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Faszikel Ib-11-1781
 

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will, unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger. Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition (Leitung: Helmut Pfotenhauer)

Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (11/1998-12/2000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (01/2001-12/2005)
Projektleitung: Michael Will
Gesamtleitung: Helmut Pfotenhauer

Transkriptionsgrundlage: Nachlass Jean Paul. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Fasz. Ib, Band 11

Bearbeitungsschritte:
Herbst 2000 BK Transkription
Oktober 2000 MIWI Autopsie Berlin
04.04.2003 MIWI Konvertierung von WORD in XML/TEIXLITE
17.08.2005 MV Anpassung der konvertierten Datei an XML-Codierungen
26.09.2005 MV Zweite Korrektur
08.04.2010 CMC Zweites Online-Update

 

[Titelblatt/1]

Exzerpten.

Elfter Band.

1781.

 

[Titelblatt/2]

Verschiedenes

aus den neuesten Schriften. Elfter Band. Schwarzenbach an der Sal, 1781.

 



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[Ib-11-1781-0001]
I.

 

[Ib-11-1781-0002]
I. D. Michaelis mosaisches Recht. Fünfter Teil. 1775.

 

[Ib-11-1781-0003]
1) Von den Lebensstrafen der Israeliten - und den Volziehern derselben.

 

[Ib-11-1781-0004]
"Moses hat in seinen Gesezzen keinen König, also auch keine das Todesurteil exseqirende Leibgarde: Kennen must' er sie aus Ägypten, allein 's scheint, er fand nicht nötig, etwas dergeichen zu veranstalten, wovon ihn vielleicht der öftere Misbrauch einer solchen Leibgarde zu Volstrekkung despotischer Urteil' one vorhergegangene Untersuchung und Rechtsspruch bewogen haben mag. - Eine Folg' hiervon ist, daß Moses gewisse Lebensstrafen, die eigntlich eine Übung erfordern, z. B. Köpfen, es sei mit dem Schwerdt oder Beil, gar nicht verordnen konte. Selbst das Erhenken fiel auch schon aus dieser Ursache weg. Denn wer's nicht gelernt hat, wird sich d wunderlich dabei anstellen, und den armen Sünder nur lange vergeblich martern.

 

[Ib-11-1781-0005]
War derienige, der vom Leben zum Tode gebracht werden solte, ein Mörder, so starb er ordentlich durch die Hand des Goels, dem er hierzu überliefert ward, und der onehin nach dem alten Herkommen das Recht hatt' und behielt, den Mörder seines Verwandten, wo er ihn ausserhalb der Freistadt antraf, one gerichtliche Untersuchung, ia sogar one Warnung zu tödten. 4. B. Mos. XXXV, 12. 19. 21. 24. 27. 5 B. Mos. 12. Hier war also die Exsekuzion, die bisweilen etwas barbarisch gewesen sein mag, nicht allein keine schimpfliche Handlung. sondern das Point d'honneur erfordert sie so gar von der eignen Hand des Bluträchers, und eben um dieses Point

 

[Manuskriptseite 2]

d'honneur willen hatte Moses ein altes Recht, das sonst freilich auch sein tadelhaftes hatte, unangetastet gelassen.

 

[Ib-11-1781-0006]
In andern Fällen pflegt Moses zu verordnen, daß die Hand der Zeugen die erste, und das ganze umstehende Volk ihr nachfolgen sol, z. E. daß der Zeuge den ersten Stein auf den Missetäter werfen; und alsdenn 's übrige Volk fortfaren sol ihn zu steinigen, bis er tod ist. 5 B. Mos. XIII, 10. XVII, 7. womit noch Iosua VII, 25 und Iohannis VIII, 7. zu vergleichen ist. Nach dieser Einrichtung konte Niemand one vorhergegangene Untersuchung und Zeugenverhör vom Leben zum Tode gebracht werden, wiewol als denn, wenn durch die Leibgarde Lebensstrafen volstrekt wurden, ziemlich kurz und despotisch geschehen sein mag. –

 

[Ib-11-1781-0007]
Moses hat in seinem Recht eigentlich nur zwei Lebensstrafen, da vielleicht eine so strenge war, als die andre, das Schwerd und die Steinigung. Die Strafe des Schwerds bestand nicht in Abhauen des Kopfs, sond denn der nächste Anverwandte, der Goel, der die Blutrach' übte, wird sich doch wol nicht darauf verstanden, sondern, wenn's noch glimpflich war, die erste die beste Wunde gegeben haben. -" Seit. 13-17.

 

[Ib-11-1781-0008]
"Unser Henken war bei den Israeliten nicht gewönlich; aber wol das Aufhängen als eine Beschimpfung nach dem Tode. Dies Aufhängen war unter allen Beschimpfungen nach dem Tode die infamirendste; denn nach der Erklärung Mosis 5 B. M. XXI, 22. 23. ward der Gehenkte angesehen, als verflucht vor Got. Nämlich weil sein Tod noch nicht genug zur Büssung seines Verbrechens gewesen war,

 

[Manuskriptseite 3]

so betrachtet' ihn das Ius als einen, der das Fleisch Gottes mit in iene Welt brachte, und auch da strafbar wäre. Daß aber das Aufhenken als Lebensstrafe bei den Iuden nicht gewönlich war, sieht man aus Ios. X, 26, wo die kananitischen König' erst erschlagen, und dan aufgehängt werden: oder aus 1 B. M. XXXX, 19. - Ich wil hier eine Anmerkung machen. Die Kreuzigung Christi, eine römische Todesstrafe, ist von dem, was Moses Aufhängen nent, in mancherlei Betrachte verschieden, und man mus ia nicht Mosis Gesez, das den Aufgehenkten für einen Verfluchten erklärt, zur Weissagung auf Christum machen. Allein, nachdem Moses sich einmal wegen der Gehenkten so erklärt hatte, konte die ausländische Strafe des Kreuzigens, die onehin schimpflich und für Knechte war, nicht anders als in den Augen der Iuden höchst abscheulich und schimpflich sein, und den Gekreuzigten ihnen als einen Verfluchten vorstellen. Dies ist's, was Paullus Galat. III, 13. sagt. – "S. 21. 22. 23.

 

[Ib-11-1781-0009]
"Eine Art von Infamie fand also nach Mosis Gesezzen für Tode stat, aber nie für Lebendige. Nicht eine Spur findet man davon in seinen Gesezzen. Schläg' im Gericht waren so wenig erenrürig, als sie's bei uns im Soldatenstande sind: auch mit Verkaufung in Knechtschaft, selbst in dem Fal, wenn's zur Bezalung eines Diebstals geschehe, wird nirgends eine Infamie verbunden: Brandmarken kent er in seinem Gesetz nicht als Strafe, ob's gleich vielleicht im Buch Hiob beiläufig als Sitt' andrer Völker vorzukommen scheint; Kirchenbau und Ausschliessungen Ausschliessungen von der Synagoge, sind neuere Erfindungen der Iuden lange nach der babylonischen Gefangenschaft, und zu Mosis Zeiten waren nicht einmal Synagogen, von denen einer

 

[Manuskriptseite 4]

hätt' ausgeschlossen werden können. – Was überhaupt gegen Infamie, bei denen der Verbrecher das Leben nicht verliert, einzuwenden ist, weis ieder Nachdenkende. Sie macht gemeiniglich durch Verlust des erlichen Namens den recht volkommenen, dem Publikum gefärlichen Bösewicht, und wenigstens ist der, der ihn verloren hat, ordentlich unbrauchbar. Eben aus Erkentnis dieser Folgen hat man an manchen Orten den Staupbesen abgeschaft. Wer im State geduldet wird, mus Er' haben, sonst ist das grosse Band ihm abgenommen, durch welches das Publikum ihn von sich abhängig erhalten kan: wer keine Ere zu verlieren hat, der wird sich um die Urteil' andrer nicht bekümmern, also nicht durch Betrachtung der Er' oder Schande von den abscheulichsten Taten zurückgehalten werden, sondern blos durch Strafe – und der kann er entfliehen." Seit. 26.27.

 

[Ib-11-1781-0010]
2) Von der Abgötterei

 

[Ib-11-1781-0011]
"Daß das politische mit leiblichen Strafen begleitete Verbot der Abgötterei nicht eigentlich auf die Lere vom einzigen waren Got gegründet war, sondern darauf, daß dieser einzige ware Got, der Mose sandte, die Israeliten aus der Sklaverei errettet, und zum Volk gemacht hatte, folglich auch den verpflichtete, der nach dem damals algemeinen Aberglauben der benachbarten Völker merere Götter glaubte, dabei aber die Vorteil'und den Schutz des israelitischen Stats geniessen wollte, ist genug bekant. Daher bestand auch's Verbrechen, auf welches Moses Lebensstrafe sagt, nicht in Gedanken und Meinungen, sondern in äusserlicher Vererung andrer Götter. Hätt' ie

 

[Manuskriptseite 5]

mand geglaubt, daß es merere Götter gebe, so würd' er dadurch nach dem Gesez Mosis nicht vor der Obrigkeit straffällig geworden; und keine inquisitio ethnicae pravitatis eingetreten sein: der Ausländer, der doch nicht gleich die mosaische Religion angenommen hatte, konte ruhig als Fremdling unter den Israeliten leben, und von dem im Krieg' erbeuteten Mädchen, oder auch Knechte, konte der Gesezgeber unmöglich erwarten, daß sie sogleich durch die geschehene Erbeutung die Meinungen ihres Herzens ändern, und mit Ablegung aller Vorurteile der Erziehung die Einheit Gottes erkennen würden, und doch erlaubt er, sie zu Sklaven zu nemen, befielt auch, wenigstens bei den Sklavinnen, mit keinem Wort' eine Religionsveränderung, und daß die bei den Knechten erforderte Beschneidung nicht eine Religionsverordnung, in so fern sie in Meinungen des Herzens bestehet, in sich fassete, ist an sich bekant.

 

[Ib-11-1781-0012]
Man mus zwei Verbrechen wol von einander unterscheiden, die wir nach unserm Sprachgebrauch bisweilen unter dem gemeinschaftlichen Namen, Gözzendienst, idololatria, zusammenfassen, und darüber, auch wenn von israelitischen Sachen die Red' ist, miteinander verwechseln:

 

[Ib-11-1781-0013]
1) Wenn man ausser dem einzigen waren Got (Iehova nent ihn Moses) noch andre Götter vererte. Dies war eigentlich das vorhin beschriebne Statsverbrechen.

 

[Ib-11-1781-0014]
2) Bilderdienst, der nicht immer Abgötterei ist, denn nicht blos die falschen Götter, sondern auch der einzige ware Got können unter einem Bilde verert werden, z. B. die Israeliten wolten unter dem Bilde des güldnen Kalbes den Got vereren, der sie aus Ägypten gefüret hatte, und Aharon nante bei Ausrufung des Festes den Got, dem's gefeiret werden solte, ausdrüklich, Iehova, z. B. Mos. XXXII, 4. 5. Es war also der Bilderdienst, dem waren Got erzeigt, auch ein Verbrechen. – " Seit. 74.75.

 

[Manuskriptseite 6]

[Ib-11-1781-0015]
II.

 

[Ib-11-1781-0016]
Mosaisches Recht. Sechster (und lezter Teil) 1775.

 

[Ib-11-1781-0017]
1) Vom Selbstmord.

 

[Ib-11-1781-0018]
"Moses hat nirgends ein Verbot des Selbstmords gegeben, denn das fünfte Gebot, "du solst nicht morden" auch auf den Selbstmord zu ziehen, von dem doch kein Wort dabei stehet, ist eine ser wilkürliche Art zu erklären, ungefär so, wie die sogenanten geistlichen Erklärungen der zehen Gebote, der Verteidiger des Selbstmords würd' immer sagen, "er ist kein Mord, ob ihn gleich die Deutschen so nennen, weil ich ein Recht habe, über mein Leben zu disponiren, und nicht alles Töden im fünften Gebot verboten ist," z. E. "nicht das Töden des Schuldigen, oder der Feind' im Kriege, sondern blos der Mord, d. i. ein unrechtmässiges Töden." – " S. 4.

 

[Ib-11-1781-0019]
"Weil sich die Bibel nirgends über den Selbstmord erklärt hat, so begeht man nur eine Schwachheitssünde, wenn man sich selbst entleibt. Ob einer, der sich selbst tödet, in dem Augenblikke des Todes eine vorsäzliche, oder eine Unwissenheitssünde begeht, wird doch kein Teolog, auch kein Philosoph für einerlei halten: bei'm Stilschweigen der Bibel, die uns hier eben so gut in Unwissenheit, oder Ungewisheit läst, als Got im A. T. an den Patriarchen manche Sünden der Unwissenheit, z. B. die Polygamie duldete, one sie ihnen zu offenbaren, und gewis an uns iedem unter uns noch Unwissenheitssünden (wir kennen sie freilich nicht, sonst wären's keine Unwissenheitssünden) übersehen mus, ist's möglich, daß einige Selbstmörder, die sich noch dazu auf den grossen

 

[Manuskriptseite 7]

Schrit, den sie vorhatten, gewissenhaft zubereiteten, itzt im Himmel sind, und Got ihnen ihre Unwissenheitssünde nicht zugerechnet hat, die verdamt sein müsten, wenn die Bibel so geschrieben wäre, wie mancher eifrige Moralist wünschte. – " Seit 6. 7.

 

[Ib-11-1781-0020]
2) Vom fünften und vierten Gebot.

 

[Ib-11-1781-0021]
"Da im fünften Gebot unmöglich überhaupt untersagt sein kann, zu töden, denn sonst dürfte man Flöhe, Schafe, Ziegen, Rinder, Feinde, Räuber, Malefikanten, auch nicht töden, so ist's Wort $$$$$$$ one Zweifel in der engern Bedeutung zu nemen, und nicht zu übersezzen, du solst nicht töden, sondern, du solst nicht morden. - " S. 13. 14.

 

[Ib-11-1781-0022]
1 B. Mos. 9, 6. ist nach dem Zusammenhang des fünften Verses, wo auch von Tieren die Rede gewesen war, und Got gesagt hatte, er wolle das Blut der Menschen, und zwar, wie er sich gleich erklärt, nicht unmittelbar, sondern durch Menschen, denen er hiermit die Rach' auftrage, von Menschen sowol, als von Tieren fordern, der fünfte Vers nicht zu übersezzen: Wer Menschenblut vergiest, sondern Was Menschenblut vergiest, so daß die Tiere mit eingeschlossen sind. " S. 26.

 

[Ib-11-1781-0023]
"Zum vierten Gebot sezt Got eine Verheissung hinzu: "damit du im Lande, das Iehova dein Got dir geben wil, lange leben und ein hohes Alter erreichen mögest," welches zugleich die Drohung in sich fasset, wer dies Gebot auf eine grobe Weis' übertrete, der habe das Gegenteil zu befürchten. Got nimt also die Sankzion dieses Gebotes, in so fern er König der Israeliten ist, auf sich. – Dieser Zusaz zum vierten Gebot gehet eben so wenig das ganze menschliche Geschlecht an, als die zehen Gebot' es tun, die manches blos dem

 

[Manuskriptseite 8]

israelitischen Volke gesagtes enthalten. Selbst der Ausdruk: "im Lande, das dir Iehova dein Got geben wird," zeigt dieses, denn das war Palästina, und in dem verlangen wir izt nicht zu wonen, oder alt zu werden, sondern lassen's gern dem Dahir, und andern, sich einer den andern tod zu schlagen, oder zu ängstigen; es ist auch uns nie gegeben, sondern den Israeliten, so lang' sie als Volk ihre Pflichten gegen Got erfüllen werden. Also wenn wir von Erfüllung dieser Sankzion des vierten Gebots nirgends eine Spur finden, so geht's die Sache der Religion nicht an; denn sie gilt blos in dem Stat, dem Got bürgerliche Gesezze gegeben hatte, und ist ein Stük der Teokratie. – –Seit. 78. 79. 80.

 

[Ib-11-1781-0024]
3) Von der Bergpredigt Christi

 

[Ib-11-1781-0025]
"Die Auslegung der Bergpredigt erfordert wirklich mer eigentlich rabbinische Gelersamkeit, als irgendeine Stelle des ganzen A. und N.T., weil sie sich mit Bestreitung gewisser damals bekanter pharisäischer Irtümer beschäftigt, und also nicht verstanden werden kan, wenn man diese Irtümer nicht weis." Seit. 109.

 

[Ib-11-1781-0026]
4) Vom griechischen Wort ????

 

[Ib-11-1781-0027]
"Dieses Wort (lateinisch möcht' ich's firmum, ratum, übersezzen) ist an und für sich kein Eid, wie manche glauben, und dadurch Christum unaufhörlich, wo niemand einen Eid verlangt hatte, schwören: sondern's wird blos denn ein Eid, wenn's nach Vorlesung der Adiurazion ausgesprochen wird, so wie 4 B. Mos. 5, 22. 5 B. M. 27, 152 26.-" Seit. 112.

 

[Manuskriptseite 9]

[Ib-11-1781-0028]
II.

 

[Ib-11-1781-0029]
Iohann David Michaelis mosaisches Recht. Erster Teil. Zweite vermerte Ausgabe. Frankfurt am Main bei Ioh. Gotlieb Garbe, 1775

 

[Ib-11-1781-0030]
Mosis Gesezze sind meistenteils nomadisch und ägyptisch.

 

[Ib-11-1781-0031]
"Das alte ungeschrieben Herkommen, welches Moses bald befolgte, bald verbesserte, find ich meistenteils Nomadisch, das ist, als ein Herkommen und Sitte der freiherumziehenden Hirten, dergleichen die Vorfaren der Israeliten, Abraham, Isak und Iakob, gewesen sind. Eben deshalb bekommt's auch so viel Licht aus den Sitten der von Abraham abstammenden herumziehenden Araber: und vielleicht würden wir noch neue Entdekkungen machen, wenn wir von den alten Sitten der Länder am Euphrat und Tigris, aus denen Abraham ausgegangen ist, mer wüsten. - Wenn ich's Neue und den Vorfaren der Israeliten Unbekante genauer betrachte, so Moses einfürte, sonderlich auch das, was die merkwürdigsten Proben einer ser feinen gesezgebenden Klugheit enthält, so kömt's mir grossenteils Ägyptisch vor: z. B. die Gründung des Stats auf den, den herumziehenden Hirten ungewonten, Akkerbau, das E ewige und unveränderliche Eigentum der Äkker, der Entwurf eines grosen und mächtigen Stats one die den Ägyptern verhaste auswärtige Handlung, (eine der schwersten Aufgaben in der Politik) die Mittel wodurch die Israeliten von andern Völkern abgesondert wurden, u. s. w. Was ist auch begreiflicher, als daß sich Moses das Gute in den Gesezzen eines Volks zu Nuzze gemacht haben wird, unter dem die Israeliten bisher gewont hatten, um in dessen Gelersamkeit er und Wissenschaften er selbst erzogen war. - " Seit. 14. 15. 16.

 

[Manuskriptseite 10]

[Ib-11-1781-0032]
2) Gränzen zwischen Sittenler' und Statsklugheit.

 

[Ib-11-1781-0033]
"Beide beschäftigen sich mit der Glükseligkeit der Menschen, und haben diesen algemeinen Grundsaz, auf den all'einzelne Vorschriften hinauslaufen: Suche die ausgedenteste Glükseligkeit zu befördern. Sie unterscheiden sich aber in der Wal der Mittel. Einige Mittel der algemeinsten Glükseligkeit bleiben in allen Umständen und in allen Ländern einerlei, und ihr Gegenteil ist beständig ein Hindernis der Glükseligkeit. Andre Mittel hingegen haben nicht gleiche Gewisheit: es giebt vielleicht merere Mittel zur Erhaltung einerlei Glükseligkeit, und’s wird schon ein grösserer Verstand dazu erfordert, zu erkennen, welches unter ihnen das beste ist, und selbst dieses ist unter verschiednen Umständen verschieden. Diese Mittel anzugeben liegt der Politik ob, und iene der Moral. –" S. 45. 46.

 

[Ib-11-1781-0034]
3) Moses verbindet die Religion mit gewissen politisch=nötigen Gesezzen – nach Art der Ägypter.

 

[Ib-11-1781-0035]
"Zum Beispiel – Moses will keine Gattung von Vögeln, die einmal im Land’ ist, ganz ausgerottet wissen. Er verbietet deshalb, daß niemand die Alte mit den Eiern oder Iungen zugleich zur Brutzeit aus dem Neste nehmen sol. Allein dies Gesetz kleidet er so ein, und begleitet’s mit der Verheissung eines götlichen Segens und Wolgefallens, das der Leser gemeiniglich glaubt, es sei bildlich, und wolle die Barmherzigkeit in einem Beispiel gebieten. Sahe man die Handlung als grausam an, so unterlies man sie strenger, als geschehen sein möchte, wenn man die Hauptabsicht des Gesezzes gewust hätte.

 

[Manuskriptseite 11]

[Ib-11-1781-0036]
Bei'm Gözzendienst der Morgenländer ward Blut getrunken. Moses, der grosse Feind der Abgötterei, dessen Grundgesez war, Iehova sei der König des israelitischen Volks, daher man keinen Got neben ihm vereren dürfe, muste suchen, das Blut von den Tischen der Israeliten zu entfernen, damit man nicht eine abgöttische Andacht dabei haben möchte. Er verbot’s unter Lebensstrafe, allein er gab dem Verbot zugleich eine bildliche Bedeutung. Ihr unterlast nie, sagt er, zu sündigen, und alles Blut aller Tiere gehört auf den Altar, eure Sünde zu versönen: wer Blut geniesset, der entwendet’s dem Altar, und der Got, dem der Altar heilig ist wird gegen einen solchen Sünder, der ihm’s Lösegeld und den Preis der Versönung entwendet, selbst sein Angesicht richten, um ihn aus seinem Volk' auszurotten. 3 B. Mos. XVII, 12.

 

[Ib-11-1781-0037]
In einem Feldlager ist die Reinlichkeit nötig und übler Geruch kan endlich Krankheiten nach sich ziehen. Moses wil daher, ein ieder sol seine Notdurft ausser dem Lager verrichten, und sogleich beischarren. Um dieses eher von seinem Volk zu erhalten, befielt er, das ganze Lager, wegen der Gegenwart Gottes, der ihnen gegen ihre Feind' hilft, für einen Tempel anzusehen, welcher nicht mit Unreinigkeiten entheiligt werden darf. 5. B. Mos. XXIII, 10 - 15. –" Seit 49. 50.

 

[Ib-11-1781-0038]
5) Was bei den Israeliten hinauf und hinabgehen hies.

 

[Ib-11-1781-0039]
"Aus Ägypten nach Palästina ziehen, hies bei den Israeliten Hinaufgehen, und umgekert, aus Palästina nach Ägypten reisen, Hinabgehen. –" S. 186.

 

[Ib-11-1781-0040]
6) Wie Moses seine Gesezze wider die Abgötterei einrichtet?

 

[Ib-11-1781-0041]
"Allein was für billige und vernünftige Mittel sind hinreichend, die Abgötterei auf immer auszuschliessen? Denn die Meinungen der Menschen können doch durch Gesezze nicht gezwungen werden! Und nichts ist törichter und grau

 

[Manuskriptseite 12]

samer, als mich dafür mit Leib‘ und Lebensstrafen belegen, daß ich so töricht bin, merere Götter zu glauben; und in der Tat wird diese Tyrannei auch nicht einmal zu Erreichung ihres Endzweks hinlänglich sein, sondern vielmer dem Aberglauben Märtyrer verschaffen, deren Blut ihn ausbreitet.

 

[Ib-11-1781-0042]
Der Aberglaube selbst lies Moses eine Tür offen, on’ einigen Zwang des Gewissens, one die mindeste Ungerechtigkeit, den Dienst eines einzigen Gottes in dem Stat, den er errichtete, als ein erstes Grundgesez einzufüren. Das Heidentum, welches unzälige Götter glaubte, macht' auch dem von Moses gepredigten Iehova die Gotheit nicht streitig: ia er konte der höchste Got, der Got des Himmels, der Got, der den Bliz schwenkt' sein, one daß das System des Aberglaubens, der im Orient gemeiniglich nur Untergötter, oder wie wir’s nennen würden, Engel anbetet, im geringsten mit dieser Ler‘ in Streit geriet. Niemand konte sich um des Gewissenswillen ein Bedenken machen, den Got, der Himmel und Erde geschaffen hat, er mochte nun Iehova genant werden, oder einen andern Namen tragen, anzubeten. Ferner konte kein Heid' auch nur den Gedanken haben, alle Götter zu vereren; denn woher solt' er sie alle kennen, da ihrer iedes Volk andre hatten? Auch vererte man die Untergötter nicht, um Seligkeit ienes Lebens, sondern um zeitliches Glük und Segen von ihnen zu erlangen. a) 2 Chron. XXVIII, 23. sezt der König Ahas: weil die Götter der Syrer ihnen Sieg geben, so wil ich ihnen opfern. Ungefär um eben diese Zeit redet Hoseas vom Gözzendienst der Israeliten, den er unter'm Bilde des Ehebruchs vorstelt, und läst's israelitische Volk sagen, es gehe seinen Liebhabern (den falschen Göttern) deshalb nach, ]Fußnote wird auf folgender Seite fortgesetzt

 

[Manuskriptseite 13]

weil sie ihm Brod, Wasser, Wolle, Leinewand, Wein, Öl und Getränke geben. Hos. II, 7. Und wenn Ieremias die nach Ägypten geflüchteten Iuden wegen ihres Gözzendienstes bestraft, so antworten sie ihm Kap. XXXXIV, 17. 18. so lange sie der Königin des Himmels gedienet hätten, sei's ihnen glüklich gegangen, darum wolten sie, ungeachtet seiner Ermanungen, ihr dienen und opfern. Man verlezte folg

 

[Manuskriptseite 13]

lich auch sein Gewissen nicht, wenn man diesen und ienen bekanten Untergot nicht vererte, und man konte sich sogar, dem Aberglauben unbeschadet, an einen einzigen Got ganz ergeben; und davon ein leibliches Zeichen annemen, wie z. B. die ägyptischen Priester taten, die sich durch die Beschneidung dem Got allein widmeten, dessen Priester sie waren. Wenn daher Moses den Israeliten befal, keinen andern Got zu vereren, so war dies keine Gewissensmater, wie bei uns die Religionsgesezze zu sein pflegen, er verbot nicht etwas, das der Irrende für notwendig zur ewigen Seligkeit hielt, in welchem Fal alle mit zeitlichen Strafen gerüstete Gesezze doch viel zu schwach, und die Strafen, die sie so unnüz verschwenden, Grausamkeiten sind: sondern blos dem Geiz und Eigennuz, der Korn, Most, Öl, Viehzucht u. dgl., von den Untergöttern erwartete, oder sich vor Schaden von ihren Händen fürchte, wenn er sie nicht durch Opfer besänftigte, konte das Verbot der Abgötterei empfindlich sein. Endlich hatte noch iedes Land seine eigne Gotheiten.

 

[Ib-11-1781-0043]
Nach diesen Ideen richtete Moses seine Gesezz' ein, one doch irgend einen Betrug einzumengen. Die Israeliten waren schon von Abrahams Zeit an beschnitten, und dadurch gleichsam zu Priestern des einzigen Gottes, den Moses Iehova nant, geheiligt: Moses erneuerte dies Gebot der Beschneidung. Er erklärte Palestina für das dem

 

[Manuskriptseite 14]

Iehova besonders geheiligte Land: vielleicht war's auch wirklich das lezte gewesen, in dem der Got des Himmels verert war; er hatte wenigstens noch zu Abraham's Zeit zu Salem einem Priester, Melchisedek, und' s ist mir oft warscheinlich geworden, daß Got Abraham, eben um ihn vom Gözzendienste loszureissen, aus seinem Vaterland' in dies Land geführt habe, wo noch ein Dienst des einzigen waren Gottes übrig war.

 

[Ib-11-1781-0044]
Doch noch mer: Iehova fürte die Israeliten aus der Dienstbarkeit Ägyptens in dies Land der Kananiter, und auf diese Woltat gründet Moses eigentlich's Gebot, ihn allein zu vereren. So lautet gleich das erste unter den zehen Geboten: Ich bin Iehova dein Got, der ich dich aus Ägypten aus der Sklaverei gefürt habe. Du solst keine andre Götter haben neben mir. So würden unsre Teologen kein Gesez abfassen, sondern, wenn sie noch am besten die Stimme der gesunden Vernunft zu reden suchten: Ich, Iehova, bin allein Got, darum solst du keine Götter neben mir haben. Dies glaubt nun zwar auch Moses; allein der Glaub' und der Verstand der Israeliten konten durch Gesezze nicht gezwungen werden, und doch solte der Gözzendienst unter Lebensstraf' untersagt sein, und das konte mit Recht geschehen, wenn Got zu einem noch so dummen und abergläubischen Volk sagte: Fals ihr auch aus Dumheit glaubet, daß es noch merere Götter gebe, die Gebet erhören und Opfer belonen können, so bin ich's doch allein, der euch aus der ägyptischen Dienstbarkeit befreiet, und aus armen Sklaven zu einem Volk gemacht hat, der Urheber eures

 

[Manuskriptseite 15]

States. In diesem State sol demnach kein andrer Got, ausser mir, verert werden. - - " Seit. 209 - 213.

 

[Ib-11-1781-0045]
7) Von den Leviten

 

[Ib-11-1781-0046]
"Die Leviten waren nicht Geistliche, sondern sie waren die Gelerten aus allen Fakultäten, und durch die Geburt verbunden, sich den Wissenschaften zu widmen, dafür sie so reichlich besoldet wurden. Diese ganze Einrichtung war ägyptisch. In Ägypten hatten drei Ordnungen von Priestern die Gelersamkeit unter sich geteilt, und namentlich beschäftigten sie sich mit der Philosophie, Teologie, Physik, Matesis, Rechtsgelersamkeit, Geschichtskunde, und ihre niedrigste Klasse, mit der Medizin: dieses zum Studiren verbindende Priestertum war bei ihnen erblich, welches freilich den Vorteil hatte, daß der künftige Gelerte von seiner ersten Kindheit an zu den Wissenschaften angeführt werden, und eine seiner Bestimmung gemässe Erziehung geniessen konte.

 

[Ib-11-1781-0047]
Wir finden nie, daß Moses eines solchen Leramtes, als wir in der Kirche haben, auch nur beiläufig gedenket, oder daß er auf den Sabbat Predigten verordnet. Die Wonung der Priester und Leviten in 48 abgesonderten Städtchen machte sie schon zu dem, was wir Leramt und Selsorge nennen, und beim Namen eines Geistlichen denken, volkommen untüchtig: denn wer könte sich wohl etwas unsinnigeres einbilden, als wenn wir Städt' hätten, in denen einige hundert Prediger allein beisammen wonten, und auf dem Lande oder in den übrigen Städten keine zerstreuet wären. - Wir können daher die Leviten nicht mit unsern Predigern vergleichen. Dieser Stand mangelte damals noch dem Stat' und der Kirche, so wie auch bei den übrigen Völkern die Priester der Gözzen sich nicht mit Unterricht, sondern mit Opfern und Zeremonien beschäftigen. Der eigentlich so genante Lerstand ist eher nicht entstanden, als bis ihn die

 

[Manuskriptseite 16]

ser vergrösserten und dringenden Bedürfnisse der Kirche nötig machten, nämlich nach der babylonischen Gefangenschaft, da bei veränderter Sprach' und Sitten der Iude sein altes Gesez nicht mer on' Ausleger verstand. In dieser Zeit fieng man zuerst an, Lerer zu haben, die aber nicht eben aus einem gewissen Stamme genommen werden durften.

 

[Ib-11-1781-0048]
Indes waren doch die Leviten Diener der Religion, teils in so fern sie sich mit den Zeremonien beschäftigten, teils weil sie's Gesez abschrieben, und in zweifelhaften Fällen erklärten. Das Original des Gesezes war ihnen übergeben, 5 B. Mos. XXXI, 9. sie solten Wächter davon sein, und genaue Abschriften in einer Zeit besorgen, da noch keine Drukkerei war, und man einen gelerten Stand, eine Art von Clericis, d.i. Schreibern, zu Erhaltung der Bücher nötig hatte. Der König hatte sein Exemplar des Gesezzes vom Ihrigen zu nemen, 5 B. Mos. XVII, 18. Sie solten alle 7 Iar' einmal das Gesez dem Volk vorlesen, Kap. XXXI, 10-13. selbst aber so darin bewandert sein, daß sie wenigstens auf Anfrag' Unterricht in der Religion geben konten. In so fern also waren sie Geistliche, und recht nach der Art der mitlern, clerici, Leute, die die Feder fürten, und wichtige Bücher abschreiben konten.

 

[Ib-11-1781-0049]
Es scheint, die Israeliten konten selten schreiben, und von ihren Brüdern, den alten Arabern, wissen wir dies noch gewisser. Bei einem aus lauter Akkerleuten bestehenden Volk ist dieser Mangel nicht ser zu verwundern. Bei einem solchen Volk waren Schreiber wichtig. One sie konte weder Gesez, noch Geler

 

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samkeit erhalten werden: und auf ihrer Genauigkeit und Treue beruhte die Zuverlässigkeit der generalogischen Tafeln, von denen alles liegende Eigentum in Palästina abhieng. Richtige Abschriften dieser Tafeln brauchte man doch wol ieder Hausvater noch nötiger als iezt ein Araber die Genealogie seines Pferdes, die er unter obrigkeitlichem Attestat zu haben pflegt. Das die Scholerim, die diese genealogischen Bücher füreten, gemeiniglich Leviten gewesen sind, ist bekant genug. Daß sie sich mit der Medizin, gleich den ägyptischen Neocoris, oder Geistlichen der dritten Ordnung, beschäftigt haben mögen, wird mir desto warscheinlicher, weil der Priester über den Aussaz zu urteilen hatte. Viele Völker hatten und haben ihre Ärzt' unter den Priestern.

 

[Ib-11-1781-0050]
Was ich unten von den Originalien der Masse, Ellen und Gewichte sagen werde, die sich in der Hütte des Stifts und im Heiligen selbst fanden, in welches nur die Priester kommen durften, zeigt doch wol, daß die Aufsicht über Mas und Gewicht bei den Hebräern eben so den Priestern aufgetragen gewesen ist, als wir dies von den ägyptischen Priestern der zweiten Ordnung, die Hierogrammateis hiessen, wissen. Dies Amt konten sie one Kentnis der Matematik, der sich die ebengenanten ägyptischen Hierogrammateis widmeten, nicht verwalten. Hier haben wir also unter den Priestern auch matematische Polizeiaufseher. Die Priester waren bei den Ägyptern zugleich die Richter, so wie bei vielen andern Völkern Recht und Religion verbunden geweswn sind. Dies war nun wol bei

 

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den Hebräern die wichtigste Beschäftigung des Stammes Levi, welche die meisten Personen erforderte. Die Stellen 5 B. Mos. XXI, 5. und von Ezechiel Kap. XXXXIV, 24. beweisen dies hinlänglich. Ich habe schon erwänt, daß die Richter in den Städten zur Zeit David's und andrer König' aus den Leviten genommen, und unter David 6000 Leviten, Richter und Schreiber gewesen sind. Insonderheit aber musten bei allen schwererern Prozessen die Priester den lezten Ausspruch tun, und sich, fast wie unsre Iuristenfakultäten und Schöppenstüle, als Erklärer der Gesezz' erweisen. 5 B. Mos. XVII, 8 - 13. In dieser Absicht schikt sich das für den Stam Levi, was Moses ihm in seinem Abschiedssegen 5 B. Mos. XXXIII, 9. 10. sagt. -

 

[Ib-11-1781-0051]
Einigermassen scheinen die Leviten in der Wüste die Leibwache Mosis zu sein und das zum Aufrur geneigte Volk im Gehorsam zu halten. Ihr Lager in der Mitte des Volks, um die Hütte des Stifts, und die Wachen, die sie bei dieser hielten, waren zu dieser Absicht bequem: und eh' sie noch zum heiligen Stam ausgesondert wurden, hatten sie bereits eine grobe Übertretung der Grundgesezze mit dem Degen gerochen, und sich dadurch ihr Priesteramt verdient. 2 B. Mos. XXXII, 28 - 29. Sie behielten auch unter den Königen eine gewisse militärische Einrichtung, die sie in den Stand sezte, 2 Kön. XI. eine tyrannische und unrechtmässige Regentin vom Tron zu stürzen. Alles dies zusammen genommen, machte sie dem Stat ser wichtig und nüzlich, und's war nicht unbillig, daß ein zu allen diesen Zwekken bestimter gelerter Adel auch ansehnliche Einkünfte besas.

 

[Manuskriptseite 19]

Daß der Hohepriester, als das Haupt dieses Stammes, und oberster Rechtsgelerte, einen überaus grossen Einflus in den Stat haben konte, wird man schon von selbst vermuten. Er wird 5 B. Mos. XVII, 12. dem Richter an die Seite gesezt, und 4 B. M. XXVII, 21. wird Iosuas, der oberste Feldher, gewisser massen dem Priester unterworfen, der Got durch's Urim und Tummim für ihn fragen solte. Was dies Urim und Tummim gewesen ist, hat man lange gestritten – nach meiner Meinung waren's drei uralte Steine, einer beiahend, der andre verneinend, und der dritte keine Antwort gebend, oder neutral, die die Israeliten schon vor Mosis Zeit zum Losen gebraucht hatten, und die Moses in dem so genanten Choschen oder Brustschild des Priesters zu verwaren befol, die aber nicht mit zu den 12 darin eingefasten Edelgesteinen gehörten.

 

[Ib-11-1781-0052]
War gar kein König oder Richter in Israel, so war der Priester schlechthin für die vornemste Person im State, der Präses der Landtage, und fast eben das, was der Richter Eli hat wärend seines Priestertums zugleich das Richteramt gefürt. - - " Seit. 287 - 294.

 

[Ib-11-1781-0053]
8) Vom König der Israeliten

 

[Ib-11-1781-0054]
"Mich dünkt, die Staten haben in ihrer Kindheit etwas mer Hang zum Despotism, als wenn sie erwachsen sind. Eben so der iüdische Stat. – Der Mangel eines gebornen kriegerischen Adels, und der Gedanke, daß der König in eigner Person der oberste Richter sein solte, (der denn doch wol die häufigen Prozesse nicht

 

[Manuskriptseite 20]

nach einer langsamen Form untersuchen konte) noch waren lauter Beförderungsmittel eben des Despotisms. Ich könte gewissermassen sagen, ein König von Israel war ein ser eingeschränkter Despote, nur one Grosvezir, der aber in den 90 Iaren David's und Salomon's sich immer mer legitime Recht' erwarb, und immer gütiger ward. –"Seit. 327.

 

[Ib-11-1781-0055]
IIII.

 

[Ib-11-1781-0056]
Iohann David Michaelis Einleitung in die götlichen Schriften des neuen Bundes. Göttingen, verlegt's Abram Vandenhoek. 1750.

 

[Ib-11-1781-0057]
1) Hebraismen und Syriasmen sind im N. T.

 

[Ib-11-1781-0058]
"Daß Hebraismen im N. T. anzutreffen sind, lert der Augenschein. Es finden sich in demselben hebräische Worte als ????, ?????????, ????????. Hebräische Sprichwörter Matth. XIX, 24. Hebräische Konstrukzionen, und Bedeutungen der Wörter. So gar ist's geschehen, daß, da die Iuden nach der babylonischen Gefangenschaft einige hebräische Wörter nicht recht verstanden haben, aus solchem Misverstande ganz neue griechische Redensarten unter ihnen entstanden sind. Z. E. ????, du hast's gesagt, ist Matth. XXVI, 25. XXVII, 64. Mark. XIV, 59. und ?? ?????? Iohann. XIX, 37. eine Beiahung. Die Hebräer sagten an dessen Stelle $$$$ $$, ]Seite scannen, hebr. Text du hast recht geredet: da aber $$ auch heissen kan, also, so ist's geschehen, daß die Iuden, und insonderheit der griechische Bibelübersezzer, im Griechischen dafür gesagt haben ?? ?????, ?? ??????, oder ????*?] drittletzter griech. Buchstabe eindeutig "k", noch einfügen?, 2 B. Mos. X, 29. und diese griechischen Ausdrükke, gleich den hebräischen als Beiahungen angesehen und gebraucht haben.

 

[Manuskriptseite 21]

Nach der babylonischen Gefangenschaft ist die sogenante hebräische oder kananitische Sprach' unter den Iuden algemein abgekommen, und zu Ierusalem die chaldäische, in Galiläa aber die syrische Sprach' eingefürt worden. Matth. XXII, 46. Iohannis V, 2. Apost. Gesch. 1, 19. Daher hat man sich nicht zu verwundern, wenn auch Chaldaismen und Syriasmen im N. T. vorkommen. Man findet z.B.

 

[Ib-11-1781-0059]
1) Syrische oder chaldäische Worte, als Matth. VI, 24. ????????, 1 Kor. XVI, 22. ????? ???.

 

[Ib-11-1781-0060]
2) Syrische Konstrukzionen: Matth. X, 32. ????? ?????????? ?? ????; siehe das syrische N. T. Apost. Gesch. XXIII, 8. 1. Ioh. 1,9.

 

[Ib-11-1781-0061]
3) Syrische und chaldäische Bedeutungen der Wörter, z.B. wenn ??????? häufig ein Wunder bedeutet, oder ???????????, überschatten, Luk. I, 35. so viel ist, als bewonen. Siehe das syr. N. T. Ioh. I, 14 und das Thargum bei 1 B. der Chronik II, 55. - " Seit. 21. 22. 23.

 

[Ib-11-1781-0062]
2) Eine Quelle falscher Lesarten

 

[Ib-11-1781-0063]
"Sie ist: es sind einige Abschreiber gewont gewesen, wenn sie sich verschrieben hatten, in einem der nächstfolgenden Wort' einen gerad' umgekerten Schreibfeler zu begehen, um den vorigen dadurch anzuzeigen und gleichsam wieder gut zu machen: z. B. die augsburgische Abschrift der Evangelisten N. 1. hatte Luk. XIV, 9. ??` ??`] I mit Akzent gesezt für ???` ???`] I mit Akzent : sie sucht dieses zu verbessern, wenn sie V. 12 anstat ???????????? schreibt ?????????????. –" S. 58.

 

[Ib-11-1781-0064]
3) Was ?????? und ????? sind.

 

[Ib-11-1781-0065]
"Die Alten hatten eine doppelte Art von Versen, davon sie eine ??????? und die andre ????? nenneten.

 

[Ib-11-1781-0066]
?????? waren nichts anders als Zeilen, die eine gewisse Anzal

 

[Manuskriptseite 22]

von Buchstaben in sich fasten und deswegen öfters mitten im Wort' aufhörten. Die Stichi oder Zeilen sind's, nach denen man die Grösse der Bücher abzumessen pflegte, und deren man z. B. in Iosephi XX. Büchern der iüdischen Altertümer (die in Ittig's Ausgabe ungefär 40000 gebrochene Zeilen in sich fassen) 60000 zälen muste. Diese Zeilen sind also keine Kommaten wie die be unsrigen. – Man mus sich einen richtigen Begrif machen, wie die Alten geschrieben haben, wenn man dieses verstehen wil. Sie teilten ihr Blat durch Striche, nach denen sie schrieben, ser genau ein: alle Blätter hatten gleich viele Zeilen, und iede Zeile gleich viele Buchstaben; und man kan noch auf vielen Handschriften die Linien erkennen, nach denen sie geschrieben sind. Man pflegte sechs oder acht Blätter zusammen und ineinander zu heften: diese hiessen quaternia, und iene ternio.

 

[Ib-11-1781-0067]
??????? hingegen sind Zeilen, die sich nach dem Verstande richteten. Es ist ein sonderbarer Irtum, wenn manche geglaubt haben, ?????? wären die Worte – und zugleich berichten können, Mattäus habe 2522 Worte und 25600 Verse. – – – " Seit 180. 181. 182.

 

[Ib-11-1781-0068]
4) Warum Christus seinen Iüngern die Füsse wusch.

 

[Ib-11-1781-0069]
"Das Fuswaschen war bei den Morgenländern gemeiniglich der erste Liebes Dienst, den man einem Reisenden erzeigte, wenn man gesonnen war, ihn zu beherbergen, daher's auch bisweilen für die ganze Bewirtung der Fremden gesezt wird: 1 Tim. V, 10. Wenn nun Christus seinen Iüngern die Füsse wusch, und nachher sagte, er hab' ihnen ein Beispiel geben wollen, und befel' ihnen, daß sie sich unter einander die Füsse waschen, und sich darin gegen andre geringere eben so ser herablassen solten, als er sich gegen sie

 

[Manuskriptseite 23]

herabgelassen habe: so war dieses eben so viel, als wenn er unter allen seinen künftigen Iüngern das Recht der Gastfreiheit einsezte. Da nun dieses Recht nicht die, welche in Einer Stat beisammen wonen, sondern die Fremden geniessen können: so verband er durch dieses Gebot alle seine künftigen Iünger, on' Unterschied des Volks und Standes, sich so zu lieben, wie sich Gastfreunde zu lieben pflegten; und hob den Unterschied zwischen Iuden und Heiden auf. Das ist der ware Sin dieser Handlung Christi, die von vielen auf eine so wunderliche Weis' erklärt wird. Die alte Kirch' ist ser sorgfältig in Bewirtung der Fremden gewesen: Dahingegen einige Irlerer, gegen die Iohannes zu eifern pflegte, der Kirche wereten, die Brüder (vermutlich die aus den Heiden) aufzunemen. 3. Ioh. 10.

 

[Ib-11-1781-0070]
Nun wird man sehen können, mit welchem Recht so wol Christus, als Iohannes in seinen Briefen, das Gebot der Liebe, welches in diesem Kapitel gegeben wird, ein neues Gebot nent. Es war im eigentlichsten Verstand' ein neues Gebot. Zur algemeinen Liebe des Nächsten sind zwar die Menschen verbunden gewesen, so lange Menschen gewesen sind: und Moses hat ihnen eben dieses Gebot gegeben, wie Christus selbst Luk. X, 21 = 37. lert. Allein da vorhin noch keine Kirche gewesen war, die aus Iuden und Heiden bestand, so kont' auch die k* kirchliche oder brüderliche Liebe der Iuden gegen die Heiden noch keine Pflicht gewesen sein: und dieses ist das neue Gebot, das Christus hier giebt, und das Iohannes in seinen ersten Briefen gegen den Zerintus mit so grossem Ernst einschärft. Sein ganzer erster Brief bekomt dadurch Licht. " S. 422 - 424.

