ia-01-1778-0471
22) Vom thätigen
Christenthum 30.
Ia-01-1778-0472
23) Von der Existenz
des Teufels 31.
Ia-01-1778-0473
24) Vom Evangelium
33.
Ia-01-1778-0474
25) Eine Erklärung
34.
Ia-01-1778-0475
26) Von den Begeisterten
(Rasenden) 34.
Ia-01-1778-0476
27) Von der Bedeutung
des hebräischen Worts $$$$ 34.
Ia-01-1778-0477
28) Von der Sünde
gegen den heil. Geist und des Menschensohn 35.
Ia-01-1778-0478
29) Erklärung des
Spruchs 1. Kor. 2,
11. 35.
Ia-01-1778-0479
30) Beweis, daß
die Seeligkeit an kein Volk, an keine Religion
gebunden, sondern ein algemeines Gut sei für
alle Menschen 37.
Ia-01-1778-0480
31) Etwas aus dem
Geisterreiche 38.
Ia-01-1778-0481
32) Begrif vom Glauben
43.
Ia-01-1778-0482
33) Von
dem Ebenbilde Gottes 43.
Manuskriptseite
225.
Ia-01-1778-0483
34) Eine Hypothese!
Seit. 48.
Ia-01-1778-0484
35) Von der Tugend.
49.
Ia-01-1778-0485
36) Eine Erklärung!
50.
Ia-01-1778-0486
37) Die Absicht
der Erlösung 50.
Ia-01-1778-0487
38) Die Mittel,
die Heilung unsers Jahrhunderts zu bewerkstelligen 51.
Ia-01-1778-0488
39) Von der Ewigkeit
der Höllenstrafen. 53.
Ia-01-1778-0489
40) Von der Herschaft
über die Kreaturen. 57.
Ia-01-1778-0490
41) Vom heiligen
Geiste 57.
Ia-01-1778-0491
42) Von dem Unvermögen
des Menschen, sich selbst zu bekehren (Scilicet-)
58.
Ia-01-1778-0492
43) Von dem Worte
"Ewig". (a??????, $$$$$) 58.
Ia-01-1778-0493
44) Von der Dreieinigkeit
59.
Ia-01-1778-0494
45) Die Mannigfaltigkeit
der Religionen 60.
Ia-01-1778-0495
46) Von der Tugend
63.
Ia-01-1778-0496
47) Vom Ebenbilde
Gottes 65.
Ia-01-1778-0497
48) Von der Erbsünde
(Scilicet-) 67.
Ia-01-1778-0498
49) Von dem Verdienste
68.
Ia-01-1778-0499
50) Von Akkomodationen
und Allegationen 73.
Manuskriptseite
226.
Ia-01-1778-0500
51) Von der Moral
oder der Tugend Seit. 73.
Ia-01-1778-0501
52) Die Schilderung
der Morgenröthe 74.
Ia-01-1778-0502
53) Anfang der Welt
75.
Ia-01-1778-0503
54) Ein kindliches
Stük aus der reizenden Unschuldswelt von jenen patriarchalischen Zeiten?
– "Das Kind in seiner Unschuld!" 76.
Ia-01-1778-0504
55) Von der heil.
Schrift 77.
Ia-01-1778-0505
56) Die Unendlichkeit
Gottes 78.
Ia-01-1778-0506
57) Ewigkeit!? –
79.
Ia-01-1778-0507
58) Von der Gotheit
Christi 79.
Ia-01-1778-0508
59) Von dem Ausdruk
"Jesus hat die Sünden der Menschen getragen."
81.
Ia-01-1778-0509
60) Von Himmeln
85.
Ia-01-1778-0510
61) Von dämonischen
Leuten 85.
Ia-01-1778-0511
62) Von den Mängeln
der Jünger Jesu 97.
Ia-01-1778-0512
63) Wie man seelig
werden kan 98.
Ia-01-1778-0513
64) Von der Gottheit
Christi 98.
Ia-01-1778-0514
65) Von Tugend und
Laster (indem Selbstliebe die N nur die Nebenquelle
der Tugend, Wohlwollen aber die Hauptquelle ist x
und unordentliche Selbstliebe die Hauptquelle des Lasters) 99.
Manuskriptseite
227.
Ia-01-1778-0515
66) Von der Erlösung
{des Menschen} durch Jesum Christum Seit. 99.
Ia-01-1778-0516
67) Von dem Leiden
Jesu 128.
Ia-01-1778-0517
68) Begrif vom Glauben
129.
Ia-01-1778-0518
69) Von dem Sohne
Gottes 129.
Ia-01-1778-0519
70) Über die Änderungen
des Barometers 130.
Ia-01-1778-0520
71) Ob ein Blinder,
der sehend geworden, durch Gesicht erkennen
kann, was er durch Gefühl erkant hat? 131.
Ia-01-1778-0521
72) Von der Ruhe
des Gemüths 131.
Ia-01-1778-0522
73) Vom Strafen
der Prediger 132.
Ia-01-1778-0523
74) Ein Heide vol
Menschenliebe! 133.
Ia-01-1778-0524
75) Das Gebet giebt
Ruhe in der Todesstunde. 134.
Ia-01-1778-0525
76) "Lied eines
armen Jünglings." 135.
Ia-01-1778-0526
77) "Morgenvorfälle."
136.
Ia-01-1778-0527
78) "Auf eine Hyacinthenflor
im Sch. Garten zu Q." 147.
Ia-01-1778-0528
79) "Herausforderungslied
eines russischen Grenadirs an seinen Feind."
148.
Ia-01-1778-0529
80)
"Der Unterschied." 148.
Ia-01-1778-0530
81) "Hannibal
und Antiochus." 149.
Ia-01-1778-0531
82) "Marull."
Manuskriptseite
228.