 

[Ib-11-1781-0071]
5) Die Unächtheit der Stelle 1 Ioh. V, 7.

 

[Ib-11-1781-0072]
"In keiner einzigen griechischen Handschrift, die vor dem 16. Iarhundert geschrieben, ist der Spruch, drei sind, die da

 

[Manuskriptseite 24]

zeugen im Himmel, anzutreffen. Blos die Unwissenheit, und die eine recht grobe Unwissenheit, hat gemacht, daß man vorgegeben hat, Stephan hab' ihn in einigen Handschriften gefunden.

 

[Ib-11-1781-0073]
In den gedrukten Ausgaben des N. T. ist er nicht aus griechischen Handschriften gekommen, sondern die sogenanten Complutenses haben ihn aus dem Lateinischen ins Griechische übersezt, und aus ihrer Ausgab' haben ihn nachher die übrigen Ausgaben des N. T. angenommen.

 

[Ib-11-1781-0074]
Er ist in keiner alten Übersezzung befindlich gewesen als nur in der lateinischen a) Ia sogar in der lateinischen Vulgata war er zu Anfange des 8. Iarhunderts noch nicht anzutreffen.- Den Beweis davon seh' man im 9ten Bande d. Exzerpten Seit 50. R. Er mangelt in der syrischen, arabischen, koptischen, armenischen, ätiopischen, und russischen Übersezzung, und ist in eine derselben erst im 14ten, in eine andre aber im 17ten Iahrhundert gesezt: in andern aber gar nicht anzutreffen.

 

[Ib-11-1781-0075]
Nicht einmal die lateinische Übersezzung liest ihn beständig. In einigen Handschriften mangelt er. Die ihn aber haben, sezzen die drei himlischen Zeugen bald vor, bald nach den drei irdischen Zeugen. Viele Handschriften der lateinischen Übersezzung haben ihn auch nicht im Text, sondern blos am Rande.

 

[Ib-11-1781-0076]
Die alten Kirchenväter füren den Spruch da nicht an, wo man's am meisten erwarten solte.

 

[Ib-11-1781-0077]
Wenn man diesen Spruch für ächt halten wil, so werden wir alle Lesarten, die in einigen Handschriften der lat. Übersezzung vorkommen, und allen griech. Handschriften widersprechen, für ächt halten müssen. Wie kan man

 

[Manuskriptseite 25]

eine einzige Übersezzung, die nicht einmal den Spruch einmütig hat, ia die nicht einmal weis, wo sie ihn hinsezzen sol, dem vereinigten Zeugnis aller griech. Handschriften und aller alten Übersezzungen entgegenstellen? –

 

[Ib-11-1781-0078]
Es komt hiezu, daß dieser Spruch nicht einmal eine vernünftige und der Warheit gemässe Auslegung leidet. Iohannes wil den Saz erweisen: Iesus ist nicht allein bei'm Wasser der Taufe, sondern auch bei Vergiessung seines Bluts Christus gewesen. V. 6. Er beruft sich V. 6 auf's Zeugnis, das der h. Geist hievon gegeben habe: iedoch um seinen Saz noch mer zu beglaubigen, fürt er die volle Zal von Zeugen, das ist, drei Zeugen an, die ihn bekräftigen:

 

[Ib-11-1781-0079]
1) Den Geist. Der über die Apostel ausgegossene Geist hat diese Lere bezeugt und durch Wunder bestätigt.

 

[Ib-11-1781-0080]
2) Das Wasser der Taufe. Iesus hat befolen uns auf den Namen seiner als des Sones Gottes zu taufen: folglich bezeugt dieses Wasser, er sei der Son Gottes oder Christus.

 

[Ib-11-1781-0081]
3) Das Blut. Iesus selbst hat diese Lere mit seinem Blute versiegelt: denn er ist eben wegen des Bekentnisses, daß er der Messias sei, gekreuzigt worden.

 

[Ib-11-1781-0082]
Wenn er nun ausser diesen noch drei himlische Zeugen anfürte, so müsten sie von den irdischen verschieden sein: und's würde die Zal der Zeugen auf eine arglistige und sophistische Art verdoppeln heissen, wenn er Einen Zeugen zweimal aufstellete, um zweimal drei Zeugen herauszubringen. Ist's aber nicht offenbar, daß in solchem Falle der h. Geist zweimal als ein Zeug' aufträte? und daß das Zeugnis des Bluts und des Wortes das Zeugnis einer einzigen Person, nämlich Christi sei? - Und was ist's nun, das die Verteidiger der Ächtheit iener Stelle wider mich aufbringen? Es läuft auf dieses hinaus.

 

[Manuskriptseite 26]

[Ib-11-1781-0083]
1) Einige Kirchenväter füren ihn an. Tertullian schreibt l. adv. Praexean c. 25. ita connexus patris in filio, et filii in Paracleto, tres efficit cohaerentes alterum ex altero, qui tres unum sunt, non unus, quomodo dictum est: ego et pater unum sumus. Allein täte nicht Tertullian alles dieses schreiben, wenn gleich unser Spruch nie in der Bibel gestanden hätte? Er beweist in seinem Saz, tres unum sunt, nicht aus diesem Spruche, sondern aus Ioh. X, 30. Fliest nicht vielmer hieraus, daß er von unserm Spruche nichts gewust haben müsse, weil er den sonst vielmer zum Beweis angefürt haben würde? Zum wenigsten ist in diesen Worten nichts, das beweist, Tertullian hab' unsern Spruch gelesen. Daß er die Redensarten desselben hat, kan ser natürlich zugehen: denn der, welcher den Brief Iohannis verfälscht hat, bediente sich der gewönlichen Redensarten der Kirche, als er seinen Spruch erdichtete.

 

[Ib-11-1781-0084]
Ausser dem Tertullian kan man sich nicht auf einen einzigen Lerer der ersten zwei Iarhunderte berufen, der diesen Spruch angefürt haben sol; und aus dem dritten Iarhundert lassen die, welche ihn für ächt halten, den einzigen Zyprian auftreten. Dieser schreibt freilich in seinem Brief' an den Iubaian: Si templum Dei factus est, (si haereticus) quaero: cuius Dei? Si creatoris, non potuit, quia in eum non credidit. Si Christi: nec eius fieri potuit templum, qui negat Dominum Christum. Si Spiritus Sancti: cum TRES UNUM SINT, quomodo placatus ei esse poterit, qui aut Patris aut Filii inimicus est? Man merke nur, daß sogar die Worte cum tres unum sint, in der erasmischen Ausgabe des Zyprian's mangeln. Doch

 

[Manuskriptseite 27]

in seinem Buche de ecclesiae unitate findet man eine noch deutlichere Stelle: dicit dominus: ego et pater unum sumus: et iterum de patre, et filio et spiritu sancto SCRIPTVM EST: ET TRES UNUM SUNT. Ich wil zugeben, daß Zyprian sich auf diesen Spruch beziehe: allein ich frag' ieden unparteiischen, ob er deswegen eine Leseart schon für ächt halte, weil sie ein einziger Kirchenvater aus den ersten drei hundert Iaren hat, wenn ihr alle Handschriften und all' Übersezzungen, die lateinische ausgenommen, widersprechen? Wenn er dieses beiaht, so werden wir morgen ein ganz anders N. T. haben, als wir bisher gehabt hatten: denn's ist beinahe keine Leseart so falsch, die sich nicht bei Einem Kirchenvater finden solte. Es komt darzu, daß Zyprian Bischof der Kirche zu Kartago war. Weil man aber zu Kartago nicht griechisch redete, sondern lateinisch, welche Sprache die Römer nach Zerstörung dieser grossen Stad dort ausgebreitet hatten; und weil sich die Kartager zur latein. Kirch' hielten, so erweist das Zeugnis des Zyprians weiter nichts, so erweiset's als daß der Spruch schon im 3. Iarhundert in der latein. Übersezzung befindlich gewesen sei. Da aber diese vor der Zeit des Hieronymus bei nah' eine Rapsodie von allerlei falschen Lesearten und Einschaltungen geworden war, so giebt sie der Sache noch gar keine Entscheidung und nicht einmal den Schein der Richtigkeit. Iedoch Benson läugnet sogar mit einiger Warscheinlichkeit, daß Zyprian auf unsern Spruch ziele. Er meint, er geb' uns nur eine mystische Erklärung des achten Verses, und hab' unter Wasser, Blut und Geist die (sogenante) Dreieinigkeit verstanden: welches er dadurch warscheinlich zu machen sucht, weil man bei'm Eucherius eben eine solche Er Auslegung findet, der in seinen quaestionibus difficil. in loca V. et N.T. von den Worten, das Wasser,

 

[Manuskriptseite 28]

das Blut und der Geist, schreibt: "wenn man fragt, so antwort' ich, daß manche die Dreieinigkeit verstehen. Durchs Wasser verstehen sie den Vater, durch's Blut den Son, und durch den Geist den h. Geist." – Von den Kirchenvätern, die im 4. und 5. Iarhundert, und noch dazu in der latein. Kirche gelebt haben, z. E. von Phöbadius, Marius, Viktorin, Afrus, Eucherius, und Vigilius Tapsensis brauch' ich nichts zu sagen. Sie sind zu neu und sie füren die Bibel nicht nach dem Griechischen, sondern nach der latein. Übersezzung an, die freilich diesen Spruch in den meisten Abschriften gehabt hat. Ich seh' aber aus dem Fulgenzius, der im sechsten Iarhundert lebte, daß nicht einmal all' in Afrika bekante latein. Handschriften der himlischen Zeugen Erwänung taten; denn in seinen discuss. obiect. Arian. wil er diesen Spruch retten, und schreibt: quod etiam beatissimus martyr Cyprianus confitetur: welches überflüssig wäre, wenn er in allen Handschriften befindlich gewesen wäre.

 

[Ib-11-1781-0085]
2) Man beruft sich auf den Zusammenhang der Rede, welche one diesen Spruch mangelhaft sei.- -

 

[Ib-11-1781-0086]
"Allein kan man denn nicht drei Zeugen auf Erden anfüren, one zugleich dreier Zeugen im Himmel zu gedenken? Mit eben dem Recht wird ein andrer schliessen können, daß auch noch drei Zeugen in der Hölle genent werden müsten. Was ist in den Worten mangelhaftes, wie sie in den griech. Handschriften lauten? Von den Worten an "dieser ist's, der da komt beim Wasser" - bis "das Blut:" und diese drei stimmen überein.". Wollen sich einige auf den 9. Vers berufen: wenn wir der Menschen Zeugnis annemen, so ist's Zeugnis Gottes grösser, so seh' ich nicht, was sie damit ausrichten. Denn's braucht ia dieses Zeugnis Gottes nicht * im vorigen zu stehen, sondern's kan im folgenden gesucht werden, da Iohannes hinzusezt: denn dies ist's Zeugnis Gottes, d.i. Got bezeugt eben das. Iedoch ich frage diese Männer: ob sie denn ugnen, daß das Zeugnis Got des h. Geistes ein Zeugnis Gottes sei? Ist's aber dieses: so fin

 

[Manuskriptseite 29]

den sie ia auch im Verse, da der drei irdischen Zeugen gedacht wird, ein götliches Zeugnis.

 

[Ib-11-1781-0087]
Zur Belerung solcher ungeschikter Leute, die sich darauf berufen, d*...* daß der 8te Vers sich mit ??? anfange, meld' ich nur, daß das falsch sei, und daß er sich in griech. Handschriften anfange: ??? ????? ????? ?? ???????????? ??? ??? ???. – " Seit. 618-627.

 

[Ib-11-1781-0088]
V.

 

[Ib-11-1781-0089]
Isaak Iselin über die Geschichte der Menschheit.

 

[Ib-11-1781-0090]
Let us, since live can little more supply. Than just to look about us and to die, Exputiate free o'er all this scene of man. Pope

Erster Band. Vierte und verbesserte Auflage. Basel, bei Iohannes Schweighauser, 1779.

 

[Ib-11-1781-0091]
1) Gesunder Verstand, Einfalt, Narheit, Weisheit.

 

[Ib-11-1781-0092]
"Alle Eigenschaften der Sel' erhalten erst ihren waren Wert, durch die Richtigkeit ihrer Wirkungen. – Wenn unsre Sinne *...* noch so weit reichten; unser Gedächtnis einen noch so grossen Schaz von Vorstellungen aufbewarte, unsre Dichtungskraft unermüdet uns neue Gestalten vorbildete; unsre Vorhersehung bis in's Unendliche die möglichen Veränderungen der Welt sich vorstelte; unser Verstand unersätlich immer neue Begriffe sammelte; unsre Vernunft mit einer unermüdeten Geschäftigkeit immer neue Folgerungen aus denselben zöge; wenn wir durch die ausgebreitetste Fähigkeit eine unbeschreibliche Menge von Kentnissen vereinigten; so würden one Warheit und Richtigkeit alle diese Schäzze von einem geringen Nuzzen für uns sein. Erst durch diese kostbaren Vorzüge werden wir in den Stand gesezt, einen sichern

 

[Manuskriptseite 30]

und vernünftigen Gebrauch von ieder Fähigkeit und von iedem Gute zu machen.

 

[Ib-11-1781-0093]
Die Richtigkeit der Selenvermögen; die Gesundheit der Sele, ist eine kostbare, eine unschäzbare Eigenschaft; eine Eigenschaft, mit deren's besser ist, ein eingeschränkter, ein mittelmässiger Geist zu sein, als one dieselbe einer der grössesten. Der Mangel derselben macht bei geringen Fähigkeiten den schwachen, den blöden Geist, die Einfalt im schlimmen Verstand' aus. Bei grossen aber, und insonderheit bei mächtiger Einbildungskraft, welche nur zu oft das Blosmögliche mit dem Wirklichen vermischt, erzeugt er die Narheit. Oft ist er nur vorübergehend. Oft aber ist dauerhafter und oft ist er gar beständig.

 

[Ib-11-1781-0094]
Im Traume befindet sich der Mensch in einem Zustande, wo sich die Vorstellungen wärend seinem Schlafe lediglich nach den Gesezzen der Phantasie richten und die Gesezze der Wirklichkeit überschreiten.

 

[Ib-11-1781-0095]
Im Fieber träumt der Mensch wachend. Die Tolheit ist ein solcher Zustand, der länger dauert. Die Gemütsbewegungen wenn sie alzuheftig sind werden, versezzen die Sel' in einen vorübergehenden Stand der Narheit. - Aus diesem allen läst sich leicht sein Gegenteil, die Weisheit, abziehen. –" Seit. 16-19.

 

[Ib-11-1781-0096]
2) Immer reger Erweiterungstrieb.

 

[Ib-11-1781-0097]
"Wie grösser die Sphäre der Tätigkeit eines Menschen ist; desto mer spornt eine natürliche Notwendigkeit ihn an, sie immer zu erweitern.

 

[Ib-11-1781-0098]
Es läst sich gröstenteils hieraus erklären, warum ein Armer nicht so ser nach Reichtümern strebt als ein Reicher; warum ein Unwissender nicht so ser nach neuen Einsichten trachtet, als ein Gelerter; und warum ein Eroberer immer sein Gebiet zu erweitern sucht. Der Geist eines ieden hat nach dem

 

[Manuskriptseite 31]

Masse seiner Fähigkeit, Beschäftigungen nötig, und bestrebt sich nach solchen neuen Eroberungen, die ihm durch die vorhergehenden erleichtert werden. - - " Seit. 48.

 

[Ib-11-1781-0099]
3) Der Widerspruch zwischen unsrer Teorie und Praxis.

 

[Ib-11-1781-0100]
"Tausend andre Empfindungen verdunkeln den Glanz der Warheit, verdammen sie, als eine Störerin unsrer Ruh' und unsrer Gedanken Gerechtsamen, zum Stilschweigen; und erzeugen den Widerspruch unsrer Teorie und unsrer Handlungen. - Richtig bemerkt man, daß die teoretischen Begriff' eines Menschen nur von seinem Verstande; seine Handlungen aber noch von seinem Temperament' und von seinen Gemütsbewegungen abhangen. Daher predigt mancher so schön, ist von seiner Predigt überzeugt; und handelt doch elend. - - - " S. 106.

 

[Ib-11-1781-0101]
4) Vom Ursprunge der ausschweifenden Karaktere.

 

[Ib-11-1781-0102]
"Für den Menschen, hat immer dasienige am meisten Wirklichkeit, was ihn am meisten angreift; und was seine Vermögen am schnelsten in Bewegung sezt; und da sind bei demienigen, dessen Verstand nicht sorgfältig angebauet worden ist, die Eingebungen der Einbildungskraft den Vorstellungen der Vernunft weit überlegen.

 

[Ib-11-1781-0103]
Daher entstehen die mächtigen, die feurigen Triebe, welche die Helden, und die grossen Männer auf desto gefärlichere Irwege füren, ie grösser und ie stärker ihre Selenkräfte sind. Mit einem ieden Schritte zur Volkommenheit eröfnet sich ihnen ein neuer Schauplaz grosser Entwürfe; mit iedem glüklichen Erfolg' erweitert sich die Sphär' ihrer Tätigkeit. Sie mögen sich in einer Art hervortun, welches immer sei; der Lauf ihrer Erfolge mag die Menschen glükselig, oder elend machen; nichts ist vermögend, sie zurük zu halten; man müst' ihnen denn einen Kampfplaz eröfnen, der ihren feurigen Selen grössere, edlere, und schmeichelndere Aussichten darböte. –

 

[Manuskriptseite 32]

Wenn nicht in den zartesten Iaren die lerende Vernunft den Grund zu einer richtigern Denkungsart gelegt hat, wenn nicht frühe der aufkeimende Verstand sorgfältig angebauet worden ist; wenn bereits die ungeheuren und schmeichlerischen Bilder der falschen Grösse sich der Sele bemächtigt haben; wenn bereits der betäubende Zuruf chimärischen Ere sie für die Stimme der waren unfülbar gemacht hat: so kent der erhizte Geist keinen Zügel und keine Schranken mer; so sind alle Bemühungen der Weisheit verloren; so ist alle Beredsamkeit unmächtig.

 

[Ib-11-1781-0104]
Erscheinungen von dieser Art sind nicht der politischen Welt ausschliessend eigen. Die gelerte Republik bringt nicht weniger Eroberer und Zerstörer hervor. Männer von seltnen Gaben, Helden im Denken, wie's andre im Handeln sind. Mit Adlersblikken umfassen sie's ungeheure Gebiet der Gelersamkeit, oder den engern Bezirk einzelner Wissenschaften. Weit über die Sphär' ihrer Zeitgenossen erhoben, sehen sie die mannigfaltigen Verhältnisse der Ding' in einem ganz neuen Licht. Ihre feurige Phantasie leiht iedem Gegenstand' eine andre Gestalt. Das Vergnügen zu denken und zu erfinden, reist ihre ruhelosen Gemüter dahin, und der noch lebhaftere Ergeiz, die Geister zu beherschen, entflamt sie mit einem unbezämbaren Feuer. Iedes Genie, das vor ihnen im Reiche der Meinungen getronet hat, ist in ihren Augen ein ungerechter Eindringling; und iedes Vorurteil, iede Warheit, die ihre Zeitgenossen beherschen, sind für sie Misbräuche, welche zu zerstören, von welchen das menschliche Geschlecht zu befreien, sie sich berufen glauben. Eine starke Sele, ein eherner Mut begleiten sie vom ersten Schritt' an, den sie auf ihrer gefärlichen Ban wagen. Ihre Augen

 

[Manuskriptseite 33]

sehn nur's grosse Ziel vor sich, nach welchem sie streben. Alle Gefaren, all' Hindernisse verschwinden vor ihnen; und sie zernichten sie auch für andre. Ihre feurige Einbildung blendet die erstaunte Unerfarenheit, die neugierige Iugend, und oft die unparteiische Warheitsliebe; da indessen der Glanz und das Ansehn, welches sie sich durch ihre Erfolg' erwerben, die Eifersucht, den Has und den Zorn derienigen reizen, welche sich bereits mit dem Besizze der Warheit schmeicheln. Daher Fakzionen, Verfolgungen, gelerte Kriege, wo auch dieienigen, welche im Anfange die Warheit am eifrigsten suchen, sie endlich aus den Augen verlieren; und blos um eitle Gözzen kämpfen, welche sie auf ihren Altar gestelt haben; wo die Verfechter der alten Meinungen, Misbräuche, Vorurteil' und Irtümer mit dem gleichen Eifer verteidigen, als die heiligsten Warheiten; und wo die Neuerer die vererungswürdigsten Grundsäzze mit eben der Hizze bestreiten, als die unseligsten Irtümer. Kriege, welche der Warheit, der Religion, den Sitten den Untergang zu drohen scheinen; und welche endlich keine andre Folg' haben, als daß die unparteiische Nachwelt Warheit und Irtum freier und leichter unterscheiden, und auf die Trümmer der Meinungen, das Gebäude der Wissenschaft glänzender und gründlicher auffüren kan. So stehet die unterdrükte Warheit prächtiger aus dem Schutt' empor, in welchem sie mit Irtume vergraben lag; wie's stolze Rom aus den Flammen, denen's der unsinnige Mutwillen eines Tyrannen Preis gegeben hatte.

 

[Ib-11-1781-0105]
Nicht alle schwärmenden, nicht all' ausserordentlichen Karaktere sind indessen von einem solchen Umfange, und von einer solchen Stärke.

 

[Manuskriptseite 34]

Nach dem Beispiele der Helden, schweifen die irrenden Ritter in einer niedrigern und eingeschränktern Spär' aus; und die gelerte Welt hat ihre Don Quichotte's wie die Ritterschaft, und ihre Parteigänger wie der Militärstand. Es giebt da mer als genug Leute, welche, weil sie nichts bessers zu tun wissen, Windmülen bekämpfen, oder Dörfer verbrennen. Seltsame Köpfe, derer Anomalien viel Unheil verursachen, und dennoch vielem Guten den Weg bäuen.

 

[Ib-11-1781-0106]
So müssen Eroberer, Friedensstörer, Neuerer in der gelerten Welt, wie in der politischen, alles zerrütten, damit Weise und Tugendhafte Freiheit, Ordnung und Warheit desto glüklicher festsezzen können. So reinigen die Stürm' in der moralischen Welt, wie in der physischen, die Luft und so macht die götliche Fürsehung auch die gefärlichsten Gaben zu Werkzeugen der algemeinen Glükseligkeit. - - " S. 107 - 119.

 

[Ib-11-1781-0107]
5) Die Glükseligkeit steigt nach dem Grad' unsrer erweiterten Denkenssphäre.

 

[Ib-11-1781-0108]
"Ein Kind ist unzälige mal des Tages unglüklich. Seine enge Sele fasset nur das einzige Gut, mit welchem es gegenwärtig beschäftigt ist; und wenn ihm dieses weggenommen wird, so wird alle Tag Tätigkeit seines Geistes gehemt; so ist's untröstbar.

 

[Ib-11-1781-0109]
Wie kleiner ein Geist ist, desto mer gleicht er in diesem Stükke einem Kinde. Eine einzige Idee beschäftigt ihn für einmal genug, und wenn ihm diese geraubt wird, so ist für ihn kein Licht mer vorhanden.

 

[Ib-11-1781-0110]
Wie schwächer ein Geist, wie eingeschränkter er ist, wie weniger Richtigkeit und Ordnung im Ganzen seiner Einsichten herrschen; desto geschwinder wird er durch iedes

 

[Manuskriptseite 35]

Gut befriediget, desto geschwinder auch versezt ihn iedes scheinbare Übel in Betrübnis; desto leichter wird der Lauf seiner Empfindungen gehemt und zerrüttet; desto leichter zerstören bei ihm Zweifel, Verlegenheit und Unmut die zur Selenruhe so nötige Harmonie. - Wie grösser hingegen ein Geist, wie reicher an Gedanken und an Einsichten er ist; wie geschwinder er von einer Art von Gedanken zur andern übergeht; wie mer er gewönt ist, sich mit der Betrachtung erhabner und unvergänglicher Dinge zu unterhalten; wie mer seine Einbildung unter der Herschaft seiner Vernunft steht; desto weniger hat er's Schiksal des Kindes und des kleinen Geistes zu befürchten. - " Seit. 126. 127. 128.

 

[Ib-11-1781-0111]
6) Wie die Idee des Eigentums entsteht

 

[Ib-11-1781-0112]
"Der Mensch heftet almälig durch die Gewonheit eine fortdaurende Neigung auf die Gegenstände, die ihm Vergnügen verursachen; und so entsteht in seiner Sele nach und nach das Verlangen, sie länger oder auch mit Ausschluss' and'rer zu geniessen. Nach und nach äussert sich, obwol schwach und verwirt, eine dunkle Empfindung, daß eine Sache, die ein Mensch lange Zeit gebraucht und genossen hat, ihm und niemand anders zugehöre. Ein Gefül, welches sich auch bei ser iungen Kindern tätig erzeigt. Wenn sie einmal gewont sind, eine Sach' im Besizz' einer Person zu sehen, so fält's ihnen oft unerträglich, daß eine andre sie gebrauche. Sich selbst aber versagen sie diesen Gebrauch nicht, so bald's sie darnach gelüstet. Bei so schwachen Fähigkeiten hat der Mensch noch lange nicht Verstandes genug, in Rüksicht auf's Eigentum oder auf's Vergnügen eines andern seinen Begierden Schranken zu sezzen. Indessen ist diese dunkle Verabscheuung des Unrechts der erste Keim der Empfindung von Gerechtigkeit, und des Triebes zum Richteramt. Auch der erleuchtete

 

[Manuskriptseite 36]

Mensch lernt immer zuerst die Unbilligkeit an andern misbilligen, eh' er fähig wird, sie an sich selbst häslich zu finden. - " Seit. 185. 186. 187.

 

[Ib-11-1781-0113]
7) Von den Ausschweifungen vortreflicher Menschen - der Genie's.

 

[Ib-11-1781-0114]
"Geistvolle und fülbare Selen verfallen leichter, geschwinder und tiefer in die feurigen Unordnungen der Iugend, als dumme und gefüllose. Aber die gleiche Empfindlichkeit, welche sie so geschwind dem Abgrund' entgegen fürt, ruft sie auch oft wieder frühe davon zurük; zerteilt und mässigt durch sanfte und woltätige Gefüle die Hizz' ihrer Leidenschaften; heftet ihre Aufmerksamkeit auf edle und erhabne Gegenstände, und macht über dem verständigen und tugendhaften Manne den ausschweifenden Iüngling vergessen. Langsame und unedle Gemüter hingegen werden nie so leicht und nie so früh' in Ausschweifungen geraten. Wenn sie aber einmal darin versunken sind, so ist fast nichts mer im Stande, sie daraus zu ziehen. - Grosse Genies bringen nichts kleines hervor. Ein lebhaftes Feuer läst ihre angestrengte Tätigkeit niemals ruhen. Sie werden gleich dem Mer' hin und her getrieben, bis sie einmal zu einer standhaften und gleichförmigen Gemütsverfassung gelangen. Ein im Feldbau unerfarner Mensch würde sich die Gegend nicht * loben, wo er nichts als Gesträuch, wilde Gewächse, viele wilde Tiere, Bäch' und Kot erblikte. Dem verständigen Kenner würde dies die Güt' und die Mürbigkeit des Bodens und lauter Gutes verraten. Eben so zeigt sich bei grossen Genien oftmals viel Ungereimtes und Schlimmes. Wir können das Rauhe und Stechende an denselben anfangs nicht vertragen. Wir glauben demnach man müsse dasselbe wegschneiden und hintertreiben. Ein weisrer Beurteiler schliest eben daraus auf die vortreflichen Anlagen und wartet das Alter und die Zeit ab, welche der Vernunft und Tugend beförderlich sind, und wo die Natur die schönsten Frücht' hervorbringt. -" Seit. 239. 240. 241.

 

[Manuskriptseite 37]

[Ib-11-1781-0115]
8) Der Einflus der Narung der Wilden auf ihre Gemütsart.

 

[Ib-11-1781-0116]
"Die gewönliche Narung der unpolizirten Menschen besteht in rohen und freiwillig gewachsenen Wurzeln und Früchten, in Fischen und in Gewilde. Eine solche Art sich zu nären kan nicht anders als eine grobe Anlage des Leibes, und einen rohen Karakter der Sel' erzeugen.

 

[Ib-11-1781-0117]
Sie erfordert wenig Einsichten, und mer nicht als einige beinahe blos tierische Fertigkeiten. Menschen, welche sich damit begnügen, haben ser wenige Anlässe sich Begriffe zu samlen, und bedürfen also fast keiner Geselschaft.

 

[Ib-11-1781-0118]
Ihre Unwissenheit mus daher unendliche gros, und ihre Überlegung nicht weniger eingeschränkt sein. - Ihre Begierden müssen ihr einziges Gesez ausmachen; das Gegenwärtige allein mus sie rüren; und' s mus unbeschreiblich viel Zeit und Mühe brauchen, bis sie mit den Begriffen von Ursach' und Wirkung, von Zwekk' und Mittel befreundet werden, und bis sie lernen auf die Folgen ihrer Handlungen einige Achtung machen. Aber auch in diesem Stükk' hat die Rohigkeit ihre verschiednen Schattierungen und Grade.

 

[Ib-11-1781-0119]
Der Mensch, welcher allein von Wurzeln und wilden Früchten lebt, wird eben so unwissend, aber nicht so böse und so gewalttätig sein, als derienige, welchen die Iagd ernärt. Er bedarf hingegen noch weniger der Hülf' andrer Menschen. Er wird also minder gesellig sein.

 

[Ib-11-1781-0120]
Der Ichtyophag' hingegen, welchem der Fischfang seine Narung gewärt, ist geselliger als der, so nur von wilden Früchten und von Wurzeln lebt: Er hat schon mer Hülf' nötig. Es scheint auch, daß er minder grausam sein sol, als der Iäger. Die Fischerei ist allem Ansehen nach der erste Grad des Fleisses und der Arbeitsamkeit des rohen Menschen.

 

[Ib-11-1781-0121]
Erst wenn dieser seine Emsigkeit zur Iagd erhebt, so verfält er

 

[Manuskriptseite 38]

in die ware Wildheit, so wird er ein Barbar im volkommensten Verstande.

 

[Ib-11-1781-0122]
Es ist alsdenn als ob alle seine Empfindlichkeit, als ob iede seiner Fähigkeiten nur erhöhet würden, um ihn in den Zustand zu sezzen, mer Greuel zu verüben. - " S. 247 - 253.

 

[Ib-11-1781-0123]
9) Die Trägheit der nordischen und morgenländischen Völker.

 

[Ib-11-1781-0124]
"Die Trägheit der nordischen Völker scheint mer ein Feler des Geistes, und die von den mittägigen und morgenländischen mer ein Feler des Leibes zu sein. -" S. 300.

 

[Ib-11-1781-0125]
10) Nicht iedes Land trägt gleich viel zur Ausbildung des Menschen bei.

 

[Ib-11-1781-0126]
"Solt' es ungereimt sein, zu denken, der Mensch wär' eine von Natur mer oder minder rohe Pflanze, welche vielfältig versezt, geäugelt, bearbeitet werden müsse, um gute und schmakhafte Früchte zu bringen.

 

[Ib-11-1781-0127]
In einigen Ländern mus nicht nur die Natur verbessert; sie mus gleichsam umgegossen werden. Iede Empfindung des Schönen, des Guten, des Volkomnen, ist da da eine fremde Frucht, die in einem harten Klima erst nur in Treibhäusern erzogen werden mus, und die in der freien Luft nicht gedeihen kan, bis durch eine lange Anbauung der Boden selbst seine ursprüngliche Rohigkeit verloren hat. So wird uns die frühe Kultur des Orients, die langsamere von Griechenland und von Italien, und die späte der nordischen Länder begreiflich. - Aber überal müssen hier Spuren einer alweisen Vorsehung zu entdekken sein - und wenn unser Aug' hierzu zu kurzsichtig ist, so können wir mit Recht vermuten, daß wir sie einmal in der Zukunft bemerken werden, der Grieche war eher kultivirt als der Grönländer - und's ist besser, daß

 

[Manuskriptseite 39]

er's eher war: denn würde der Grönländer anstat des Griechen zu ienem Grade der Kultur erhoben haben; so würde die Geschicht' unsers Erdbals anders, d. h. schlechter geworden sein. - " Seit. 185. 186.

 

[Ib-11-1781-0128]
VI.

 

[Ib-11-1781-0129]
Deutsche Chrestomatie für Iünglinge zur Bildung des Herzens und des Geschmakkes. Leipzig, bei Christian Gottlieb Hertel, 1777.

 

[Ib-11-1781-0130]
1) Der Wilde

 

[Ib-11-1781-0131]
"Überal giebt's gute Menschen - sagt' einst ein Geistlicher, der in Ostindien Missionar gewesen war, zu einer Dam' unter andern Gesprächen - das hab' ich unter meinen Wilden gelernt. Einst gegen Abend - fur er fort - gieng ich mit meinen Hausgenossen von einem Spazziergange zurükke; da hörten wir, an der Öfnung eines Waldes, einen kläglichen Ton; wir giengen ihm nach, und fanden unter einem Baum' einen Wilden, der alt und entkräftet auf sein Ende zu warten schien. Anfangs wolt' er nicht mit uns reden. "Ach! sagt' er endlich, heute Morgen, als der Himmel rot wurde, macht' ich mich auf, und hofte, nach meiner Heimat zu kommen. Nun hab' ich mich verirt; es wird dunkel, ich bin müde; nun mus ich hier liegen bleiben. Hier werden Schlangen, oder wilde Tiere, oder meine Feinde mich umbringen. Mein armes Weib! und meine arme Kinder!" Uns iammerte seiner; ich bat ihn mitzugeh'n. Aber du kenst mich nicht! "Ich brauche dich nicht zu kennen," sagt' ich, "kom!" und wir fürten ihn in meine Hütte. Nachdem er die nötige Stärkung zu sich genommen, bereitet' ich ihm ein Lager dicht an meinem Bette, so daß wir nur eine dünne leinene Wand zwischen uns hatten. Er legte sich hin. Mitten in der Nacht wekte mich ein Geräusch, als

 

[Manuskriptseite 40]

ob der Wilde von seinem Lager aufstünde. Ich erschrak und horchte. Wie ser aber tat mein Schrekken ihm Unrecht! Ich werd's nie vergessen. Er war niedergekniet, und betet' ungefär mit folgenden Worten: "O Got! ich danke dir, daß auf meinem Wege die Sonne geschienen hat; ich danke dir, daß mich keine Schlange gestochen, daß mich kein wildes Tier angefallen hat; daß meine Feinde mir nicht begegnet sind: Ich danke dir, daß dieser gute Fremde gekommen ist, und mich in seine Hütte gefürt hat. O Got! wenn dieser Fremde, oder wenn seine Freunde, oder seine Nachkommen reisen, so gieb ihnen auch die Sonne; so beware sie vor Schlangen und wilden Tieren, und vor ihren Feinden. Und wenn sich einer verirt, und am Wege liegt; so las einen guten Mann kommen, der ihn mit in seine Hütte nimt."

 

[Ib-11-1781-0132]
So war sein Gebet, und das meinige war: Gieb mir, o Got! neben diesem Wilden ein Pläzchen in deinem Paradiese. -" S. 21.22.23.

 

[Ib-11-1781-0133]
2) Gefül bei einem Manne, bei dem man's nicht suchen solte.

 

[Ib-11-1781-0134]
"Es gieng ein Handwerkspursch' in der grimmigsten Kälte mit seinem Bündelgen über die Heide. Seine Kleiderchen waren dünne, und seine Strümpfe zerrissen. Ach! da fror's ihn ser; er weinte, und die hellen Zären froren ihm an die Augenwimpern. Lieber Got! seufzt er, weit und breit kein Dorf und keine Stadt und keine Kolhütte! ich werd' erfrieren, ach' was wird meine Mutter sagen! - Mein Vater ist gestorben, und nun hat sie niemanden, der ihr Brod erwirbt! - Er wolte laufen; aber seine Glieder waren star - er wurde schläfrig, legte sich in Schne auf sein Bündelgen, und entschlief sanft. Ein Postknecht rit vorbei, und sah' ihn star liegen - Er bemerkte noch einige Lebenszeichen an ihm, rit schneller und zeigt's unter'm Tore der benachbarten Stadt an. - Was

 

[Manuskriptseite 41]

hilft's? bis wir hinaus kommen, ist er tod, sagten die Unempfindlichen. Ein Todtengräber war in der Wachstube, sich zu wärmen; der hört's und ihm brach's Herz. On' ein Wort zu sagen, gieng er auf die Landstrasse, trug den erstarten Handwerkspurschen in's nächste Dorf, rieb ihn mit Schnee, - bracht' ihn der Wärm' immer näher, und erwekt' ihn wieder. D'rauf nam er ihn mit in die Stadt, und teilt sein Holz und seinen Tisch - ach! er hatte selbst nicht viel - mit dem Handwerkspurschen, bis, so sagt er, die Kälte vorüber ist, dan kan Er in Gottes Namen wieder weiter reisen. - Mutter, du hast deinen Son und dein Brod dem woltätigen Todtengräber zu danken! - O meine Mitbürger, vergest bei dieser grimmigen Kälte der Armen nicht. Schaut, hinter dem Ofen könt ihr nicht wissen, wie's so weh tut, in Lumpen unter freiem Himmel zu zittern. - - - " S. 58. 59.

 

[Ib-11-1781-0135]
3) Lied eines Greisen im Herbst - von Gesner.

 

[Ib-11-1781-0136]
"Hört mich, Musen! hört mein heischeres Rufen. Im Frühling meiner Tag' habt ihr an rauschenden Bächen und in stillen Hainen nie unerhört mich gelassen. Las mir dies Lied gelingen, mir grauen Greisen!

 

[Ib-11-1781-0137]
Was für ein sanftes Entzükken fliest aus dir iezt mir zu, herbstliche Gegend! Wie schmükt sich das sterbende Iar! Gelb stehen die Sarbachen und die Weiden um die Teich' her; gelb stehen die Äpfel= und die Birnenbäume, auf bunten Hügeln und auf der grünen Flur, vom feurigen Rot des Kirschbaums durchmischt. Der herbstliche Hain ist bunt, wie im Früling die Wiese, wenn sie vol Blumen steht. Ein rötliches Gemische zieht vom Berge sich in's Tal, von immer grünen Tannen und Fichten geflekt. Schon rauscht gesunkenes Laub unter des Wandelnden Füssen,

 

[Manuskriptseite 42]

ernsthaft irren die Herden auf welkem blumenlosen Gras; nur steht die rötliche Zeitlose da, der einsame Bote des Winters. Iezt kömt die Ruhe des Winters, Bäume, die ihr mild eure reifen Früchte gegeben, und külenden Schatten dem Hirt und der Herde! O! so gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe denn süsse Früchte getragen, und erquikkenden Schatten über die Notleidenden gestreut. Denn, o Son! der Segen ruft bei der Hütte des Redlichen, und bei seiner Scheune. O, Son! wer redlich ist, und auf die Götter trauet, der wandelt nicht auf trügendem Sumpf. Wenn der Redliche opfert, dan steigt der Opferrauch hoch zum Olymp, und die Götter hören segnend seinen Dank und sein Flehen. Ihm singt der Eule nicht banges Unglük, und der traurig krächzende Nachtrabe. Er wont sicher und ruhig unter seinem friedlichen Dach; die freundlichen Hausgötter sehen des Redlichen Geschäfte, und hören seine freundlichen reden und segnen ihn. Zwar kommen trübe Tag' im Früling; zwar kommen donnernde Wolken im segenvollen Sommer. Aber, Son! murre nicht, wenn Zeuvs unter deine Handvol Tag' auch trübe Stunden mischt! Vergis nicht meine Lere, Son! Ich gehe vor dir her zum Grabe! Schont, ihr Sturmwinde! schont des herbstlichen Schmukkes! las sanftere Winde spielend das sterbende Laub langsam den Bäumen rauben, so kan mich die bunte Gegend noch oft entzükken! Vielleicht, wenn du wieder komst, schöner Herbst, vielleicht seh' ich dich dan nicht mer. Welchem Baum entsinkt dan das sterbende Laub auf mein ruhiges Grab? - " Seit. 133. 134.

 

[Ib-11-1781-0138]
4) Damon, Daphne - von Gesner.

 

[Ib-11-1781-0139]
"Es ist vorübergegangen, Daphne! das schwarze Gewitter; die schrekkende Stimme des Donners schweigt. Zitre nicht, Daphne! Die Blizze schlängeln sich nicht mer durch's schwarze Gewölk: las uns die Höle verlassen; die Schafe, die sich ängst

 

[Manuskriptseite 43]

lich unter diesem Laubdach gesammelt, schütteln den Regen von der triefenden Wolle, und zerstreuen sich wieder auf der erfrischten Weide. Las' uns hervorgeh'n und seh'n, wie schön die Gegend im Sonnenschein glänzt.

 

[Ib-11-1781-0140]
Iezt traten sie Hand in Hand aus der schüzzenden Grott' hervor. Wie herlich, rief Daphne, dem Hirten die Hand drükkend, wie herlich glänzet die Gegend! Wie hel schimmert das Blau des Himmels durch's zerrisne Gewölk! Sie fliehen, die Wolken! Wie sie ihren Schatten in der sonnebeglänzten Gegend zerstreuen! Sieh', Damon! Dort liegt der Hügel mit seinen Hütten und Herden im Schatten; iezt flieht der Schatte, und läst ihn im Sonnenglanz; sieh', wie er durch's Tal hin über blumigten Wiesen läuft. Wie schimmert dort, rief Damon, wie schimmert der Bogen der Iris, von einem glänzenden Hügel zum andern ge ausgespant; am Rükken das graue Gewölk, verkündigt die freundliche Göttin von ihrem Bogen der Gegend die Ruhe, und lächelt durch's unbeschädigte Tal hin.

 

[Ib-11-1781-0141]
Daphn' antwortete, mit zartem Arm ihn umschlingend: Sieh', die Zephyre kommen zurük, und spielen froher mit den Blumen, die veriüngt mit den hel blizzenden Regentropfen prangen; und die bunten Schmetterlinge, und die beflügelten Würmchen fliegen wieder froher im Sonnenschein; und der nahe Teich - sieh' wie die genezten Büsch' und die Weiden zitternd um ihn her glänzen! - er empfängt wieder ruhig das Bild des hellen Himmels, und die Bäum' umher.

 

[Ib-11-1781-0142]
Damon. Umarme mich, Daphne, umarme mich! O was für Freude Freude durchströmt mich! Wie herlich ist alles um uns her! Welche unerschöpfliche Quelle von Entzükken! Von der belebenden Sonne bis zur kleinsten Pflanze sind alles Wunder!

 

[Manuskriptseite 44]

O wie reist das Entzükken mich hin; wenn ich vom hohen Hügel die weit ausgebreitete Gegend übersehe, oder wenn ich, in's Gras hingestrekt, die mannigfaltigen Blumen und Kräuter betrachte, und ihre kleinen Bewoner; aber wenn ich in nächtlichen Stunden den gestirnten Himmel, wenn ich den Wechsel der Iarszeiten, oder den Wachstum der unzälbaren Gewächse - wenn ich die Wunder betrachte, dan schwelt mir die Brust, Gedanken drängen sich dan auf; ich kan sie nicht entwikkeln; dan wein' ich und sink' hin; und stamle mein Erstaunen dem, der die Erd' erschuf! O Daphne, nichts gleich dem Entzükken, es sei denn das Entzükken, von dir geliebt zu sein! Daphne. Ach Damon! Auch mich, auch mich entzükken die Wunder! O las uns in zärtlicher Umarmung den kommenden Morgen, den Glanz des Abendrots, und den sanften Schimmer des Mondes, las uns die Wunder betrachten, und an die bebende Brust uns drükken, und unser Erstaunen stamlen! O welche unaussprechliche Freude, wenn dies Entzükken zum Entzükken der zärtlichen Liebe sich mischt! -" S. 135. 136. 137.

 

[Ib-11-1781-0143]
5)

 

[Ib-11-1781-0144]
Auf einer Reise bei Friedberg über's Schlachtfeld.
"Halt, Wagen! Hier, auf Friedberg's stillen Höhen,
Wil ich, mit Ernst des Todes um mich her
Auf die einst eisernen Gefilde sehen.
Bellona wütet hier nicht mer.
Nicht mer? Ia, das Gebrül, die Donnerstimme
Des Krieges rolt nicht mer durch diese Flur,
Und Mars zertrit nicht mer mit wildem Grimme
Die reiche Schönheit der Natur.
Und aus der Gallier verwesten Schädeln
Sprost auf den Bergen besser Frucht herauf,

 

[Manuskriptseite 45]

Und aus dem Staube der erschlagnen Edlen
Steh'n nun des Tales Blumen auf.
Sie sind geheilt, des Akkers alte Wunden,
Das Antliz der Natur glänzt wieder hoch:
Allein der arme Stat ist unverbunden,
Und seine Wunden bluten noch.
Der Menschheit Glük, ihr weisestes Verlangen,
Gesundheit, ist von diesem Volk entfloh'n,
Und alle Rosen von der Mädchen Wangen,
O Iammer! alle sind entfloh'n.
In Schlössern Armut, Armut in den Hütten
Peitscht sie, wie eine Furie, so streng.
Grausamer wütet noch die Pest der Sitten,
Des siechen Gallier's Geschenk.
Sein Krieg ist nicht die Schlacht, nicht Feindes Sterben;
Er pfropfte seine Laster in ihr Blut,
Verewigte den Enkeln das Verderben,
Und mischte Gift mit welscher Wut.
Fort, Wagen, auf den Knochen des Barbaren,
Der stets mein armes Vaterland bekriegt,
Der, nicht durch Tapferkeit von seinen Scharen,
Durch seine Sitten grausam siegt.
Sanft rolle hin im blumenreichen Grunde,
Worin der Patrioten Gräber blüh'n,
Damit dein Gang der Veilchen keins verwunde,
Die auf der Helden Asche glüh'n. - "

S. 173. 176. 178.

 

[Ib-11-1781-0145]
6)

 

[Ib-11-1781-0146]
Aus dem Messias des Klopstok's - die Hölle.
"Und schon näherten sie der Höllen sich, hörten von Ferne
Ihr Getöse, das der äussersten Schöpfung Gestade
Brüllend schlug, und unter den nächsten Sternen erhalte.
In dem Raume, den ihr Got in dem Unendlichen abmas,

 

[Manuskriptseite 46]

Wälzt sie sich, keiner Ordnung gehorsam, auf und nieder,
Keinem Gesezze der langsamen oder schnellen Bewegung,
Fleugt sie eilend einher; so hat ihr der Richter geboten,
Ihrer Bewoner neue Verbrecher, durch wildere Flammen,
durch geschärfte Pfeile des ewigen Todes, zu strafen! - - "

Seit. 209. 210. a) Man verwechsle Poetischschön und war nicht mit dem an sich waren - vorzüglich bei dieser Stelle. R.

 

[Ib-11-1781-0147]
7)

 

[Ib-11-1781-0148]
Die bösen Könige - aus dem Messias.
"Endlich waren von mir die bewölkten Erscheinungen alle
Weggesunken, und sieh! ich sahe wieder Gesichte.
Ach auf einmal erhub sich vor mir des ewigen Todes
Fürchterlichste Gestalt. So hat kein Gedanke den Umkreis
Eines unsterblichen Geistes, und iede geheimere Tiefe
Seiner Empfindung erschüttert, als dieses Grauen mein Herz traf!
Denn die Enterteste aller Gefall'nen, der kriechenden Menschheit
Erste Schande, die tiefsten des Staubs (Got schwur ihm im Zorne;
daß er Staub sei!) Die bösen Könige kamen, das Urteil
Ihres Todes zu hören. Sie riefen, nicht Donner vom Trone
In das Gericht, nicht Hal der Posaune! Röchelndes Iammern,
Wie von dem Schlachtfeld her, noch sterbendes Seufzen der Sünder,
Die sie, in's Elend hinuntergestürzt, zu sündigen zwangen,
Rief sie mit tausendmal tausend Stimmen, vor Got zu erscheinen!
Und sie kamen. So wölkt sich die Nacht. Ein Man, der im Leben
Elend durch ihrer Einen ward, und dennoch gerecht blieb,
Stand von seinem Stul' auf, schwur zu dem Richter: Ich lebte;
In drei Söne verbreitet, entflos mir mein niedriges Leben
dennoch heiter, bis iener unmenschliche, lächelnde Man kam,
In sein Gold sich sezte, die Guten im Elend verkante,
Daß sie wurden, wie er! Da starb ich. Du hast sie gerichtet!

 

[Manuskriptseite 47]

Richter, verwirf ihn von deinem Antliz. Er raubte mein Blut mir,
Schuf es nach seinem Bilde, und entris es dem Arme der Unschuld.
Richt' ihn, richt' ihn, du Man der ersten Unschuld. Es komme
Über ihn aller Verworf'nen Oual, die er elend gemacht hat!
Aber aus ihrer Herlichkeit standen mit schrekkenden Wunden
Sieben Märtyrer auf. Wir heissen hundertmal hundert!
Eurem wütenden Auge war's Lust, uns sterben zu sehen;
Und wir sündigten nichts. Der sich're Vogel im Walde
Sang dem Schöpfer sein Lied; wir aber durften's nicht singen.
In der Gebirge verödete Kluft, zu den Gräbern der Todten,
Wo mit betränten Blumen der Brüder Gebeine begraben
Lagen, und reiften dem Tage der Tage, verfolgten die Boten
Eurer Wut uns, und liessen nicht ab, mit dem Blute der Christen
Ihre Schwerdter zu tränken, bis rings umher der Erschlagnen
Stumme Lippe, des Todes entsezliche Stille, noch Blikke
Sanfter gebrochner Augen zulezt die Unmenschlichen schrekten,
Daß sie flohen, und ihnen die leisen Lüfte der Wälder
Stürme wurden, und Mitternacht der schwelende Schatten!
Aber ihr zittertet damals noch nicht auf dem blutigen Lager
Eures Schweigens, und dicht vom unmenschlichen Schmeichler
Schaut nun empor, und seht, die alle habt ihr getödtet!
Schaut auch gegen ihn auf, den Erstgebornen vom Tode,
Wenn ihr vermögt, der Gotheit almächtiges Schrekken zu schauen.
Iesus heist sein Name! Ihr hörtet vormals den Namen
auf der Erde; da tönt' es noch nicht mit Stimmen der Donner,
Wenn ihr hörtet den Namen, den alle Himmel izt nennen!
Also sprachen die Zeugen vol schöner Wunder. Nach ihnen
Hub' ein gerechter König sein selig lächelndes Aug' auf,

 

[Manuskriptseite 48]

Blikt' auf die Frommen umher: Wie kan ich mit Namen sie nennen
Diese Ruhe, die iezzo mein Herz mit Seligkeit füllet,
Wie aussprechen den festlichen Lon, nur, daß ich ein Mensch blieb?
Nie, von dem Glanze der Grösse geblendet, vergas, daß ich Staub war?
Auf dem Tode bestimmt, wie iene, welch' ich beherschte?
Seid mir gesegnet, ihr feinsten und süssen; ihr seligen Stunden,
Da mein Herz bei der Angst Anblik, die Verlassenen fülten,
Gerne menschlich zerflos, und dan dem Ende des Kummers
Eilend rufte. Schon war es Belonung, ihr dankendes Auge
Vol von der Menschlichkeit heiligem Schauer vor mir zu sehen,
War schon Kronen genug, das anzublikken! Das giebt mir,
Siehe, der Herschende, welcher unendlich belont, wie er selbst ist,
Seiner Freuden noch mer, und Ewigkeit zu den Freuden!
Nun erhub der Verworfenen Einer sein Antliz vom Staube,
Wo er gerichtet stand, und strekte die zeugende Rechte
Nach den Königen aus; so sprach der Verworf'ne: Mein Leben
Ist mit Schande bedekt! Ich bin ein gerichteter Sünder!
Kenne sie nicht, Hoheit der Sele, die iene Gerechten
Über den Staub der Erd' erhub; und dennoch empfind' ich's,
Daß der Menschheit Erniedrung , vor allen Gebornen der Erde,
Ihr die Unheiligsten seid, so lange die Sünde geherscht hat,
Und sein Gericht das Gewissen nur noch in Stillem gehalten,
Welches an diesem Tage der Rache nicht mer betäubt wird!
Dieses sagt' er: Es hatte sich lange mit tödtendem Schrekken
Seraph Eloa gerüstet. Die Rache glüh't in dem Aug' ihm.
Sein geöfnetes Buch hieng durch die Himmel herunter,

 

[Manuskriptseite 49]

Und er rolt's aus einander; Da rauscht' es Rauschen des Sturms!
Also sprach er: Es ist ist mit keinem Masse gemessen
Euer Elend! nicht Zalen zälen's! Ihm felen die Namen!
Weh euch, ihr seid geschaffen! Weh und Verderben on' Ende
Euren Selen! Ihr habt der Menschheit heiligste Würde
Tief herunter entweiht. Sie hätten Engel mit Iauchzen,
Und mit weinendem Dank, von der Könige König empfangen!
O, ihr standet erhaben! um eure Trone versammelt
Stand das Menschengeschlecht! Weit war der Schauplaz, gros der Lon gros,
Menschlich und edel zu sein. Die Himmel sah'n euch. Es wandten
Alle Himmel ihr Angesicht weg, wenn sie sahen, was ihr tatet!
Wenn sie sahen den mordenden Krieg; (des Menschengeschlechtes
Brandmal alle Iarhunderte durch! Der untersten Hölle
Lautestes, schreklichstes Hongelächter!) den ewigen Schlummer
Eurer Augen, daß neben euch drükte der kriechende Liebling!
Keine Tugend belont, und keine Träne getroknet!
Geh' nun, du fültest dein Or mit süsser Unsterblichkeit Schalle!
Geh', du hast sie erlangt; doch die nicht, welche du träumtest!
Ewig ist euer Name, vom lezten Pöbel der Selen
Mit den wildesten Flüchen der Hölle genennet zu werden!
Eure Taten sind in des Abgrunds eherne Berge,
Dort, in langen unendlichen Reihen, mit Feuer gegraben,
Alle zu kennen, an ihrer eignen unsterblichen Schande!
Da, da ist kein Tempel der Ere, da sprosset kein Lorber,
Eures Hauptes Krone zu werden, da tönt kein Triumphlied,
Euch, mit Erevergeudung, mit hohes Preises Ergusse,
Iedem Zauber des Stolzes durch Siegesbogen zu singen:
Aber Iammergeschrei, und schrekliche Stimmen des Bluts,

 

[Manuskriptseite 50]

Das ihr vergost, und Wutausruf, und Verwünschung zu neuer
Grösserer Qual erschallen vom Überhange der Berg' euch,
Euch aus der ewigen Nacht herdrohenden Felsengewölben!
Daß die Wolk' am Trone mit ihrem Donner sich wafne!
Und mit eisernem Gange die Todesengel herabgehn!
Daß die Gerichteten alle die starren Augen erheben,
Nach dem Tron schau'n! Denn die Entscheidung fasset die Wage;
Bald, bald schwebt in die Himmel hinauf die steigende Schale!
Also rief er. Allgegenwärtige schauernde Stille
Hatte sich über die Himmel, und über die Erde gebreitet.
Heilig, und her, und schreklich war des Richtenden Anseh'n;
Almacht stralt' er, und Zorn. Er blikt' auf die Könige nieder,
Wandte sein Angesicht, schwieg. Als er sein Angesicht
wandte,
Schauert' es unter der Könige Fus in den weiten Gefilden;
Kam ein Sturm von dem Tron, und in den Nächten des Sturmes
Alle Todesengel herab. Die Könige flohen!
Kein Erdbeben erbarmte sich ihrer, sie, vor dem Anschau'n,
Und dem kommenden Schweben der Todesengel, zu dekken.
Ein Gedanke; so sahen wir die Stätte verlassen
Ihres Gerichts; noch Einer; so hörten wir donnern die Hölle,
Die sich öfnete! schlos! Schon kamen, am äussersten Himmel,
Um den Gerichtsplaz her, die Todesengel. Sie hielten
Schwarze Wetter empor, und sangen Iubelgesänge! - -"

Seit. 215-222.

 

[Manuskriptseite 51]

[Ib-11-1781-0149]
VII.

 

[Ib-11-1781-0150]
D. Ioh. Salomo Semler's Abhandlung von freier Untersuchung des Kanon's; nebst Antwort auf die tübingische Verteidigung der Apokalypsis. Halle, verlegt's Karl Herman Hemmerde. 1771.

 

[Ib-11-1781-0151]
1) Was heist Kanon, und kanonische Bücher?

 

[Ib-11-1781-0152]
"Dieses Wort hat in den iüngeren Zeiten eine gar andre Bedeutung, als es in den ältesten gehabt hat. Dem Wort ???????? ist's gerade so gegangen, es heist in alten Zeiten wirklich das gerade Gegenteil, von dem, was es nachher, zumal seit dem vierten Iarhundert und nun bei Protestanten in Absicht eines neuen Unterschieds heisset. Nämlich wie man z. B. nachher sagt. Die Kirch' erklärt im canone Damasii, Gelasii, oder wem er gehören mag, diese und diese Bücher für apocrypha; oder's sind evangelia apokrypha: hier heist's solche Bücher, welche verworfen und für solche erklärt werden, die einen irrigen, falschen und für die ganze Religionspartei schädlichen Inhalt haben; die daher von den catholicis, oder von der grössern Kirche bei Seite gelegt, und der Gebrauch zur öffentlichen Ler' und Praxis ihren Gliedern ausdrüklich untersagt worden. In ältern Zeiten aber bezeichnet's zuweilen Schriften, die ihres wichtigen Inhalts wegen, von den Liebhabern geheim gehalten und gleichsam nur von geübtern Christen zum eignen weitern Unterricht gebraucht werden. Die Bedeutung, kanonische Bücher, ist ebenfals nach und nach verändert worden. In den ältern Zeiten ist's ganz unläugbar, daß Kanon das Verzeichnis heist von den Büchern, welche in den Zusammenkünften der Christen öffentlich vorgelesen wurden. Daher auch noch lebender Bischöffe Brief' oder Aufsäzze, Teile von dieser canonica lectione sein konten. Es stekken also eben iene Schriften mit darunter, welche nachher

 

[Manuskriptseite 52]

durch den Namen apocrypha von denen unterschieden worden, welche man götliche nente; wie z. B. den Katechumenen so wol die moralischen Bücher, Sirach, Weisheit, Tobias, als auch die Briefe des Klemens, Schriften des Ephräm, Heiligen oder Märter Geschichten pp. vorgelesen wurden. Solche moralische Schriften als Ephräm's, Märter und Heiligen Schriften Geschichten, wurden auch den übrigen Christen sowol vorgelesen, als die Zirkularschreiben mancher Bischöfe; wie Augustinus sogar die gesta collationis carthaginiensis in den afrikanischen Kirchen, in der Fastenzeit, vorzulesen eingefürt hat, und man die Erzälungen von gefundnen Reliquien des h. Stephanus, und von der Bekerung der Iuden in Minorika pp. in den Kirchen vorgelesen hat. Baronius erzält die Sache deutlich ad annum 418. N. 43; von litteris circularibus des Bischofs Severus, in Minorika, aus des B. Evodius Buche De miraculis S. Stephani: eodem die, quo ingressae sunt ecclesiam l. Stephani reliquae, in ipso principio canonicarum lectionum, epistola ad nos delata Episc. Severi, de pulpito in aures ecclesiae cum ingenti favore recitata est – unde ex hac recitatione talium factorum suorum, tanquam extensione manuum suarum acclamantibus et exsultantibus fidelibus ipse dicere videretur: ecce habetis martyrem etc.

 

[Ib-11-1781-0153]
Damit nun eben in Absicht dieser Bücher, welche in den Kirchen zum Vorlesen und Predigen gebraucht wurden, eine Gleichförmigkeit erhalten würde, und man sich von den sogenanten kezzerischen Parteien im Lesen eben sowol, als im Singen und der Liturgie merklich genug unterscheiden möchte: so haben endlich die Bischöfe me

 

[Manuskriptseite 53]

rerer Kirchen und Provinzen sich mit einander, teils mündlich, teils schriftlich vereinigt, was für Bücher aus dem A. und N.T., canonicam lectionem ausmachen sollen. Man darf nur einige solche Stellen vor Augen haben, als in afrikanischen Konzilien des 4ten Iarhunderts vorkommen; z. B. im Iar 397. concil. carthag. 3. canon 47, placuit, ut praeter scripturas canonicas, nihil in ecclesia legatur (auf's Vorlesen in der Kirche komt es an) sub nomine divinarum scripturarum; sunt autem canonicae scripturae: Genesis, Exod., Levit., Numeri, Deuteronomicum, Iesus Nave, Iudicum, Ruth, Regnorum libri 4, paralipomenon libri 2, Iob, Psalmorum liber unus, Salomonis libri quinque, (bei uns nachher nach nur 3.) libri duodecim prophetarum minorum; item Isaias, Ieremias, Ezechiel, Daniel, Tobias, Iudith, Esdrae libri 2, Macchäbaeorum libri 2. Novi autem Testamenti evangeliorum libri 4, Actuum Apost. liber unus, Paulli apost. epistolae 13, eiusdem ad Hebraeos una; Petri apostoli d*ua duae:Ioannis apost. 3; Iudae apostol. una; et Iacobi una. Apocalypsis Ioannis liber unus. Nun folgt weiter: Hoc etiam fratri et con sacerdoti nostro Bonifacio, (in Rom) vel aliis earum partium episcopis pro confirmando canone innotescat; quia a patribus ista accepimus legenda. Liceat etiam legi passiones Martyrum, cum anniversarii eorum dies celebrantur. Innozenzius, B. zu Rom, giebt eben dies Verzeichnis der kanonischen Bücher, im Iar 405. - Man sieht hieraus 1) daß es damals so geradehin ausgemacht nicht war, welche Bücher ganz allein götliche heissen könten; 2) daß aus dem öffentlichen Vorlesen nicht auf die ganz gewisse Götlichkeit des Ursprungs geschlossen werden konte; 3) daß unter den verschiednen Parteien der Christen damals

 

[Manuskriptseite 54]

es noch nicht eine algemeine Einstimmung gewesen, welche Bücher im Kanon stehen müsten; und daß daher 4) einige Bischöfe sich wegen des Kanon's eben nun vereinigt haben; daß 5) namentlich die afrikanische katolische Partei sich mit der römischen Kirch' ausdrüklich verabredet haben, nur so und so viel Bücher als kanonische zum Vorlesen gelten zu lassen, daß endlich 6) andre nun mer und mer angewachsene abendländische Kirch' ebenfals nachgefragt haben, was für Bücher die römische Kirche, und die mit ihr verbundenen Kirchen, als kanonische bereits angenommen; weil in Spanien und Frankreich die Priszilliaristen andre Bücher daneben, oder mit Ausschliessung mancher von ienen, zum Vorlesen und zum Grunde der Religion angenommen hatten.

 

[Ib-11-1781-0154]
Das also, was man gewönlich von der stäten Einförmigkeit und Gleichheit des Kanon's schwazt, ist on' historischen Grund. Erst im 4ten Iarhundert wurden die Anzal der kanonischen Bücher gewisser und bestimter, weil die christliche Religionsübung, wegen vorzüglicher Anzal der Glieder dieser Religionsgeselschaft, in dem römischen Stat öffentliches Recht und gleiche Freiheit der öffentlichen Übung bekommen hat. Von hier an beruht die Gleichförmigkeit und Unveränderlichkeit des Kanons unläugbar auf dem iure ecclesiastico publico. - -" Seit. 10-17.

 

[Ib-11-1781-0155]
2) Das A.T. ist blos für Iuden.

 

[Ib-11-1781-0156]
"Die Iuden kanten Erzälungen Mosis von ihren Stameltern, oder aus dem Buche Iosua, der Richter, und andern historischen Büchern ganz und gar für ser wichtig halten, und zu Hauptteilen ihrer Vorstellungen und Begriff' annemen, die sie stets anwendeten, ihre Religion,

 

[Manuskriptseite 55]

so von ihren Vorfaren herkam, und an ihr Volk gebunden war, darauf zu gründen, und änliche vorteilhafte Begebenheiten, weil sie keine bessern Vorstellungen daraus herleiten oder damit vergleichen konten, von Got mit grossem Verlangen zu erwarten. Iuden erzälen dieses ihren Kindern und Nachkommen, was zu ihrer Geschichte gehört. Sie lernten aus solchen Historien ihrer Vorfaren nichts von der politischen und moralischen Geschicht' und Beschaffenheit vieler andrer Völker, welche etwas weiter ausserhalb Palästina in Asien, Europa oder Afrika ihre besondern Einrichtungen hatten, und ihres Teils auch unter Gottes Vorsehung stunden; daher übertrugen sie den alten Has aus ienen Geschichten wider Philister, Moabiter pp. geradehin auf all' andre Völker des Erdbodens, und sezten als unfelbar zum Grunde, daß nur ihr Volk, und zwar im Unterschied von Samariten und Edomitern, das ienige Volk sei, dem Got alles leibliche Glük zugeteilt habe; von moralischen Einsichten hatten sie ebenfals nur ser wenige, und hoften eine solche Glükseligkeit dieses Lebens, die allen andern Völkern zugleich selbige absagte.

 

[Ib-11-1781-0157]
Ein Grundsaz, der kultivierten Völkern ganz lächerlich und unerträglich vorkommen muste. Zwar die bessern unter den Iuden, denenman vorzüglich der Vorzug von Nebuah beigelegt wurde, gaben sich Mühe, dieses Vorurteil den aus der ungebildeten Köpfe zu räumen - aber's war zu ser eingewurzelt.

 

[Ib-11-1781-0158]
Diese niedrige unkultivirte Denkungsart so vieler Iuden kan nicht anders, als aus dem einförmigen ungeschikten Gebrauch' eh'maliger einzeln, häuslichen, oder einheimischen Historien, und aus Vernachlässigung alles freien Gebrauchs der Selenkräft' erklärt werden. So bald Iuden unter andern Völkern die Kultur des Verstandes annemen, und redlich

 

[Manuskriptseite 56]

heraussagen, was sie nun denken: so lassen sie diese Grundsäzze von der ausgemachten Vortreflichkeit aller einzeln Teil' ihrer alten heiligen Bücher, faren, und suchen, einen waren Karakter der Götlichkeit eines Unterrichts. Sie stekken algemeine moralische Begriff' unter Allegorien in iene alten Erzälungen sogar des ersten Buchs Mosis; wie an den vielen Schriften zu sehen ist, welche des Philo Namen füren; an viele andre Namen, Numenius, Aristobulus pp. iezt nicht zu denken, welche änliche Vorstellungen unter ienen Historien gesucht haben, nachdem sie durch pytagorische , platonische pp. Gelersamkeit die Fähigkeit ihres Verstandes geübt hatten. Selbst die Talmudisten und Rabbinen hätten nichts zu leren gehabt, wenn sie nicht durch Allegorien sich geholfen hätten. Der Geschmak der griechischen Iuden in Allegorien ist nachher zu Alexandrien am meisten ausgebreitet worden, und hat nicht wenig dazu geholfen, daß die Christen der katolischen Partei alle Bücher und alle Teile des sogenanten A. T. in gleichem Wert gehalten und mit ihrem neuen Testamente zu verbinden gesucht haben. Einige andre Iuden, von der pharisäischen einheimischen Partei, haben unter dem Namen ???????? algemeine Warheiten der Physik, der Kosmologie, der Pnevmatologie pp. unter ienen Erzälungen zu denken sich angewönt; und nur der gemeine Haufe behielt alles on' Unterschied. Gleichwol haben Christen mit mer als iüdischem Eifer dieses behauptet: alle diese Bücher, alle ihre Teil' und Stükke des Inhalts sein das geschriebne Wort Gottes, die nähere Offenbarung, woran die geistliche iezzige und künftige Volkommenheit für alle Menschen, wirklich stets hange. - " S. 42-46.

 

[Manuskriptseite 57]

[Ib-11-1781-0159]
3) Auch andre Völker als die Iuden haben nähere Offenbarung Gottes gehabt.

 

[Ib-11-1781-0160]
"Man kan nicht one Warscheinlichkeit behaupten, daß Got, weil er aller Menschen Got gleich gut ist, eben so wol manchen Heiden solche moralische Eingebungen zur lebendigen Erkentnis unsichtbarer Volkommenheiten, und des ihnen zukommenden Werts mitgeteilt, und sie dadurch wirklich gebessert, auch diese einzeln Personen gebraucht habe, andre weiter zur moralischen Erkentnis zu leiten: als die Iuden eh'dem dergleichen unter ihrem Volke behaupteten und eben darein, in die Abfassung solcher Schriften in ältern Zeiten, den meisten Vorzug von andern Völkern sezten. - " S. 56. a) Unter allen Völkern finden wir Personen, die sich durch ihren Tiefsin, durch ihre weit ausgebreiteten Einsichten vor andern auszeichnen, und die dadurch einen unschäzbaren Beitrag zur Aufklärung ihrer Mitmenschen liefern. Darzu braucht's eben nicht Wunder. Ein David in die Umstände versezt, in denen er war - in die Begebenheiten verflochten, welche ihm begegneten - wurd' one Wunder und on' un

 

[Manuskriptseite 58]

mittelbare Dazwischenkunft Gottes der Man, der iene herlichen Psalmen schrieb. So ist's mit allen Verfassern eines ieden Buchs alten und n. T. Durch die Vorsehung wurden sie in den Zustand gesezt, iene Bücher - on' unmittelbare Hülfe Gottes - zu schreiben. Wär's nun nicht iüdischer Nazionalstolz, zu leugnen, daß es eben solche Männer unter den Heiden habe geben können? Was war ein Sokrates - Plato - Zeno? - - Vielleicht sind iene Gedanken, die ein Gelerter im deutschen Museum geäussert vom Genius des Sokrates geäussert hat, nicht ganz unwar, und vielleicht dienlich, das hier gesagte noch mer zu be

 

[Manuskriptseite 59]

stätigen. Man les' ienen Aufsaz nur one Parteisucht - und lasse sich durch den Staub der Ortodoxen seine Augen nicht blenden. Einiges, was hieher gehört, seh' man nach im 3ten Bande der Exzerpten. Seit. 61. 62. R.

 

[Ib-11-1781-0161]
4) Von den prophetischen Büchern des A. T.

 

[Ib-11-1781-0162]
"Es sind die sogenanten Propheten, unter welchem Namen die Iuden auch die grössern historischen Bücher begreifen, so hinter den Büchern Mosis folgen, wenn man ihren Inhalt genauer untersucht, ebenfals zunächst für die Iuden, teils für alle, eh' noch eine Trennung des Reichs, stat fande, teils für eigentliche Untertanen des Reichs Iuda bestimt; wenigstens sind in den Büchern, Iosua, Richter, Samuel's, der Könige, keine solchen Unterweisungen enthalten, die entweder die natürliche moralische Erkentnis übersteigen, oder die Anname dieser Erkentnisse zum gemeinen Gebrauch' aller Menschen,

 

[Manuskriptseite 58]

vorzüglich erleichtern können. Es sind Erzälungen von einzelnen damals vorzüglichen Personen, die zum Regentenstande gehören, und von ihren Unternemungen, und dem Erfolge derselben; welche Historie zwar dieses Volk und seine damaligen Häupter und Vorfaren betrift, aber hiedurch nicht für all' andre Menschen aller Zeiten vorzüglichen moralischen Unterricht so gewärt, daß man sagen müste: Diese Begriff' und Erkentnisse könten die Menschen sonst gar nicht, oder nicht so gut überkommen und so leicht nüzzen, wenn nicht der Inhalt eben dieser Bücher allen Menschen bekant würde. Die Verfasser solcher Aufsäzz' heissen bei den Iuden Nebiim; ein Nabi; und die Nebuah bedeutet eine Gab' in solchen Aussprachen, Entscheidungen, Anzeigen, Urteilen, die sich auf den moralischen und politischen Zustand des gemeinen Wesens beziehen, um's zu bessern und zu erhalten, um durch Hofnung, oder durch Drohungen die nötigen Bewegungsgründe für Regenten und Untertanen mitzuteilen. Der Inhalt der Aussprachen ist also zunächst auf diese bürgerliche Sozietät gerichtet, welche für iezt oder

 

[Manuskriptseite 59]

künftig aus den bekant gemachten Aussprachen Gründe zu einem rechtmässigen Verhalten nemen solten. Daher sind auch die Gegenständ' und Teile der Beschreibung oder des Inhalts ganz unläugbar diesem Stat eigentümlich, und die angezeigten Veränderungen gehen unmittelbar diesen Stat der Israeliten an. Es gab auch eh' dem Prophetenschulen, oder Vorbereitungen zu dieser Fähigkeit zu gelangen; daher man ser bald ware und falsche Propheten unterscheiden must' und konte. Viele von diesen Nebiim sind zugleich Geschichtschreiber oder Verfasser der Iarbücher, auch der Regierung einzelner Könige gewesen; daher Richard Simon schon geurteilt, daß sie gleichsam die Stelle von Statssekretairen vertreten haben; eine Idee, die freilich nicht für iederman ist; aber Christen müssen wenigstens anders von solchen Verfassern urteilen dürfen, als iene Iuden, bei denen freilich andre Begriffe stat fanden, wie sie all' ihre ältere Geschichte gleichsam in lauter Wunder und Beschäftigungen Gottes mit ihrem Volk verwandelten; weil Got, nach ihrer Meinung, mit den Goiim, oder andern Völkern sich nichts zu tun macht, sie vielmer andern Engeln und Beherschern unterworfen hat. Viele von diesen Nebiim haben aber dem gemeinen Aberglauben ihres Volks sich redlich widersezt, und haben die algemeinen moralischen Warheiten in ihrem götlichen Umfange, erhobnen Absicht so beschrieben: daß sie von Zeit zu Zeit öffentlich

 

[Manuskriptseite 60]

gelert, alle Völker auf der ganzen Erde sollen Teil bekommen, an dieser bessern Vererung Gottes; iene Opfer, Beschneidung, Festtag' und Zeremonien der Iuden seien an und für sich von keinem Nuzzen, und könten den Menschen innerlich nicht so bessern, daß Got ein wirkliches Wolgefallen an ihm finden könne, da er ihn nach eignen Volkommenheiten beurteilen müsse. Eine moralische Beschneidung, geistliche Opfer, erliche Beobachtung der Pflichten gegen andre Menschen seien der ein besserer Dienst Gottes pp. dies ist vornämlich der Inhalt mancher prophetischen Schriften unter denen, welche die Iuden spätern Propheten beilegen; die wir pflegen grosse und kleine Propheten zu nennen.- Alles dieses gieng nur die Iuden an - für uns hat's keine Beweiskraft mer. - " Seit. 77 - 80.

 

[Ib-11-1781-0163]
5) Neue Quelle, warum die Christen alle Bücher des A. T. für götlich angenommen haben.

 

[Ib-11-1781-0164]
"Die nächste Veranlassung, daß die Iuden Christen die heiligen Bücher der Iuden, sowol derer in Palästina als der griechischen in Ägypten pp. geradehin angenommen haben, ist wol diese gewesen: daß die sogenanten 70 Dolmetscher=Übersezzung aus Ägypten mit dem Vorurteil einer götlichen Eingebung, ausgebreitet worden. So bald man diese Meinung annam, daß eine griechische Übersezzung aller dieser Bücher, unter einerlei Eingebungen des h. Geistes, sogar mit solchen ganz ausserordentlichen Umständen, sei bewerkstelligt worden: so kont' es nicht anders sein, man must' alle diese übersezten Bücher on' Unterschied, für götlich bestätigte und zu stetem künftigen Gebrauch' ausdrüklich anempfolen, von nun an halten. Wer weis nun aber nicht, daß iene Sage vom

 

[Manuskriptseite 61]

ausserordentlichen Ursprunge dieser griechischen Übersezzung ein Märchen sei - für welches selbst Hieronymus sie ausgiebt? - " S. 88 - 89.

 

[Ib-11-1781-0165]
6) Daraus daß Christus und seine Apostel Stellen aus manchen Büchern A. T. anfüren, folgt noch nicht, daß sie götlich sind.

 

[Ib-11-1781-0166]
"Iesus hat mit dem samaritischen Weib' eine lange Unterredung sogar von der Religion selbst, gehalten; es ist bekant, daß Samariter nur die 5 Bücher Mosis in ihrem Kanon haben; so hat auch Iesus mit den Sadduzäern nur aus den 5 B. Mosis disputirt; wie nun hiermit Iesus es nicht ein für allemal für diese Zuhörer bestätigt hat, daß alle die übrigen Bücher, so die andern Iuden unter den 2 Klassen Nebiim und Ketubim haben, keine götlichen Bücher um des willen sein, die weil die Samariter sie nicht dafür halten: so ist auch umgekert richtig, wenn Iesus mit den andern Iuden zu tun hat, welche zusammen 24. Bücher annamen, und aus einigen Büchern, aus Propheten, sowol die ältern als den spätern, zu seinem Endzwekke, manche Stellen oder Sachen angefürt hat, daß diese Anfürung nicht zugleich ein Beweis sei für andre Leser, wie' s keiner wurde für die Samariter. Unter Paullus Briefen sind Stellen, wie's merere unter den ältern christlichen Schriftstellern selbst anzeigen, aus einigen sogenanten Apokryphis, die man einigen Urhebern aus dem A. T. schon vor Paullus Zeit beilegte, angefürt worden, und im 2ten Briefe Petri sowol, als im Brief' Iuda wird ein Stük aus der Erzälung angefürt, die im Buche vorkomt, welches man dem Enoch beigelegt hat. Diese Anfürungen finden deswegen stat, weil diese Bücher bei ienen schon in einigem Ansehen

 

[Manuskriptseite 62]

stunden, und doch solche Leser einer bessern Einsicht, von der unächten Beschaffenheit dieser Bücher damals nicht fähig waren; diese Stellen aber dem Endzwekke Paullus, Petrus und Iudas beförderlich waren. Niemand wird aber hieraus eine solche Götlichkeit schliessen, die Paullus, Petrus und Iudas hiermit selbst für andre Leser beiahet hätten. Wenn Whiston's Beobachtung richtig ist: so hat Christus das Gleichnis, wie eine Henne versamlet pp. auch einige andre Reden, aus dem sogenanten 4ten Buch Esdra entlent; weil es unter ausländischen Iuden, aus welchen die ersten und meisten Anhänger Iesu waren; schon in einem gewissen Werte stund. Ia die Teile des sogenanten Vater unser finden sich in den ältesten talmudischen und rabbinischen Schriften; es konten also gute algemeine Warheiten aus ienen Büchern wiederholt werden; one daß diese selbst hiermit geradehin für götliche ausgegeben wurden: und man zum Beweise sonst dies vorzüglich nötig hatte. - " Seit. 95. 96. 97.

 

[Ib-11-1781-0167]
7) Von 4 Evangelisten.

 

[Ib-11-1781-0168]
"Mattäus hat nicht für Iuden in Palästina geschrieben, ob man gleich dieses sich nach und nach eingebildet hat; aber auch nicht für griechische oder alexandrinische Iuden, sondern für Iuden in Arabien oder dergleichen auswärtigen Gegenden, es sei nun in damaliger hebräischer, syrischer, oder griechischer Sprache. Iohannes hingegen sezt Leser voraus, die nach ihren Umständen, die Got über ihr Leben und Erziehung veranstaltet hatte, mer mit dem Nachdenken über Warheiten schon bekant waren; er hat daher ser wenig von den Wundern, mer aber von den Reden und Leren Iesu aufgeschrieben. War nun z. B. den Lesern des Evangeliums Iohannis, an

 

[Manuskriptseite 63]

sich und eigentlich nötig, Mattäus Erzälung zu haben? Hatte Mattäus wirklich bei seiner Beschreibung eine Absicht, auf alle Menschen aller Zeit? liegt die eigne Ausbesserung des Menschen wirklich daran, daß ein ieder Mensch gerade 4 Evangelien; eins so wie's andre, selbst als götlich eingegebne Schriften anneme? Ich glaube nicht. Wie Iohannes meldet, daß Iesus ser viel mer Wunder getan habe, die weder sämtlich von ihm, noch von andern beschrieben werden konten, viele davon also uns ganz und gar unbekant bleiben, und wir doch nichts von dem entberen, was zum Grunde der christlichen Religion gehört: so hatten auch in den ersten Zeiten viele Provinzen nur Ein einziges Evangelium. Stephanus und viel' andre der ersten Christen hatten gar keine Schrift der Apostel erlebt und hatten doch den waren Grund der christlichen Religion. Da Markus, nach dem Urteil Hieronymus und andrer ältern Lerer, einen Auszug gemacht aus dem Mattäus, wie es unläugbar ist, wenige kleine historische Zusäzze, die aber die sonstige Art der Historien behalten, ausgenommen: so halt ich's für eine unnötige Bedenklichkeit, diesen Aufsaz den Markus aus götlicher Eingebung machen zu lassen. - " S. 112. 113.

 

[Ib-11-1781-0169]
8) Von den Kentnissen der Apostel und der ersten Kirche.

 

[Ib-11-1781-0170]
"Es giebt den Fal, daß wir bessere und fruchtbarere Erkentniss' haben und anwenden können, als Paullus damals bei andern anwenden konte, wegen schlechter Umstände der Person, in seiner Zeit; in welche er sich schikken muste, wie er selbst mermals dieses meldet. Ich seh' also nicht, wie's geradehin unrecht und one Grund gewesen sei, wenn manche fähigen

 

[Manuskriptseite 64]

Christen, welche sich unter den sogenanten Gnostikern fanden, gestunden: daß die Apostel zuweilen manches hätten so leren müssen, wie's die Fähigkeit der damaligen Zuhörer und Leser mit sich brachte; ia, daß auch die Apostel selbst nicht das volkommenste Mas der Erkentnis gehabt hätten. Irenäus und Tertullian nemen dies zwar ser übel, und ihr Ansehn hat nach und nach die ganze katolische Partei eben so gestimt: daß sie dieses als eine gotlose Ler' angesehen haben. Da aber Paullus selbst seinen Wachstum in der christlichen Erkentnis eingesteht, und die Christen ermant, immer mer aus der Kindheit in's Alter eines moralischen Mannes überzugehn, wovon er wirklich das Mas in seinen Briefen nicht von sich gegeben und uns vorgeschrieben hat: so find' ich an diesem Sazze nichts unwares. Die götlichen Warheiten haben gleichsam einen unendlich unaufhörlichen Fortgang; wenn sie von noch so vielen Liebhabern noch so ernstlich gebraucht werden, werden sie doch nicht ganz nach ihrem Umfange, Inhalt und Zwek nach erschöpft. Diese grosse Verschiedenheit aber der Christen, in ihrem moralischen Alter , wird gleichsam von uns vergessen; zur Not erzält man die Volkommenheit der Christen in den ersten Iarhunderten, als einen Vorzug iener Zeiten. Eine Meinung, die deswegen keine historische Gewisheit bekommen hat, wenn sie gleich ser gemein geworden ist; ihr Ursprung komt, wie viele solche gute und schlechtere Vorurteile, aus der alten lateinischen Kirchenordnung und gleichsam festgesezten Beschreibung der ersten Christen und Märterer oder Heilige. Ich kan mit gutem Gewissen versichern, daß ich in der Kir

 

[Manuskriptseite 65]

chenhistorie das Gegenteil finde, wie's auch aus den Schriften der Apostel ganz sonnenklar und der Sache völlig gemäs ist. Aller Anfang bleibt Anfang, und ist noch nicht Volkommenheit; die Natur moralischer Erkentniss' und Übunge, bringt's auch mit sich, und die Meinung von ganz ausserordentlichen Gaben des h. Geistes, so in der ersten Kirche (bei den Lerern nämlich,) stat gefunden, ist teils so erweislich nicht, teils betreffen diese Gaben nicht die subiektivische moralische Volkommenheit der Personen selbst, sondern erweisen sich gegen andre, welche als Zuhörer in viel geringerm Verhältnis stunden. - S. 121. 122. 123.

 

[Ib-11-1781-0171]
9) Von denen Alten, welche die Apokalypsis verworfen haben.

 

[Ib-11-1781-0172]
"Hieronymus sagt, graeci namen die Offenbarung Ioh. nicht an. Concil. laodicenum, die Gregorii und andre verwarfen sie; Auch ein Eusebius, Christostomus und andre griechische Väter. - " S. 166.

 

[Ib-11-1781-0173]
"Die Marzioniten, die sogenanten Alogi, und die Gnostiker verwarfen die Apokalypsis. - " S. 206.

 

[Ib-11-1781-0174]
10) Widerlegung des Sazzes "es komt auf's Zeugnis der ältern Kirche viel an, bei der Frage, ob ein Buch der Kirche von den Aposteln als götlich übergeben worden sei."

 

[Ib-11-1781-0175]
1) Sagt's niemand unter allen alten Schriftstellern, daß der oder iener Apostel an diese oder iene Kirch' ein Buch übergeben habe; weder von dem Mattäus, noch vom Paullus pp. kan man Zeugen namentlich anfüren, die dies selbst gesehen und unmittelbar erfaren hätten. Paullus schikte seine Brief' an eine Geselschaft oder Kirche, und durch diese oder ihre Schüler, oder die sich dafür ausgeben, werden diese Bücher nach und nach weiter bekant gemacht. Von den Evangelien aber kan nicht einmal gesagt werden, daß

 

[Manuskriptseite 66]

dies oder ienes an diese oder iene Briefe, namentlich, sei zuerst übergeben worden, weil's keine namentliche Nachrichten hievon giebt. Ich glaub' also nicht, daß es eine aufgeerbte und fortgepflanzte Nachricht hievon gebe, daß Mattäus, Lukas pp. an diese und iene Lerer ihre Bücher unmittelbar abgegeben hätten. Man wust' es nicht. 2) Es giebt überhaupt aus den ersten 2 Iarhunderten gar keine Historie, daß man sagen könte, die Nachrichten aus dem 4ten Iarhundert gehen ab von den ältern, und sind deswegen zu verwerfen, als iüngere. Die Geschichte der Christen ist gleichsam eine geheime Geschicht' in diesen Zeiten; sogar Papias fragte nicht viel nach den Büchern, die vermöge solcher Zeugnisse von den Aposteln geschrieben hiessen, sondern zog die Nachfrage nach mündlichen Erzälungen, die von den Aposteln herumgetragen wurden, ausdrüklich vor. Es ist ganz ausnemend befremdlich, wenn wir unsre Gedanken dagegen halten, daß er schreibt, ?? ??? ?? ?? ??? ??????? (nämlich Evangelien. pp.) ???????? ?? ??????? ???????????, ???? ?? ???? ????? ????? ??? ????????. Klerikus urteilt völlig recht, (Dissertatio 3. de 4. evangeliis p. 552. der Amsterdamer Ausgabe seiner Harmonie) vereor, ut homo vanus subinfensior libris fuerit, quo fictas traditiones quasi ab apostolicis viris acceptas, securius venditaret. Er sezt ganz recht dazu: als wenn, solche Träumereien, die Papias gesamlet hat, auf irgend eine Art in Vergleichung mit dem Inhalt iener Bücher gesezt werden könten. –

 

[Ib-11-1781-0176]
Es giebt gar keine Zeugen, wenigstens weis ich aus der ganzen alten Kirchengeschichte keinen einzigen mit Namen oder sonst zu beschreiben, welche zugegen gewesen wären, und

 

[Manuskriptseite 67]

zugesehen hätten, als Iohannes diese Offenbarung geschrieben, oder als er dies Buch an diese oder iene Lerer übergeben hat. Kein einziger kan genent werden, der da sage: ich war's, oder ich war dabei, als Iohannes dies geschriebne Buch austeilte. Dies wäre freilich eine solche Historie, wo's Zeugen geben konte; aber solche Zeugen haben wir nicht. Da nun blos mittelbare Zeugen sich melden, auch noch one Namen, welche diese Apokalypsis ausbreiten, und sagen, sie seien von andern, die's gar wol recht hätten wissen können, benachrichtigt worden: so ist klar, daß man nicht sagen darf, es komm' alles auf solche Zeugen an. Es komt nun sowol auf die moralische Beschaffenheit dieser Zeugen an, als auch auf den Inhalt des Buchs. -" S. 211-216.

 

[Ib-11-1781-0177]
VIII.

 

[Ib-11-1781-0178]
D. Ioh. Salomo Semler's Abhandlung von seiner Untersuchung des Kanons. Zweiter Teil. Nebst Beantwortung einiger Rezensionen des ersten Teils. Halle, verlegt's Karl Herman Hemmerde. 1772.

 

[Ib-11-1781-0179]
1) Von der Einschiebung des ??? in der Stelle 2 Tim. 3, 16.

 

[Ib-11-1781-0180]
"Die allerälteste Anzeig' eben dieses Verstandes findet sich im Tertullian, de habitu mulierum, cap. 3: legimus, (nämlich 2 Tim. 3,16) omnem scripturam ædificationem habentem, divinitus inspirari. Es ist ganz unläugbar, daß Tertullian hier's Wort ??????????, als eine Bestimmung des Subiekts, omnis scriptura, angesehen und die folgenden Ausdrükke durch den einzigen kurz angezeigt hat, aedificationem habentem. Diese Erklärung ist desto merkwürdiger, und hat desto mer Ansehen, da sie die älteste ist, in der lateinischen Kirche, und also gleich wenige Zeit nachher sich findet, als eine lateinische Übersezzung kaum bekant worden war. Man hat also

 

[Manuskriptseite 68]

in der lateinischen Kirche gleich anfangs es so verstanden; und's ist kein Wunder, daß diese so alte Erklärung auch nachher in der lateinischen Kirche sich immerfort, in allen Zeiten erhalten hat. Bei den Schriften des Zyprian's pflegt man etliche Anonymen zu finden, welche ser alt, auch, wie's ser warscheinlich ist, aus der afrikanischen Kirche sind. Fluctor de duplici martyrio: omnis enim scriptura divinitus inspirata, utilis est ad docendum etc. Der Verf. de XLII mansionibus, unter Ambrosius Werken, hat eben diese Abteilung. Ambrosiaster, Pelagius, (aus ihren Atto, von Verceil,) Sedulius, Kassiodorius, Anselmus; kurz, alle Latini haben diese Abteilung. In der ganzen lateinischen Kirche wuste man nichts vom ???, so in manche griechische codices nachher eingerükt worden, wodurch eine andre Leseart, und eine andre Erklärung entstanden ist, wodurch sich nach und nach einige Teologen verleiten lassen, diese Stelle nach der iezt gewönlichen Art zu erklären.

 

[Ib-11-1781-0181]
In die griechischen codices wurd' erst das ??? eingerükt. Wir finden in den ältern griechischen patribus noch eben diese Leseart, one ???, oder doch eben die Erklärung, daß ??? eine Folgerung anzeigt. Klemens von Alexandrien fürt diese Stell' ebenso in seiner ad monitione ad gentes, an. Auch Origines im vierten Buch de principiis - ferner Teodorus von M Mopsvest hat die Stell' auch one ??? gelesen.-" Seit. 85-87.

 

[Manuskriptseite 69]

[Ib-11-1781-0182]
2) Aus der Erhellung der Schriften A. und N. T. einen Beweis für ihre Götlichkeit suchen - ist ungegründet.