Ia-01-1778-0532
83) "Der Bescheid."
Seit. 149.
Ia-01-1778-0533
84) "Der Schulze
in der Schenke." 149.
Ia-01-1778-0534
85) "Posthumus."
150.
Ia-01-1778-0535
86)
"Auf den neugierigen Purzel." 150.
Ia-01-1778-0536
87) "Grabschrift
des Porkus." 150.
Ia-01-1778-0537
88) "An einen Schmetterling."
150.
Ia-01-1778-0538
89) Vom Menschen.
151.
Ia-01-1778-0539
90) Ein rührendes
Gebet! 158.
Ia-01-1778-0540
91) Strafen! 160.
Ia-01-1778-0541
92) Vom Teufel.
160.
Ia-01-1778-0542
93) Eine Erklärung
und Erinnerung. 161.
Ia-01-1778-0543
94) Von der Genugthuung
Jesu. 161.
Ia-01-1778-0544
95) Vom Zustande
des Judas Ischarioth in der Ewigkeit. 162.
Ia-01-1778-0545
96) Abermal vom
Teufel. 163.
Ia-01-1778-0546
97) Von den Empfindungen.
165.
Ia-01-1778-0547
98) Das Grab! 166.
Ia-01-1778-0548
99) Von der Nonexistenz
des Teufels. 166.
Ia-01-1778-0549
100) Die Stimme
der Weisheit. 169.
Manuskriptseite
229.
Ia-01-1778-0550
101) Von den physischen
Übeln dieser Welt. Seit.
170.
Ia-01-1778-0551
102) Von der Endlichkeit
der Höllenstrafen 172.
Ia-01-1778-0552
103) Moral und Dogmatik!
173.
Ia-01-1778-0553
104) Von der Auferstehung
der Todten 173.
Ia-01-1778-0554
105) Die Erbsünde.
176.
Ia-01-1778-0555
106) Erklärung des
Worts, Geistes, im 8ten Kap. an die Römer.
Ia-01-1778-0556
107) "Über Wahrheit,
Denken und Lehren." 180
Ia-01-1778-0557
108) Denken!
– Lehren! – 185.
Ia-01-1778-0558
109) Von der Verdorbenheit
der Menschen 186.
Ia-01-1778-0559
110)
Von der Inspiration des N. T. 187.
Ia-01-1778-0560
111) Toleranz! 187.
Ia-01-1778-0561
112) Von Opfern
188.
Ia-01-1778-0562
113) Das Schulsystem!
192.
Ia-01-1778-0563
114) Von der Heiligkeit
Adams und andern Sachen. 192.
Ia-01-1778-0564
115) Von den sinlichen
Vergnügungen. 193.
Ia-01-1778-0565
116) Wir müssen
bei unsrer Tugend auf das künftige Leben sehen 194.
Ia-01-1778-0566
117) Von den götlichen
Gnadenwirkungen 195.
Manuskriptseite
230
Ia-01-1778-0567
118) Von der Moral,
wie sie das Herz bessert. Seit. 196.
Ia-01-1778-0568
119) Das Hauptgesez
der Moral 197.
Ia-01-1778-0569
120) Die höchste
Pflicht und das gröste Glük der Seele 197.
Ia-01-1778-0570
121)
Ein Beweisgrund für die Tugend. 198.
Ia-01-1778-0571
122) Die Tugend!
199.
Ia-01-1778-0572
123) Die Freude!
199.
Ia-01-1778-0573
124) Das Schöne
der Welt! 200.
Ia-01-1778-0574
125) Von der Erbsünde
200.
Ia-01-1778-0575
126) Betrachtung
über die Natur. 202.
Ia-01-1778-0576
127) Vom Menschen
202.
Ia-01-1778-0577
128) Was Verleumdung?
204.
Ia-01-1778-0578
129) Es ist ein
Gott! 204.
Ia-01-1778-0579
130) Von der Atmosphäre
der Wolken 205.
Ia-01-1778-0580
131) Von der Höhe
der Wolken. 206.
Ia-01-1778-0581
132) Schnee und
Hagel entstehen in dem Augenblikke, wenn sie
niederfallen. 206.
Ia-01-1778-0582
133) Von der Länge
der Gewitter 206.
Manuskriptseite
231.
Ia-01-1778-0583
134) Wie die Wolken
elektrisch werden. Seit. 207
Ia-01-1778-0584
135) Was ein Gewitter
ist 207.
Ia-01-1778-0585
136)
Wie das Wetterleuchten entstehet 207.
Ia-01-1778-0586
137)
Wie Bliz oder Donnerstral entstehen. 207.
Ia-01-1778-0587
138) Verschiedenheit
der Thiere. 208.
Ia-01-1778-0588
139) Alles ist nur
Eine Kette, nur Ein volkommenes Ganzes 208.
Ia-01-1778-0589
140) Was ist der
Mensch wenn kein Gott ist? 209.
Ia-01-1778-0590
141) Die Mannigfaltigkeit
und Ordnung im Thierreiche 209.
Ia-01-1778-0591
142) Ich
stehe mit der Welt in einer harmonischen Verbindung 211.
Ia-01-1778-0592
143) Unendlich ist
Gott! 211.
Ia-01-1778-0593
144) Heiligkeit
Gottes! 214.
Ia-01-1778-0594
145) Nichts von
Ungefähr! 214.
Ia-01-1778-0595
146) Verbindung!
215.
Ia-01-1778-0596
147) Diese Erde
ist eine Wohnung der Zufriedenheit und Glükseeligkeit 216
Manuskriptseite
232.
Ia-01-1778-0597
148)
Widerlegung des Einwurfs gegen die götliche Vorsehung, "Der Mensch ist
zu seiner Erhaltung nirgend allein hinreichend." Seit. 217.