 

[Ib-11-1781-0183]
"Weder die Iuden haben ihre Bücher andern Völkern zu lesen gegeben, noch auch die Christen, bis es wirklich Proselyten wurden; wie die Christen in den ersten Iarhunderten nicht einmal erlaubt haben, daß das Symbolum apostolicum durfte geschrieben werden. Die Iuden hatten alle Freiheit im römischen Reich, 24 oder 34 Bücher als heilige und götliche anzunemen. Die Christen haben ebenfals in manchen Provinzen, zu manchen Zeiten, Bischöfe, und all' Einrichtung frei gehabt, z. B. unter dem Aurelian. Und da unter der lezten öffentlichen Verfolgung, unter dem Dioklezian, traditiones genant werden, erzälen die Christen selber, daß nur in einigen Provinzen darnach gesucht worden, (weil man rebellische Bücher vermutete;) daß auch die Clerici codices medicinales, und haereticos, nicht aber sacros, hingegeben. Also, die Christen haben nicht wollen ihre Bücher bekant machen, aus unnüzzer Nachamung der ?????????. Wie kan man nun sich den Fal einbilden: alle diese götliche Bücher der Iuden und Christen waren überal mit grosser Wut aufgesucht, aber so wunderbar erhalten worden, daß man daraus einen Beweis der Götlichkeit aller dieser Bücher abnemen müsse? Gleichwie man auch nicht beweisen kan, daß die Verfolgungen wider Christen deswegen eben entstanden, weil sie ihre würdige Lersäzze so rechtschaffen in ihrem Leben an den Tag gelegt; sondern, weil ser viel Verdacht von Unruhen und aufrürischen Vorhaben hie und da erregt oder fälschlich ausgebreitet wurde. -" S. 225. 229.

 

[Ib-11-1781-0184]
3) Vom Petrus.

 

[Ib-11-1781-0185]
"Petrus ist p** imitator Paulli in diesem Briefe; also hat er auch Paullus ??????? ausgedrukt." S. 326.

 

[Manuskriptseite 70]

[Ib-11-1781-0186]
4) Propheten sind Statssekretaire gewesen.

 

[Ib-11-1781-0187]
"Man leugnet dies. Aber was ist denn die Historie des Propheten Iddo? Die Geschichte Semaia, des Propheten? und dergleichen mer? Es waren historische Nachrichten von damaligen Regierungen; ist diese Vergleichung, sie hatten gleichsam die Stelle von Statssekretairen, etwa unchristlich? So ist Iarchi, Abarnael, und andre Iuden auch zu tadeln, welche Nabi durch Orator Publikus übersezzen; wenn Aaron ein Prophet heist gegen den Pharao, so ist's doch wol so viel als interpres, und ein Amt des Aaron's. Wenn (1 Kronik. 25,) die Kinder Assaph, Heman und Ieditun, Propheten heissen, welche David mit seinen übrigen Statsbedienten, zu Ämtern absonderte, daß sie gezält wurden zum Werk, nach ihrem Amt: war dies keine öffentliche Bedienung dieser Nebiim im Stat? -" S. 450. 451.

 

[Ib-11-1781-0188]
5) Von den vier Evangelisten.

 

[Ib-11-1781-0189]
"Es enthält ein Evangelium, wie's andre, die unentberlichen götlichen Beweise von der Warheit der christlichen Religion; nur nach Verschiedenheit der Leser ist der Inhalt der Evangelisten verschieden zusammengesezt. Für Iuden, als Iuden, ist vielmer Erzälung von Wundern und Taten Iesu; für Leser aus den Heiden, oder griechische Iuden, welche nicht so an der Historie, und an dem äusserlichen hiengen, hat Iohannes geschrieben. Die Beweise von Erfüllung der Weissagungen gehören blos für Iuden. Oder hat wol iemand Lust zu beweisen, daß Paullus in Aten, vor dem Areopag Stellen aus dem Iesaias, oder Daniel angebracht habe? -

 

[Ib-11-1781-0190]
Die 4 Evangelien, die wir nach ienem alten Kanon

 

[Manuskriptseite 71]

haben, sind nach den 4 grossen Provinzen gesamlet, und mit Ausschliessung andrer, öffentlich angenommen worden, von der grössern Kirche, zum Gebrauch' ihrer clericorum; die alten Nachrichten enthalten dies selbsten. Iohannes schrieb für in klein Asien; Markus für Italien; Lukas, für Ägypten; Mattäus für auswärtige Iuden in Arabien, oder Indien, wie's damalen hiesse. - -" Seit. 417 - 419.

 

[Ib-11-1781-0191]
6) Von den Saddud Sadduzäern.

 

[Ib-11-1781-0192]
"Origines, Hieronymus und andre sagen's ausdrüklich, daß Sadduzäer die Propheten verworfen haben; und daher sagen noch merere, habe Christus müssen aus den Büchern Mosis Beweise nemen. -, S. 483.

 

[Ib-11-1781-0193]
VIIII.

 

[Ib-11-1781-0194]
Isaak Iselin über die Geschichte der Menschheit.

 

[Ib-11-1781-0195]
Let us, since live can little more supply. Than just to look about us and to die, Expatiate free o'er all this scene of man. Pope.

Zweiter Band. Vierte vermerte und verbesserte Auflage. Basel, bei Iohannes Schweighauser, 1779.

 

[Ib-11-1781-0196]
1) Neue Ursache der Vielgötterei.

 

[Ib-11-1781-0197]
"Wenn ein Volk in die Gewalt eines andern kam, so wurd' es auch dem Got des Siegers unterworfen; oder der Sieger eignete sich den Got des Besiegten zu, und geselt ihn zu seinen Göttern.

 

[Ib-11-1781-0198]
So beschwur der siegbegierige Römer die Gotheiten einer belagerten Stadt, und wenn er diese in seiner Gewalt hatte, so war er eines glüklichen Erfolgs gewis. Die Hofnung des götlichen Schuzzes war den Belagerten benommen, und ihre bürgerliche Vereinigung aufgelöst.

 

[Manuskriptseite 72]

[Ib-11-1781-0199]
Die Vielgötterei scheint zum Teil aus dieser Aufname der Götter in eroberte Staten entstanden zu sein. Das Labyrint in Ägypten enthielt Tempel aller egyptischen Götter. Der algemeine Tempel der Nazion must' all' ihre verschiednen Götter enthalten. So enthielt auch der alte Tempel der Araber in Mekka die verschiednen Gotheiten aller kleinen Völker, aus denen diese weit ausgebreitete Völkerschaft bestand. Als Muhammed die Lere der Einheit Gottes unter diesen Völkern wieder einfürte, reinigt' er diesen Tempel, welcher nach einer alten Überlieferung von Abraham zu Eren des einzigen Gottes gestiftet worden sein sol. Er verwies alle diese Götter daraus, und bracht' es dahin, daß alle Nazionen, die seiner Ler' anhiengen, ihn für ihren gemeinsamen Tempel ansahen; daß sie ihr Gebet, gegen ihn gewandt, verrichteten; daß sie sich dahin zu walfarten verbunden glaubten. One Zweifel solte dadurch die Einheit des Stats erhalten werden. So unterhielt eh'mals fast iede christliche Nazion zu Ierusalem eine kleine Anzal Mönche, und in der Kirche des h. Grabes ihren besondern Altar und ihren heil. Plaz; wo noch die Glieder von denen, so übrig geblieben sind, das Recht haben, mit Ausschluss' andrer Nazionen ihren eignen Gottesdienst zu verrichten. -" Seit. 69. 70. 71.

 

[Ib-11-1781-0200]
2) Warum Landesverweisung bei den Alten als die härteste Straf' angesehen ward.

 

[Ib-11-1781-0201]
"Iedes Land hatt' einen eignen Schuzgot. Einen aus seinem Lande verweisen war des wegen nichts anders, als ihn aus dem Frieden

 

[Manuskriptseite 73]

und aus dem Schuzze seines Landesgottes sezzen. Man verlies seine Hausgötter. Man muste Schuz bei fremden, meistens bei solchen suchen, deren Sitten und Sprache man nicht kante. Diese Verweisung wurde für desto nötiger angesehen, weil's Land von Menschen befreiet werden muste, welche den Göttern desselben verhast waren. Aus dem gleichen Grunde flossen die Expiazionen und die verschiednen Reinigungsgebräuche. -" Seit. 72.

 

[Ib-11-1781-0202]
3) Vom Despotism.

 

[Ib-11-1781-0203]
"Der Despotism war die einzige gute Regierungsform in Zeiten und bei Völkern, wo fast nur einer, oder doch nur wenige tugendhaft und erleuchtet sein konten. -" S. 117.

 

[Ib-11-1781-0204]
4) Von der Erfurcht gegen die alten Leute bei ganzen Völkern.

 

[Ib-11-1781-0205]
"So lang die Kunst zu schreiben noch unbekant war, hatten deutliche und wolbestimte Gesezze noch nicht stat. Das Herkommen war die einzige Quell' einer ser eingeschränkten Rechtsgelersamkeit. Es ist so hergebracht war bei diesen Völkern wie bei den Kindern es ist so der Gebrauch, der stärkste Grund, und nach diesem muste sich alles richten. Daher waren die alten Leut' in den Anfängen des gesitteten Standes in so grossem Ansehen.

 

[Ib-11-1781-0206]
Die volkommene Wildheit hat die Erfurcht gegen's Alter gar nicht. Die Hunnen schäzten die alten Leute ser gering; nur die Iugend war bei ihnen geachtet; sie allein war zum Kriege, ihrer einzigen Beschäftigung, tüchtig. Wenn aber ein Volk sich milderen Sitten nähert, so mus es nicht mer für Mut und Stärk' allein fülbar sein, es mus auch Weisheit und Anschlägigkeit vereren; und da in den Anfängen der Geselschaften nur eine lange Erfarung, nur eine vielfältige

 

[Manuskriptseite 74]

Übung diese Eigenschaften erzeugen können; nur das hohe Alter sie besizzen kan: so müssen in allen entstehenden Verfassungen die Greisen allein in Eren sein; wenn aber Wissenschaften und Gelersamkeit auch iunge Leute mit grossen Fähigkeiten ausrüsten: so mus natürlicher Weise das Ansehn des Alters fallen; und bei erleuchteten Völkern kan solches kaum mer einigen Vorzug behaupten, als insofern's mit Weisheit und mit Tugend bekrönt ist. Es ist daher leicht zu begreifen, warum die Sparter die Erfurcht gegen dasselbe länger beibehalten haben als die Atener, und warum alzeit in den Anfängen der Staten, die Ältesten die natürlichen Richter und Ratgeber des Volks gewesen sind. - -" Seit. 157. 158.

 

[Ib-11-1781-0207]
5) Eine ware Antitese! -

 

[Ib-11-1781-0208]
"Die beste Monarchie würde dieienige sein, welche eine Republik und die beste Republik dieienige, welche einer Monarchie am nächsten käme. On' Einheit kan eine Republik unmöglich bestehen: one die Mitwirkung ser vieler seiner Untertanen kan ein Fürst die Seinigen nicht glüklich machen. Wie mer Menschen in dem weitesten Umkreise Gutes wirken, desto mer mus Wolstand sich ausbreiten. Ieder woldenkende Fürst solte sich also gute Republikaner zu Untertanen, iede Republik solt' ihren Vorstehern den Geist eines guten Fürsten wünschen.- -" S. 387.

 

[Ib-11-1781-0209]
6) Von der wolfianischen Sekte.

 

[Ib-11-1781-0210]
"Man hat angemerkt, daß von allen philosophischen Sekten, die wolfianische dieienige gewesen sei, welche sich am geschwindesten ausgebreitet, s und welche am kürzesten gedauert hat. Solte man nicht mit Rechte sagen können:

 

[Manuskriptseite 75]

die innerliche Vortreflichkeit der Art zu philosophiren, welche Wolf eingefürt hatte, sei zugleich der Grund der schnellen Ausbreitung seiner Lere, und der gleich geschwinden Zerstörung seiner Sekte gewesen. Die Bestimtheit, die Richtigkeit und die Deutlichkeit der Begriffe, welche in ieder Arbeit dieses Mannes vorzüglich hervorleuchten, waren vorher fast unbekante Dinge; und noch unbekanter die glükliche Verbindung des grossen Systems der Warheiten, und die aus beiden vereinigt fliessende angeneme Beruhigung des Geistes. Allein eben diese Vorzüg' erzeugen in den Geistern eine Liebe zur Deutlichkeit, Gründlichkeit, Prüfung, welche bald dem System selbst furchtbar wurde, das sie hervorgebracht hatte; und so entstand die philosophische Freiheit, welche unsre Zeitgenossen und unsre Nachkömlinge zur Begründung der Warheit immer fähiger machen wird. So konten unmöglich die Irtümer, oder vielmer die für Warheit ausgegebnen Hypotesen des Wolfianisms vor dem Licht bestehen, welches die Welt eben dem Wolfianism zu danken hatte; so verschwanden sie mit dem Namen der Sekte, und so liessen sie nur Warheit und Gründlichkeit übrig, die iede Sekte zerstören müssen. Es wird allem Ansehn nach auch keine philosophische Sekte mer in Europa sonderlich mächtig werden. Es ist nun alzu viel Licht in allen Teilen davon ausgebreitet, als daß das Ansehn eines Menschen mer das Übergewicht erhalten könte, welches zu Gründung einer Sekte nötig ist. -" Seit. 406. 407.

 

[Ib-11-1781-0211]
7) Iedes Gute hat gute Folgen - und iedes Böse zerstört sich selbst.

 

[Ib-11-1781-0212]
"Ich halte dafür, die Folgen des Guten sein durch seine wesentliche Natur ewig. Iede gute Handlung zeugt, wie ich's mir vorstelle, allemal sich änliche Taten. Iede entstehende Volkommenheit wird's Werkzeug einer grössern. Wenn

 

[Manuskriptseite 76]

wir schon diese glükliche Fortpflanzung so selten warnemen, so ist sie nicht weniger in der Natur der Realität, in der Natur des waren Guten gegründet. Von dem Schlimmen kan ich's nämliche nicht glauben. Es besteht in dem Mangel der Realität und der Ordnung, und's ist von einer Natur, vermöge welcher es sich durch sich selbst zernichtet. -" Seit. 467. 468.

 

[Ib-11-1781-0213]
X.

 

[Ib-11-1781-0214]
Über die Sitlichkeit der Wollust. von E. F. Okkel.

 

[Ib-11-1781-0215]
Das Bewustsein eines Lasters raubt der Ros' ihren Geruch, der Lilie ihren Glanz, und macht selbst ein Eden zu einer schreklichen und erstorbnen Gegend. Young von Originalwerken.

Mietau, Hasenpot und Leipzig, bei Iakob Friedrich Hinz. 1772.

 

[Ib-11-1781-0216]
1) Zum Vergnügen bin ich geschaffen.

 

[Ib-11-1781-0217]
"Die Natur hat mit gleicher Grosmut für mein Vergnügen gesorgt; als sie mit zärtlicher Vorsorge meine Bedürfnisse befriedigt hat. Zum Vergnügen fül' ich mich geschaffen. Der Trieb desselben ward mit mir geboren. Es war der erste Eindruk, der meine zarte Sel' in Regung sezte, die erste Bewegung, unter welcher mein Herz aufwallete, die erste Bestimmungsregel meiner Handlungen. Als ich noch nichts dachte, noch nichts empfand; empfand ich doch Vergnügen und - Schmerz. Die ganze Natur fordert mich dazu auf und alles in derselben stimt zur Befriedigung dieses Triebes überein. Betracht' ich's Ganze, von dem ich ein Teil bin, mit aufmerksamen Blikken; so find' ich, daß die ganze Einrichtung desselben an die Anlage

 

[Manuskriptseite 77]

meiner Natur zu empfinden, und an all' Organen, mit welchen sie zu diesem Endzwekke versehen ist, so genau anpasset, daß sie für mich und ich für sie geschaffen zu sein scheine. Für iedes Werkzeug zu empfinden schuf sie eine Art von Vergnügen; für ieden Trieb einen besondern Reiz.

 

[Ib-11-1781-0218]
Für mein Or ertönet sie in melodischen Gesängen; für mein Auge schimmert ihre Pracht und Schönheit im siebenfarbichten harmonischgemischten Lichte; für den Geruch wallen die lieblichsten Düft' aus dem bunten Reiche Florens auf die holden Lippen sanfter West' entgegen; Düfte, aromatisch und zugleich balsamisch für meinen Körper. Für meine Zunge bereitet sie mit unausforschlicher Kunst die zartesten Speisen und Getränke, deren Geist mich oft mit schönen erhabnen Hofnungen belebt, oft in süsse Empfindungen versenkt, worin ich, gleich denen in's Elysium wandelnden Schatten vom leteischen Quel' getränkt, allen vergangenen Schmerz und gegenwärtigen Kummer vergesse. Kurz: alles in der Natur scheint zu weteifern, meine Sele mit Vergnügen zu füllen und oft bis zum Entusiasme zu begeistern." - Seit. 5 - 7.

 

[Ib-11-1781-0219]
2) Der wollüstige Iüngling

 

[Ib-11-1781-0220]
"Seht ihn, ienen Weichling, der sich unter den Haufen weibischer Iünglinge mischt, wie er mit blassem Gesichte, das noch in seiner Bildung den traurigen Rest von Spuren einer aufgeblühten Schönheit trägt, dahin schleicht und in seinem Körper eine verwesende Leich' umherfürt! -" Seit. 30.

 

[Manuskriptseite 78]

[Ib-11-1781-0221]
3) Vom Werte der sinlichen Vergnügungen.

 

[Ib-11-1781-0222]
"Wenn iene strengen Moralisten alles sinliche Vergnügen eitel und verwerflich nennen; so irren sie. Es hat wirklich etwas reelles für uns, und's wird nur eitel, wenn wir's über seinen Wert schäzzen; wenn wir uns zu viel von demselben versprechen, und unsre Beruhigung in dem Genusse desselben zu finden glauben. Alsdenn mus es freilich unsre Erwartungen täuschen; denn's bleibt immer mer für unsern tierischen, als geistigen Teil geschaffen. Also * liegt denn die Ursache dieser Eitelkeit mer in uns selbst, in dem Irtum und Betrug' unsrer Einbildungskraft, als in dem Gegenstande des Vergnügens. -" Seit. 104.

 

[Ib-11-1781-0223]
4) Schön, gut und war sind dasselbe Ding - nur aus verschiednen Gesichtspunkten betrachtet.

 

[Ib-11-1781-0224]
"Warheit ist Übereinstimmung des Mannigfaltigen. Wo zu? Zu einem gewissen Zwek. Dieser Zwek ist immer etwas physisches oder moralisches Gutes. Was also war ist, ist auch gut. Erkent man diese Übereinstimmung mer mit dem Anschauen der Sinne, als als des Verstandes, was ist's anders, als Schönheit? Das Schöne, das Ware, das Gute ist also eben dasselbe; es sind nur verschiedne Gestalten eines Gegenstandes nach der Verschiedenheit des Gesichtspunktes, unter welchem sich unser Geist denselben darstellt. - -" Seit. 137. 138.

 

[Ib-11-1781-0225]
5) Die Schönheit ist nicht die Maske des Lasters und des Bösen - aber wol die Verkünderin des Guten und der Tugend.

 

[Ib-11-1781-0226]
"Solte der Reiz irgend einem Dinge zugestanden sein, dessen besonderste Endzwekke verstümmelt und fruchtlos sind? oder gedachte die Natur dies erwürdige Ge

 

[Manuskriptseite 79]

präge zum Herolde der Lüge zu machen! Die Schande der Mishelligkeit und Krankheit zu bedekken, und mit schöner Heuchelei das Herz des leichtsinnigen Vertrauens zu erhaschen? O nein! mit besserer Sorgfalt erleuchtet diese gefällige Mutter, wol wissend, wie wankend die Schritt' ihrer Kinder auf dem Pfade des Guten und Bösen sind, mit diesem vortreflichen Bilde, welches immer in iedem Geschlechte der Ding' um so viel vortreflicher sind ist, ie mer der Gegenstand seine angeborne Kräfte volkommen erhält; hiemit erleuchtet sie den unbesonnenen Antrieb des Verlangens, und heiligt sein Wol. Der gutartige Akker, dessen Busen mit Grün lächelt; der klare Lauf schmachtenden Selen erquiklicher Ströme; das Blühen für die Sinne reifer Nektarfrücht' und ieglicher Reiz beselter Dinge sind allein Unterpfänder eines untadelichen Zustandes, der Rechtschaffenheit und Ordnung in ihrer Bildung, wo alles innerlich gut und iegliche Seite zu ihrer Volkommenheit gebracht ist. Also ward die Schönheit vom Himmel ausgesandt: die liebenswürdige Bedientin der Warheit und Güt' in dieser verfinsterten Welt. Denn Warheit und Güte sind eins, und die Schönheit wont in ihnen und sie in ihr mit gleicher wechselseitiger Teilnemung. Warum wolt ihr denn, o Söne der Erden! das Band zerreissen. O warum sucht ihr mit unbesonnenem, mangelhaften Vornemen diese blumichten Freuden, mit welcher die Hand der verschwenderischen Fantasie iede schmeichelnde Szene, worin die Schönheit zu wonen scheint, übertünnichet: und forscht nicht einmal darnach, wo die Bekräftigung der ewigen Warheit

 

[Manuskriptseite 80]

oder wo's Siegel der unbetrüglichen Güt' ist, um eure Bestrebungen von Torheit rein zu erhalten. Wo diese mangeln; siehe da verwelket die Schönheit mitten in eurer betrognen Umarmung; da spottet die Fantasie eurer Wünsche mit dem Schimmer eines Puppenspiels für Einfältige. -" Seit. 140. 141. 142.

 

[Ib-11-1781-0227]
6) Verwandschaft der Poesie und der Malerei.

 

[Ib-11-1781-0228]
"Die Dichter borgen von der Malerei ihre Bilder und Farben. Von ihr lernen sie ihre Gegenstände zu gruppiren und anzuordnen, ihre Bilder zu schattiren und in's Licht zu sezzen; einen zierlichen Umris zu machen und die Tinte der Schönheit anzulegen, und das Kolorit der Worte wird so schön, als des Malers Pinselzüge. Diese Übereinstimmung findet nicht blos bei Dingen, welche beschrieben werden können, stat, sondern auch in den Stükken, welche ieder Kunst wesentlich sind. Wenn ich bemerke, daß Grazie und Schönheit in den Figuren, richtige Empfindungen, Feuer und Leben in den Leidenschaften sind, so beschreib' ich zu gleicher Zeit ein gut Gedicht und ein gutes Gemälde. Das Wesentliche einer guten Schreibart ist eben auch der unterscheidende Karakter einer vortreflichen Malerei; die Gedanken müssen nämlich natürlich, nicht gemein, schön und nicht weit hergeholt sein. -" S. 221.

 

[Ib-11-1781-0229]
7) Wie Musik die Leidenschaften zu erwekken fähig ist.

 

[Ib-11-1781-0230]
"Die angenemen und auch die vermischten Empfindungen sind fähig den musikalischen Ausdruk auszunemen, nicht aber die durchaus unangenemen und schmerzhaften. Das Mitleiden läst sich in der Musik ausdrükken; eben so auch die Nacheiferung, welche edel und belebend ist; der Neid hingegen nicht; denn

 

[Manuskriptseite 81]

er ist niedrig und quälend. Eben dieser Unterschied findet zwischen dem Zorn' und Hasse stat. Denn der Zorn hat eine Mischung von Vergnügen, in so fern er zur Rache reizt: Der Has hingegen fürt keine Hofnung dieser Art mit sich, er arbeitet innerlich und verzert sich selbst. -

 

[Ib-11-1781-0231]
Die Musik hat die Kraft, Leidenschaften zu erregen und zu dämpfen, sie zu erhöhen und herabzustimmen; das ist ausgemacht. Aber woher komt dies? Eine iede Rürung erregt gewisse Vibrazionen in den Nerven und drükt den Lebensgeistern gewisse Bewegungen ein. Die Musik hat ihr ganzes Dasein der Bewegung zu danken; ihr Element und Wesen ist die Vibration der Saiten und daher entstehenden Bebungen der Luft. Die Leidenschaften lassen sich one Bewegungen der Nerven eben so wenig gedenken. Änliche Bewegungen teilen sich mit, und änliche Leidenschaften sympatisiren. Wil also iemand durch die Musik eine gewisse Leidenschaft erregen: so mus er Vibrazionen der Saiten und Modifikazionen der Töne, die mit denen Bewegungen der Nerven und Lebensgeister, in welche sie bei der bestimten Leidenschaft geraten, harmoniren, hervorzubringen suchen, und alsdenn wird das geschehen, was bei zwei gleichgespanten Saiten geschiehet; nämlich daß, wnn die eine gerürt wird, auch die andre ungerürt einen harmonischen Ton hervorbringt.

 

[Ib-11-1781-0232]
Diese Bewegungen der Musik, die eine Verwandtschaft mit den Gemüts= und Nervenbewegungen haben, kan man in vier Klassen einteilen. Nämlich

 

[Ib-11-1781-0233]
1) eine ruhige Folge verlängerter Tön' erwekt uns Vergnügen, wenn dieselbe sich in unserm Gefüle verweilen, und in unsre innerste Empfindung eindringen,

 

[Ib-11-1781-0234]
2) plözliche Übergäng' und eine gewaltsame Wiederker der Eindrükke reist uns fort und entzükt uns.

 

[Manuskriptseite 82]

[Ib-11-1781-0235]
3) Eine almälige Zuname der Tön' erhöhet die Lebensgeister, und ist daher eine beständige Quelle des Erhabnen.

 

[Ib-11-1781-0236]
4) So, wie die Verstärkung der Töne mit dem Erhabnen übereinstimmend ist: so steht ihre Abname mit denenienigen Leidenschaften in Verbindung, welche die Lebensgeister niederschlagen.

 

[Ib-11-1781-0237]
Die erstern, die sanftern und ruhigen Vibrazionen stehen mit den Bewegungen der Liebe, der Freundschaft und des Wolwollens in Verbindung.

 

[Ib-11-1781-0238]
Die andre Art, die die Nerven mit Gewalt angreifen, sezzen unsre Lebensgeister in die Bewegungen des Zorns, des Muts und des Unwillens.

 

[Ib-11-1781-0239]
Die dritte Art, welche die Lebensgeister erhöhet, verträgt sich mit Stolz, Rumbegierd' und Nacheiferung.

 

[Ib-11-1781-0240]
Und die vierte Art, welche die Nerven nachläst und schlaf macht, läst der unsre Lebensgeister in die matten Bewegungen der Traurigkeit hinabsinken. -" S. 230 - 233.

 

[Ib-11-1781-0241]
8) Warum wir nicht mit den entusiastischen Gefülen der Alten von Heldenfreundschaft, simpatisiren können.

 

[Ib-11-1781-0242]
"Es war eine Zeit, da's Freunde gab in einem Verstande, der sonst kaum stat findet, zwei unzertrenliche Gefärten in Glük und Unglük, durch die heiligsten Gesezze verbunden, weteifernd in den strengsten Pflichten und in Erfüllung derselben; Muster ihrer Vaterstadt und die Vererung des Landes. Zu diesem Gefül' erzogen besiegelten sie dasselbe oft also mit ihrem Blut' und Tode: sie verliessen ihren Freund nie, auch in Lebensgefaren, denen die damalige Tapferkeit mer aus Üppigkeit ausgesezt war; die kleinste Untreue gegen ihren Freund machte sie zum Spot ihres Geschlechts und zum Abscheu der Stadt, sie waren nach allen Gesezzen verbunden, seinen

 

[Manuskriptseite 83]

Tod zu rächen, und die lezte Stimme des einen, vielleicht gefangenen, vielleicht getödteten Freundes war - an seinen Freund, an den Begleiter seines Lebens. Da also gab's einen Herkules und Iolaus, einen Äneas, und Achates, eines Orest und Pylades, einen Teseus und Piritous, einen David und Ionatan; mithin eine Quelle des Gefüls für die Helden; die iezt für den holden blossen Bürger und Geselschafter beinahe versiegt ist. Da also, da flossen, wenn der Tod, wenn ein Unglük die trente, die's Leben nicht trennen konte, so edle Heldentränen, die Achilles um seinen Patroklus, wie ein Pylades um seinen Orestes, David um seinen Ionatan weinten.

 

[Ib-11-1781-0243]
Nun last die Welt zu einer solchen Freundschaft verschwinden: die Art des Lebens mache nicht mer zwen solche Begleiter im Leben und Tod aus - - ieder werde sich selbst sein Got in der Welt - - wo wird alsdan eine solche Freundschaft bleiben? - - Verstopft eine neue Quelle zu Heldentränen; wenigstens ist das rürendste Bild zwener Freund' izt ein Kabinetstük blos, und nicht mer ein Schauspiel der Welt, wie ehedem und so anders, als Achilles, als Held nach unsern Zeiten sein müste: so fremde ist sie für sie, der um seinen Patroklus weinende und bis zum Unsin betrübte und rasende Achilles. -" Seit. 187 - 289.

 

[Ib-11-1781-0244]
9) Über Sympatie - vom Sch** Smidt.

 

[Ib-11-1781-0245]
"Wenn die ursprünglichen Leidenschaften desienigen, den ein Vorfal hauptsächlich angeht, mit den sympatetischen Regungen des Zuschauers in einer volkommenen Harmonie stehen, so hält dieser sie notwendig für richtig und schiklich, und ihren Gegenständen angemessen. Wenn er hingegen, so bald er sich selbst in eben den Fal sezt, findet, daß sie mit dem, was er selbst fülen würde, nicht zutreffen; so müssen

 

[Manuskriptseite 84]

sie ihm notwendig unrichtig, unschiklich, und den Ursachen, die sie erregten, nicht gemäs sein. Die Leidenschaften anderer, als ihren Gegenständen angemessen, billigen, heist daher nichts anders, als warnemen, daß wir völlig mit ihnen sympatisiren: sie als solche misbilligen, heist nichts anders, als das Gegenteil bemerken. Der Man, der über die mir zugefügte Beleidigung unwillig wird, und bemerkt, daß ich gerad' eben so übel empfinde, billigt notwendig meine Empfindlichkeit. Der, dessen Sympatie mit der Stärke meines Kummers gleich ist, mus notwendig zugeben, daß mein Schmerz vernünftig ist. - Wer eben das Gesicht und eben das Gemälde bewundert, und's gerade so bewundert, als ich, wird sicherlich an der Richtigkeit meiner Bewunderung nichts auszusezzen finden. Wer über denselbigen Scherz lacht, und eben so laut lacht, als ich, der wird die Schiklichkeit meines Lachens nicht wol leugnen können. Derienige hingegen, der bei diesen und ienen verschiednen Gelegenheiten entweder gar keine Regungen fület, oder doch keine solche, die mit den meinigen in einigem Verhältnis stehen, wird nicht umhin können, meine Empfindungen wegen ihrer Mishelligkeit mit seinen eignen zu misbilligen. Wenn meine Erbitterung so weit geht, daß der Unwille, den mein Freund empfindet, ihr nicht gleich kommen kan; wenn meine Betrübnis die Gränzen überschreitet, die er mit seinem zärtlichsten Mitleiden erreichen kan; wenn meine Bewunderung stärker oder schwächer ist, als daß sie der seinigen änlich sein könte, wenn ich da laut und herzlich lache, wo er nur lächelt, und umgekert - - - in allen diesen Fällen mus er, sobald er von Betrachtung des Gegenstandes zu der Bemerkung meiner da

 

[Manuskriptseite 85]

durch erregten Empfindung fortschreitet, nach der grössern oder geringern Ungleichheit zwischen seinen Empfindungen und den meinigen, mich mer oder weniger misbilligen. Seine eignen Empfindungen werden bei allen solchen Vorfällen die Grundregel sein, wornach er die meinigen beurteilt. - - -" Seit. 300-303.

 

[Ib-11-1781-0246]
XI.

 

[Ib-11-1781-0247]
Karakteristik der Bibel. Erster Teil. Halle, bei I. I. Gebauer's Witwe und Ioh. Iak. Gebauer. 1775.

 

[Ib-11-1781-0248]
1) Vom Schmerz' in Rüksicht auf die Temperamente, die ihn erfaren.

 

[Ib-11-1781-0249]
"Der Schmerz ist zwar bei dem feurigen Karakter sichtbarer, aber vorüberrauschender. Das stille melancholische der Sele sagt wenig, aber die Wunde blutet desto länger und gräbt sich tiefer in die Sel' ein. -" S. 40.

 

[Ib-11-1781-0250]
2) Vom Hasse der Iuden gegen die Samariter.

 

[Ib-11-1781-0251]
"Die Feindschaft der Samariter gegen die Iuden war mer Rache; hingegen die rürte der Has der Israeliten gegen die Samariter aus Verachtung und Nazionalstolz her. Hätten die Iuden diesen faren lassen, so würden die Samariter sich gern als gute Nachbarn betragen haben. -" S. 55. 56.

 

[Ib-11-1781-0252]
3) Tomas vom Unglauben gerettet - dessen man ihn gemeiniglich beschuldigt.

 

[Ib-11-1781-0253]
"Tomas kam vermutlich in der zarten sorgsamen Liebe dem Iohannes am nächsten, und das melancholische, das in seinem Karakter war, erwekte manche Sorg' in ihm, daran die andern wegen des merern Feuers

 

[Manuskriptseite 86]

nicht dachten. Und aus diesem Standpunkte nun, betracht' ich auch's Verhalten oder den sogenanten Unglauben dieses Iüngers, bei der Auferstehung des Hern. Wir wollen dies sogleich näher zeigen, wenn wir uns nur erst an eine durch tägliche Erfarung bestätigte psychologische Anmerkung erinnert haben. - Wenn unsre Sel' etwas ser angenemes erwartet, so pflegt sie den Gedanken an die Erfüllung dieser Erwartung, oft aus Wal mit der trübern Idee an's Gegenteil zu unterbrechen. Sie wil nicht gern vergebens hassen, ie heisser sie nach etwas strebt, desto öfter kämpft sie in sich selbst mit der Vorstellung, als strebe sie umsonst. Erhält sie wirklich die Nachricht von der erfülten Hofnung, so hält sie sich selbst dan noch durch Zweifel auf und ie entzükkender das Vergnügen ist, desto öfter fliegt der Gedank' an's Gegenteil vor dem Geistesauge vorüber, um sich ia nicht vergebens zu freuen, um den vollen Strom der Freud' nicht auf einmal zu trinken. - Gerad' in der Lage zeigt uns die evangelische Geschichte die Iünger. Maria hat Iesum gesehen, komt zu den Iüngern und sie glauben's ihr nicht, sie denken, es könne nur eine angeneme Fabel sein! - Die Iünger kommen von Emaus und sagen's der Versamlung, aber sie glauben's nicht, glauben nicht eher als bis Iesus erscheint. Unglauben kan man's immer auf eine gewisse Art nennen, da sie die Versicherungen Iesu von seiner Auferstehung vor sich hatten, daran

 

[Manuskriptseite 87]

sie auch Iesus hernach erinnert. Aber Tomas nun? - ist er in einem besondern Verstand' ungläubig, wenn er vol freudiger Ungewisheit ausruft: "Ach seh' ich nicht die Male seiner Wunden, leg' ich nicht die Hand in seine Seite, so kan ich nicht glauben. Warum sehe nur ich ihn nicht?" Daß Tomas diesen Gedanken vielleicht mer als irgend einer der anderen Iünger nachhing - dies kan sein: aber liegt nicht die Ursach' in seiner stärkern Kraft ihn so ganz innig zu lieben, die den Gedanken, von ihm getrent zu sein, nicht tragen konte, und für die das Wiedersehn etwas so Entzükkendes war, daß notwendig die Freude länger mit dem Zweifel, nach der oben gemachten Erfarung, kämpfen muste?

 

[Ib-11-1781-0254]
So glaub' ich, kan Tomas volkommen gerettet werden. Wir verlieren nichts, wenn wir, nachdem Iarhunderte lang vom ungläubigen Tomas gepredigt ist, nun einmal anfangen, von dem zärtlichliebenden Tomas zu lieben predigen. -" Seit. 66. 67. 68.

 

[Ib-11-1781-0255]
4) Rechtfertigung Paulli, wenn er mit den Iuden so behutsam und nachsehend umgeht.

 

[Ib-11-1781-0256]
"Last uns hier einen individuellen Fal sezzen, um hernach den entgegenstehenden Karakter Paullus im desto deutlicheren Licht zu erkennen. - Es trit iemand von einer Religionspartei zur andern über. Seine Aufrichtigkeit dabei glaubt er nicht besser evident machen zu können, als wenn er auf einmal alle seine Gesinnungen gerad' umkert, und's auch in seinen Worten bei iedem

 

[Manuskriptseite 88]

Anlas merken läst. Er redet daher nicht nur immer von seinen neuen Grundsäzzen, empfielt und erhebt sie in dem Ton' eines Lobredners, nicht selten unzeitig und sonderbar genug; - sondern er redet zugleich, von seinem eh'maligen System auf's verächtlichste: bereit iede Schmähung, ieden Tadel, ieden Vorwurf auf sich zu nemen, (weil er ihn doch nun nicht mer verdient:) findet er alles ehmalige töricht, abgeschmakt, irreligiös. Es komt ihm unbegreiflich vor, wie man iemals Glied einer so unvernünftigen Geselschaft, und bei so einleuchtenden Gründen dennoch blind am Gegenteil sein könne - und wie diese Sprache sich sonst ausdrükt - Vielleicht denkt er, er müsse so handeln, vielleicht tut er sich Zwang an, vielleicht hat er dabei ein redlich Herz. Auf der andern Seite giebt's viele seiner Beurteiler, die dies loben, dies als den sichersten Beweis seiner Aufrichtigkeit ansehn, und ihn für einen ge furchtsamen, menschengefälligen, unredlichen Christen schelten würden, wenn sie mer Stille des Geistes, minder Geräusch von Worten, mer Kaltsinnigkeit an ihm bemerkten. - Diese Art zu handeln und zu schliessen, dünkt mir eben so felerhaft, als sie gewönlich geworden zu sein scheint. Zuerst handelt der Neubekerte seiner ganzen Natur, und allen psychologischen Grundsäzzen entgegen. Wofern er natürlich und das heist zugleich christlich handelte, so würd' er folgendermassen zu Werke gehn. Er würde die Gründe, die ihn überzeugten, immer näher prüfen, er

 

[Manuskriptseite 89]

würde sie vielleicht mit weniger Worten, aber mit mer Stille des Herzens, als war erkennen, und auch dafür ausgeben, er würde dem aufsteigenden Zweifel und der alten zurükkerenden Idee nicht mit einer donnernden Legion von Schmähungen entgegenrükken, sondern ** mächtige Waffen ergreifen, mit ihnen kämpfen, ihre Stärke kennen lernen und wenn seine stärkern Gegengründe siegten, den Nuzzen haben, gründlicher von der Warheit überzeugt zu sein. Man würd' ihn nie gegen Grundsäzze, die er so lange für war gehalten, die er als Kind schon gelernt und von seinen Vorfaren geerbt hat, in Zorn sehen, sondern er wird dadurch sorgfältiger und furchtsamer gemacht sein, nicht von neuen zu irren. Froh wird er sein, wenn er die Gesezze, die ihm notwendiger scheinen, erfült, und den Abscheu, den die Natur davor haben mag, besiegt; nie wird er sich um recht überzeugt zu scheinen, zu solchen Dingen bequemen, die ihm seine neue Denkungsart selbst, nicht als notwendig gebietet; er wird seine Sele sezzen und stillen; so wird er nach und nach von seiner alten Ide entwönt werden. - Daß dies das natürliche Verhalten sei, wird man nicht läugnen können. Es ist, wenn ich so sagen darf, wider die ganze Struktur des menschlichen Herzens, daß es auf einmal all' alte Vorstellungen vergessen und an ein ganz neues System so gewönt sein sol, als wenn es dasselbe schon lange gekant hätte. Es giebt gewisse Nüanzen, gewisse Übergänge, gewisse Zwischenlagen, die man, so wie in der ganzen Schöpfung, auch in der menschlichen Sel' antrift. Ein Mensch, der nach entgegengesezten

 

[Manuskriptseite 90]

Grundsäzzen handelt, fält bei einem Nachdenkenden immer in den Verdacht der Verstellung, oder einer schlechten Erziehung.

 

[Ib-11-1781-0257]
Wozu nun dies alles? - um zu zeigen, wie genau der Karakter unsers Apostels mit der Natur übereinstimt, nichts Erzwungenes und gesuchtes angenommen hat; wie warhaftig christlich er denkt, ob er gleich nicht in die Form derer passen mag, die ihre eigne Meinungen in die Schrift hineintragen oder sich entweder aus ihrer eignen Empfindung, oder aus äusserst seltnen Beispielen, Regeln abziehen, die sie für algemeingültig angesehn wissen wollen. Paullus war gerad' in dem Falle, den ich vorhin festgesezt habe; und ob er gleich wegen seiner gewissen Überzeugung vom Christentum, nicht nötig hätte, so ängstlich die Warheit zu suchen, als mancher andre, so kan doch sein Verhalten gegen die Nazion, deren Grundsäzz' er verlassen hätte, seine Denkungsart in's Licht sezzen. Nun find ich aber nie, daß er sie mit Bitterkeit und Has erwänt. Er sagt ihnen zwar unangeneme Warheiten in's Angesicht, aber immer schonend gegen sie, immer mit einer gewissen Wärme für dieienigen, deren Anhänger er sonst war. - Seit. 300-304.

 

[Ib-11-1781-0258]
5. Karakter des Petrus.

 

[Ib-11-1781-0259]
"Die feurigen, die aufbrausenden Karaktere sind der Gefar eben am meisten ausgesezt, verkant zu werden. Da sie gewönlich eine starke Anlage zur Aufrichtigkeit haben, so denken sie wenig daran, ob auch ihre Handlung unter diesem oder ienem andern Umstande richtig

 

[Manuskriptseite 91]

beurteilt werden möchte. Sie sezzen bei dem Bewustsein ihrer guten Absicht, bei allen eben so viel Güte zum voraus, als sie selbst fülen, one zu bedenken, daß auch der gerechteste Richter irren kan, wenn eine Handlung mit alzu viel widersprechend scheinenden Umständen verbunden ist. - Sie pflegen überdies dem Feler unterworfen zu sein, daß sie weder das Gewicht ihrer Worte kennen, noch auch Zeit genug anwenden, das was sie sagen, erst zu überdenken, welches die Hizz' ihres Temperaments und die Schnelligkeit ihrer Vorstellungen durchaus nicht zuläst. Das, was im Munde des bedächtigen Mannes Beleidigung sein würde, ist bei ihnen oft nichts als überraschende augenblikliche Aufwallung des Herzens; die sich durch Worte Luft schaft, und in dem Augenblik wieder gestilt ist. Die Sprache, welche man dem Nachdenkenden und Langsamen mit Recht für Stolz und Selbstvertrauen auslegen würde, ist bei ihnen der Ausdruk des natürlichen Gefüls, das ieder, auch der Weiseste von sich selbst hat, und's blos aus einer gewissen Feinheit unterdrükt, von der's wol noch nicht ganz entschieden ist, ob sie zur Er' oder Schande des menschlichen Geschlechts gehören möchte. Doch ist überhaupt nicht zu läugnen, daß sie ser leicht in Gefar stehen, Schritte zu tun, welche sie bald mit Kummer büssen und desto schwerer büssen müssen, ie leichter sie gewönlich zu überzeugen und zu rüren sind. Tausend Versuchungen, die der gesezte Karakter voraussieht, überraschen sie so schnel und unvermutet, daß das Herz nachgiebt, eh' es prüfte, und der Fus gleitet, eh' er das Schlüpfrige des Weges sah. Nur solche Gelegenheiten können der natürlichen Anlag' ihres Karakters eine etwas andre Richtung geben, und

 

[Manuskriptseite 92]

so mächtig auf's Herz wirken, daß nach und nach die heftigen Affekten sanfter werden, und das sprühende Feuer mildes Licht wird. - Diese Anmerkungen wollen wir zur Erläuterung des Karakters Petrus anwenden.

 

[Ib-11-1781-0260]
Petrus hat das Auszeichnende, daß wir beinah' in keinem Apostel so ser den Menschen sehen, als in ihm. So viel Gutes und Grosses in ihm ist, so trägt er doch mer als einer der andern die gewönlichen Schwachheiten an sich, welche Temperament und Erziehung fast notwendig machen. Er bedarf am öftersten der Zurechtweisung Iesu, er ist am schwersten von gewissen eingewurzelten Vorurteilen abzubringen, welche auf sein folgendes Verhalten Einflus haben konten. Es muste sich beinah' ein solcher Fal, wie seine Verleugnung ist, ereignen, um einen Karakter zum Teil umzubilden, bei dem geringere Eindrükke zu vorübergehend waren, als daß man auch in der Zukunft auf ihren Erfolg hätte hoffen können. Aber eben dieser merkwürdige Vorfal, der auch von seiner moralischen Seite, so viel lerreiches enthält, macht's, daß der Karakter Petrus in seiner Geschichte, in zwo ziemlich verschiednen Gestalten erscheint, und daß manche Züge, die ihn im Anfang so stark karakterisiren, am Ende, wo nicht ganz verschwinden, doch unmerklicher werden, als sie vorher waren. -

 

[Ib-11-1781-0261]
Petrus hatte verschiedne Eigenschaften, welche, so gut sie in ihrer Anlage waren, doch ser leicht ausarten konten, so bald sie über die Gränzen ausgedent wurden. Eine Sele

 

[Manuskriptseite 93]

vol Trieb und Tätigkeit, zu schnellen Entschlüssen fähig, zu geschwinder Ausfürung bereit, kein altes Säumen, kein ungewisses und zweifelndes Überlegen, kein furchtsames Bedenken der Folgen! Schnel und begierig ergrif er die Warheit, konte sich zu ieder guten Tat on' Anstand entschliessen, haste den Vorzug im Reichtum und schnel wie sein Gedanke, sein Wort! Träges Erwarten, harrende Geduld, Zufriedenheit mit halber Erkentnis - davon nicht eine Spur in ihm. Bei'm ersten Anblik ist er nicht einen Augenblik vor der grösten Gefar bange, wagt sich getrost in alles hinein, und bedenkt nicht, ob er's durchsezzen wird. Den Karakter des Beherzten, der mit Klugheit dennoch vor nichts zittert, mus man also eben nicht in Petrus suchen. Genug Entschlossenheit besizt er im ersten Angrif, aber zu wenig Mut zum Ausdauren. - Er selbst ist wol Plan und Anordnung, aber etwas unbiegsam sich der bessern Einsicht andrer zu unterwerfen, so lang er sie noch nicht anschaulich als besser kent. Wo er selbst handelt und vom Befel des Hern abweicht, da ist's nicht sowol Ungehorsam, als zu gutes Verrtrauen auf seine Kraft und Einsicht. - Seine Lieb' ist aufflammend und umwalt sein Herz zuweilen so warm, daß er übertriebne Begriffe von ihren Forderungen hat, die er auszufüren wagen wil, und mitten in der Ausfürung erliegt. - Bei dem allen ist er nicht von der Art von feurigen Selen, welche nur für sich zu leben glauben. Er ist nicht allein ein hizziger Freund der Seinen, sondern auch der Wunsch, keinem seiner Mit Nebenmenschen misfällig zu sein, (ein für sich betrachtet, ser edler Wunsch,) wird zuweilen so stark in seiner Sele, daß er in ein

 

[Manuskriptseite 94]

einer gewissen Übernemung, seine anderweitigen Verbindungen vergessen und selbst wider seine Überzeugung handeln kan. Dies geht nicht soweit, daß es die ihm so eigentümliche Redlichkeit und das Erliche des Karakters ganz aufhübe. Nur in den schwachen Augenblikken, vergist er was er sagt und indem er im mächtigen Kampf der Warheit und des Privatvorteils, nicht Macht genug hat, iene siegen zu lassen, kan er eine Schwachheit begehen, welche man bei alzu feurigen Temperamenten immer mit einigem Grund fürchten kan. Denn's gehört nur wenig Menschenkentnis dazu, um zu wissen, daß der, welcher am feierlichsten und hizzigsten etwas angelobt, am ersten seinem Versprechen und Vorsaz untreu wird, da man im Gegenteil, auf den langsamen und kälter scheinenden Karakter, mit weit mer Zuversicht bauen kan. - -" Seit. 430 - 434.

 

[Ib-11-1781-0262]
"Die Verläugnung Petri Iesu ist nur von den Handlungen Petri, die uns tief in seine Sele schauen läst - aber sie ist auch die, die am meisten verdreht, ge misgekant und in einem unrechten Gesichtspunkt dargestelt ist worden. Sie ist nicht so auffallend, als sie scheint - und nicht so bös, als man sie gemeiniglich ausgiebt. Die Hizz' eines Karakters, damit er Sch Entschlüsse fast, ist nie eine sichere Vorbedeutung, daß er sie ausfüren wird. Künheit und Heldenmut sind noch ser weit von einander. Die Furchtsamkeit und der anscheinende Unternemungsgeist lassen sich also ser füglich mit einander verbinden. - Dies ist gerade der Fal

 

[Manuskriptseite 95]

bei'm Petrus. Mit einer ausserordentlichen Schle Schnelligkeit fäst er den Entschlus, wil für die Ere Iesu in's Gefängnis, für ihn sterben, mit dem Schwerd drein schlagen, und im ersten Feuer war' er's wirklich im Stande. Malchus war ein Zeuge davon. Aber ein kleiner Umstand kan diesen Affekt kalt machen. Eigentliche Frechheit möcht' ich's nicht nennen, was den Apostel zu so künen Versprechungen von sich hinris; denn er sagt's nicht, um nur etwas zu sagen, nicht um mit einer Standhaftigkeit gros zu tun, die er nie zu brauchen hoft. Eigentlicher Entusiasm' ist's auch nicht, wenigstens bei weitem nicht der höchste Grad davon. Denn die Geschicht' hat uns Beispiel' aufgestelt, daraus man die unglaubliche Gewalt, welche der Entusiasm' über's Herz hat, nichts achtet, beinah' aufhört menschliche Empfindung zu haben, und Taten tun kan, unter welchen ieder andre Erdenson - bei etwas kälterem Blut - unterliegen müste. Dazu lag Petrus viel zu bald unter. Aufwallende aber redliche Heftigkeit des Karakters ist's - welche bei'm Anblik der Gefar, schnel in Menschenfurcht übergeht.

 

[Ib-11-1781-0263]
Und dies ist desto natürlicher, da der Hizzige selten aus wolgeprüften Gründen handelt. Die Macht der Warheit ist ser gros, aber man mus sie auch erst ganz als Warheit, von allen Seiten, unter allen Veränderungen, als Warheit gefült haben. Paullus hatte die Leren des Christentums so anschaulich erkant, daß nichts im Stande gewesen wäre ihn wankend zu machen. Petrus hatte noch gewissermassen Vorzüge: Der unmittelbare Umgang mit Iesu gab ihm Gelegenheit alles selbst zu sehen, was Iesus zur Bestätigung

 

[Manuskriptseite 96]

seiner Lere tat. Er war auch von ihm selbst belert, was für Hofnungen die Christen hier und in der Zukunft hätten. Dennoch hatt' er sich nie so viel Zeit genommen, alles dies reiflich miteinander zu vergleichen. Ein Wunder Iesu, das er sah, bracht' ihn in die schnelste Hizze, er brante von Hochachtung, wie gar nichts er gegen seinen Hern sei; aber kaum sagt Iesus ein Wort, das ihm nicht in seinen Plan zu passen scheint, so macht er Einwendungen. Nach so viel wiederholten Versicherungen Iesu, er müste durch Leiden seine Vol Sendung volenden, scheinen die übrigen Iünger sich darein gefunden, oder wenigstens beruhigt zu haben. Nur Petrus tat kurz vor den lezten Tagen des Lebens Iesu, als hört er dies das erstemal und ruft halb verwundert, halb erzürnend aus: "das wiederfare dir nicht!" Bei einem solchen Wanken seines Glaubens, bei einem Herzen, das immer nur von der gegenwärtigen Empfindung vol war, gieng's leicht an, daß Petrus zu wenig auf alle Fälle bereitet war, die dieser seiner Standhaftigkeit drohen konten. Nie hatt' er mit kälterer Überlegung den Zusammenhang der Reden Iesu von seiner Person durchgedacht, nie mit der Sorgfalt, die ihm hernach so eigen ward, die alten Vorhersagungen mit den iezzigen Erscheinungen verglichen. Alles muste für ihn überraschend sein - und als er zu sich selbst kam, hatt' er dreimal verläugnet. "Aber er sah' doch eine mögliche Gefar voraus, und in einer solchen war er entschlossen, sich binden, sich tödten zu lassen! Wie kont' ihm überhaupt eine so natürliche Frage, die man an ihm vielleicht tausendmal getan

 

[Manuskriptseite 97]

hatte, gerad' iezt so überraschend sein? Wären's noch die obersten Richter gewesen, vor deren Stülen er gestanden hätte. Aber nun - eine Magd - ein Bedienter - welcher widersprach!" Eben wegen dieser Einwendungen, weniger Widerspruch! Gerade dies Geringscheinende war's, was einen solchen Karakter leicht wankend machen konte. - Ob wol Petrus vor dem hohen Rat verläugnet hätte? Ich glaub' es kaum! Dies hatt' er sich vorgestelt, darauf war er durch eine Menge von Vorfällen bereitet, und in einem Affekt wie der, in welchem er diese Nacht war, der noch durch's Feierliche eines Gerichts, eines Gerichts, in welchem er an der Seit' Iesu gestanden hätte, vermert wäre - hätt' er unfelbar über seine Kleinmut gesiegt. Aber nun, von Iesu getrent, vermutlich in einem schreklichen Sturm von Zweifeln, Hofnung, Furcht, Liebe, Erbitterung, Ungewisheit, Glauben und Unglauben arbeitend, getrieben von Woge zu Woge, hinauf und hinab, über einem Abgrunde von Treulosigkeit - und das alles in der Stärk' empfunden, mit der ein so heftiges Temperament sich alles annimt - so viel Umstände zusammen und dan noch's Grauen eines öden schweigenden Dunkels, das Furchtbare eines Verhörs in der tiefsten Stunde der Mitternacht, die bange Erwartung des Ausgangs - und nun plözlich die unerwartete Frage von einer Sklavin, die nichts zu fragen hatte, "Warst du nicht auch des Gerichteten Iünger?" solte das nicht in einem Herzen, darin so wenig Ruhe war, eine Wirkung getan haben, die die freilich unsern ersten Erwartungen nicht entspricht - aber ganz natürlich mit der Schwäche der Sel' eines armen, unbestän

 

[Manuskriptseite 98]

digen, unglüklichen Erdenmenschen, zusammenhängt. Ich weis nicht, was Petrus im Augenblik gedacht haben mag, aber nach so vielen Erfarungen läst sich vermuten, das es ser wenig, und noch weniger Zusammenhängendes war. Das abgebrochne, mer herausgebelte, als gesprochne, unruhige Verneinen der Warheit, mus selbst zum Verräter an ihm geworden sein.

 

[Ib-11-1781-0264]
"Wär' es denn endlich noch eine unvorsichtige Verläugnung der Warheit gewesen. Aber zweimal, dreimal, mit Versicherungen, mit Beteurungen, mit Eidschwüren! Wie läst sich das reimen!" O mein Freund, der du diese Schwäche des Herzens nicht begreifen kanst, der erste Schrit ist der gefärlichste, die übrigen sind leicht dazu getan. Dem feurigen Karakter, welcher zur ersten Unvorsichtigkeit nicht standhaft genug war, trau' ich eine iede andre zu. Komt die Sel' einmal in eine gewisse Verwirrung, so ist's schwer, sie in ihre vorige Ruhe zurükzubringen. Sie hat ihre Besinnung gewissermassen verloren, sie weis selbst nicht mer, was sie tut. Das natürliche Gefül von Recht und Unrecht bleibt zwar immer, das Herz fült's, daß es die Unwarheit ausspricht, und selbst diese hörbare Indignazion, dieser Unwille, mitten im zuversichtlich sein sollenden Verläugnen, dies "Ich weis nicht, was du wilst!" - verrät den Kampf der Sele, die bei dem ruhigen Bewustsein der Warheit, auch bis auf den Ausdruk ruhig zu bleiben pflegt. Aber's stille Nachdenken felt doch immer im Tumult der Leidenschaft, und wann die Sele nicht Kraft genug hat, sich gleich zu bleiben, fält sie nur gar zu leicht in Schwachheiten, welche sie hernach büssen mus. Petrus durchdachte nicht, was er tat. Die Güte

 

[Manuskriptseite 99]

seines Herzens lit weniger dabei, als es scheint; es war nicht eigentlicher Kaltsin, der ihn zum Verläugnen brachte, der äusserste Grad von Verwirrung, Unentschlossenheit, und Mutlosigkeit, ein eben so schneller Übergang von der Tugend zur Schwäche, als von der Schwäche zur Reue. Nun sezze zu dem allen noch, daß die Menschenfurcht wirklich zu den Karakterzügen unsers Apostels gehöre, und daß der dazukommende hizzige Karakter immer von einer Gränze zur andern überspringt, - so wird's in dieser Geschichte mer Licht geben: - die Verläugnung Iesu macht' eine grosse Veränderung in dem Karakter des Apostels. In der Folge der Geschichte sehen wir einen nicht weniger feurigen, aber dabei weit geseztern Man; das Schöne seiner Sele entwikkelt sich mer, es gewint alles, was er tut, eine lieblichere Gestalt, wir lernen ihn nun mer hochachten, nachdem sich manches Rauhe und Heftige verloren hat. Solcher heftiger Erschütterungen bedarf's oft, um eine Sele vol grosser Anlage, in die Lage zu bringen, in der sie sich am besten entwikkeln und ihrer Volkommenheit entgegenreifen kan; aber zu nichts sind sie geschikter, als das Rauhe wegzunemen und mer Sanftes (das dem Christentum so gemäs ist) in's Herz zu bringen. Eine begangene Schwachheit - welche schöne Tränen hat sie schon dem Auge manches Reuenden entlokt, und dem vormals brennenden Karakter die angenemste Mischung von Mild' und Ruhe gegeben. Aus einem klagenden David kont' ein Man nach dem Willen des Hern werden. Eine zu den Füssen Iesu weinende Sünderin, mochte bei allen ihren eh'maligen Felern noch immer eine schöne Sele sein. Und ein weinender Petrus - -" Seit. 446 - 452.

 

[Manuskriptseite 100]

[Ib-11-1781-0265]
XII.

 

[Ib-11-1781-0266]
Älteste Urkunde des Menschengeschlechts. Erster Teil. Eine nach Iarhunderten enthülte heilige Schrift. Riga, bei Ioh. Friedrich Hartknoch. 1774.

 

[Ib-11-1781-0267]
1) "Got des Himmels und der Erde" eine Benennung von den kindernden Orientalern und Naturmenschen.

 

[Ib-11-1781-0268]
"Wenn's Mermänner gäbe, von denen die Fabel so oft spricht - der Abgrundwoner, der nichts als seine nasse Welt und den durchdämmernden Himmel kenet, erhübe sein Haupt über die Wasser - Mer unter ihm rollend, hoch über ihm das blaue, schöne hellere Himmelsmer - wie würd' er seinen Got des Himmels umfassender nennen können, als Got des Himmels und Mers ! Ein Sefarer, ein in Ungewittern Verlorner, wie seinen Got mit dem treffendsten Notenspruche nennen, als Got der Ungewitter dort oben, und der Abgründ' unten - das sind iezt die beide Sphären, in denen seine Menschheit, eingeschlossen, leidet - das Weltal seiner Not. Wer sich nun in die Zeit des einfältigen, sinlichen Morgenländers hinaussezt, der das Universum wirklich so ganz innerhalb Himmels und Erden fülte; noch von keinen Weltgebäuden und Planetenbrüdern gehört, sucht er Got wirklich auf dem Trone des Himmels, den er mit welchem Glanz! in welcher Unermeslichkeit! mit welcher Maiestät malet; er kniet mit tausend anderm Gewürm auf der niedrigen Erde, wont in seiner Leimhütte, ist von Erd' und wird zu Erde - ein Erde Mensch - die ganze Sel' im Blikke! das ganze Weltal in seiner Sele, wie

 

[Manuskriptseite 101]

kan er rürender beten, als "Got Himmels und Erden!" "aller Kinder in Himmel und auf Erden!" Keine Zusammenfassung ist in der Bibel gewönlicher, sinlich grösser, und iedem Kinde verständlicher, als diese - der weiteste, blaue Horizont des Menschen, wenn er keine Metaphysische, oder astronomische Welten kennet. Pindarisch erhabne Ansicht und Pforte des Ganzen edlen Tempels dieser Offenbarung. Last uns also auch mit dem Anfange gleich den Parallelism, Höhen und Tiefen, Himmel und Erde, der in der Ursprache Grundaus liegt, im Sinne behalten. Alles ist bei ihnen auf diesen Parallelism gebauet: Naturler' und Moral! Religion und Wissenschaft! Geist und Körperlere, das droben wirkt auf Erden: das irdische eilt hinauf gen Himmel: die Einteilung stüzt und belebt ihre System' und Poesien: ihr Bliz von Erd' zu Himmel! von Himmel zu Erde! - -

 

[Ib-11-1781-0269]
die Erde war - wüst' und ler -

 

[Ib-11-1781-0270]
Sonderbarer Einblik in die erste Schöpfung!

 

[Ib-11-1781-0271]
und's war finster auf der Tiefe.

 

[Ib-11-1781-0272]
Ein einfältiger Naturmensch denkt und sieht nicht ausser Erd' und Himmel hinaus, was hat er also für ältere und tiefere Bilder als "dieser Himmel?" als "diese Erde?" "Vor dem die Himmel altern! vor dem die Säulen der Erde wanken! Berge verwesen!" - nichts konte nach morgenländischen Lieblingsbegriffen über die ewige, unermäsliche Dauer gehen. Was ist älter als diese Weltsäulen, die Berge? wer war, eh' Berge waren, und Erde ward? Wer weis, wo ihr Ekstein, ihr Grundstein liegt? Sinbilder und Fundgruben des Ewigen, Ewigvesten, Immerwärenden

 

[Manuskriptseite 102]

bis in die Wurzeln der Sprache, und daraus denn die meisten erhabnen Bilder in Hiob, David und den Propheten, von der Ewigkeit, Almacht, ewigen Treue Gottes, sie über alle Zeitalter hinaus mit Bergstärk' und Erdveste zu fülen. Urälteste Erdvest' ist also einem Morgenländer ein wilkommener Begrif, auf dem er, wie auf sichern Boden die Schöpfung bauet: Wüste und lere und dunkle Nacht auf derselben nicht minder. Ist iemals Wüste, Verherung, Einsamkeit, Dunkel, Mitternacht schauderhaft und gräslich geschildert worden, so im Morgenlande. Die Nacht, in die der fluchende Hiob seine Geburtsstunde verwünscht: Das Reich der öden Dunkelheit und Schatten, in das er sich durch sanften Tod hineinseufzet: die Abgründ' und Fluten des wüsten, wilden Mers, noch mer die Verwüstung, die fast alle Propheten einst ihrem Lande malen - ich glaube, kein nordischer Chaosdichter wird diese Beschreibungen übertreffen können; vielleicht merere Müh' und Unkosten der Bilder häufen, aber on' Eindruk der Morgenländer, deren Gefül sich nur in grosse Massen, Licht und das schwärzeste Dunkel teilt.

 

[Ib-11-1781-0273]
Der Erdanfang oder's Reich vor der Schöpfung war ihnen Zusammensezung al dieser wüsten Schauergefüle: Nacht: weite Lere: Dunkelheit: brausender regelloser Abgrund, und - was dem ganzen Nachtgemälde Leben, Haltung und durchfarende Wirkung giebt, auf ihm liegt und webt der schaurende Nachtgeist. Wer iemals auf dem wüsten Weltmer mit Nacht und Todesfurcht umhült auf Morgenröte gehoft, wird diese Szene gefült

 

[Manuskriptseite 103]

haben - Geist des Himmels! Hauch Gottes! wie er sich von droben her senkt, die Fluten durchwült, emporwebt! wo er wandelt, webt himmlische Gegenwart: und alles ist Schauer! Alle Dichter der Natur haben Bilder davon gegeben: die morgenländischen Dichter wieder am stärksten - was ist's, was ihre Natur bis zum Leben, zum Gefül der Gottesnähe, zum Glauben und Empfinden in Wirksamkeit sezt, als Hauch Gottes! webender Wind! rausender Sturm! das Säuseln der Lüfte!

 

[Ib-11-1781-0274]
- es hies sie wehen und rauschen
Der Ewige!
Wo sie wehen und rauschen,
Ist er der Ewige!

Die Fabel ienes Wilden, "als er den prächtigen, himmelan blühenden, Baum mit Königskron' und weitem Gipfel sahe: er stand und staunte" plözlich fur ein Luftschauer durch den Wipfel: es rauscht, spricht, lebt: Got ist gegenwärtig - der Wilde sank nieder und betete." Das ist die Geschichte des Gefüls aller Menschen. -" Seit. 22 - 25.

 

[Ib-11-1781-0275]
2) Wunder des Lichts.

 

[Ib-11-1781-0276]
"Welch ein Wunder um uns Lichtstral! On' ihn die ganze Schöpfung Nacht, Tod, Kluft, von Erd' zu Himmel Grab und Abgrund, oder vielmer, mer als alle das

 

[Ib-11-1781-0277]
- wüste und ler
Finsternis auf der Tiefe
Unruh' auf den flutenden Meren.

Ein Lichtstral komt! woher? aus welcher Tiefe? wie schnel! wie fein! urplözlich da - und welche neue Welt mit Einem

 

[Manuskriptseite 104]

neuen Sin für alle Sinne! - Farben und Gestalten! Alles bekomt Umris, Kleid, neues Dasein - - die Blume plözlich in die Herlichkeit einer Königin gekleidet, wundert und freut sich ihres neuen Brautschmuks - - alles erregt, erhizt, erwärmt - - die Traube schimmert in Morgenrot und Kraft des Himmels - - das Erdenrund wandelt durch Einen Lichtstral, wie Ton vom Gepräge plözlich alle Gestalt

 

[Ib-11-1781-0278]
- und steht in Stralen mannigfalt
im Brautschmuk! -

Welch ein Wunder Gottes, ein Lichtstral! wie er uns so weit ausser uns selbst, bis an die Räum' und Enden der Schöpfung, und mit welcher Genauigkeit! hinauswirft, oder vielmer, wie er alle Dinge, Bilder, die ganze Gestalt der Schöpfung auf einmal in unsre Sele samlet! Welcher unsrer Alwisser, der's begreife, wie Lichtstral, Bild, Bild in der Sel' und dies Bild Idee, Gedanke, mit dem er doch so nichts gemein hat! Und dieser Gedanke Licht, Heiterkeit, Wärme, Tätigkeit, Entschlus, Wonnegefül im Herzen, Strom der Götlichkeit und Schöpferkraft durch die ganze Natur werde? Ein Lichtstral alle das, der so weit her komt, der in seinem Kanal' ia dies alles nicht mitbringt, der wie ihr meint, und ie beweiset, so mechanisch fält, malt und würkt. - -" Seit. 30. 31.

 

[Ib-11-1781-0279]
3) Der Mond!

 

[Ib-11-1781-0280]
"Da trit sie freundlich hinan, die Königin der Nacht, und die Gespielinnen, Sterne reihen sich, sie zu em

 

[Manuskriptseite 105]

pfangen! Wie sie die Schatten beglänzt und silbert! und alles in den Zauber einer andern Welt dämmert! Andungen, Träume, Wünsch' aus dem Grunde der Sele! - das sanfte, kleine Licht, das die Nacht beherscht, und um sie her - die Sterne! -" S. 53.

 

[Ib-11-1781-0281]
4) Parallelen beider Ozeane, Luft und Wassers.

 

[Ib-11-1781-0282]
"Da fliegen gleichsam auf Flosfedern die Fische, und die Vögel schwimmen auf Flügeln: iene und diese mit Schuppen und Federn, als Luftkleidern gepanzert: beider Element ein Wasserrevier! - Ieder Wort, das wir ausstossen; ein Hauch, den wir atmen; Ein Schal, den wir hören, ist wie's der Stein ein Wasser erregt, Welle: unser Leib eine Samlung einatmender und duftender Gefässe: wir schwimmen unsichtbar in einem Ozean. Daher Luft und Wasser, Himmel und Mer, Eis und der oberste Sapphier bei den Morgenländern immer ein Spiel der Vergleichung! -" S. 55.

 

[Ib-11-1781-0283]
5) Die Schaffung des Menschen.

 

[Ib-11-1781-0284]
"Wie hier die Schöpfung stilsteht und wartet! Wasser und Luft und Erd' und Staub - alles erfült, belebt, wimmelnd und wogend - aber wo ist sinlicher Zwek des Allen? - Einheit? Iedes für sich eine Insel! Ein geniessendes Geschöpf auf einem Punkte! wo Etwas, das gewisser Mass' alle geniesse? Blik, der sie alle samle? Herz, das sie alle füle - die ganze Schöpfung scheint zu trauren, zweklos zu geniessen und nicht genossen zu werden - Wüste! ödes Gewimmel! Der

 

[Manuskriptseite 106]

Puls der Schöpfung harret! Ist's möglich, ein solches Geschöpf, die Krone, die höchste sinliche Einheit alles Sichtbaren! Wär's, so gleichsam ein Nachbild ein Repräsentant der Gotheit in sichtbarer Gestalt. Wie wir uns den götlichen Blik erwägend, herschend, gleichsam mit iedem Gedanken nochmals schaffend denken: so dieser Untergot ein Stathalter, ein Herscher, - die Gotheit in seinem Bilde - welch Geschöpf! Die Gotheit beratschlagt - noch schlafen die Kräfte der neuen Schöpfung! - Dieser Gestalt im Bilde wäre so dan innig unendlich schöner und lebender, als Fluren, Hain' und Gebürg und Elysium! innig schöner, und lebender, als Fisch und Vögel, Gewürm und Tier aller Gattungen und Arten! - In ihm gleichsam der Gedanke, die Schöpfers und Herschungsgabe des Unsichtbaren gesenkt! - Was wäre die ganze Natur gegen diese menschliche Sele - ratschlagend wie Er! - schaffend, herschend, das sichtbare Ebenbild der Gotheit!

 

[Ib-11-1781-0285]
Ratschlag ist volendet -
Got schuf den Menschen, sein Bild!
Zum Gleichnis Gottes schuf er ihn
Er schuf sie - Einen Man! und Ein Weib!

Kont' in aller Welt mer's Menschengeschöpf geert, und gleichsam vergöttert werden, als durch diese Pause! durch diesen Ratschlag! durch Prägung zum Bilde Seiner!

 

[Ib-11-1781-0286]
Got schuf den Menschen, sein Bild!
Er schuf ihn zum Gleichnis Gottes

einfältig, edel und aufschliessend für die Natur des

 

[Manuskriptseite 107]

Menschen! Siehe da seinen Körper! Die aufgerichtete, schöne, erhabne Gestalt - nur Hüll' und Bild der Sele! Schleier und Werkzeug der abgebildeten Gotheit. Wie spricht sie von diesem menschlichen Antliz in tausend Sprachen herunter! offenbart sich mit tausend Winken, Regungen und Trieben nicht darin, wie in einem Zauberspiegel, die gegenwärtige aber verborgene Gotheit? So unnenbares Himlische im menschlichen Auge das Zusammengesezte aller Züg' und Minen - so zeichnet sich die unanschaubare Sonn' im kleinen trüben Wassertropfen! Die Gotheit in eine grobe Erdgestalt verschattet!

 

[Ib-11-1781-0287]
So in der ganzen geadelten Bauart nach Zwekken und Geschlechtern. Wie im Mann' hier Ernst, heitre Weisheit, edle, würksame, gehaltne Stärke, Aufrichtigkeit, Warheit glänzt: dort im Weibe Natur und Wesen mit allen sanften Empfindungen der Gotheit, Lieb und Güte, Barmherzigkeit und Milde, närende Huld, und der Kron' aller Tugenden und Gefüle, Scham und Unschuld vermält scheint. -

 

[Ib-11-1781-0288]
Abgrund des Alles und unsichtbare Quelle, die Menschliche Sele! Ein verborgner Engel - im Menschengewande. Gottes Bild! Welch ein Überirdisches, immer Unerreichtes in seinem ganzen Erdeleben! Grosser Plan und zusammengeschlungner Knote! Ist niemals da, wo er ist! geniest nur immer in Gedanken! Im tiefsten Tale des Kummers blikt er über die Welt heraus: Ewigkeit hat der Her in seine Sele gegeben - Gottes Bild!

 

[Ib-11-1781-0289]
Welch ein Tier ist's, das sein Geschlecht, oder ein

 

[Manuskriptseite 108]

ander Geschlecht, endlich das alle Geschlechte bezwungen hat, nicht ihren, sondern seinen Willen zu tun? Bild Gottes, auf der ganzen Erde, zu herschen! zu walten! In allem, was der Mensch tut, und denkt - welche Schöpfersgabe! welche Nachamung der Gotheit! Immer mit Plan und Absicht handelnd! aus dem Vergangenen Zukunft erfinden! er verbessert, verschönert nach seiner Meinung, schaft immer dem Steine, wie Pygmalion, wenn's auch noch so ser Stein, und sein Bild Wanbild wäre, seine Idee an. Sein ganzes Leben also Ideal! Herschen und Walten! Kunst, sie sei so gut oder schlecht als sie wolle! - Daher also auch sein Aufschlus, ein kleiner Aufschlus seiner sichtbaren Bestimmung - Alle menschliche Arbeit und Mühseligkeit freilich am Ende nichts - "wenn's köstlich gewesen ist, Müh' und Arbeit gewesen!" aber eben durch Streben, durch Müh' und Arbeit ward's köstlich. Wenn der Mensch auch hinter der Laufban kein so deutliches Ziel sehe: Laufen ist zum schon Ziel. Sich erwärmen, näher kommen, schaffen, Sin erreichen, herschen und walten-. Bild Gottes, des Unermüdlichen, des Schöpfers! -" Seit. 58 - 61.

 

[Ib-11-1781-0290]
6) Die ganze Schöpfungsgeschicht' ist nichts anders, als Gemälde der Morgenröte, Bild des werdenden Tages. a) Dies hier ist nur Fortsezzung vom Aufschlusse der Schöpfungsgeschichte, den der H. Herder im anbrechenden Tag findet - den Anfang seh' man im 1 Bande der Exzerpten - Seit. 74. 75. Wenn man oft auch beim V. strenge Warheit vermiste, so ist doch das Stük als lebendiges Gemälde des Morgens betrachtet, herlich. - "Das Erwachen aus solchen Augenblikken ist immer

 

[Manuskriptseite 109]

einsylbig! und ich wette, bei iedem Unverdorbnen, natürliches Gebet! Morgenseufzer und Preis Gottes

 

[Ib-11-1781-0291]
- Geräusch und Lerm war nicht um ihn
da er die Welten dem Unding' entwinkte -

Auch alle Naturvölker, die wir Wilde nennen, haben diese Anbetung vor dem Morgenstrale (und wo wissen wir, nicht selbst die Tiere?) empfunden. Das nun kälter gedacht; und in Worte gesezt: - Siehe, wie's Licht gut ist: welch Grauen, welche Nacht vertrieben! Wie sie sich dort immer in schwarzen ungeheuren Wellen forthebet. - Got U unterschied zwischen Licht und Dunkel! und wie also die beiden Massen im grossen Unterschiede nebeneinander stehen! Der grosse Unterschied ist sichtbar!

 

[Ib-11-1781-0292]
Licht - Dunkel
Dies heist Tag! ienes Nacht!

Kan ein reissenderer Wink auf diese Szene der Natur sein? Ieden Morgen ist beides nebeneinander feierlich sichtbar.

 

[Ib-11-1781-0293]
Und siehe, wie da nun überal weit umher nach Zuname des Taglichts die Natur gleichsam webet! den zarten Flor Luft und Himmels da so sichtbar spinnet! Alles vorher Ein Grau oder Schwarz! Himmel auf Erde, Erde zum Himmel - wie sich die Graue nach allen Seiten umher weitet! Der Himmel hebt und höhet! Die dunkeln Wolken träufeln ab! nebeln! es ist als ob da Luft und Wasser kämpfen! -

 

[Ib-11-1781-0294]
Und da oben, wie schon die Bläu' hervorgeht: sich immer weiter wölbt und webet - Phänomen, woran alle Schilderer der Morgenfrüh' ihre gröste Kunst sehen - die almälige Himmelhebung! die schwimmende Luftläuterung vom tiefsten Grau, zur schönsten

 

[Manuskriptseite 110]

lachendsten Glanzesbläue! der Morgenduft, der um alle Wesen am meisten in der Ferne, dem Bett' Aurorens schwimt, in den sich's Auge so hin verliert, und sich gleichsam eine neue Gegend in der Gegend schafet. - Was sind die Zauberteppiche der Glücklichsten gegen ienes alweite Naturgemälde selbst? und siehe! die ganze simpelste Erklärung der bestrittenen und verzweifelten Stelle durch eine täglich, tätige, augenscheinliche Illustration der Natur

 

[Ib-11-1781-0295]
- Weite sich zwischen Wassern und Wassern
und abscheide sich zwischen Wassern und Wassern
- Und Gott machte die Weitung
und schied zwischen Wassern drüben
und Wasser drunten!
die Weite nante Got Himmel.

Zu eben der Zeit, da sich droben der Himmel läutert und sondert - siehe! sondert und läutert sich nieden die Erde! Wie sich in lichte und dunkle Massen teilt! wie ein grosses Gebürge gleichsam entschleiert sich erhebt! Nun unter Tau und Morgenstral beblümt - die Ros' öfnet almälich ihren Busen und die Nachtviole schliest ihre duftenden Kelche! Der frühe Zephyr webt mit Blüten und Samen um die iungen Pflanzenbräut' umher, die sich im Morgentau spiegeln, und der iunge Baum webt und schauert und fület die Glieder im Morgenodem der erwekten Schöpfung! hier ihre erste Familie! - Es ist Fortgang im Gemälde, Segen des Alvaters auf Pflanzen, Kräuter und Bäum' unter dem Stral der Morgenröte - Siehe da gieng die Sonn' auf! die herlichste Erscheinung der Natur!

 

[Manuskriptseite 111]

Flamme! Glorienantliz! König! Das Auge kan nur Einen Anblik aushalten! Übertrift und endet alles! Alles in der Schöpfung, wird mit ihr Pracht, Glanz, Geräusch! Wer rätselt nun, warum's Morgenlicht so lange vor der Morgensonne geschaffen worden? wer kan iezt noch Eine der Rettungen hören?

 

[Ib-11-1781-0296]
Nun erwacht Alles? Alle Wesen, wie
- von diesem regen Feuer
gestört! gestört aus der Ruh! -

wie iener Silbersee dort mit Lebendigem aufwebt: die Fische spielen am Stral der Sonne! Wie hier ringsum Luft und Wipfel vol Morgensang.

 

[Ib-11-1781-0297]
- der Vögel rege Schar erfüllet Luft und Wälder
mit früher Stimm' und frühem Flug
- alles vol Regung, Gesang, Freud' und Segen!
Auch die Erde gebiert ihr lebendes Allerlei Art
Tiere, Gewürm, Wild allerlei Art

- Und siehe! Mensch, da stehst du! das Götterbild! Ebenbild Gottes! Herschergedanke der Schöpfung! Von Himmel und Erden rufe den zerstreuten, betäubten Blik zurük auf dich! in dich selbst -

 

[Ib-11-1781-0298]
Und du, der Erden Her, o Mensch! zerflies
in Harmonien ganz.
Dich hat er mer als Alles sonst beglükt
er gab dir einen Geist,
der durch den Bau des Alles dringt -

betrachte dein Glük! deine Gestalt! deine Kräfte! deine grosse Bestimmung: hör' über dir Ratschlus Gottes, siehe Tat -

 

[Ib-11-1781-0299]
- da geht aus der Mensch an seine Arbeit
an sein Akkerwerk bis an den Abend

 

[Manuskriptseite 112]

sint - dichtet - waltet - närt sich - das Auge der Gotheit bleibt auf ihm ruhen

 

[Ib-11-1781-0300]
Alles, was Got gemacht hatte!
Siehe, es war alles ser gut!

Volendet! auch dies Morgengemälde volendet! Mit welcher Simplizität, Naturfolge! Zusammenordnung und Verteilung! Pracht! Hoheit! angefangen und volendet! - -" Seit. 72 - 75.

 

[Ib-11-1781-0301]
7) Ruh' ist dem trägen Morgenländer seine höchste Seligkeit.

 

[Ib-11-1781-0302]
"Wem war ein heilsameres Gesez von Einteilung derTag' in Ruh' und Arbeit nötig, als dem warmen, trägen Morgenländer? Der's schon beinah' für Müh' hielt zu denken, für Strafe, das seine Sel' in den Körper gesezt wäre, ihn zu bewegen: für die höchste Seligkeit, sich dem untätigen ruhigen Nichts zu nähern. Sind sie nicht gleichsam mit ihren feinern Organen, in ihrem einfliessenden Äter, wie schwimmende, aufgelöste Geschöpfe, die durch ieglichen Sin nur Ruh' und Wollust einatmen, auch selbst mit den für uns gröbern Sinnen, Geruch und Gefül, wie im Balsamgarten der Natur leben? Ihr Geschmak des Schönen in Künsten, Gebäuden, Gärten, Lebensart geht dahin: ihr Reich der Toden und Freude des Himmels in Farben der Ruh' und Wollust gemalet - können den Mühsamen, unermüdlichen Nordländer (der doch auch bei ihnen so bald ermattet) nicht fülen, nicht begreifen: " was hat der Mensch von aller seiner Müh' und Arbeit, als - Müh' und denn nichts, der Tod - das ist auch eitel und Iammer." All' ihre Wissenschaften und Begriffe, selbst

 

[Manuskriptseite 113]

Religionen haben also dahin den Weg genommen. Ihre Moral spricht so gerne vom Abgezogensein der Sele von der Erde: Reichtum und Ere zu verachten: Geräusch zu fliehen: Ruhe zu suchen, und sich in's Nichts zu senken. Ihre Philosophie wie gern nimt sie die Nichtigkeit und Flüchtigkeit aller Dinge zum Hülfsbegrif - man sterbe eh' man sie erlange: dies Leben sei kurz, beschwerliche Reise zum Grabe: im Grabe nur Ruh' und Wonung. Ihre Andacht, wie ser strebt sie, von Got nichts zu denken, der Unbegreifliche, der Höchste! bei dessen Gedanken sich die Sele verliert und ermattet. Ihr Gebet eine Art Hingebung, Verschwindung der Gedanken: ihr Vertrauen auf Got, ihr sanftes Verlassen auf's Schiksal - welcher Europäer kan sich von der Resignazion fast Begriffe machen, deren man bei ihnen auch im Menschlichen algemeine Beispiele findet! Sanft betäubt sein, sich auf einer sanften Schwinge von Träumen wiegen - das wil ihre fein organisirte, milder elastische Sele - am Busen der Wollust, in den Schatten des Paradieses atmen. - -" S. 94. 95.

 

[Ib-11-1781-0303]
8) Der Mensch - ganz Einheit und Mannigfaltigkeit.

 

[Ib-11-1781-0304]
"Alles in der Schöpfung Einheit, und unendliche Mannigfaltigkeit: Dieser Baum, diese Pflanze, dieses Staubkorn, dieser Wassertropfe - sage, wie vieles Gebrauchs, Nuzzens, Anwendung ist's fähig? mit wie vielen Sinnen kan's genossen, in wie vieler Absicht gezält, gemessen, erwogen und betrachtet werden - und siehe, noch immer nur das Eine Geschöpf! Pflanze! Staub

 

[Manuskriptseite 114]

korn, Wassertropfe, Baum, das, wie du wilt, ein Einiges Unteilbares für sich selbst, und ein ungeheuer Vielfaches und Unzälbares für die Welt ist. Nichts in der Schöpfung eine Monas und die gewissem Betracht Alles eine Monas: die Einheit und Mannichfaltigkeit schlingt und verwirret sich, vom kleinsten Einzelnen bis an der Welt Ende. Wer hat seinem Körper Einheit abgesprochen, weil er ein so unendlich Mannichfaltes ist! ieder Teil an ihm eine Welt von Zwekken, Gebrauch, Nuzbarkeiten, Empfindungen, Einflus und Zusammenhange mit iedem Elemente der Schöpfung - Und wie die Eine Sel' das Alles belebt; das ganze Universum sinlicher Kräft' und Glieder Ein Gedanke, Wink und Werkzeug Eines Willens wird! Niemand kan's begreifen, und sieh' es ist! Solch ein Mannichfaltiges Eins, und Eins in tausendfacher Anwendung ist iedes lebendige Werk Gottes! - - -" S. 141.

 

[Ib-11-1781-0305]
"Ist das innere Triebwerk von Kräften und Nuzbarkeiten also, wie leichter wird der äussere Schein - Einheit im Mannichfaltigen, Mannichfaltiges in Einem! - siehe das höchste Vorbild von Einkleidung und Schöne, "den menschlichen Körper!" Wie er da steht in seinem hohen Eins! Wolgestalt, Ebenmasse, Symmetrien durch alle Formen und Glieder! und welch ein Mannichfaltes! Immer Eins und immer, wie sanft, wie biegsam verändert! Alle Kunst der Komposizion nach dem Begrif unsers Wesens erschöpft: ein herlicher Siebenklang der Schöpfung - Also ist dies! Es ist nichts anders, als Bild des Ganzen unter der Gestalt und

 

[Manuskriptseite 115]

Bildung des Menschen: das grosse Weltal in der Hieroglyphe des Kleinen! - Betrachte dies götliche selenvolle Menschenantliz! Der Gedanke dieser Stirn, Blik des Auges, Hauch des Mundes, Miene der Wangen, wie alles spricht und zusammenfliest! - Einklang! Alle Farben in Einem Strale der Sonne! Hätten wir Sin und Blik genug, die ganze Schöpfung zu übersehn, Wollaut des Schöpfers aus allen einzeln Tönen und Tongebäuden zu hören - Kein Bild in der ganzen Natur warscheinlich für uns als wie iezt für uns Menschheit ist! Bild Gottes in allen seinen Kräften, Anwendungen, Reihen; zugleich Sinbild und Inbegrif der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Welt! ** wäre für uns die grosse Schöpfung Gottes! - -" Seit. 143. 144.

 

[Ib-11-1781-0306]
XIII.

 

[Ib-11-1781-0307]
Karakteristik der Bibel. Zweiter Teil. Halle, bei I. I. Gebauer's Witwe und Ioh. Iakob Gebauer. 1776.

 

[Ib-11-1781-0308]
1) Über die Geschichte des A.T. aus dem Gesichtspunkt der Karakteristik.

 

[Ib-11-1781-0309]
"Die ältere Geschichte der Iuden und die Untersuchung ihres algemeinen und individuellen Karakters wird durch's Schiksal dieser Nazion wichtiger. Die späten Urenkel der Nazion, welche die Bibel so ausgezeichnet hat, wandeln vor unsern Augen umher; ich möchte nicht, wie man pflegt, hinzusezzen, zum Denkmal der götlichen Rache. Bessern Unterricht könten wir, solt' ich meinen, von ihrem immer ser traurigen, und durch unsre Lieblosigkeit, durch unser Vergessen, daß wir Brüder sind, merklich schwerer gemachten Schiksal, haben. Ihr Umgang sezt uns in den Stand, den Karakter, den sie in der Bibel haben, mit ihrem gegenwärtigen zu vergleichen: ein Vorteil, den

 

[Manuskriptseite 116]

wir bei keinem der übrigen Völker des Altertums anwenden können, da ihre Nachkommen so gar nichts mer von ihrem eh'maligen Karakter an sich tragen, so ganz denen oft edlen Namen, die ihnen ihr Nazionalkarakter erworben hatte, widersprechen. Nur die Iuden haben - im Ganzen genommen a) Im Ganzen genommen - denn's gilt nicht nur hier, wie bei allen Nazionen, daß es Ausnamen giebt, daß einzelne Personen Tugenden besizzen, die eben nicht in den Nazionalkarakter gehören, oder Feler annemen, die man nicht allen andichten kan, - sondern durch den überhandnemenden Tüp, der nur ser stark auch zu diesem Volk durchdringt,

 

[Manuskriptseite 117]

und durch andre Verbindungen des gemeinen Lebens, welche die Iuden in die Notwendigkeit sezzen, sich uns (oft nicht zu ihrem Vorteil) nachzubilden. - durch alle diese Umstände läst sich allerdings keine ganz algemeine Regel nennen - ihre Denkungsart so wenig als möglich verändert, sehen der alten iüdischen Nazion noch in allen Stükken so änlich, daß schon dies ein laut redender Beweis ist, wie ser ihre Geschichte karakteristisch sein mus. Die Geschichte der Iuden ist Geschichte der Nazion. Sie stelt uns nicht blos Beispiele grosser, wichtiger, bemerkter Personen vor, die zu gewissen Zeiten gelebt haben und wieder untergegangen sind. Sie zeigt auch das Laster nicht blos in einzelnen Vorfällen, sondern sie läst uns fast überal das Ganze überschauen, von dem Gang, den die Denkungsart der Nazion überhaupt gegangen ist, urteilen, algemeine Tugenden und algemeines Verderben sehen, endlich Auftritte beobachten, wo nicht zwei, nicht hundert Menschen, wo viele Tausende handeln, und tausend durch eine Triebfeder in Bewegung gesezte Räder wirken. Und eben diese Triebfeder ist - Nazionalkarakter, ganz oder zum Teil. Die Geschichte der Iuden ist Geschichte der Familien! - Siehe da, forschender Leser! einen Karakter, welchen

 

[Manuskriptseite 117]

diese Geschichte vor allen andern, mindestens den alten voraushat. Wer sich gewänt hat, sich die Geschichte blos unter der Gestalt einer zusammengeketteten Reihe von Kaiser, Königs und Fürstenregierungen, von Schlachten liefern, verlieren, gewinnen, Gesezze geben, Völker drükken u. s. w. zu denken, wird den Wert, den unsre Geschichte dadurch bekömt, wenig empfinden können. Wer aber den Menschen zu sehen wünscht, wissen wil, wie er vor zwei, dreitausend Iaren gedacht, den Menschen, den er selten in Personen, die ihr Stand über andre weit erhoben hat, zu sehen bekomt, der wird hier reiche Weide für seine Lerbegierde finden. Wir werden hier weit seltner an die Höfe der Könige, als in die kleinen Familien und Haushaltungen der Erzväter kommen. Wir werden ihnen zusehen handeln; sie zu ihren Altären, zu ihren Herden, zu ihren Hütten, zu ihren Kindern begleiten. Hier werden h wir sie gerade so finden, wie sie wirklich gesint sind; keine Larve wird ihre waren Züge verstellen; ihr ganzes Herz wird auf ihren Lippen sein, zumal in ienen erstern Zeiten, da noch die einfache Natursprach' algemeiner gesprochen wurde. Ia, wenn wir auch zuweilen auf grosse angesehene Personen kommen, so werden wir sie dennoch auch in ihrem häuslichen Leben kennen lernen; sehen, nicht blos wie sie als Anfürer, als Könige, als Fürsten, sondern auch, wie sie als Menschen, als Ehegatten, als Väter handelten. -" S. 14 - 17.

 

[Manuskriptseite 118]

[Ib-11-1781-0310]
2) Schwierigkeit, den Karakter der Personen, die lange vor uns lebten, genau darzustellen.

 

[Ib-11-1781-0311]
"Wenn die todte, die körperliche Natur sich seit der Zeit z. B. des Homer's schon ser verändert hat, wie viel mer die Natur des Menschen, die Manier der Karakter, die Nüanzen, in denen sich Leidenschaften äussern. Eine griechische Sele war gewis von andrer Gestalt und Bau=art, als eine Sele, die unsre Zeit bildet. Wie verschieden die Eindrükke der Erziehung, die Triebfedern des Stats, die Begriffe der Religion, die Einrichtung des Lebens, der Anstrich des Umgangs! Wie verschieden also das Urteil über die Würde der Menschheit, über die Natur, der Götter, über die Erlaubnisse des Vergnügens, über W*l Anstand und Zucht, - wie verschieden damals und iezt! - - Wer die Geschichte des menschlichen Geistes in allen Zwischenzeiten zwischen Homer und uns kent, wer den Umwandlungen und Vermischungen der Begriffe von menschlicher Natur, Religion, Gelersamkeit, bürgerlichem Interesse, Sitsamkeit und Wolanstande, in allen diesen, nach diesen Zeiten nachspürt, wer Augen hat, um den Ort zu sehen, auf welchen ihn die zusammengesezten Kräfte so viel Iarhunderte geworfen haben, der wird in allem, was Karakter einer Menschensel' ist, ungemein zurükhaltend sein. -" S. 21 - 22.

 

[Ib-11-1781-0312]
3) Das A. T. ist ärmer an guten weiblichen Karaktern, als an mänlichen.

 

[Ib-11-1781-0313]
"Merkwürdig ist's, daß das A. T. weit ärmer an guten weiblichen Karaktern, als an guten und grossen Männern ist. Wenn man bedenkt, daß das andre Geschlecht von ieher viel Einflus auf's Ganze gehabt, daß ihr Umgang und ihre

 

[Manuskriptseite 119]

Sitten nicht wenig zur Verschlimmerung oder zur Verbesserung der unsrigen beigetragen, daß die Bildung der Kinder fast einzig ihr Werk ist, - so wird man diesen Umstand nicht unerheblich finden. Die Ursache von dieser Erscheinung mag dies sein. Der grosse Abstand unsrer Sitten von den Sitten iener Völker, läst uns manches in einem gehässigern Lichte sehen, als es, damals lebenden, erscheinen muste; wir mögen, nach unsrer Empfindung, manches für Feler halten, was man damals für gros und erhaben hielt. Iaels Tat - man liest sie doch iezt nicht one Schauder und innern Unwillen - und ihr sangen gleichwol Israeliten Triumphlieder zu. Überhaupt aber läst sich wol durchaus nicht schliessen, daß es unter der Nazion weniger Tugend bei ienem Geschlechte gegeben habe: Aber sie war sanft, stil, nicht tatreich; und blieb also vermutlich, zumal im Morgenlande, wo's Frauenzimmer weit weniger öffentlich erschien, oft zu unbemerkt, um Aufsehen in einer Geschichte zu machen. Die, welche genant werden, haben fast alle, bei ihren Felern, doch eine gewisse Erhabenheit, fast mänlichen Geist. - -" Seit. 30. 31.

 

[Ib-11-1781-0314]
4) Ursprung der Abgötterei und Vielgötterei.

 

[Ib-11-1781-0315]
"Ein ieder Mensch hat seinen eignen Karakter und seine eigne Denkungsart. Man hat schon oft mit Grund erinnert, daß die Vorstellungsarten des einen, unmöglich mit den Vorstellungsarten des andern, in allen Stükken, on' all' Ausnam' übereinstimmen können. So wie dies iezt ist, so ist's unfelbar von ieher gewesen. Die mannichfaltigen Anlagen, die verschiednen Fähigkeiten, selbst die ungleichen Wirkungen des ganzen Nervensystems auf

 

[Manuskriptseite 120]

die Sele, geben einer ieden ihre eigne Stimmung, weisen ieder ihren eignen Kreis an, in der sie sich bewegt, ihre Höhe zu der sie erklimmen, ihre Tiefe, unter die sie nicht leicht herabsinken kan. Schon dies hat von ieher Einflus auf die Begriffe von der Gotheit haben müssen. Bei dem einen hat die Idee von Got als Vater, bei dem andern von Got als Richter stärker gewürkt. So haben wir den einfachsten und dennoch gewissesten Ursprung der Verschiedenheit der ersten Grundbegriffe von der Gotheit, ganz natürlich gefunden.

 

[Ib-11-1781-0316]
Dazu sezze man nun, daß, so wie die angefürten Umstände, Anlage, Fähigkeit u. s. w. den Karakter bestimmen, auch äussere Umständ' es nicht weniger tun. Erziehung und der gewönlich damit verbundne Unterricht des Kindes, in das sich noch wie in die wächserne Tafel, alles drükken läst, welche unglaubliche Gewalt haben sie nicht auf die Bildung der Begriffe! Ich glaube, die Erfarung spricht für mich, wenn ich ihre Gewalt fast über die Macht der Natur sezz' und behaupte, daß viele Menschen on' Erziehung, on' Unterricht, nach ihrer natürlichen Anlage ganz andre Begriff' und Vorstellungen haben würden, als sie nun wirklich haben. Kommen wenigstens zu diesem Unterrichte noch sinliche Zeichen, Gewonheiten und dergleichen, welche den Eindruk iener in der zarten Iugend angenommenen Begriffe lebhaft erhalten, so kan's nicht felen, sie werden Karakterzüge. So haben wir wieder den Ursprung der Änlichkeit der Vorstellungsarten unter einer Menge von Menschen, gefunden.

 

[Manuskriptseite 121]

[Ib-11-1781-0317]
Wir wollen die Anwendung machen, um ganz deutlich zu werden. Man sezze, zu der Zeit, da noch nicht Erziehung, noch nicht Unterricht war, oder doch noch im zu geringen Mas da war, um die vorerwännte Wirkung zu tun, hätten drei Brüder gelebt, davon ein ieder seine eignen Begriffe von der Gotheit gehabt, und also auch danach seinen Dienst, seine Religion eingerichtet hätte. Ich bin's zufrieden, wenn man sie Sem, Iaphet und Ham nennen wil. Ieder würd' also seine Kinder das gelert haben, was er selbst geglaubt, die Denkungsart in sie gepflanzt haben, die er selbst angenommen hätte. Sem hätte vielleicht die Notwendigkeit eines äussern Gottesdienstes empfolen, er hätte Rechtschaffenheit und Tugend als Grundfesten der Religion angesehen. Vielleicht wär' Iaphet weniger von der Notwendigkeit einer so genauen Befolgung des der Gotheit schuldigen Gehorsams überzeugt gewesen, und bei Ham wäre Leichtsin und Ausgelassenheit der Sitten so ser Grundlinie im Karakter geworden, daß dadurch das Andenken an die Gotheit völlig verdunkelt sein könte. So wäre die Denkungsart vom Vater auf den Son, den Enkel, den Urenkel fortgepflanzt. Aus einzelnen Personen wären Familien, aus Familien Geselschaften, aus Geselschaften Völkerschaften geworden, und die ganze Völkerschaft hätte, im Ganzen genommen, die Begriff' und den Karakter ihres Stammvaters geerbt. - Irr' ich - oder ist das wirklich der Ursprung der verschiednen Religionsbegriff' unter den verschiednen Völkerschaften?

 

[Ib-11-1781-0318]
Ich weis es wol, wir sind noch nicht am Ziel, aber vielleicht auf dem rechten Wege. Noch immer bleibt's Frage: "Woher auf der einen Seite die vielen Zusäzze, das

 

[Manuskriptseite 122]

Abweichende von den ältesten Begriffen - woher auf der andern, der so unnatürliche Gedank' an Vielgötterei, die wol schwerlich bei den ersten Stameltern aller der verschiednen Völker zu suchen ist?" Die Antwort liegt wieder im grossen Studium der Menschenkentnis, das uns selten unbelert von sich läst. - Man fragt, woher die Abweichungen und Zusäzze? Und ich antworte: Die Fähigkeiten der Menschen sind verschieden, der Vater kan auf den Son manche Begriffe, aber nicht seine ganze Sele fortpflanzen. Der Son kan mit ieder seiner Kräft', einen weit grössern Kreis als der Vater beschreiben, und das hat auf alle seine Begriff' einen Einflus. Denn sobald sich unser Verstand erweitert, so erweitern sich auch die Vorstellungen von allem, was in unserm Verstande liegt. So bald sich unsre Einbildungskraft erweitert, so erweitert sich auch alles, was wir uns durch sie vorstellen. Ganz natürlich kont' es also zugehn, daß dieser Son das, was er von seinem Vater hörte, näher festsezzen, auch wol durch seine eignen Gedanken, vermeren, berichtigen, verschönern wolte. Dies tat der Enkel, der Urenkel und so fort. - Sind nun die Zusäzze noch ein Rätsel? - Zuweilen aber kont' es auch geschehen, daß die Fähigkeit abnam, daß der Nachkomme weniger fast' als sein Stamvater, daß er sich kleinere, unwürdigere Vorstellungen machte, und diese wieder weiter fortpflanzte. Wundern wir uns nun noch über die Abweichungen? - Man sage nicht, daß diese Antworten zuviel beweisen, daß daraus folgen würde, durch die steten Zusäzze, ste

 

[Manuskriptseite 123]

ten Abweichungen durch all' Iarhundert' und Menschengeschlecht' hinunter, müst' endlich gar keine Änlichkeit mer übrig bleiben, welches doch wieder die Erfarung sei. - Denn's ist nicht nur nicht algemein wider die Erfarung, da sich schwerlich etwas unänlicher sein kan, als die Religion eines Wilden aus Kamtschatka, und die ware Gotteserkentnis; sondern's zeigt sich auch nachher in der Geschicht' ein Umstand, der's begreiflich macht, wie sich manche Religionen der Abgötter so lange kentlich erhalten haben. Sie kamen bald in die Hände der Priester, deren einziges Geschäft es war, auf die Besorgung und Erhaltung der Religion zu richten. Neid und Misgunst muste notwendig bald in ihre, so wie fast in alle grössere Geselschaften dringen; aber eben dies ward zufällig das Mittel, daß einer auf den andern sich und die wilkürlichen Zusäzz' eingeschränkt wurden. Mochte nun auch mancher von dem Volk in seinen Vorstellungen abweichen, so war doch bei'm Orden der Priester immer das, was eigentlich zur Religion gehörte, zu erfragen. Es wurden also grosse Veränderungen durch dies Mittel bald unmöglich gemacht. So bleibt also nur die eine Frage, über den eigentlichen Ursprung der Vielgötterei, übrig, auf die man wol noch immer am richtigsten geantwortet hat, wenn man sich auf's Algemeine einschränkte, one sich auf besondre Gotheiten einzulassen. Man hat mit Grunde die wirkliche und die nur scheinende Vervielfältigung der Gotheit unterschieden. - Man nante verschiedne Ding' im uneigentlichen Verstande Götter; man dachte sich dies oder ienes als Personen; - der Unwissende hört' es aus dem Munde von Männern, die er für Weise hielt, deutet'

 

[Manuskriptseite 124]

ihre Rede falsch, und so kam er, aus Misverständnis; in einen Irtum, in welchem er bei einer trägen Gedankenlosigkeit fortschlumerte, ie mer die Gedanken an Got und seinen Dienst von ihrer Wichtigkeit für ihn verloren.

 

[Ib-11-1781-0319]
Ausser vielen Quellen der Vielgötterei scheint mir diese noch unbemerkt geblieben zu sein. Man kan beinah' on' Einschränkung annemen, daß die Lere von den Geistern, im Ganzen genommen, noch algemeiner als die Lere von Got sei. Bei Völkern, unter denen man fast keine Spur von Gottesdienst antrift, findet man, daß die Begriffe von gewissen geistigen unsichtbaren Wesen und eine Kentnis von der Fortdauer eines gewissen Etwas in ihnen nach dem Tode, haben. Man findet dies Kentnis bei den uralten Sinesen. Vornämlich aber scheint diese Meinung in dem Orient einen Hauptsiz gefunden zu haben, wo man die Ideen von geistigen Wesen und ihren Wirkungen bis zum Übertriebnen liebte. Was ist also warscheinlicher, als daß man's Andenken seiner verstorbnen Freund' auf irgend eine Weise zu erhalten, und gewisse Bildnisse, wie roh auch die Kunst an ihnen gewesen sein mag, zu ihrer Erinnerung zu verfertigen suche? Was ist aber zugleich natürlicher, als daß man diese sinliche Zeichen bald mit einer gewissen religiösen und abergläubischen Ererbietung ansah, ihnen irgend eine besondre Kraft zuschrieb, und nach und nach fast götliche Wirkungen von ihnen erwartete. Ie mer die ware

 

[Manuskriptseite 125]

Erkentnis ausartete, desto näher brachte man die Vorstellungen von ihnen, den schwachen Begriffen von der Gotheit, bis sie endlich gar mit dem Namen der Götter belegt wurden. -" Seit. 92 -100.

 

[Ib-11-1781-0320]
5) Die Affekten bei kleinen Selen!

 

[Ib-11-1781-0321]
"Man wird bei gemeinen Selen, die in keiner Absicht ausserordentlich sind, auch keinen Affekt auf den höchsten Grad steigen sehen: Ie schwächer, desto affektvoller! -" Seit. 156.

 

[Ib-11-1781-0322]
6) Der Einflus der Freiheit auf den Menschen.

 

[Ib-11-1781-0323]
"Die Verhältnisse, darin der Mensch gegen die Freiheit steht, tragen unglaublich viel dazu bei, seinem Karakter diese oder eine andre Richtung zu geben. Wer weis es nicht, wie viel dies sogar zur Bestimmung des Nazionalkarakters ganzer Völker tut? Last in einem Stat ieden Bürger frei sein und in einer Art von Unabhängigkeit leben, last wenigstens den König, einen König über Menschen und nicht über Sklaven sein, - wie bald wird nicht der ganze Geist der Nazion etwas von dieser Freiheit annemen, nicht blos in dem, was unmittelbar das Beste des Stats betrift, sondern auch in iedem andern Fal frei denken und handeln. Last aber ein Volk unter der Tyrannei eines Königs, der nur Beherscher, nicht Vater ist, liegen, oder last's in die Sklaverei fremder Mächte gekommen sein, wie bald wird dieser freie edle Geist abnemen, wird zur engen kleinen Denkungsart herabsinken, alle Reden werden eine gewisse kriechende Demut, wenigstens stetes Gefül der Unterwürfigkeit verraten. - Sowol bei einzelnen Personen und Familien läst sich dies bemerken - also auch bei ganzen Nazionen , dar und Ländern, darunter der Orient gehört. -" S. 168. 169.

 

[Manuskriptseite 126]

[Ib-11-1781-0324]
7) Karakter Lot's

 

[Ib-11-1781-0325]
"Fast kein einziger Zug ist da, der Lot's Karakter gros und liebenswürdig machte, der ihn nur über's Mittelmässige erhübe. Ich kan wenigstens nichts finden, das ihn zur Klasse der Heiligen, unter die man ihn gesezt hat, erhöhte, und so wenig ich zweifeln wil, daß er Vergebung so widernatürlicher Sünden erlangt haben werde, so hat man doch zuviel aus dem Lobe geschlossen, welches ihm der Apostel Petrus beilegt -. * Petr. 2, 7. Man kan ser unvolkommen, noch mer, man kan ser unmoralisch sein und dennoch in Vergleichung mit noch tiefer herabgesunknen Lasterhaften, gerecht und tugendhaft scheinen. -" Seit. 172.173.

 

[Ib-11-1781-0326]
8) Bemerkung über den Menschen - um zu zeigen, daß er nie ganz böse ist, und daß in dem Augenblik, da er uns seine böse Seite zeigt, eine andre gute an ihm erscheint.

 

[Ib-11-1781-0327]
"Indem der Mensch durch die eine Handlung zu verraten scheint, alles Gewissen sei bei ihm betäubt, zeigt er's durch die andre in demselben Augenblik, daß er ein Gewissen für Ding' habe, die oft nichts als hergebracht Gewonheit, Aberglaube, nicht selten Einbildung, sind. Z. B. die Kurtisanen in Rom haben allemal ein Heiligenbild in ihrem Zimmer. In dem Augenblik, da sie gewissenlos genug sind, ihre Ere Preis zu geben, sind sie zu gewissenhaft, dies Bild nicht zu verhängen, und an gewissen Tagen einen hohen Lon zu fordern, den sie an die Kirchen abgeben. -" S. 175. 176.

 

[Manuskriptseite 127]

[Ib-11-1781-0328]
9) Unterschied zwischen dem Karakter Abraham's und Isaak's.

 

[Ib-11-1781-0329]
"Der Hauptunterschied zwischen beiden Männern liegt darin, daß man Abraham in den meisten Umständen gut und zugleich gros handeln sieht, da hingegen Isaak gewönlich nur gut, from, redlich, tugendhaft, aber on' Erhabenheit des Geistes handelt. -" Seit. 196.

 

[Ib-11-1781-0330]
10) Von der Schwäch' Isaak's in seinem Alter.

 

[Ib-11-1781-0331]
"Isaak scheint ser früh an Körper und Geist schwach geworden zu sein. Eine lange Zeit vor seinem Tode, glaubt er schon die Annäherung desselben zu fülen. Seine Augen werden schon blind, seine Kräfte nemen ab. Er unterscheidet nur noch durch's Gefül und die Stimme, mit wem er spricht. Auf diese Art wird's desto leichter, sich seine Schwachheit zu Nuzze zu machen, um seinen Segen durch einen Betrug zu erschleichen. Ich gesteh' es, daß diese ganze Geschicht' ein Zeugnis von den ser zeitig abnemenden Selenkräften Isaak's ist. Wie hätt' er sonst über ganz zufälligen und leicht nachzuamenden Merkzeichen, den allergewissesten Verräter eines Menschen, seine Stimm' überhören und mit solcher Zuversicht glauben können, er rede mit Esau? - Wie fern seine Reden selbst die Eingeschränktheit seiner Begriffe verraten, ist schon angemerkt und bekant.

 

[Ib-11-1781-0332]
Diese frühzeitig erfolgte Schwäche der Leibes und Geisteskräft' Isaaks - solte sie sich nicht aus physiologischen Gründen ser natürlich erklären lassen? Man denke daran, daß Abraham diesen Son in einem Alter

 

[Manuskriptseite 128]

von 100 Iaren gezeugt, Sara in einem fast eben so hohen geboren hatte. Wenn nun von kränklichen Eltern gewönlich auch kränkliche Kinder geboren werden - nicht auch natürlich von schon schwachen Eltern, deren Iugendkraft dahin, deren Körper fast schon erstorben ist, im folgenden unklarer griech. Buchstabe ist ein "eta" = n mit Unterlänge beim zweiten Beinchen - noch nachtragen, MIWI Berlin 2006(???? ??* ????????????. Rom. 29.) - schwache Kinder? - Und hiebei möcht' ich nun wieder fragen: ob ein Man, der erdichtet hätte, auf solche kleine, unmerkliche Umstände Rüksicht genommen haben würde? - S. 202.

 

[Ib-11-1781-0333]
11) Der Karakter Esau's.

 

[Ib-11-1781-0334]
"Im Karakter finden wir verschiedne, widersprechend scheinende Züge. Wir müssen von ihm, wie von Menschen urteilen, die bei vielen schlechten Eigenschaften viel gute haben. Esau war durch seine Lebensart, durch seine Trennung von der engern Geselschaft, von manchen Tugenden entwönt worden. Er ist daher hart, unbiegsam, hizzig, und kan im Affekt grausam werden, dabei aber von Herzen redlich, one Tükke, one Verstellung, leicht zu versönen, und dan beinahe grosmütig. Unter einer bessern Bildung, unter andern Umständen, hätt' er ein guter Man werden können, der zwar nie etwas Grosses getan hätte, aber in Unschuld und Gutherzigkeit seinen Weg gewandelt hätte. Aber er verlor von seiner Volkommenheit, weil er früh auf eine Lebensart fiel, die allen seinen Kräften eine falsche Richtung geben muste, und weil er dieser Neigung folgte.

 

[Manuskriptseite 129]

[Ib-11-1781-0335]
Möchten die Eltern der künftigen Nachwelt daraus lernen, die ersten Anlagen ihrer Kinder zu erforschen, und bei Zeiten die in die rechte Lage zu bringen, zu dem rechten Ziel zu lenken, die ihnen gefärlich werden könten. Denn im Anfang ist keine der Anlagen unsrerer Natur schädlich, sie können's aber bei der kleinsten Verirrung alle werden. -" Seit. 226. 227.

 

[Ib-11-1781-0336]
12) Die Erkentnis der Vorväter

 

[Ib-11-1781-0337]
"Zur Zeit der Patriarchen war all' Erkentnis mer Erfarung als Belerung, mer selbst empfunden als erlernt. Denn, ob ich gleich mit Zuversicht anneme, daß die Väter oft und gewis öfter, als viele der unsrigen, mit ihren Kindern vom erhabensten Gegenstande der Unterredung, von Got, gesprochen haben, so war doch dies nur immer gelegentlicher Ausdruk des Gefüls, Anweisung, Regel, Rat bei einzelnen Rat Fällen. So konte der Son manches nicht wissen, was sein Vater gewust und erfaren hatte, blos, weil's keine Gelegenheit gab, davon belert zu werden. - -" Seit. 244. 245.

 

[Ib-11-1781-0338]
13) Wollust ist noch keiner von den grösten Felern.

 

[Ib-11-1781-0339]
"Wir werden's überhaupt finden, daß der Wollüstige selten ser boshaft ist, ia ser oft auch Güte des Herzens bei allen seinen Ausschweifungen behält. Ich sage dies nicht, daß ich diesem das Wort reden, oder behaupten wolte, als leide das Herz dabei gar nicht, aber doch gewis weniger als bei vielen andern Vergehungen, die man nicht halb so hoch anzurechnen gewont ist, als diese oft schnelle Übereilungen der sinlichen

 

[Manuskriptseite 130]

Triebe, die ser tugendhaften Menschen begegnet sind. Noch einmal, ich wil die Wollust nicht entschuldigen, aber ich wil manche Moralisten erinnern, daß es noch mer Feler als diesen giebt, und viele, die das Herz verwerflicher machen. -" Seit. 308. 309.

 

[Ib-11-1781-0340]
14) Wie sich die Zeiten, in denen der Mensch lebt, zu seinem sitlichen Karakter verhalten.

 

[Ib-11-1781-0341]
"Ie reiner und durchaus besser eine Geselschaft ist, in der man lebt, desto mer gehört dazu, in derselben ausgezeichnet, gut und volkommen zu sein; ie unreiner und mangelhafter, desto weniger! In der Geselschaft von Aposteln muste man Iohannes sein, um der beste zu werden; in Sodom nicht mer als Lot. Das Beispiel hat doch immer eine grosse Macht über's Herz; grosse Beispiele wekken Eifer und Trieb nach Volkommenheit! Mangel daran erschlaft die Anstrengung der Kräfte, und macht, daß man leicht mit sich selbst zufrieden ist. Daher komt's denn, daß die Welt auch in Absicht der Sitlichkeit in den Zeiten, welche das erste Geschichtbuch Mosis begrift, noch in einer Art von Kindheit ist, und daß selbst gute Männer, die in Vergleichung mit andern ihrer Zeitgenossen Heilige sind, noch so vieles tun, was wir nach den Gesezzen der reinen Religion für unsitlich halten, und dessen Vermeidung ganz offenbar die Würde der menschlichen Natur erhebt, woraus wir sogleich den Schlus ziehen wollen, daß

 

[Manuskriptseite 131]

das ser grosse Verderben die allerbesten Gesezz' unmöglich macht, weil diese den Menschen auf eine solche Stufe von Erhabenheit sezzen, zu der er sich unmöglich auf einmal nach einem so tiefen Fall' hinauf arbeiten kan. Immer, dächt' ich, solte man bei der Beurteilung der Moralität gewisser Handlungen, auf den Begrif des, was zu eben der Zeit für unmoralisch gehalten wurde, Rüksicht nemen, weil man auf diese Art allein davon mer urteilen kan. -" S. 459 -460.

 

[Ib-11-1781-0342]
15) Das Buch Hiob ist ein dramatisches Gedicht.

 

[Ib-11-1781-0343]
"Das Buch Hiob ist ein Gedicht in Absicht auf die Wort' und Ausfürung, und dies haben auch nur wenige geläugnet. Einige Erzälungen im Anfang und am End' ausgenommen, unterscheidet sich die Sprache durch einen gewissen Rytm von den übrigen historischen Büchern A. T. den man nicht verkennen kan. Wenn man auch gleich noch nicht gewis weis, worinnen's hebräische Sylbenmas bestanden sei, so kan doch niemand läugnen, daß gewisse Bücher des A. T. sich nicht nur durch einen ganz besonders erhabnen Ton, durch einen bilderreichen und glühenden Ausdruk von andern unterscheiden, sondern daß eben diese Stükke sich durch eine zwar nicht auf gewisse, uns wenigstens nicht bekante Gesezze gegründete, aber durch iedem feinern Or hörh hörbare Eigenheit und rytmische Abmessung, welche die meiste dem Dytirambe Gange nahe komt, eben so gewis auszeichnen, als man

 

[Manuskriptseite 132]

che Feinheiten der Sprache, manche Besonderheiten des Gebrauchs kleiner Wort' oder Wortfügungen, darin unverkentbar sind. - Überhaupt, wer spricht im gemeinen Leben, wer im Schmerz, wie Hiob, wie Hiob's Freunde sprechen? - Wer hat ie unter einem Volke, wie bilderliebend es auch sei, e*** eine solche bilderreiche Sprache gehört? Arme; empfindungslose Selen, die hier nicht Feuer, nicht Flug der Dichtkunst fülen! Aber das Buch ist auch Gedicht in Absicht seines Gegenstandes. Die Vorstellungen darin sind dichterisch, die Geschicht' ist mit Zusäzzen und wilkürlichen Veränderungen ausgeschmükt, die Reden der vorkommenden Personen sind nicht wirklich gehalten, sondern vom Dichter zu seinem Zwek erfunden, erweitert, verschönert. Man sieht im Einzelnen lauter Glieder eines zusammengehörenden Ganzen; es ist ein algemeiner Plan, nachdem sich alles entwikkelt. - Entweder das ganze Buch Hiob ist historisch war, oder ganz eine lerreiche Erdichtung. Man findet aber Ding' in demselben, die man unmöglich nach dem buchstäblichen Sin annemen kan. Es mus also auch's übrige Erdichtung sein. - Der grossen Ungewisheit über die Zeit und den Ort, da Hiob gelebt, und über die Familie, daraus er entsprossen, bei der sonst so grossen Genauigkeit der biblischen Geschlechtsregister, die uns über die Abstammung fast keiner einzigen wichtigern Person der Bibel ungewis lassen, wil ich hier eben so wenig weit

 

[Manuskriptseite 133]

läuftig sein, als über's Stilschweigen zwen berümter iüdischer Schriftsteller, Ioseph's und Philo's, davon der erste fast nie einen merkwürdigen Namen übergeht, und sogar nicht zu gewissenhaft ist, unerwiesene Erzälungen, aus seiner oder andrer Erfindung hinzuzusezzen. Diese Gründe scheinen mir nicht unbedeutend. - Ferner. So bald in einer Geschichte zu viel Ordnung, zu viel Harmonie, zu viel unter einander änliches, zu viel Häufung einzelner Umstände zu einem Zwek, mit einem Worte, zu viel planmässiges ist, so fangen wir an, Verdacht in sie zu sezzen, weil wir im menschlichen Leben nicht gewont sind, dergleichen zu bemerken. Und welche Geschichte kan dies mer als die vor uns habende treffen? Alle Zalen in der Berechnung der Reichtümer Hiob's, und der Angabe seiner Kinder sind so gerade, und stehen in einem gewissen Verhältnis gegen einander, daß man dem ganzen Buche die Erdichtung ansieht. Er hat gerade sieben Söne, und drei Töchter, und eben so siebentausend Schaf' und dreitausend Kamele. Er hat tausend Rinder und gerade die Hälfte so viel Eselinnen. Nun ist's doch besonders, daß alle diese Zalen in seinem nachher erfolgten Glük verdoppelt werden, daß er wieder zehn Kinder und gerade sieben Sön' und drei Töchter bekömt. Noch mer. Wie ist's glaublich, daß in einem Tag' ein vierfaches Unglük von so erstaunender Gröss' einem einzigen Man begegnen werde? Und immer, sagt doch die Geschichte, als ein Bote noch geredet, sei der andre gekommen. Zu gleicher Zeit sind Sabäer und Kaldäer auf Rinder

 

[Manuskriptseite 134]

und Kamele gefallen. In einer andern Gegend hat der Bliz siebentausend Schaf' und all' Hirten auf einmal getödtet; in einer andern ist ein so heftiger Wind entstanden, daß er's Haus, wo Hiob's Familie gewesen, gefast, und sie all' unter den Ruinen begraben hat; von allen diesen Unglüksfällen ist doch immer einer übrig geblieben, um's ansagen zu können. Wie augenscheinlich ist dies alles Erfindung des Dichters! - Und endlich, wie unwarscheinlich ist's, daß die Reden, welche den grösten Teil des Gedichts ausmachen, wirklich gehalten sein sollen! Und warum sollen gerade die fünf erhabensten Dichter bei Gelegenheit des Unglüks Hiob's zusammeneilen, und bei der traurigsten Begebenheit weteifern, einander in Höhe der Dichtkunst zu überfliegen? -" Seit. 491 - 496.

 

[Ib-11-1781-0344]
16) Über die Regeln in der Dichtkunst.

 

[Ib-11-1781-0345]
"Wir haben seit langer Zeit her gewisse bestimte Gesezz' in allen Wissenschaften festgesezt, darnach nicht nur überhaupt, sondern auch im Einzelnen Werke der Kunst beurteilt werden. Daher sind die Klassifikazionen entstanden, und iede Klass' hat, wenn ich so reden darf, ihr eigenes Gesezbuch erhalten. Den Schaden, welcher in vieler Absicht aus dem Misbrauch dieser an sich nüzlichen Einrichtung manchem Genie erwachsen ist, wil ich hier nicht anfüren. Es ist bekant genug, daß viele

 

[Manuskriptseite 135]

sich durch Regelbücher kalt machen liessen von dem gewaltigen Feuer, und glaubten, keiner, der dichten wolle, könn' one solche Wegweiser einen sichern Schrit tun; stat daß sie den Geist hätten fragen sollen, der in ihnen war, und die Dinge, die sie um sich sah'n und hörten, und die Beschaffenheit des, was sie vorhatten, zu dichten. Aber eben dies ist auch der Grund, daß man manche an sich vortrefliche Werke des Geistes mit kaltem Verachten angesehen hat, uneingedenk, daß die Muster ieder Art nicht aus Regeln, sondern die Regeln aus ienen Mustern entstanden sind. Denn weil Homer so schrieb, wie er schrieb, so wurden die Regeln für's epische Gedicht, wie sie nun sind. Sie wären andre geworden, hätt' Homer anders geschrieben. -" Seit. 502. 503.

 

[Ib-11-1781-0346]
17) Hiob hat den Tag seiner Geburt nicht verflucht.

 

[Ib-11-1781-0347]
"Der Karakter der ganzen Red' Hiob's ist auf's höchste getriebenes Leiden. Fluch ist's nicht, den Hiob über den Tag, da er geboren, über die Nacht, da er gezeugt war, ausspricht. Wünsche sind's - Wünsche des Verzagenden - verzweiflungsvolle, vergebne Wünsche des, der's für unmöglich hielt, wieder Freuden zu geniessen, die ihn der vorigen vergessen machten, und ihn den Tag, der ihm's Leben gab, als einen Tag des Segens betrachten liessen. Unbegreiflich ist's ihm, warum solches ihn treffe.. Er empört sich nicht gegen Got, aber er begreift ihn nicht. -" Seit. 513.

 

[Ib-11-1781-0348]
18) Das Grab in einem angenemen Bilde - von Göthe.

 

[Ib-11-1781-0349]
Wie oft in Stunden der Einbildung, hült' ich schon Haupt und Brust dahingegeben in den Mantel des Todes,

[Manuskriptseite 136]

und stand gelassen an deiner Tiefe, und schrit hinunter und verbarg mein iammervolles Herz unter deine lebendige Dekke. Da soltest du Verwesung, wie ein liebes Kind, diese überfülte drängende Brust aussaugen!" - Seit. 563.

 

[Ib-11-1781-0350]
XIIII.

 

[Ib-11-1781-0351]
Chronologen. Ein periodisches Werk von Wekherlin. Erster Band. Frankfurt und Leipzig in der Felssekkerschen Buchhandlung. 1779.

 

[Ib-11-1781-0352]
1) Philosophische Kart' Europens.

 

[Ib-11-1781-0353]
"Man hat uns eine Karte vom Land der Liebe gegeben. Warum giebt man uns keine vom reiche der Vernunft und der Sitten? Solte dieser Gegenstand der Bemühung eines Philosophen weniger würdig sein? - Ich gestehe, daß es kein mittelmässiges Unternemen ist, die Karte vom Reiche der Sitten und der Vernunft - oder - welches eben so viel ist, die philosophische Kart' Europens, zu entwerfen. - Welche Höhen! Welche Tiefen! Welche Leren! Welche Verschiedenheit der Kultur! - Es erfordert den Zirkel eines Leibniz. Das Genie hat seine Klimat's, seine Proporzionen, seinen Mittagszirkel, und seine Pole. Vergebens sagt man, daß die Natur sich an keine Gegend in's besondre gebunden habe: daß die Künste geboren in Ägypten und in Griechenland erzogen, nach Italien gewandert wären. Gleichwol hat man's, wie der H. von Voltaire spricht, noch nicht dahin bringen können, ein Regiment Lappen oder Samoieden zu errichten.

 

[Manuskriptseite 137]

[Ib-11-1781-0354]
Wir haben geographische, ökonomische und politische Karten in aller Gattung. Sie unterrichten uns genau vom Umkreise, von den Gränzen, den Produkten, den physikalischen und politischen Verhältnissen der Reiche. Aber niemand hat's noch gewagt, uns eine sitliche Karte zu geben. Unterdessen würde sie eines der interessantesten Denkmäler unsers Wizzes sein.

 

[Ib-11-1781-0355]
Richten sich nicht gewisse Karaktere der menschlichen Natur nach fixen Gegenden? Die weibliche Schönheit fängt in den Inseln des Archipelag's an. Von hier wendet sie sich nach Italien. Und nachdem sie einen kleinen Teil Deut* Deutschlands und des nördlichen Frankreichs berürt hat: so endigt sie in England. -

 

[Ib-11-1781-0356]
Allein hier ist nicht die Frage vom Gebiete der Schönheit, sondern vom Gebiete des Geistes. Man überläst dem Guido=Reni's unsers Iarhunderts, die Geographie der Schönheit zu entwerfen. Wir suchen die Geographie des Geistes auf.

 

[Ib-11-1781-0357]
Solte der menschliche Verstand nicht, so wie alle Wir= übrigen Wirkungen der Natur, eine vorgeschriebne Richtung, eine eigne Laufban haben? Vielleicht felt nichts, als ein geschikter Geometer, diese Laufban zu bestimmen?

 

[Ib-11-1781-0358]
Es ist war, eines der wichtigsten Hindernisse, welches sich dem Meskünstler, der's wagen dürfte, mit philosophischkritischem Griffel die moralische Kart' Europen's zu zeichnen, entgegensezzen würde, ist, wo er seinen Standpunkt zu nemen, wo er seine Messcheib' anzulegen hätte.

 

[Manuskriptseite 138]

[Ib-11-1781-0359]
In den Arbeiten der Geometrie ist der Point de vue das Meisterstük. - Gleichwol hat iede Sphäre so viel Anhänglichkeit - die Eindrükke der Prädilekzion, der Nationalleidenschaft sind so warhaft, so natürlich, so menschlich -

 

[Ib-11-1781-0360]
Um Unbefänglichkeit genug zu haben, das Gemäld' unserer Sitten zu entwerfen, müste man nicht aufhören, ein Europäer zu sein? Der Ris zur sitlichen Kart' Europens ist's Werk irgend eines Nomaden, der mit dem Geiste Montesqieu's geboren würde.

 

[Ib-11-1781-0361]
Hier sind die Karikaturen, die wir ihm vorbereiten.

 

[Ib-11-1781-0362]
Rusland.

 

[Ib-11-1781-0363]
Barbarei - Nazionalfaulheit - Aberglaube - Kriegsmut one Tapferkeit - - Empörungsgeist - wilde Sitten - Ewiges Eis dekt den Verstand und das Herz der Bewoner.

 

[Ib-11-1781-0364]
Gegen Europa einwärts. Öfnung des Geistes - Milderung der Sitten - Emporstrebung der Wissenschaften und des Kunstfleisses - Fruchtbarer Einflus weiser Gesezze - Ausländische Sitten und ausländische Gesezz' auf russischem Erdreich blühend - Erleuchteter Despotism.

 

[Ib-11-1781-0365]
Unter den 60ten Grad. Eine woltätige und weise Gesezgebung im Streite mit einer neidischen und indiskreten Natur. - Warer Kriegsgeist auf Kriegswissenschaft gepflanzt - Geschmak an Heldenentwürfen und Heldendenkmälern - Nazionalpracht - Verschwendungssucht in's Laster ausgeartet - zu Sarskoe=Selo das Bild der Höfe der Pharaone, der Semiramiden, der Kyrus, der Haraun Raschids, in seinem höchsten Schimmer.

 

[Manuskriptseite 139]

[Ib-11-1781-0366]
Dännemark.

 

[Ib-11-1781-0367]
Bei wenig Nazionalwirksamkeit häufige Szenen der Emulazion in gemeinnüzzigen Anstalten - Mässigkeit der Sitten und der Leidenschaften - gesunde Polizei, zum Beweis der glüklichen Mischung des Nazionalkarakters - Eine sich seit zwei Iarhunderten bei ihrem System unveränderlich erhaltene Regierungsart.

 

[Ib-11-1781-0368]
Schweden.

 

[Ib-11-1781-0369]
Denkende, wirkende und tapfere Menschenart - Originalwissenschaft - - und Originalfleis - Heroische Wirkungen der Nazionalarmut und des Bedürfnisses, in Fabrikken und Instituten - Menschenwert - Siege der Statsweisheit und der Industrie über Naturneid und Naturmangel - Eine unterhaltene Gallerie grosser Regenten, und grosser Patrioten. - a) a)] danach gestr. ist folgende Anmerkung: a) "Ein unangenemer Zufal hindert mich, das Übrige gar aus diesem schäzbaren Buch' auszuzeichnen. Dieses Buch, das man mir geliehen hatte, must ich gerade zurük geben, da ich mitten im Abschreiben war. Das hier Angefangte wird fortgesezt werden, sobald ich dieses Buch wieder bekommen werde. R."

 

[Ib-11-1781-0370]
XV.

 

[Ib-11-1781-0371]
Von dem Reiche Gottes. Ein Versuch über den Plan der götlichen Anstalten und Offenbarungen. Vom Verfasser der Geschichte Iesu. Zweite Hälfte. Zürich, bei Orel, Gesner, Füeslin und Komp. 1774.

 

[Ib-11-1781-0372]
1) Vom Zustande der Iuden vor der Ankunft des Messias.

 

[Ib-11-1781-0373]
"So wie z.B. die Befreiung aus Ägypten eine gewisse Lage der iüdischen Nazion voraussezte, one welche diese Woltat nicht hätte stat finden können, so must auch die bessere Befreiung durch den Messias ihre vorherbestimmende Gründ' und Veranlassungen in einer Reihe

 

[Manuskriptseite 140]

von Fürungen mit dieser Nazion, und einer dadurch bestimten Lage derselben haben; mittelst deren sie dahin gebracht wurde, einer solchen bessern Befreiung zu bedürfen, und einzusehen, daß sie einer solchen bedürfe." Seit. 64.

 

[Ib-11-1781-0374]
2) Von der Benennung Iesu "Son Gottes"

 

[Ib-11-1781-0375]
"Keine Benennung schikte sich besser zu der bisherigen israelitischen Anordnung und götlichen Regierung dieses Volks, als der Name Son Gottes. Got war dessen König. Derienige also, dem's götliche David'sche Reich verheissen war, konte dieses höchsten Königs Israels Son und Tronerbe, mit Recht heissen; (so wie er in änlichem Sin David's Son und Tronerb' hies.) Der Begrif, den die Israeliten bei der Benennung Son Gottes verbanden, ist nicht derselbe, den wir damit verbinden. Denn so wie bei'm Begriffe der Gotheit in der Geschicht' Israel's immer etwas bestimters, und dem Gözzendienst entgegengeseztes gedacht werden mus, so bekomt auch der Begrif Son Gottes im israelitischen Lergebäud' eine fixirte Bedeutung, und heist soviel, als der erste, änlichste, an Würde nächstkommende Liebling und Son dieses Gottes - im Gegensaz gegen andre nicht in so volkomnem Sinn' ihm änliche geweihte, Lieblinge - wie auch vermeinte Göttersöne. -" S. 95. 96.

 

[Ib-11-1781-0376]
3) Von der Ankunft des iüngsten Tags.

 

[Ib-11-1781-0377]
"So abgebrochen man sich in'sgemein den gegenwärtigen Zustand von ienem künftigen vorstelt, so geht doch in

 

[Manuskriptseite 141]

den Handlungen Gottes alles in einem fort; in dem Reiche des Messias, läst sich so wenig als in der Schöpfung überhaupt, ein Sprung annemen, das vorhergehende geht immer mit dem folgenden schwanger. Obgleich iener Tag des Hern wie ein Dieb in der Nacht komt, so macht er doch auch wie der Dieb seine Zurüstungen. Es wird sich dieser grossen Epoche, die's Reich des Messias auf eine höhere Stufe der Volkommenheit erhebt, gewisse Revoluzionen vorhergehen müssen, welchen den moralischen, politischen, religiösen, physischen Zustand dieser Welt so bestimmen, wie's sich für die einzufürende grosse Veränderung schikt. Aber wie in iener alten Teokratie die Revoluzionen, welche den merkwürdigern Epochen vorgegangen, meist von solcher Art gewesen sind, daß sie dem sinlichen Israel auf etwas ganz anders zu zielen, und nicht eben das, um welches es zu tun war, anzubanen schienen - weil nämlich sein Gesichtskrais viel zu sinlich und eingeschränkt war - so ist's auch glaublich, die Revoluzionen, welche die neue Epoche des Reiches des Messias befördern und einfüren sollen, werden sich mit den Weltbegebenheiten so verweben und so mit demselben in Einem fortgehen, daß der sinliche Hauf' es nicht bemerkt, um was es da zu tun ist. -" S. 410. 411.

 

[Ib-11-1781-0378]
"Ich glaube behaupten zu dürfen, wenn nun früher oder später die götlichen Fürungen erfolgen, welche als nähere Vorbereitungen zur Eröfnung des volkomnern Zustands, des verklärtern Reichs, beschrieben werden, so

 

[Manuskriptseite 142]

werden diese Fürungen mit ienen ältern, so weit sie der Zeit nach von demselben getrent sein mögen, immer genau zusammenhängen, und nicht so ganz unvorbereitet und abgebrochen erfolgen. Ein solches Zwischenband aber, um iene ältere Fürungen an die noch zu erwartenden festzuknüpfen, dürfte wol die noch immer vorhandne Nazion der Israeliten sein, die ich längst als eine Mittelnazion kennen lernte, durch welche die Gotheit ihre Absichten auf die übrige Welt ausgefürt hat. Könte sie nicht noch einmal zu änlichen Absichten ein Werkzeug werden??? - -" S.416. 417.

 

[Ib-11-1781-0379]
XVI.

 

[Ib-11-1781-0380]
Karakteristik der Bibel von Aug. Hermen Niemeier. Dritter Teil. Halle; bei Iohan Iakob Gebauer, 1777.

 

[Ib-11-1781-0381]
1) Die Bildung des Nazionalkarakters der Iuden in Ägypten.

 

[Ib-11-1781-0382]
"Was heist eigentlich Nazionalkarakter? - So lang' eine gewisse Menge von Menschen noch nicht Nazion ist, so kan man auch von keinem Nazionalkarakter reden; gleiche Abstammung, auch sogar gleiche Religionsbegriffe, machen noch nicht das aus, was man ein Volk nent. Die Nachkommen Sem's - wie bald werden sie zerstreut - und wie werden aus den mancherlei Zweigen seines Geschlechts Völker, die sich so äusserst ungleich sind. Viele auch das nicht einmal! Frei herumziehende Hirten, sich selbst bald unter einander unbekant, durch kein Band mer verbunden, oft so gar feindselig. Abraham's Haus

 

[Manuskriptseite 143]

haltung war gros - er hatte dreihundert Knechte, und doch - wer könte seine Familie schon Volk nennen? Die zalreichere Nachkommenschaft Iakob's macht' es vermutlicher, nun könte sich ein Ganzes vereinigen, und doch - wäre sie nicht durch eine kaum erwartete Schikkung nach Ägypten gekommen, so wär' es möglich gewesen, daß ieder Stamvater in andre Gegenden gegangen, und Abraham's Geschlecht immer nur in einzelnen Familien fortgedauert hätte - Doch hier ist's Ziel dieser steten Zerstreuung, Ägypten ist der Sammelplaz der Sön' Iakob's, und wird der Boden, in dem die Geschlechte zur Nazion erwachsen. Ein einzelner Baum steht oft lang einsam, wirft seine Frücht' umher, und der Wind verweht den Samen hie hin - dort hin: So wird hie und dort ein iunger Fruchtbaum! Endlich samlet sich einmal im bedektern Tal eine Menge der Früchte, keimt - und wird zur Waldung, die Iarhunderte steht. Das Land Gosen wird der gemeinschaftliche Wonsiz der Israeliten. Iede Familie vermert sich; es wird eine grosse Reihe Brüder und Verwandten. Verwandschaft verliert sich in der Menge; aber immer ist's nun doch ein Geschlecht von Menschen, durch gleiches Interesse, gleiche Verhältnisse gegen Ägypten, gleiche Schiksal' ihrer Stamväter, gleiche Hofnung auf Verheissungen, die ihrem Anhern gegeben sind, vereinigt. Darin liegt der Grund, daß sie zur Nazion werden. Das Beste des Ganzen wird's Beste des Einzelnen. Iedes Glied wirkt auf die ganze Kette. All' arbeiten zu einem Zwek, und dieser erreichte Zwek wirkt auf alle zurük. So bildet sich das Volk! -

 

[Manuskriptseite 144]

[Ib-11-1781-0383]
Auch gemeinschaftliches Leiden verbindet, drängt zusammen, knüpft viele Bande dichter und fester. Wie Glük und Wolstand eines Gliedes der ganze Körper empfand, so dringt Druk und Elend des einen durch alle. Die Israeliten werden unterdrükt - einer wie der andre fült's - denn sie sind nun schon ein Volk. Ein Rad stokt - die ganze Maschine komt in Verwirrung. Wieder ein Mittel einzelne Familien zur Nazion zu machen!

 

[Ib-11-1781-0384]
Hier also, - und was ist natürlicher? - hier also suche man die ersten Züge zum Nazionalkarakter. Eher kont' er sich nicht bilden, und später kont' er neue Linien, neue Eindrükke bekommen, aber's Ganze blieb doch, wie im Manne die Physiognomie des Knaben bleibt. Ferner. Die Betrachtung der Geschicht' ihrer Altväter, die wunderbaren Fürungen derselben, der Gedanke, daß selbst aus ihrer Mitt' einer, der vorher im Dunkel des Kerkers schmachtete, als Vater des Landes, in den ägyptischen Städten ausgerufen wurde, der Gedanke, daß ihnen selbst das beste Land, im vol der schönsten Weiden für ihre Herden, eingeräumt, ihnen angeboten wurde -- alles dies zusammengenommen, solt' es nicht tief in den Karakter der Nazion die Idee gedrükt haben, Lieblingsvolk des Gottes der Götter zu sein? Welchen Einflus musten nicht die Sitten der Ägypter auf den Karakter der Iuden haben! Diese zwar bildeten sich nicht ganz darnach, aber doch wurden sie anders modifizirt. Das immer feste Aushauen einer Sache

 

[Manuskriptseite 145]

läst unverkenbare Spur in der Sele zurük - Exempel bilden, one daß man's merket. Muste nicht die Denkungsart der Iuden eine andre Form im Ganzen durch den Umgang mit den Ägyptern bekommen? Die Iuden - die vorher nichts als herumstreifende Araber waren, und nun unter kultivirtern Menschen lebten, von ihnen so manche andre Beschäftigung u. s. w. lernten. Und die Wissenschaft der Ägypter? wie muste sie nicht in die ungebildeten Selen der Iuden einfliessen! - -" Seit 8 -12.

 

[Ib-11-1781-0385]
2) Nuzzen, den der lange Aufenthalt der Iuden auf dem Wege nach Palästina hatte.

 

[Ib-11-1781-0386]
"Der lange Aufenthalt auf dem Wege nach Palestina, wird die Zeit der Gründung des künftigen iüdischen Stats. Eine grosse Weisheit in dieser Einrichtung! Wie schwer würd' es gewesen sein, die Gesezz' in Ansehen zu bringen, wenn das Volk schon in einem ganzen Land' umher zerstreut gewesen wäre! Dan hätten sie keines Fürers so nötig gehabt, sie hätten sich vermutlich gegen den empört, der sie, wär's auch im Namen der Gotheit gewesen, in'sgesamt an eine algemeine Verhaltungsregel hätte binden wollen. Aber iezt - da sie zwischen zweien Ländern in der Mitte waren, da sie hinter sich Feinde sahen, und vor sich Feinde bekämpfen solten, da sie nun eigentlich gar kein Eigentum hatten, so gar in Absicht der Speis' aus der Hand Gottes lebten, wie leicht war's da, und wie höchst bequem die Zeit, sie an ein so ihrem Bedürfnisse so hohem Grad' angemessenes Gesez zu binden! Noch waren alle Woltaten Gottes im frischen Angedenken, noch waren sie nicht so weit vom Lande, wo's Ioch der

 

[Manuskriptseite 146]

Tyrannen sie zur Erde drükte, und darin sie von Got herausgerettet waren; noch zum Teil im Angesicht des Mers, darin Got ihre Feinde begrub; von Zeit zu Zeit bedurften sie Belerung, was sie weiter tun solten, denn ihre Lage war gefärlich. Man neme die Umstände sämtlich zusammen; sie sind ser karakteristisch in Absicht des Zeitpunkts der Gebung des Gesezzes, und enthalten den Schlüssel, wie ein sonst so ausschweifendes freies Volk, sich willig ein in der Tat schweres Gesez hat' auslegen lassen. -" S. 18. 19.

 

[Ib-11-1781-0387]
3) Von 2 Mos. 4. 25. 26.

 

[Ib-11-1781-0388]
"Hier ist ein Wortspiel im Hebräischen zwischen Bräutigam und Beschneidung, die beide $$$ ]scannen heissen, das sich im deutschen nicht ausdrükken läst. - So viel sieht man auch one das Wortspiel, daß Zipora sich über die Beschneidung als eine grausame Sitte beschweren wil, ob sie gleich eine Midianiterin war, folglich von Abraham abstamte. Sie mus damals bei den Midianitern ungewönlich gewesen sein: andre Nachkommen Abraham's haben sie bis Muhammed's Zeit, oder vielmer noch bis auf den heutigen Tag behalten. Denn die Muhammedaner haben die Beschneidung nicht aus einem Gebot des Korans, in welchem kein Wort von ihr steht, sondern aus einem undenklichen Herkommen der ismaelitischen Araber. - -" S. 312. 313.

 

[Ib-11-1781-0389]
4) Einige Warscheinlichkeiten, zum Beweise, daß die ägyptische Wundertäter nicht Zauberer gewesen sind.

 

[Ib-11-1781-0390]
"Warum läst Pharao diese Männer zu sich kommen,

 

[Manuskriptseite 147]

und ihre Künste vornemen? Um die götliche Sendung des Israeliten, der sich für einen im Namen der Gotheit redenden ausgiebt, umzustossen, um sich's begreiflich zu machen, wie ein Mensch solche Wirkungen hervorbringen könne, die's Ansehen des Wunderbaren so ser an sich zu tragen scheinen! Was sucht er also bei ihnen? Gewis nicht götliche Kraft; denn sonst hätt' er ia eben damit wenigstens zugegeben, auch Mose handle durch die Einwirkung der Gotheit, und so hätte seine Forderung doch Aufmerksamkeit verdient. Das wil er dartun, daß seine angeblichen Wunder menschlicher Betrug und Täuschung der Sinne sein, so wie auch die Magier (ich wil sie einmal so um der Änlichkeit willen nennen), im Anfang unglaublich scheinende Ding' hervorbringen könten. - Ia unterscheiden denn nicht sie selbst Kraft Gottes und menschliche Kunst? Bei Wundern, wo's unmöglich ist, durch die geschikteste Täuschung den Betrug zu verbergen, gestehen sie Mose mit viel Offenheit zu, dies sei Gottes Hand, und wie ser sie selbst wissen, daß ihre Kunstenge Gränzen habe, sieht man doch auch daraus, daß sie nie unternemen, das Land von Plagen zu befreien, die sie hervorbringen zu können scheinen. -" Seit. 325. 326.

 

[Ib-11-1781-0391]
5) Ein Räuber zu sein, hält man in Arabien nicht für schimpflich.

 

[Ib-11-1781-0392]
"Die Lebensart eines Räubers in Arabien wird nicht für so schimpflich gehalten, als bei andern gesitterten Völkern, noch mer, man sieht sie sogar für edel an. Nach unsern Sitten komt's uns ser fremd vor, daß ein ganzes Volk einen tapfern Strassenräuber zum Herfürer (vom Iephta näm

 

[Manuskriptseite 148]

lich ist die Rede) erwält, der noch dazu Bedenken macht, diese Er' anzunemen: aber nach den Sitten der Araber wär' es gar nichts wunderbares, und wenn ihre Dichter den tapfern Man besingen wollen; so treibt er Strassenraub. Auch in Deutschland (zur Zeit des Faustrechts) hat's Zeiten gegeben, da der Strassenraub nicht schändlich, sondern eine ordentliche Lebensart war; man darf in der Geschichte nur einige Iarhunderte zurükgehen, so findet man adliche Bergschlösser als Raubschlösser, und die Vorfaren der besten Adlichen, wegen des Raubes berümt, ia wol gar in alten Kroniken exemplarisch angefürt, daß ein sterbender Edelmann sich nicht eher zufrieden gegeben hat, als bis seine um ihn stehende Söne das feigherzige Weinen einstelten, und auf die Landstrassen ausgiengen." S. 460. 461.

 

[Ib-11-1781-0393]
XVII.

 

[Ib-11-1781-0394]
Iohan David Michaelis mosaisches Recht. Zweiter Teil. Frankfurt am Main, bei Ioh. Gotlieb Garbe, 1771

 

[Ib-11-1781-0395]
1)Was "Nächster" oft bei Mose bedeutet.

 

[Ib-11-1781-0396]
"Moses sezt einen Grundsaz seines bürgerlichen Rechts, aus dem er manches einzelne herleitet, der aber eine Erklärung nötig hat. Du solst, sagt 3 B. Mos. XIX, 18 deinen Nächsten lieben, als dich selbst. So bekant uns der Sin in der Moral ist, so werden sie doch nicht on' alle Dunkelheit sein, wenn man sie als den Ausspruch eines bürgerlichen Gesezgebers ansieht, und so scheinen sie an dem angefürten Orte vorzukommen, wenn man

 

[Manuskriptseite 149]

ihn im Zusammenhange lieset. Ein Gesezgeber kan nicht die ganze Moral füglich in seine Gesezze tragen, weil er nicht auf iede Übertretung derselben Strafen sezzen kan; und wenn ich in meinem Herzen meinen Nächsten nicht liebe, so ist dies kein Verbrechen, das vor der Obrigkeit klar gemacht, und bestraft werden kan. Was sol also dieser Saz mitten unter bürgerlichen Gesezzen? - Einmal wird man sich erinnern, daß der bürgerliche Gesezgeber auch bisweilen Ermanungen in seine Gesezz' einzurükken pflegt: dies ist nicht zu tadeln, wenn's nur nicht zu häufig geschieht, und den Bürger gewönt, die eigentlichen Gesezze für blose Ermanungen zu halten. In der Tat aber können diese Wort' in einem bürgerlichen Gesez auch folgenden, im Gerichte zu beobachtenden, Sin haben: das Gesez erlaubt dir nicht, iemand zu hassen, und entschuldigt die ihm zugefügten Beleidigungen nicht damit, daß du sein Feind bist, und er dich eh'dem beleidigt hat. Wenn, um ein Beispiel aus dem Zusammenhange der Stelle, wo diese Moral vorkomt zu nemen, ich's für unbillig halte, daß mein Nebenbürger mich blos aus Rachgier angiebt, wo ich etwan die Gesezz' übertrete, so sol ich auch nicht aus Has sein Angeber werden, sondern ihm eben die Lieb' erzeigen, die ich von ihm in völlig gleichem Fal fordre: und fals der Richter es merket, daß ich iemand aus Has angebe, hat er nicht nötig, die Warheit der Delazion erst zu untersuchen, sondern er kan mich mit meiner ganzen Anklag' abweisen, und mir mit einem Verweise zu erkennen zu geben, er sei kein Diener meiner Leidenschaften, das

 

[Manuskriptseite 150]

Gesez verlange, daß ieder den andern liebe, wie sich selbst, und habe keine Gericht' angeordnet, einen feindseligen Angeber nicht fremder ihn nicht angehender Verbrechen zu hören. Es ist klar, daß derienige, der blos wider den ersten Grundsaz handelte, deshalb nicht gleich strafbar war, (wie denn auch's Gesez keine Strafe droht) allein er konte sich auch vom Gesez keine Gunst zu Erlangung seiner Absichten zu versprechen.

 

[Ib-11-1781-0397]
Ich mus bei Gelegenheit dieser Stelle noch etwas sagen, welches die in Gesezzen gewönliche Bedeutung des Wort $$ ]scannen (ganze Seite) (Nächster) betrift. An und für sich kan's bei den Hebräern zweierlei bedeuten,

 

[Ib-11-1781-0398]
1) einen Freund,

 

[Ib-11-1781-0399]
2) einen ieden, mit dem ich etwas, es sei im Guten oder Bösen, zu tun habe. Diese Bedeutung ist so gewis, daß die Hebräer auch wol einen, mich nichts angehenden Menschen, deswegen $$ nennen, weil er iezt mein Gegenpart ist, z.B. einen Prozes mit mir hat, sich mit mir schlägt, u. s. f. 2 B. M. XVIII, 16. 5 B. M. XXII, 26. 2 Sam. II, 16. Habak. II, 15. Sprüchw. XXV, 8.

 

[Ib-11-1781-0400]
In Gesezzen darf ich $$ nie anders, als in der letztern Bedeutung nemen. Sie schreiben ia nicht Pflichten der Freundschaft vor, denn die sind wir niemand schuldig, wir können sie nur wenigen leisten, und wer unser Freund sein solte, das hängt nicht von Bestimmung des Gesezzes, sondern von unsrer Wilkür, ia nicht einmal völlig von der, sondern von einer beiderseitigen Zuneigung ab, über die wir selbst nicht Herren sind. Auch würd' es sonderbar lauten, wenn ein Gesez uns

 

[Manuskriptseite 151]

verbieten wolte, mit unsers Freundes Frau keine Unzucht zu treiben, oder kein falsches Zeugnis gegen unsern Freund zu geben: denn dies wär' ia so viel, als diese Beleidigungen gegen andre, die nur nicht unsre besondern Freunde sind, erlauben. An unserm Ort' insonderheit ist der $$ ]scannen nach dem Zusammenhange nicht der Freund, denn's ist eben vorhin daran geredet, daß man denen, die uns beleidigt haben, es nicht hachtragen, nicht ihr Ankläger werden, sondern sie lieben sol, als sich selbst. Die, denen man etwas nachträgt, sind doch wol nicht unsre Freunde! -" Seit. 19 - 23.

 

[Ib-11-1781-0401]
2) Vom Gesezze Moses wegen der Unveräusserlichkeit der Äkker.

 

[Ib-11-1781-0402]
"Um die ewige Unveräusserlichkeit der Äkker desto gewisser zu machen, und gleichsam zu heiligen, amte Moses ein ägyptisches Recht nach, dessen die Israeliten schon von Iugend auf gewont waren. In Ägypten gehörten die Äkker dem Könige, und die Bauren waren nicht Eigentümer = des Feldes, das sie bauten, sondern Meier, die dem Könige den Fünften geben musten. 1 B. M. XXXXVII, 20. Eben so erklärt auch Moses, Got, der die Israeliten würdigte, sich ihren König zu nennen, für den einzigen Eigentumshern aller Äkker des verheissenen Landes, in dessen Besiz er sie durch seine besonderste Providenz sezzen würde; die Israeliten aber für blosse Meier, die den Akker nicht auf ewig veräussern dürften. 3 B. M. XXV, 23. In der Tat musten sie auch Got, wie die Ägypter Pharao, zwei Zehnten geben, wiewol auf eine Art, daß ihnen der eine nicht beschwerlich sein konte: denn nur den einen Zehnten bekamen die Leviten, dafür, daß sie selbst keine Äkker hatten,

 

[Manuskriptseite 152]

und als Sold für ihre Dienste; der zweite war dazu bestimt, daß derienige, der ihn entrichtete, an den hohen Festen Gastmale davon anstellen konte. Es komt mir sogar vor, ich kan's aber aus Mangel ägyptischer Nachrichten nicht mit Gewisheit sagen, daß das ganze Gesez von Unveräusserlichkeit der Äkker eine Nachamung einer ägyptischen Anstalt gewesen sei, und daß die Ägypter zu Moses Zeit auch ein Iubeliar gehabt haben mögen; kennten wir dies, so würd' uns noch manches in Moses Gesezzen klärer werden. -" S. 25 - 27.

 

[Ib-11-1781-0403]
3) Vom Geld zu Moses Zeiten.

 

[Ib-11-1781-0404]
"Das Silber ward zu Moses Zeit, und lange nachher, nicht gemünzt, sondern nur gewogen, siehe 1 B. M. XXIII, 16. Nie lesen wir von Dargezältem, sondern blos von zugewogenem Gelde. Der Sekkel ist keine Münze, sondern, wie auch der Nam' im Hebräischen besagt, ein Gewicht: lange nach der babylonischen Gefangenschaft, oder vielmer lange nach Alexander's des Grossen Zeit, haben die Iuden angefangen, unter diesem Namen Münzen zu schlagen, denen sie so viel Silber gaben, als der griechische Stater ausmachte, weil Stater der Abstammung nach eben so viel heist als Sekkel, und sie sich an griechische Münzen gewönt hatten. - -" Seit. 92. 93.

 

[Ib-11-1781-0405]
4) Was Hebräer heist.

 

[Ib-11-1781-0406]
"Hebräer heist so viel, als wer ienseits des Flusses ($$$$$$$) ]scannen d. i. ienseits des Euphrats wont, oder daher gebürtig ist, wie denn auch Abraham selbst 1. B. Mos.

 

[Manuskriptseite 153]

XIIII, 13. Abraham der Hebräer genant wird, welche die 70 Dolmetscher ? ??????? d.i. der ienseits her gebürtige, übersezzen: und der Stamvater Abraham's im siebzenten Gliede trägt, wie's sonst oft bei den Morgenländern gewönlich ist, den Namen, Eber, weil die Leut ienseits des Flusses von ihm abstammen, so wie die Araber eben diesen Man von den Iuden, seinen berümtesten Nachkommen, Hud zu nennen pflegen. Selbst die Assyrer heissen Ies. VII, 20. $$$$$$$ ]scannen. -" S. 364 - 365.

 

[Ib-11-1781-0407]
XVIII.

 

[Ib-11-1781-0408]
Iohan David Michaelis mosaisches Recht. Dritter Teil. Frankfurt am Main, bei Ioh. Gotl. Garbe. 1772.

 

[Ib-11-1781-0409]
1) Von Matt. XXII, 15 -22.

 

[Ib-11-1781-0410]
"Diese Stelle wird all' Iar auf der Kanzel erklärt, aber weder in den gewönlichen Kommentarien wird sie so erklärt, daß ein Nachdenkender begreifen kan, wie die Worte, gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Got, was Gottes ist, irgend haben die Iesu vorgelegte Frage, ist's recht, daß man dem Kaiser Zins gebe, oder nicht? entscheiden, und noch dazu so entscheiden können, daß die Fragenden mit Erstaunen weggiengen: vielmer ist man versucht, sich zu wundern, daß sie sich mit einer solchen Antwort befriedigen liessen. Dadurch, daß ich eine Münz' habe, die eines grossen Hern Bild oder Überschrift trägt, bin ich ia nicht schuldig, sie ihm zu

 

[Manuskriptseite 154]

geben, sonst könte der König von Frankreich, so oft wir einen Luis d'Or hätten, eine Taxe auf uns legen. Der Gedanke wär' auch unrichtig: der Kaiser habe das Münzrecht unter den Iuden gehabt, folglich waren sie schuldig, ihm Tribut zu geben. In der Tat hatten sie, obgleich Iudäa eine römische Provinz war, die Münzgerechtigkeit noch selbst, und durften Sekkel des Heiligtums schlagen; und daraus, daß man Münzen mit der und der Überschrift im Lande roullirend hat, wird niemand folgern, der, dessen Bild auf der Münze steht, sei unser Landsher. Selbst das Münzregal, das sich einer mit Gewalt genommen hätte, wäre noch kein Beweis, daß er unser rechtmässiger Landsher sei. Iesus hat's mit Pharisäern zu tun. Diese waren zwar der römischen Herschaft ungeneigter, als die Sadduzäer, allein sie hielten's doch nicht für eine Sache wider das Gewissen, sich ihr zu unterwerfen, sondern dies tat eine bei der ersten Sekte Schäzzung entstandene vierte Sekte, die Ioseph ser sorgfältig von Pharisäern, Sadduzäern, und Essenern unterscheidet S. Antiquitatum libr. XVII. cap. 1. Das ganze Kapitel, sonderlich aber §. 1. 6. Die Frag' ist auch nicht, ob's recht sei, dem Kaiser zu gehorchen? oder ihm Zöll' und andre Abgaben zu entrichten? sondern sie geht blos auf den Zinsgroschen, oder, wie wir's nennen würden, auf's iärliche Kopfgeld. Es müsten also die Iuden, wenigstens die Pharisäer, etwas be

 

[Manuskriptseite 155]

sonderes bei dem Kopfgelde zu finden vermeint haben, dadurch ihr Gewissen beschwert würde? Und was kan dies gewesen sein? - -

 

[Ib-11-1781-0411]
Historisch weis ich's nicht, denn Ioseph sagt uns nichts von den Einwürfen gegen das Kopfgeld allein; aus der Antwort Christi aber wird mir warscheinlich, daß scheinheilige Eiferer es für eine Art des Kirchenraubes, ausgaben, und sagten: das iärliche Kopfgeld gehört Got, der hat's uns selbst in seinem Gesezz' aufgelegt, und wir machen uns ein Gewissen daraus; dem Kaiser zu geben, was Gottes ist. Blose Schikane war dies. Hätte der Kaiser damals getan, was Vespasian nach der Zerstörung Ierusalems tat, und befolen, den bisher an den Tempel gegebnen halben Sekkel an's Kapitol zu geben, so hätt' allerdings ein Iude sich in seinem Gewissen ser beschwert finden können. Allein der Kaiser fordert dachte gar nicht an ihren halben Sekkel, sondern fordert' ein ganz anders Kopfgeld, auch in der Summe verschieden; nicht einen halben Gulden, sondern einen Denar oder Vierteils Gulden. Nun ist die Antwort Iesu vortreflich. Er läst sich den Zinsgroschen zeigen; sie bringen ihm einen Denar: (so viel scheint's, must' damals ieder in Palästina wonende Iude Kopfgeld geben.) Er fragt sie: wes ist's Bild, oder und die Überschrift? sie sagen: des Kaisers. Ein solcher Denar mit des Kaisers Bild und Überschrift würde nicht einmal bei Bezalung des halben Sekkels im Tempel angenommen sein, denn Sekkel des Heiligtums wurden

 

[Manuskriptseite 156]

erfordert, und die muste der Iud' einwechseln, wenn er fremdes Geld hatte, wozu auch im Tempel selbst Wechsler, (die, deren Tisch' Iesus ein Parmal umgestossen hat) zu sizzen pflegten. Die natürlichste Antwort also war: ihr sehet, daß der Kaiser nicht's Kopfgeld von euch fordert, das ihr dem Tempel zu zalen pflegt: er fordert einen Denar, und der würde nicht einmal im Tempel angenommen werden. Ihr könnet also mit gutem Gewissen dem Kaiser die iärlichen 4. guten Groschen Kopfgeld in kaiserlicher Münze mit seinem Bild und seiner Überschrift bezalen: und Gottes, die zur Unterhaltung bestimten 8 guten Groschen, in heil. Münze. Dies sagt er kürzer und schöner: gebet also dem Kaiser, was des Kaisers ist; und Got, was Gottes ist. - -" Seit. 216 - 220.

 

[Ib-11-1781-0412]
2) Worinnen das Verbrechen David's ist bestand, da er's Volk zälen lies.

 

[Ib-11-1781-0413]
"Die Sünde David's, die so ser gestraft wurde, worin bestand sie eigentlich? - Gemeiniglich sagt man, in Hochmut. Allein, was ist das für eine elende Erklärung! Wolte Got ieden innern Hochmut des Herzens der Könige, iede von ihnen in Gedanken begangene Sünde, mit Pestilenzen strafen, so müsten die Pestilenzen nie aufhören. Das sonderbarste wäre noch, wie Ioab eine blos in geheimen Hochmut bestehende Sünde so ser verabscheuen und widerraten solle 2 Sam. XXIIII, 3. 1 Kron. XXI, 3 Ioab war sonst kein Man von

 

[Manuskriptseite 157]

engem Gewissen; zwei überlegte heimtükkische Mordtaten hätt' er ganz in kaltem Blut begangen, blos um sich ein Rival von der Seite zu schaffen 2 Sam. III, 23 - 37. XX, 8 - 13.: und als ihm David einen Wink gab, Urias an einem gefärlichen Ort zu stellen, war er auch nicht hypochondrisch, sondern veranstaltet' eine solche Attaque, bei der ausser dem Urias noch eine ser grosse Anzal der treuesten Soldaten umkommen musten. Sein Gewissen würd' also wol durch eine Ordre, wo die Sache selbst rechtmässig war, und die Sünde blos im geheimen Hochmut des Herzens bestand, nicht inkommodirt worden sein. Etwas mer, als blosser Mord, mus es in Ioab's Augen gewesen sein, was er sich zu tun weigerte.

 

[Ib-11-1781-0414]
Ioseph erdachte eine etwas warscheinlichere Art, worin David's Sünde bestanden haben solte. David lies, sagt er, das Volk zälen, one daß sie den von Moses verordneten halben Sekkel Kopfgeld an's Heiligtum abtrugen. - Dies fält zwar onehin weg, wenn Moses den halben Sekkel nicht bei allen Zälungen, sondern blos bei den ersten verordnet hat. Gesezt aber, ich hätt' hierin Unrecht, und die zu Ioseph's Zeit gewönliche Auslegung des Gesezzes vom halben Sekkel wäre richtiger; so gehört er doch gewis nicht hieher. Beide Schriftsteller, das zweite Buch Samuel, und das erste Buch der Kronik, erwänen den halben Sekkel nicht mit einem Wort; David verbietet ihn auch nicht, ihn zu entrichten, sondern befielt nur, das Volk so gezält werden, also

 

[Manuskriptseite 158]

hätt' ihn ieder gewissenhafte von selbst entrichten, und der Hohepriester von Amts wegen einfordern können. Wenigstens sieht in diesem Stük David's Erzälung volkommen so unschuldig aus, als Moses zweite, (4 B. M. XXVI) bei der auch des halben Sekkels mit keinem Worte gedacht wird. Ioab, und die andern Generals, tun auch nicht Vorstellung, daß doch der König befelen möchte, den halben Sekkel zu bezalen, sondern verbitten die Zälung des Volks selbst. Und am Ende müste David, der so viel Millionen Sekkel gesamlet, und von dem Seinigen zum Tempelbau bestimt hatte, wol wirklich im hizzigen Fieber gewesen sein, wenn er, allen seinen andern Absichten zuwider, den halben Sekkel der gezälten Untertanen; der gegen ienes eine Kleinigkeit war, und nicht aus seinem Beutel kam, dem von ihm selbst proiektirten Bau eines künftigen Tempels nicht hätte gönnen wollen.

 

[Ib-11-1781-0415]
So viel ich verstehen kan, lies David das Volk weder aus kluger Sorgfalt eines guten Königs, noch aus blosser Neugier zälen, sondern's solte durch die Zälung zu beständigen Kriegsdiensten enrollirt werden, vermutlich, weil ihn nach manchen wol glüklich gefürten Kriegen der Konquerantengeist überfiel. Wenigstens läst er's Volk nicht, wie eh'dem gewönlich war, durch Priester zälen, sondern durch Ioab und andre Generals; und selbst das hier gebrauchte Wort, $$$ ]scannen, (Zälen, und Schreiben) schliest sonst das Zälen zu Kriegsdiensten mit in sich, und ist auch one weitern Zusaz so viel, als

 

[Manuskriptseite 159]

unser Soldaten=deutsches Wort, enrolliren. Dies geht so weit das $$$$ ]scannen, der Schreiber, derienige General ist, der die Musterroll' hat, und die Leute zu Kriegsdiensten ausnimt, und die Offizirs Schreiber heissen. - Der Feler David's bestand also darin.

 

[Ib-11-1781-0416]
Bisher hatte freilich die alte und natürliche Regel der Völker, quot cives, tot milites, so fern gegolten, daß im Fal der Not ieder Bürger zur Verteidigung des Stats die Waffen tragen muste: doch der Notfal entstand ser selten, und ausser ihm hatte nicht ieder Israelit nötig, Soldat zu sein, und sich im Frieden, oder auch im mittelmässigen Kriege, einer militärischen Einrichtung zu unterwerfen. David hatte die Anstalt gemacht, daß noch ausser seiner Leibgarde (sie komt in der Bibel unter dem Namen Kreti und Pleti vor) noch ieden Monat wechselsweise 24000 Man Dienste tun musten, also 288000 Man in den Waffen geübt wurden. Dies war allerdings genug; allein, dem David schien's nicht zulänglich. Er wolte, vermutlich vom Eroberungsdurst beunruhigt, den Stat, ungefär nach Art des römischen, kriegerisch machen, und das ganze Volk dergestalt unter eine militärische Verfassung bringen, daß ieder Untertan ordentlich enrollirt würde, in dieser Absicht unter Generals und Offiziers stünde, und zu gewissen Zeiten Kriegsdienste tun müste, um in den Waffen geübt zu werden. Ob dies, wenn's nicht eigentlich zur Erhaltung des Stats notwendig ist, eine Härte gegen das Volk sei, wird

 

[Manuskriptseite 160]

ieder aus seiner eignen Empfindung, oder auch aus der neuesten Geschicht' einiger Länder urteilen. Selbst in ser kriegerischen ganz monarchischen Staten, die nicht die gegründete und durch Berg, oder Wüsten gesichterte Lage des israelitischen Reichs hatten, ist das vor vierzig Iaren eingefürte Enrolliren iedes Untertanen, unter einem ser kriegerischen Könige von freien Stükken wieder abgeschaft worden, weil er's zu hart fand, und bei einer Unterwerfung aller Bürger unter Kriegsbediente zu viel Erpressungen und Avanien vorgehen können.

 

[Ib-11-1781-0417]
Wäre nun dies die Absicht David's gewesen, so ist begreiflich, wie Ioab, ungeachtet er in seinem Privatleben ein ser böser Man, und zweimal ein Mörder war, doch so patriotisch, oder so statsklug sein konte, einen Befel des Königs, der ein freigewesenes Volk in die schlimste militärische Sklaverei versezte, und ihm unerträglich sein muste, auf's nachdrüklichste zu verbitten. Es liessen sich sogar schlimme Folgen befürchten, wenn die Untertanen nicht geduldig genug gewesen wären, eine solche Neuerung zu wären ertragen: doch diese Geduld kan die in vielen Feldzügen geübte, und David ergebne Arme wol bewirkt haben, und in der Tat scheint der Ausdruk, und sie (Ioab, und die übrigen, denen die Zälung aufgetragen war) lagerten sich bei Aroer, 2. Sam. XXIIII, 5. zu erkennen zu geben, daß die Enrollirung des Volks, durch militärische Gewalt unterstüzt werden muste. -" Seit. 222 - 230.

 

[Manuskriptseite 161]

[Ib-11-1781-0418]
3) Mit welchem Recht die Israeliten die von den Ägyptern erborgten silberne und güldenen Gefässe zurükbehielten.

 

[Ib-11-1781-0419]
"Den Israeliten wird von Moses angegeben, zu einem Fest, das sie noch in Ägypten feierten, (dem Passa) güldene und silberne Geräte von den Ägyptern zu erborgen, zum voraus aber kein Wort davon gesagt, daß sie das Erborgte behalten solten, oder könten: (2 B. M. XI, 2) denn was lange vorher 2 B. M. III, 22. als zwischen Got und Moses geredet stehet, wusten die Israeliten nicht. Man begreift leicht, wenn 600000. Man dies zum voraus gewust hätten, so hätt' es unmöglich ein Geheimnis vor den Ägyptern bleiben können: denn unter 600000. Man, und eben so viel Weibern, werden doch auch einige erliche Freunde der ägyptischen Freunde, die ihnen so willig borgten, und wenn die nicht wären, einige schwazhafte gewesen sein, die's Geheimnis verraten hätten, und denn würden die Ägypter nicht verborgt haben.

 

[Ib-11-1781-0420]
Ich glaub' also, die Israeliten erborgten zusammen bona fide, und mit dem Vorsaz, die güldenen und silbernen Geräte wieder zu geben, on' etwas von dem zu wissen, was die verschwiegene Providenz auf's künftige vorhatte. Plözlich werden sie, (man lese das 12te Kapitel des andern B. Moses.) in eben der Nacht von ihrer Malzeit weg, und aus Ägypten vertrieben: man lies ihnen keine Zeit, noch etwas zu besorgen, nicht einmal den Teig ihrer Brod' aufgären zu lassen, sondern sie solten augenbliklich ausziehen. Dies wolte Pharao, und die Ä

 

[Manuskriptseite 162]

gypter, weil in iedem Haus' eine Leiche war; und sie sich furchten, alle des Todes zu sein, wenn die Israeliten noch länger in Ägypten verweilten. Nun stelle man sich vor, wie wir selbst in solchem Fal mit Geborgtem verfaren würden, wenn wir volkommen redliche Leute wären, und alle Pflichten gegen unsre Gläubiger nicht allein gewissenhaft, sondern auch nach aller iurischen Streng' erfüllen wolten. Stehen und liegen würden wir's nicht lassen, denn dadurch würd' es nicht wieder an seinen rechten Her kommen, sondern von dem ersten, der's fände, weggenommen werden: auf diese Bedingung, daß wir's liegen lassen, wenn wir davon gehen, borgt uns ohnehin Niemand, sondern wil, wir sollen das Geborgte in unsrer Verwarung behalten, bis wir's ihm wiedergeben können. Wir würden's also mitnemen, aber mit dem Vorsaz, es bei der ersten Gelegenheit dem Eigentümer wieder zu überliefern. So musten auch die Israeliten verfaren, wenn sie gute Schuldner sein wolten: folglich ist daran nichts auszusezzen, daß sie die geborgten Sachen mitnemen, nicht, in der Absicht, sie zu entwenden, sondern sie zu verwaren, und sicher an den Eigentümer, sobald er sie abfordert, oder sich sonst eine Gelegenheit zeiget, wiedergeben zu können. In wenigen Tagen aber änderten sich die Sachen gänzlich. Die Ägypter, die den Israeliten den Auszug verstaltet, ia die sie ausgetrieben hatten, dachten nun auf einmal anders, und verfolgten sie mit einem grossen

 

[Manuskriptseite 163]

Her. Dies war ein Bruch des Versprechens zwischen zwei Völkern und von Seiten der Ägypter ein Offensivkrieg. Und nun komt alles auf die Frag' an: kan ein Volk, das von dem andern mit einem unrechtmässigen Krieg' überzogen wird, sich der Güter des andern Volks, und seiner einzelnen Bürger bemächtigen? Kan's sich an das, was es von ihm in Händen hat, halten, und es wie gerechnete Beut' ansehen? Ist dies erlaubt, so konten auch, so konten auch die Israeliten auf Moses Befel die güldenen und silbernen Geräte der Ägypter nunmer behalten, und als Beut' ansehen. -" Seit. 258 -261.

 

[Ib-11-1781-0421]
x x x x x x x x x x] als Muster versetzt zur Absetzung vom nächsten Kap.eingefügt, scannen. Grund ist offenbar folgender: J.P. hatte das Exzerpieren aus folgendem Buch über die Charakteristik der Völker in diesem Band bereits begonnen gehabt (siehe ab S. 136), aber bis hierher zurückstellen müssen, weil er dieses unverhofft hat zurückgeben müssen. extra vermerken???

 

[Ib-11-1781-0422]
Fortzezzung des Auszuges aus Wekherlin's Chronologen. Siehe oben Seit. 136 - 139.

 

[Ib-11-1781-0423]
Polen

 

[Ib-11-1781-0424]
Unwissenheit, Faulheit, Laster, als Folgen der (anarchischen) Statsverfassung - Fanatizism - Ein von der Natur zu schönen und aufgeklärten Eindrükken geöfneter Nazionalgenie unwirksam durch politische Unterdrükkung, durch physische Unmässigkeit, und durch überverstanden Nazionalstolz - - das Symbol der Nazion ist: übermütig im Glük: feig und kriechend im Unglük.

 

[Ib-11-1781-0425]
Deutschland

 

[Ib-11-1781-0426]
Mittelpunkt, von wo sich das Stats Kriegs und Finanzsystem Europens zweimal um seine Axe gedreht hat: unter den Regierungen Karl's V und Friedrichs II - Originalquell' und Originalschule der Soldaten - Himmelsstrich,

 

[Manuskriptseite 164]

der die meisten - und die grössten - Erfindungen in der Philosophie und den ökonomischen Künsten lieferte - Kein Nazionalgenie - Deutschland hat das despotische Ioch fremder Moden am längsten getragen - und hat kein eignes Gesezbuch. - Einst die Heimat der Litteratur - iezt Region des Schönwizzes und der Sentimentalgrimasse. - Viel Nazionaltätigkeit bei wenig Nazionalwirksamkeit - Nie aus der Sphäre des Mittelmässigen sich emporgehobne Akademien und Fabrikken. - Kannevas fremder Sitten und fremder Gesezze. - Hier Schöpfung aus dem Chaos (Brandenburg, Österreich etc. etc.) - Blizz' in der Finsternis; Bestrebung; Ermunterung aus dem Landesschlaf; Öfnung des Geistes und des Herzens - Philantropinen - Dort Erstarrung, Geistsarbeit; übelverstandner Lux; Parforzeiagd, und Operisten. - Das Vaterland der Tomasius, der Leibnizze, der Luter - der Mävius, der Diaforius und Panglosse.

 

[Ib-11-1781-0427]
Hungarn.

 

[Ib-11-1781-0428]
Grosmut, Tapferkeit, Vaterlandslieb' im Temperamente der Menschen; als Tugenden der ursprünglichen Simplizität, der unvermischten Natur - Unwissenheit, Ferozität, Faulheit; als die wilden Früchte der Freiheit. - Die Knospe, in welcher - vom Reichtum der Landsnatur und einem grosmütigen Nazionaltrieb' angefruchtet - herliche Stiftungen der Menschheit und des Kunstfleisses verborgen liegen. - Hungarn wird einst das Beispiel sein, was eine grosmütige und erleuchtete Regierung - wie die

 

[Manuskriptseite 165]

Regierung Marien=Teresiens - aus dem edlen Instinkt einer Nazion machen kan.

 

[Ib-11-1781-0429]
Europäischer Orient

 

[Ib-11-1781-0430]
Das Grab des Genie's. Die Muttererde der Grazien und der Philosophie - die Sphäre der Anakreon's, der Epaminondas, der Pygmalion's durch den Fanatism in eine Wüste - in einen Aufenthalt von Sklaven, Tyrannen und Barbarn verwandelt.

 

[Ib-11-1781-0431]
Wälschland

 

[Ib-11-1781-0432]
Glut in der Atmosphär' und im Geiste der Menschen - das Treibhaus des Genie's - Unaufhaltbarer Hang zu den Künsten des Orpheus, der Virgil' und der Apelles; Urbanität der Sel' und des Geists; Öfnung der Sinnen ist Nazionalkarakter. - Das Land, wo Natur und Genie sich unaufhörlich mit Wunderwirken beschäftigen - wo Hannibal mit den Alpen kämpfte, und der heilige Franziskus den Fischen predigt. - Alle Regierungsformen unter einerlei Horizont versamlet; die Hierarchie, die Selbstherschaft, die Aristokratie, die Demokratie, und der Despotism. - Die Gräber eines Romulus, Käsar's, Kato's, Pompeius, Zizero's, Horaz, Galiläi's, Michel Angelo's, und Medizis: neben den Gregoren, den Hildebranden, Iomelli und Faustinen.

 

[Ib-11-1781-0433]
Frankreich

 

[Ib-11-1781-0434]
Element der Moden, und des Kunstwizzes. Das Land, wo die Vergnügungen am meisten rafinirt worden sind. - der fruchtbarste Erdstrich in Erfindungen des Prachts und des Geschmaks - gleichwol nicht fähig, eine Nazionalmusik zu er

 

[Manuskriptseite 166]

schaffen. - Gärung des Kunstfleisses und Kriegsgeists - Nazionalstolz; Nazionaleifersucht; Vorliebe zum Vaterland ist Nazionalstolz. - Politur der Sitten und des Geists; Tätigkeit; Wirksamkeit; Volkspolitik, und Volksweltweisheit ist Nazionalkarakter. - Der Himmelsstrich, unter welchem die Erfindung der Sittenfeste - und die Oberherschaft der Toleranz in Europa - entstanden; welcher einst wegen der Erfindung des physiokratischen Systems berümt sein wird. - Eine Nazion, die nie fremdes Blut auf ihrem Tron sizzen sah; die, vermög' eines Nazionalgesezzes, nie ein Weib auf ihren Tron sezt.

 

[Ib-11-1781-0435]
Spanien = Portugal:

 

[Ib-11-1781-0436]
Sitten und Geistsbildung deuten an, daß diese Länder mer zum afrikanischen Weltteile gehören, als zu Europa. - Roman - in der Regierung, in der Religion, in den Sitten und der Einbildungskraft der Nazion.

 

[Ib-11-1781-0437]
England.

 

[Ib-11-1781-0438]
Triumph der menschlichen Natur und Vernunft, aber nichts des Genie's. - Freiheit, Eigentum, Sitten - die grösten Angelegenheiten der Menschen - ist Nazionalangelegenheit. - Eine weise, der Lands und Menschennatur anpassende - die bestmöglichste Gesezgebung, die sich Menschen geben konten. - Mitten unter einer Menge Sekten der Tron der Toleranz. - Wissenschaftsgeist, Selenadel, Nazionalliebe, patriotischer Entusiasm, ist brittischer Nazionalgeist. Manfestigkeit, Tapferkeit, Menschenverstand: ist brittisches Nazionaltemperament. - Nie konte Das reichste Land an Privattugenden. - Nie

 

[Manuskriptseite 167]

konte der Geist der Grazien und der schönen Künst' in der englischen Atmosphäre wirken; desto mer wirket der Geist der natürlichen Künste - der Handlung und des Akkerbaues. Die Vergnügungen der Nazion sind Pferderennen, Bären und Ochsenhezzen, Klopffechter, Shakespearische Ungeheure. - Das Land, welches einen Neuton gebar, König' auf's Blutgerüste fürte, und eine Komödiantin neben die Stuart's und Marlborough's begräbt.

 

[Ib-11-1781-0439]
Waren die vorigen Menschen besser als die heutigen? Hat die Natur zu oder abgenommen? So fragt man. Wie: Sollen wir etwan die Zeiten bedauren, wo Brutus und Kato, die zween tugendhaftesten unter den Menschen, zwischen zweierlei Verbrechen keinen Mittelweg sahen, um ihre Tugend zu retten, zwischen der Wal eines Meuchelmords, oder eines Selbstmords? Die berümteste unter den Schwachheiten, die Horaz sagte, ist one Zweifel: daß uns unsre Enkel in der Bosheit überträfen. - - Wie lang wird man uns noch das Altertum loben! Was ist die goldne Zeit? Eine vergangene Zeit, eine lügenhafte und törichte Zeit; wo die Nymphen ihre Grazie mit einem Feigenblat dekten, und die Prinzen nach Kartofeln gruben; kurz, eine Zeit, die von den Weisen verachtet, und von den Toren gesucht wird.

 

[Ib-11-1781-0440]
Es ist ser zweifelhaft, ob sich die Menschen des Nin's in unsrer Welt glüklich schäzzen würden: und's ist völlig gewis, daß wir mitten in den Zeiten des Saturn und des Herkules uns nicht wol befinden würden. So genau hat die Natur die Zeit den Menschen, und die Menschen der Zeit angepasset.

 

[Manuskriptseite 168]

[Ib-11-1781-0441]
Die Welt ist eigentlich Nichts als eine fortwärende Entwiklung des Chaos. Einst bestund das Bedürfnis der Menschen in nichts Anderm, als in der Narung. Heut zu Tag hängt der Zustand der Menschheit an unendlichen Fäden. Die vornemsten darunter sind die Religion, die Regierungsform, der Krieg, die Handlung, die Künst' und Sitten.

 

[Ib-11-1781-0442]
Wenn man diese Betrachtung annimt, so mus man gestehen, daß die Menschheit in unsern Tagen einen weit grössern Schrit gemacht, als sie in Iartausenden nicht unter dem Brama, Orpheus, Zoroaster und Taut machte. - Man lass' uns diese Betrachtung entfalten. Was war die Menschheit in den Zeiten, als das Laster, unter der Larve der Religion, die Welt beherschte: in ienen trostlosen und barbarischen Iarhunderten, wo

 

[Ib-11-1781-0443]
tant de chretiens furent martyrs d' une diphtongue.

 

[Ib-11-1781-0444]
Diese Zeiten sind nicht mer. Eine glükliche Revoluzion in dem physischen System der Erd' hat den Fanatism, ienes Ungeheur, das seine Hörner im Himmel und seine Klauen in der Hölle verbirgt, aus Europa geiagt. - Diese Revoluzionen sind wir der Entdekkung Amerika's schuldig. Kolomb ist der vornemste unter allen Aposteln der Religion. Ihm - oder wenigstens dem von ihm erschaffenen Iarhunderte - haben wir zu danken, daß sich die Menschen über einerlei Kodex der christlichen Sittenlere vereinigt haben - über die Toleranz.

 

[Ib-11-1781-0445]
Die Vorzüge, welche unser Iarhundert durch die Aufklärung der Religion erhalten hat, sind, daß die öffentliche Ruhe, der vornemste Zwek der Geselschaft, hergestelt; daß durch den Dul

 

[Manuskriptseite 169]

dungsgeist ein gewisses heilsames Gleichgewicht in der moralischen und bürgerlichen Ordnung der Geselschaft eingefürt worden. - Seit dem Schön ist's Bild der Römer: wie sie, ganz allein durch die Waffen, sich alle Künst' unterwerfen, Nazionen überwinden, Reich' in Fesseln legen, und freie Völker in Sklaven, und Sklaven in freie Völker verwandeln. Aber ist's Bild unsers Iarhunderts weniger schön? Ist's eine weniger reizende Betrachtung, wie alle Künst' in Bewegung sind, den Menschen entweder Nuzzen oder Vergnügen zu verschaffen: wie wir, unter den Lorberbäumen des Friedens, keine andre Angelegenheit mer haben, als die Annemlichkeiten des Lebens zu geniessen. -

 

[Ib-11-1781-0446]
Doch, diese Vergleichungen sind hier zu frühe. Der Krieg, spricht man, ist ein natürliches Bedürfnis.

 

[Ib-11-1781-0447]
Bei den Alten war er noch mer: er war ein Karakter.

 

[Ib-11-1781-0448]
Indem wir's Recht der Waffen gewissen Bedingungen, gewissen Vorschriften unterworfen haben, indem wir's Manoeuvre an die Stelle des Blutvergiessens gesezt; und durch die Einfürung der Unterhandlungen dem Kriege neue Hindernisse, und dem Frieden neue Erleichterungen erschaffen haben, so haben wir die Wut desselben gemässigt.

 

[Ib-11-1781-0449]
Wir haben seine Natur verändert: wir haben ihn zu einem notwendigen Mittel des algemeinen Wol gemacht.

 

[Ib-11-1781-0450]
Ich wil mich nicht in die Zergliederung der Gegenständ' einlassen, worin unsre Kriegskunst die Kriegskunst unsrer Vorältern übertrift. Welcher Abtstand! Welcher Schrit zwischen der Schlacht bei Kannä und dem Treffen zu Torgau!

 

[Ib-11-1781-0451]
Tochter des Friedens! Fruchtbare Handlung! Du bist's, die die Wunden des Kriegs mildert. Wenn die Natur des Kriegs

 

[Manuskriptseite 170]

unvermeidliche Verherungen mit sich bringt: so ersezzest du solche, indem du die Menschen vermerest, und den Überflus erwekkest. - In der Tat unter den Woltaten, die wir dem Schuzgeist' unsers Iarhunderts schuldig sind, ist die Handlung nicht die geringste. Sie ist's, welche die Masse der Güter verflöst, und die Reichtümer in ein Ebenmas sezt; die sich in den babarischen Zeiten anhäuften.

 

[Ib-11-1781-0452]
Vom Akkerbau, und der Schiffart, diesen zwen Grundpfeilern des menschlichen Fleisses unterstüzt, hat die Handlung eine zwote Schöpfung in der Natur verrichtet . Völker! vernemet eure Geschichte: einst waret ihr Tiere; die Handlung macht' euch zu Menschen; die Philosophie wird euch, wenn ihr wolt, zu Göttern machen.

 

[Ib-11-1781-0453]
Sie nähert sich - diese der Erde so schöne Täge versprechende Zeit. Von den Grazien und Musen umgeben ist die Philosophie vom Himmel herabgestiegen, ihre Stralen unter den Menschen auszubreiten. Die Deskartes, die Neuton's, die Galiläi's, die Lokke's, die Torizelli's haben ihr den Weg gebanet, und die Voltaire's und Pope's haben ihn mit Blumen bestreuet.

 

[Ib-11-1781-0454]
Wenn die Handlung das Band ist, welches die Menschen vereinigt, so sind die Wissenschaften die Einfassung daran. Sie mildern die Sitten, und klären den Geist auf.

 

[Ib-11-1781-0455]
Einst war die Zeit, wo man's Reich der Wissenschaften mit dem Bilde vergleichen konte, welches Milton von der Hölle macht:

 

[Ib-11-1781-0456]
Es war nur so viel Licht, um die furchtbare Finsternis einzusehen, die in diesen Gegenden herscht.

 

[Ib-11-1781-0457]
Wie traurig war damals die Lage der Menschheit. Sie wur

 

[Manuskriptseite 171]

de vom Elend' in der Unwissenheit, und von der Unwissenheit im Elend' erhalten. Das Lernsystem, dieser Schlund aller bürgerlichen Tugenden, verschlang den Geiststrieb. Die Wissenschaften verkrochen sich zwischen die Mauren und Klöster. Hier fanden sie ihre Kerker. Die Mönche verschlossen die Zugänge des Geists; sie verbargen die Wissenschaften. Wenn sie einige unter die Menschen liessen, so waren's solche, die ihnen am schädlichsten waren, wie die Erfindung des Kanonenpulvers und der Inquisizion.

 

[Ib-11-1781-0458]
So waren die Umständ' in Europa: als das Schiksal die Entdekkung der beiden Indien beschlos. Hiedurch erhielt der Menschenfleis einen neuen Antrieb. Die ganze Sphäre kam in Gärung. Eine Erfindung bot der andern die Hand. Die Erfindung des Kompasses, der Elektrizität, des Teleskop, der Experimentalphysik, der Buchdrukkerei; die Enzyklopädie der Diderot's, haben unserm Iarhundert' einen Schwung gegeben, den's Altertum mit Erstaunen betrachtet.

 

[Ib-11-1781-0459]
Unter den Vorzügen, die wir dem Fortgange der Wissenschaften schuldig sind, ist ihr Einflus in die Gesezgebung nicht der geringste. Vergebens rümt man uns die Gesezze der Alten. Ihre Philosophie konte niemals merkwürdige Schritte machen, weil sie keine andre Leitschnur hatte als die Moral. Unsre Gesezze musten unendlich volkomner sein, weil ihnen die Physik die Fakkel vortrug. - Die Gesezverfassung - welche eigentlich das öffentliche Gewissen des Stats ist - ist die Sele der Statskunst.

 

[Ib-11-1781-0460]
Dieser wichtige Lerbegrif der bürgerlichen Geselschaft war den vorigen Zeiten fast gänzlich unbekant. Wie solte die Statskunst

 

[Manuskriptseite 172]

einem Iarhunderte bekant sein, wo die Menschheit kein Eigentum hatte; wo die Macht Alles, und der Gegenstand Nichts war?

 

[Ib-11-1781-0461]
Nach so viel Vervolkomnungen, die's Alter der Natur angenommen hatte, schien nichts mer übrig zu sein, als die Sitten. Alle Zeiten kamen darin überein, daß die Gerechtigkeit, die Freundschaft, die Treue, die Dankbarkeit, die Vaterlandsliebe, die Woltätigkeit, die Mässigung Tugenden wären, die den Menschen glüklich machen. Niemals aber glaubte man, daß ihre Volkommenheit nur auf dem Nuzzen des Algemeinen beruhe, und der Friede der Geselschaft ihr höchster Endzwek sei.

 

[Ib-11-1781-0462]
Wenn man uns, mit der Feder in der Hand, Reiche teilen, ein Statssystem umkeren, und eine geweihete Geselschaft auflösen sieht: so glaubt man, sich mitten unter den Kindern der Triptolem zu befinden, welche an einem Tische beisammen sizzen, und in häuslicher Eintracht das Erbgut ihres Vaters verwalten. - Diese Begebenheiten würden unsern Vätern blutige Kriege verursacht haben. - -" Seit. 5 - 22.

 

[Ib-11-1781-0463]
2) Gedanken von der Dichtkunst des Prinzen Aloys von Gonzaga=Kastiglione.

 

[Ib-11-1781-0464]
"Ser verschieden von allen übrigen Teilen der Litteratur ist die Dichtkunst eine Begeisterung des Himmels, die nur Genie voraussezt, und öfters ihre Frücht' on' Anbau hervorbringt. Als die Künste noch gleichsam in der Wiege lagen - bereits in der ersten Dämerung des Wizzes haben die Dichter schon ienen Gipfel der Volkommenheit erreicht, der ihre Nachbarn

 

[Manuskriptseite 173]

steht stets in Verzweiflung sezzen wird. Bei allen Nazionen machte die Dichtkunst anfangs durch ihre Neuheit Eindruk. Bald hernach schmeichelte sie ihnen durch ihre Harmonie. Sie blendete sie durch ihr Kolorit: und erwarb durch ihren Ausdruk ihr Erstaunen.

 

[Ib-11-1781-0465]
Die ersten Dichter hatten den grossen Vorteil, sich iener Gegenstände zu bemächtigen, die der Poesie am interessantesten, und die fähigsten sind, durch glükliche Bilder vorgestelt zu werden. Sie liessen ihren Nachfolgern nichts übrig, als die Freiheit, diese Bilder zu kopiren, oder sie in neue Verbindungen zu bringen. Die ersten Dichter waren im Besizze der Natur: die Neuern sezten sich in den Besiz der Kunst.

 

[Ib-11-1781-0466]
Die Vorzüge der alten Dichter liegen in der Erfindung, in der Vorstellung des waren Schönen. Die Neuern schimmern durch Feinheit, durch Zierlichkeit, durch Reichtum im Kleinen. Allein da sie immer zu ser an die Konvenzionsschönheiten gebunden; immer geneigt sind, die Natur dem Eigensinne, der Geselschaft, und öfters der Phantasie der Mode, aufzuopfern: so können ihre Gedichte die Kraft nicht haben, welche aus der Warheit der Empfindung entspringt - Sie können die grosse Männer Manier der Alten nicht anders als durch eine ser mühsame und ser schwache Nachamung erreichen.

 

[Ib-11-1781-0467]
Es ist sogar zweifelhaft, ob eine Nazion, die bis zu ienem Grade verfeinert ist, daß sie geziert denkt, den guten guten Geschmak in seiner ganzen Reinigkeit, oder die schönen Künst' in ihrer natürlichen Volkommenheit, lang erhalten kan.

 

[Manuskriptseite 174]

[Ib-11-1781-0468]
Die Dichtkunst kan man als einen bezaubernden Traum der Philosophie betrachten. In der Tat hat sie's mit denselben Gegenständen zu tun, womit sich die Philosophie beschäftigt - mit Natur und dem Menschen. Allein ihr Zwek ist weniger, sie aus dem Grunde kennen zu lernen, als, um sie zu schildern und zu verschönern.

 

[Ib-11-1781-0469]
So wie die Warheit der erste Endzwek in der Philosophie ist, so ist sie das vornemste Muster der Dichtkunst. Gleichwol ist's hier nur die mögliche, eingebildete Warheit, die aller Veredlungen der Poesie fähig ist, welcher sie Bewegung, Leben und Handlung giebt.

 

[Ib-11-1781-0470]
Dieses wunderbare Vermögen ist's, wodurch die Dichtkunst nach ihrem Gefallen in der Sele bald Wallung, bald heftige Leidenschaften, bald sanfte Rürungen erregt.

 

[Ib-11-1781-0471]
Wenn die Geschicht' uns nur gar zu treue und demütigende Gemälde des gekrönten Lasters und glüklicher Verbrechen vorhält; so erhebet die Poesie, indem sie's moralische Bild des Menschen in's gemein in schmeichelhaften Farben darstelt, den Begrif von uns selbst; sie erwärmet in der Sele die Empfindung unsrer Würde, und flöst den edlen Stolz ein, welcher immer die Lust tugendhafter und empfindsamer Gemüter p war, Alles unter sich zu erblikken, die Tugend ausgenommen.

 

[Ib-11-1781-0472]
Horaz, dieser philosophische Dichter, dieser lachende Maler der Vernunft, dessen Verse vom Entusiasm eingeflöst, vom guten Geschmak diktirt, und mit dem Niedlichsten ge

 

[Manuskriptseite 175]

würzt sind, was die Urbanität angeben kan - Horaz hat die Änlichkeiten zwischen den beiden reizenden Künsten, der Poesie und Malerei, alzuwol gekant.

 

[Ib-11-1781-0473]
Seine Dichtkunstlere, dieses Meisterstük der Vernunft in Bildern, ist ein Beweis davon.

 

[Ib-11-1781-0474]
Eine Warheit, die alle gesittete Nazionen, und all' aufgeklärte Iarhunderte, erkennen werden, ist, daß iedes Gedicht, dessen Bilder nicht von der Malerei ausgedrükt werden können, nichts als nur eine abgemessene, kondenzirte Prose ist. - Sind nicht die Werke der berümtesten Maler Entwürfe, wozu sie die Ideen aus den Anlagen der grossen Dichter genommen? Zeuxis und Apelles sind, wie man weis, ihre berümtesten Werke dem Homer schuldig. Glaukus, in seinem Laokoon, Iulius Romanus, im Falle der Riesen, haben dem Virgil nachgeschildert. Michel Angelo hat sein iüngstes Gericht aus dem Dante genommen. Gerchini seinen Raub der Armide aus dem Tasso. Raphael selbst amt' in seiner ateniensischen Schule den Plato und Ariost nach.

 

[Ib-11-1781-0475]
Diese Beispiele sind hinlänglich, und von dem Vorzuge der Poesie vor der Malerei zu überzeugen. Auf die Vorstellung eines einzelnen Augenbliks eingeschränkt hat die Malerei nicht iene Gewalt über die Zeit, wie die Poesie. Vergebens weis sie vermöge der Zauberkraft ihres Pinsels bisweilen einen Begrif von der Unermeslichkeit des Raumes zu geben: sie kan doch nur, mit wie viel Kunst

 

[Manuskriptseite 176]

und Genie den Zeitpunkt, der vorhergeht, erraten, ienen aber, welcher folgt, vorempfinden lassen.

 

[Ib-11-1781-0476]
Nie kan sie mer als Eine - eine von allen, welche diese vorbereitet haben, und von allen, welche ihr folgen, abgesonderte - Handlung malen. Sie ist also desienigen Interesse, so der stufenweise Fortgang mit sich fürt, gänzlich beraubt, dahingegen ihre Schwester, die Poesie, die ganze Dauer der Zeit, die ganze Ausdenung des Raums umfasset, sich entweder eine der Gröss' ihres Gegenstandes angemessene Laufban öfnet, oder sich selbst ihre Gränzen vorschreibt.

 

[Ib-11-1781-0477]
Die Schilderungen der Dichtkunst sind eben so beweglich als harmonisch: sie lassen den Geist feine und gelerte Nüanzen empfinden, die zwar nicht in die Sine fallen, aber der Einbildungskraft ein reizendes Ganzes darstellen, von welchem alle Kunst des Malers kaum einige Seiten beschreiben kan.

 

[Ib-11-1781-0478]
Wär' es erlaubt, das physikalische Licht, so unsre Augen erleuchtet, mit dem intellektuellen Licht zu vergleichen, das undern Verstand aufklärt: so würd ich sagen, die Natur hab' uns das leztere nur mit einer Sparsamkeit zugeteilt: sie habe keinem von uns ein volles Mas von diesem einen Lichte, so wie's in seiner himlischen Quell' ist, gegönt.

 

[Ib-11-1781-0479]
Ich würd' annemen, sie habe durch ihr ökonomisches Prisma dieses Licht in eine unendliche Zal einfacher Stralen

 

[Manuskriptseite 177]

aufgelöst, und einem ieden Sterblichen nur einen dieser Stralen geschenkt. Die diesem Stral' eigentümliche Farbe behersche den Geist desselben, färb' alle seine Produkte, und bestimme den eigentümlichen Karakter seines Genies.

 

[Ib-11-1781-0480]
Auf diese Art sehen wir in beiden Künsten immerzu nichts als das Gepräge der vorzüglichen Mischung unsrer Sele - nie das vereinigte Ganze der Volkommenheit. Im Homer den Entusiasm der Komposizion, und eine ware, natürliche, erhabne und überfliessende Beredsamkeit: im Virgil eine sanfte, fliessende und zärtliche Empfindung, mit einer weichen, harmonischen und richtigen Beredsamkeit: im Dante das malerische Schrökliche: im Ariost eine erstaunenswürdige, immer unterhaltende Mannigfaltigkeit: im Krebillion die tragische Erschütterung: im Korneille die Grösse der Sentiments: im Razine den melodischen Ausdruk: im Voltaire die unnachamliche Kunst, die Philosophie gemeinsinnig zu machen.

 

[Ib-11-1781-0481]
Dies sind die karakteristischen Züg' iener grossen Dichter. Auf gleiche Weise zeichnen hohe Kentnis der Schilderungskunst, tiefe Einsicht in den Gliederbau, die hinziehende Zauberei der Farben, das Entzükkende der idealen Schönheit, die Zauberkraft der Grazien, das Feur der Leidenschaften, die Stärke der Komposizion, den Karakter eines Michel Angelo's, eines Tizian's, eines Raphael's, Korreggio's, Dominiko's und Rubens.

 

[Ib-11-1781-0482]
Immer Geschmak, immer Zierlichkeit, öfters Leichtigkeit, und allenthalben Reiz: eine Harmonie, welche die Tugend, selbst in der Gestalt der Wollust, liebenswürdig macht - mit einem Worte: der Pinsel des Albano's, mit Spielen, Scherzen und Grazien umgeben,

 

[Manuskriptseite 178]

welche einen Lorberkranz flechten, um die unschuldige Liebe zu krönen - dies ist der Karakter der Poesie. - - Seit. 259 - 266.

 

[Ib-11-1781-0483]
XVIIII.

 

[Ib-11-1781-0484]
Chronologen. Ein periodisches Werk von Wekherlin. Zweiter Band. Frankfurt und Leipzig in der Felssekker'schen Buchhandlung. 1779.

 

[Ib-11-1781-0485]
1) Wissenschaften und Krieg.

 

[Ib-11-1781-0486]
"Zu einer Zeit, wo Europa auf sechs Seiten vom Kriege bedrohet zu sein schien, war keine Furcht gerechter, als daß die Wissenschaften Waffen die Künste stören möchten. Die Menschheit hat von den Tyrannen so viel ausgestanden: sie hat so erniedrigende Perioden erlebt: die Religion hat sie so oft verlassen: daß es ihr nicht übel zu nemen ist, wenn sie ihre Zuflucht bei den sanftmütigen Künsten sucht.

 

[Ib-11-1781-0487]
Sie sind's, welche die Wunden mildern, so die Vorsicht dem menschlichen Geschlecht bisweilen schlagen läst. Sie sind Blumen, die auf den Weg des menschlichen Lebens gestreuet sind. Die berümtesten Weisen des Altertums lebten gerade zur Zeit auf, wenn die Reich' ihrem Falle nahe waren. Ein deutlicher Beweis, daß die Künste geboren sind, um die Menschen im Unglük zu trösten. Unterdessen ist nicht warscheinlich, daß die Lage von Europa iene Furcht bestätigen dürfte. Ieder Nazionalkrieg ist ein Mittel die Fähigkeiten der Völker zu entwikkeln, und die körperlichen und sitli

 

[Manuskriptseite 179]

chen Leidenschaften der Menschen zu einem nüzlichen Zwek zu erwekken. Die Völker haben ihre Einsichten blos den Kriegen zu danken, die sie unter einander gefürt haben. Und's ist ein eigner Zug im Karakter der Künste, daß sie fast insgemein mitten im Krieg' entsprungen sind, oder wenigstens vom Krieg ihr Aufnemen erhalten haben.

 

[Ib-11-1781-0488]
Das berümte Gedicht, welches das Meisterstük des menschlichen Genies aller Iarhundert' ist, entsprang aus den Flammen zu Troia. Die schönsten Stükke der Bibel, die Elegien Iesaias, und der Propheten, haben ihren Ursprung dem Unglük der Nazion zu danken. Rom und Alexandria wurden durch überwundne Völker erbauet. Der glänzendeste Zeitpunkt für die Künste zu Aten war damals, als Griechenland von innerlichen Kriegen zerrissen wurde. Die Waffen, welche die Wissenschaften unter August nach Rom begleitet hatten, begleiteten sie unter Franz II nach Frankreich, und unter Peter I nach Rusland.

 

[Ib-11-1781-0489]
So gewis ist's, daß der Krieg den Künsten günstig war, so oft er nicht von der Religion entflamt wurde.

 

[Ib-11-1781-0490]
Die Religionskriege sind die einzigen, welche die Menschheit entert haben. Sie sind's, die die unsterblichen Wunderwerke des Inkas in Amerika zerschlugen.- Die Faust des Fanatizism zerschmetterte Konstantinopel, und vergrub Rom unter den Denkmälern seiner Kunst.

 

[Ib-11-1781-0491]
Um's Schiksal der Wissenschaften mit den Revoluzionen der Politik zu vergleichen, mus man auf ihr Naturel zurükgehen. Weder Freiheit noch Ere sind die Sele der Künste. Es

 

[Manuskriptseite 180]

ist nicht warscheinlich, daß die Künst' in England, wo das erste dieser beiden Prinzipien blühet, iemals einheimisch, noch daß sie sich in Frankreich, wo das zweite herscht, iemals über das Mittelmässige erheben werden.

 

[Ib-11-1781-0492]
Aber's ist gewis, daß sie in Italien, wo keines von den beiden dieser Prinzipien Plaz hat, und wo sie nichts als eine günstige Sonne geniessen, sich ewig erhalten werden.

 

[Ib-11-1781-0493]
Umsonst spricht man, daß die Künst' ihren Karakter vom Einflus der Gesez' empfiengen. Sie selbst sind Wirkungen des Klima's. - Unstreitig ist die Religion das gröste und volkommenste unter allen Gesezzen, die von Sterblichen erfunden wurden: inzwischen hat sie den Künsten nichts genüzt. Wärend Rom seine Tempel mit den Meisterstükken der Lisipp' und der Pygmalion's ausschmükte, so sezten die ersten Christen Kreuze, Spiess' und Schwerder auf ihre Kirchen. Ein trauriger Stof für die Einbildungskraft! Wie durften die Künst' etwas von einem Lergebäud' hoffen, dessen vornemster Grundsaz auf der Verachtung der zeitlichen Dinge beruhet.

 

[Ib-11-1781-0494]
Die Künste leben also nicht von politischen Einflüssen: ihr Naturel hängt am Klima. In dieser Rüksicht kont' ihnen der Krieg, der Europa drohete keinen Nachteil bringen.

 

[Ib-11-1781-0495]
Nicht die Ruhe vor dem Geräusche der Waffen ist's, worin das glükliche Italien seit einigen Iarhunderten lebt, welche den Künsten alda ihre Heimat angewiesen hat, sondern der Himmelsstrich, eine glükliche Mischung des physischen und sitlichen Temperaments. - Was würden die Künste für Wunder getan haben, wären die Goldgruben von Mexiko und Peru in die Hände der Medizis gefallen? – –" Seit. 3 - 7.

 

[Manuskriptseite 181]

[Ib-11-1781-0496]
XX.

 

[Ib-11-1781-0497]
Iohan David Michaelis mosaisches Recht. Vierter Teil. Frankfurt am Main bei Iohan Gotl. Garbe, 1774.

 

[Ib-11-1781-0498]
1) Bemerkungen über die Beschneidung - zum Beweis, daß sie nur Naturalisazion war.

 

[Ib-11-1781-0499]
"Ieder leibeigne Knecht der Israeliten, oder vielmer der Nachkommen Abraham's muste beschnitten werden. 1 B. M. XVII, 12. 13. 27. 2 B. M. XII, 44. Ob dies geschehen solte, oder nicht, stand nicht in seiner Wilkür; auch wird nichts von seinem vorhergehen sollenden Unterricht gesagt, oder die Bedingung hinzugesezt: wenn er von der Warheit der den Israeliten geoffenbarten Religion überzeugt sei. Die Beschneidung war also nicht, was wir eine Religionsveränderung nennen, auch nicht ein Sakrament von der Art, als wir im N. T. haben, sondern bei Leibeignen blos eine politische Verpflichtung, keinem Got ausser dem einzigen, den alle Menschen erkennen, Gottesdienste zu erzeigen; und dies war onehin in Palästina bei Lebensstrafe verboten - .

 

[Ib-11-1781-0500]
Verlangt' ein Fremder ein Glied der israelitischen Kirche zu werden, und das Osterlam mit zugeniessen, so must' er sich beschneiden lassen: 2 B. M. XII, 48. Es stand also ganz in seiner Wilkür, ob er sich wolte beschneiden lassen, oder nicht; nur ward er im letztern Fal nicht nazionalisirt: ia ordentlich ward zum vorausgesezt, ein Fremder, auch denn, wenn er im Lon und Brod der Israeliten, und nur nicht ihr Leibeigner sei, solte das Osterlam nicht essen, folglich wird er als unbeschnitten bleibend angesehen. Ein Übertrit zum Glauben war also hier die Beschneidung nicht; denn den Glauben der Iuden kont' auch der Unbeschnittenen annemen, sondern sie war Naturalisazion und Entsagung des äussern Gözzendiensts.

 

[Manuskriptseite 182]

Hingegen kont' auch ein Fremder im Tempel Opfer bringen, one beschnitten zu sein: und dies folgt nicht blos aus dem Stilleschweigen Moses, und Mangel eines Verbots, sondern auch unter dem zweiten Tempel, da die Iuden noch viel strenger waren, wurden von Heiden, von eigentlichen Gözzendienern, Opfer im Tempel angenommen. Den waren Got konte vereren, und ihm Opfer bringen, wer da wolte, wenn er auch noch mer als unbeschnitten war.

 

[Ib-11-1781-0501]
Auch wer die geoffenbarte Religion der Iuden für götlich erkante, hatte nach ihr nicht die geringste Verpflichtung, sich beschneiden zu lassen: ein Saz, der so miskant worden ist, weil man sich immer die Beschneidung als ein der Taufe gleichgeltendes Sakrament vorgestelt, und on' einen einzigen Ausspruch der Bibel blos aus diesem wilkürlichen System folgert, daß seit Abraham's Zeit die Beschneidung zur ewigen Seligkeit für all' und iede nötig gewesen sei. Dieienigen Teologen, welche sich einbilden, im A.T. hätt' ieder, der selig werden, oder den einzigen waren Got vereren wolte, sich beschneiden lassen müssen: nicht auf Paullus, auch nicht auf Iosephus Seite, sondern auf Seite der neuen Sekte, die die Pharisäer selbst an Eifer übertraf und den iüdischen Stat in's gröste Verderben stürzte. -" Seit. 8 - 15.

 

[Ib-11-1781-0502]
2) Einflus der Opfer in's bürgerliche Wesen.

 

[Ib-11-1781-0503]
"Die Gastgebotsopfer wären bei weitem die gewönlichsten, und die Feier der hohen Feste bestand grossenteils in Opfermalzeiten. Blos die Fetstükken wurden auf dem Altar verbrant, und dem Priester ein Deputat gegeben; das übrige

 

[Manuskriptseite 183]

alles verzerte der Opfernde mit seinen Gästen. Bei manchen opfernden Völkern findet man, daß fast alle grössere Gastgebot' Opfermalzeiten waren und so mocht' es auch wol unter den damals armen, selten schlachten könnenden Israeliten sein, als Moses das Gesez gab, kein Rind= Schaf= und Ziegenvieh zu schlachten, das nicht zum Opfer gebracht würde. Als aber die Israeliten in ihr Land kamen, hörte dies freilich wegen der Einheit des Orts, wo geopfert werden durfte, und der Entfernung der meisten Israeliten, von ihm wieder auf; und die Gastgebote, die man zu Haus' in seiner Vaterstad gab, waren keine Opfermalzeiten. Allein an den hohen Festen solte doch ieder irgend bemittelte Israelite Opfermalzeiten anstellen, an denen Witwen, Waisen, Fremdlinge, und seine eignen Knecht' Anteil hätten: und ein ieder Israelite, der Viehzucht hatte, war im allereigentlichsten Verstande verbunden, das Fest mit solchen Gastgebotsopfern zu feiren, denn gewisse Zenten und Erstlinge von Rind= Schaf= und Ziegenvieh musten zu Opfermalzeiten angewand werden.

 

[Ib-11-1781-0504]
Diese verordneten Opfermalzeiten können uns ein ser gleichgültiges Gesez zu sein scheinen; aber für ein in Palästina wonendes Volk waren sie von der grösserer Wichtigkeit. In südlichern Ländern ist man nicht so täglich Fleisch wie bei uns: es hätt' also gar wol geschehen können, daß der Arme und der Leibeigne kein Fleisch hätte zu essen bekommen. Nun weis man aus der Arzneikunst, wie wenig blos Vegetabielien zur Erhaltung des Körpers, und zur Verstärkung seiner Kräfte beitragen. Ia in südlichen Ländern ist der Appetit derer, die kein Fleisch

 

[Manuskriptseite 184]

zu essen bekommen, eine unerträgliche Marter: es entstund sogar eine eigne Krankheit daraus, die die Araber mit dem Namen Karam bezeichneten. Wie weislich hat nicht Moses diesem Übel durch die Verordnung der Opfermalzeiten vorgebeuget? Moses wolt' auch dadurch die Einfürung ienes philosophischen Aberglaubens der Ägypter verhindern; welche nämlich das Fleischessen für eine abscheuliche Sach' erklärten, weil sie Pytagoras Selenwanderung annamen. In Ägypten zwar war das israelitische Volk von dieser Meinung rein geblieben; denn sie erinnerten sich mit grosser Lüsternheit der Fleischtöpf' in Ägyptens: allein's war zu besorgen, daß doch vielleicht diese Moral sich einmal ausbreiten möchte. – – Ein Gastmalsopfer solt' am ersten, oder höchstens am zweiten Tag ganz verzert werden, und was noch überblieb, durfte man nicht essen, sondern must' es verbrennen 3 B. M. VII, 15. 16. 17. 18. Hiedurch ward ieder genötigt, es wirklich zu Gastgeboten anzuwenden, und so viel Freunde dazu zu erbitten, daß das Opfer verzert ward: da vielleicht sonst mancher Opfernder aus Geiz oder Armut es so haushälterisch eingeteilt haben würde, daß er mit seiner Familie merere Tage davon hätt' essen können. Die Opfer solten nicht sparsame altägliche Essen, sondern wirklich nach iedes Stand' und Vermögen fröliche Gastgebote sein, bei denen der Opfernde sich selbst und andere, sonderlich Witwen, Waisen, Fremdlingen, Dürftigen, und auch seinen Knechten und Mägden gütlich tat, Freunde dazu einlud, Freundschaften stiftet' oder unterhielt, und hieran scheint dem Gesezgeber viel gelegen gewesen zu sein. – –

 

[Manuskriptseite 185]

Als eine Zugabe zu den blutigen und zu Melopfern war Wein und Öl verordnet. Und dies ist nicht von Moses one politische Absichten geschehen. Man darf sich nur erinnern, daß Ägypten an Öl und Wein Mangel hatte, und daß dies die vorzüglichsten Naturgaben von Palästina sind: daß Ägypten den Wein für ein aus dem Blute der Götterfeind' entstandenen Gift hielt, und Moses befal ihn zu opfern, und bei Opfermalzeiten zu trinken. - Weinbau hat der gröste Teil von Ägypten nicht, und kan ihn nicht haben, denn fast das ganze Land besteht aus völligen Ebnen, und der Weinbau liebt Hügel; dazu werden diese Ebnen gerad' in denen Monaten, in denen der Wein zur Reife kommen müste, vom Nil überschwemt, und sind eine Se. Moses aber fürte die Israeliten in ein Land, dessen vorzügliche Gabe der Natur der Weinwachs ist, und er unterläst auch nicht, diesen Vorzug vor dem, freilich kornreichen und brodgebenden, aber sonst eben nicht viel Wolleben verheissenden Ägypten zu rümen, wenn er seinem Volke Lust zu Eroberung des neuen Landes machen wil. So gut die ägyptische Politik wegen der Armut des Landes den Wein verrufen konte, so vernünftig war's für den Gesezgeber eines in Palästina wonen sollenden Volks, nicht allein nichts dergleichen zu tun, sondern auch vorzubeugen, daß nie der ägyptische Has des Weins seinen Bürgern in das weinreiche Land nachfolgen, und dessen grösseste natürliche Schäzz' unbrauchbar machen k möchte. – –

 

[Ib-11-1781-0505]
Zu den Melopfern wird Baumöl verordnet, damit sie zubereitet, und zu Kuchen gebakken werden solten. 2 B. M. XXVIIII, 2. 3 B. M. II, 1. 5. 7. 15. IV, 8. 14. (oder nach andern Bibeln 15. 21.) VII, 12.

 

[Manuskriptseite 186]

Von diesem Gewönen an Ölgebakkenes war die natürliche Folge: einmal, daß der Ölbaum, in dem ein so vorzüglicher Reichtum des neuen Landes der Israeliten bestand, fleissiger gebauet, und also dessen natürliche Schäzze recht genuzt wurden; und denn, daß das Volk die Lust endlich verlor, wieder nach Ägypten zurükzukeren. Daß es zur Zeit Moses noch oft mit Sensucht an Ägypten dachte, und wol gar geneigt war, in die alte Sklaverei zurük zu gehen, wissen wir aus der von Moses erzälten Geschichte: und der Hang nach diesem alten Vaterlande war so dauerhaft, daß Moses nötig gefunden hat, eine eigne Verordnung gegen alle Rükker nach Ägypten in's ewige Reichsgrundgesez für die König' einzurükken. 5 B. M. XVII, 16. Lernt' aber erst der Israelite die vorzüglichen Gaben seines neuen Vaterlands recht kennen, und hatt' er sich an Wein und Öl gewönt, so müste die Lust zu einem Land' endlich von selbst wegfallen, dem's an Öl und Wein mangelte. –" Seit. 60 - 94.

 

[Ib-11-1781-0506]
3) Woraus Muhammed seine Religion zusammengestoppelt hat?

 

[Ib-11-1781-0507]
"Muhammed predigte die natürliche Religion, so gut er sie einsahe, darin freilich ein Betrüger, daß er vorgab, Säzze, die ihn meistens die gesunde Vernunft lerte, aus götlicher Offenbarung zu wissen, und ein Entusiast, da er glaubte, ieder zum ewigen Leben Erwälter würde durch eine innere Wirkung Gottes überzeugt erleuchtet und von ihrer innern Warheit überzeugt. Die Säzze der natürlichen Religion erfand er wol nicht selbst, er nam sie auch nicht von Iuden oder Christen an, sondern folgte meistens einer Sekt'

 

[Manuskriptseite 187]

arabischer Philosophen, (Naturalisten würden wir sie nennen) die nur einen einzigen Got, und ein künftiges Leben glaubten, und bei den Arabern Hanifin, d. i. die Profanen hiessen, weil sie die Götter der Araber verläugneten, ungefär wie man auch die Christen Ateisten genant werden, weil sie nicht an die Götter der Heiden glaubten: Was nun diese philosophische Sekte wares oder falsches hatte, trug er, ihre Nazionalvorurteil' in der Sittenlere nicht ausgenommen, grossenteils in seine angebliche vom Himmel offenbarte Religion, weil's ihm als Warheit vorkam. –" S. 81 - 82.

 

[Ib-11-1781-0508]
4) Vom Sabbate der Iuden.

 

[Ib-11-1781-0509]
"Moses fand schon ein uraltes Herkommen des Volks vor sich, nach dem es den siebenten Tag feierte, und vermutlich hatten selbst die Ägypter ihm diesen Ruhetag gelassen: wenigstens beschreibt er diese Feier als von Got gleich nach der Schöpfung eingesezt, 1 B. M. II, 1 - 3. und sagt nirgends etwas davon, daß sie abgeschaft oder ausser Gebrauch gekommen sei. – Er hatt' also nicht nötig, die Art, wie der Sabbat gefeiert werden solte, weitläuftig zu beschreiben, der Sabbat der Iuden wurde nicht so gefeiret wie unser Sontag. Wir haben z. B. Predigten, in denen die Bibel erklärt wird, die nach einigen tausend Iaren, und da so viel' alte Dinge, von denen sie redet, unbekant geworden sind, einer Erklärung bedarf; allein über ein Buch, das noch neu, also iedem, der lesen kan, völlig klar sein sol, wäre wol eine überflüssige Arbeit: wenn Moses dergleichen hätte veranstalten wollen, so müst' er sich bewust gewesen sein, undeutlich geschrieben zu haben. –

 

[Ib-11-1781-0510]
Die Feier des Sabbats war ein wöchentlich abgelegtes Be

 

[Manuskriptseite 188]

kentnis, daß man den Schöpfer Himmels und der Erde, als den waren und einzigen Got annem' und verere, und hieng mit der Grundmaxime Moses, das Volk vor der Abgötterei zu bewaren, und den Dienst des einzigen Gottes zu erhalten, genau zusammen, daher auch auf vorsezliche Übertretung dieser Feier Lebensstrafen gesezt waren.

 

[Ib-11-1781-0511]
Der sogenante Sabbatsweg, d.i. daß man am Sabbat nicht weiter als 2000 Ellen von der Stad gehen sol, ist ein Zusaz der Ältesten und Pharisäer: Moses weis nichts davon. Dieser befal den Israeliten im 2. Buch K. XVI, 29. sie sollen am Sabbat zu Hause bleiben, und nicht hinausgehen, wie an andern Tagen, um Manna zu samlen. Hier rissen nun die Rabbinen, bleibet zu Hause, oder, wie's eigentlich heisset, sizt ieder auf seiner Stelle, aus dem Zusammenhange, und sagten, es sei überal verboten, des Sabbats aus dem Lager zu gehen, nachdem aber die Israeliten nicht mer in einem Lager wonten, so gelt' eben dies Verbot auch von der Stad, niemand dürft' also zur Stad hinausgehen: doch 2000. Ellen um die Stad herum gehörten zur Stad, wer also nur 2000. Ellen zur vor die Stad hinausgienge, der gienge nicht hinaus, folglich sei es erlaubt, 2000. Ellen ausserhalb der Stad hinauszugehen: und diese 2000. Ellen nanten sie den Sabbatsweg. – – –" S. 112 - 120.

 

[Ib-11-1781-0512]
5) Was heist die Redensart "sich vor dem Iehova freuen"

 

[Ib-11-1781-0513]
"Das Halten der Gastgebote nent Moses gemeiniglich in seinen Gesezzen, sich vor dem Iehova freuen, 5 B. M. XII, 7. 18. XIIII, 26. XVI, 11. 14. 15. XXVI, 11. XXVII, 7. und sezt noch wol, um die Absicht der verordneten Festopfer kentlicher zu machen,

 

[Manuskriptseite 189]

hinzu, man solle sich zwischen seiner Arbeit vor Iehova freuen, d. i. die Arbeit des übrigen Iars durch diese frölichen Malzeiten unterbrechen, und sie sich durch das Wolleben der Fest' erleichtern. Eben dies ist zu bemerken beim Ausdruk im N. T. geh' ein zu deines Hern Freude. –" S. 147.

 

[Ib-11-1781-0514]
6) Moses Absicht bei den Gesezzen der unreinen Tiere.

 

[Ib-11-1781-0515]
"Die Hauptabsicht dieser Verwandlung uralter Nazionalgewonheiten in unabänderliche Gesezze mochte wol sein, die Israeliten mer von andern Völkern abzusondern. Sie solten ein Volk für sich bleiben, in Palästina beisammen wonen, sich nicht in andre Länder zerstreuen, nicht zu vielen Umgang mit andern Völkern haben, um nicht von der Abgötterei und von den Lastern der banachbarten Völker, unter denen sich besonders die Kananiter auszeichneten, angestekt werden. Daß Moses diesen Endzwek gehabt hat, kan man leicht aus im dritten Buch Kap. XX, 25. 26. erkennen. – Zur Absonderung einer Nazion von der andern kan die Verschiedenheit der reinen und unreinen Speisen ein ser wirksames Mittel sein. Die meisten genaueren Freundschaften werden bei Tische gestiftet, und mit wem ich nie essen und trinken kan, mit dem werd' ich, ungeachtet alles Umgangs wegen Geschäfte, doch selten so familiär werden, als mit dem, dessen Gast ich bin, und der der meinige ist. Haben wir gar eine Art von Erziehungs Abscheu vor des andern Speisen, so ist dies eine neue Hindernis der nähern Vertraulichkeit. Nun hatten alle Nazionen Nachbaren der Israeliten Speisen, die den Israeliten von Iugend auf verboten waren. Die Ägypter giengen am meisten von ihnen ab, denn sie hatten selbst schon von undenklichen

 

[Manuskriptseite 190]

Zeiten eine noch härtere Art von Nazionalspeisegesezzen, die sie weit stärker vom Umgang mit Ausländern abhielten. Was die Israeliten assen, waren zum Teil bei ihnen zwar nicht unreine, aber doch heilige Tiere, einer Gotheit so geweiht, daß man sie nicht schlachten durfte, oder man muste gar nach der ägyptischen Lere von der Selenwanderung befürchten, seine eigne Vorfaren zu fressen, wenn man's Fleisch solcher Tiere genossen hätte, in welche die besten menschlichen Selen zu faren pflegten. – – Man könte sogar vermuten, daß Moses etwas von der gesezgebenden Klugheit der Ägypter geborgt, und, um die Absonderung beider Nazionen zu verewigen, bei den Israeliten zum Gesez gemacht habe, was vorhin nur väterliche Sitte war.

 

[Ib-11-1781-0516]
Die Kananiter, oder wie sie griechisch heissen, Phönizier, assen nicht blos solche von Moses verbotene Speisen, als wir zu essen pflegen, sondern auch andre, unter denen uns Hunde bekant sind. – Zwischen den Israeliten und Arabern war freilich der Unterschied wegen der nahen Verwandschaft beider Völker am geringsten: aber dennoch genug, dem genauen Umgang beider Völker ein Hindernis in den Weg zu legen. Das Kamel ist nicht nur der grösseste Reichtum der Araber, sondern auch eines ihrer Hauptessen: Hasen sind die gewönliche Speise der Araber – und eben so die arabische Bergmaus Iarbo: alle drei aber waren den Israeliten verboten. – Es können überdies noch diätetische Absichten bei einzelnen Tieren eingetreten sein z. B. beim Verbot des Schweinefleisches, weil es des Aussazzes empfänglich macht. –" Seit. 185 - 198.

 

[Manuskriptseite 191]

[Ib-11-1781-0517]
XXI.

 

[Ib-11-1781-0518]
Karakteristik der Bibel von August Herman Niemaier. Vierter Teil. Halle, bei Iohan Iakob Gebauer, 1779.

 

[Ib-11-1781-0519]
1) Einige Bemerkungen.

 

[Ib-11-1781-0520]
"Der Mensch hält auf keine Gesezze mer, als die er sich selbst selbst ausgesonnen hat, und ist bei keinen Vergehungen ängstlicher, als die im Grunde blos Vergehungen gegen seinen Eigenwillen sind. –" Seit. 89.

 

[Ib-11-1781-0521]
"Wenn unsre harten Urteile, über Güte und Nichtgüte der Handlungen, keinen andern Schaden hätten, als daß der feinere Beobachter uns Unbestimtheit und Mangel an Präzision vorwerfen könte, so möcht' es noch darum sein. Aber wenn die Ursache, daß durch unser Moralisiren, Predigen u. s. w. so wenig eigentliche Übertreibung hervorgebracht wird, daß wir die Schädlichkeit und Verwerflichkeit gewisser Handlungen so wenig anschaulich machen können, endlich daß in unsern Lobsprüchen gewisser Tugenden so viel Übertriebnes ist – wenn die Ursach von dem allen zum Teil darin liegt, daß wir fast bei ieder Handlung nur eine Triebfeder sehen - wollen? oder können? – folglich mit der Warheit, daß zu ieder Wirkung gemeiniglich eine ganze Reihe von Ursachen konkurrire, und's beinahe keine Handlung gebe, zu der nicht gute und minder gute Motive zusammen, den Menschen bestimten, ganz unbekant sind – so wird die Sache gewis wichtiger. Dadurch, daß wir manchem so ganz schlimme Absichten schuldgegeben haben, deren er sich nicht bewust war, sind viele dieser harten Moral abgeneigt, und dadurch daß wir ser mittelmässi

 

[Manuskriptseite 192]

ge Handlungen, deren ware Motiv' andre vielleicht besser als wir kanten, so uneingeschränkt erhoben haben, viele zu Ungläubigen an der Tugend geworden." Seit. 197.

 

[Ib-11-1781-0522]
XXII.

 

[Ib-11-1781-0523]
Unveränderte Fragment' aus dem Tagebuch' eines Beobachters seiner Selbst; oder des Tagebuches zweiter Teil, nebst einem Schreiben an den Herausgeber desselben. Leipzig, bei Weidman's Erben und Reich. 1773.

 

[Ib-11-1781-0524]
1) Bemerkung über die Traurigkeit.

 

[Ib-11-1781-0525]
"Man kan wirklich bisweilen durch Trostgründe, die nicht genau treffen, den Kummer nur unüberwindlicher machen. Wer traurig ist, nämlich über ein geschenes, gewisses Übel, welches nicht mer zu ändern ist; der wil eigentlich nicht getröstet sein; versinken in Traurigkeit ist seine Wollust. Ieder direkte Versuch, ihn dieser wollüstigen Trauer zu entreissen, ist gleichsam eine Art von Gewalttätigkeit, gegen die sich seine ganze Sel' empört. –" S. 30.

 

[Ib-11-1781-0526]
2) Von der Geselschaft, die Kindern nüzlich ist – von den Lügen, welche sie sagen.

 

[Ib-11-1781-0527]
"Einzelne Unarten und Feler, die's Kind von der Geselschaft anderer nach Hause bringen wird, und die gemeiniglich gleich bei ihrer Entstehung, oder bald hernach zu

 

[Manuskriptseite 193]

merken sind, lassen sich viel leichter von einem male zum andern, da sie wargenommen werden, heben, als die furchtbare Wendung eines ganzen Karakters zur Menschenfeindlichkeit, übler Laun', und schalkhafter Grillenfängerei. Überdas däucht mir, solte das nicht vergessen werden, das ein beständiges Augenmerk aller sein, die von der Erziehung schreiben, und sich mit der Erziehung abgeben, gleich wie's überhaupt das beständige Augenmerk aller Prediger, aller moralischen Schriftsteller sein solte: wir müssen einmal die Welt nemen, wie sie ist. Wir können die Ordnung und Einrichtung derselben nicht ändern; die Umständ' und Verbindungen, in welchen wir uns befinden, mögen gut oder schlecht sein; sie sind allemal so, wie sie sind. Es ist also Torheit, sie ändern zu wollen; und wenn man sie nicht ändern kan, sich davon abzusondern und loszureissen. Man mus also Menschen und Kinder gewönen, in derienigen Welt, in denen Umständen weise zu sein, und recht zu tun, die nun einmal nicht zuu ändern sind; man mus also die Kinder nicht nur gewönen, allein und zu Hause zam und tugendhaft zu sein; nicht glauben, daß man sie weislich erziehen, wenn man sie immer von der Geselschaft und dem Lärme der Kinder abgesondert hält. Sie müssen lernen und sich üben, unter schlimmen gut zu sein, weil's unmöglich ist, daß sie nicht unter schlimme geraten. Sie müssen, wenn sie weise und glüklich sein sollen, eine eigne, von aller gesezgebenden Aufsicht freie und unabhängige moralische Festig

 

[Manuskriptseite 194]

keit und Selbstständigkeit haben; diese aber kan ihnen keine Art von künstlicher Erziehung geben. "Seit. 26 - 27.

 

[Ib-11-1781-0528]
"Kinder werden gewis nicht anders als aus Furcht vor der Strafe lügen. Lieber die Strafe geschenkt, welche sie vielleicht zu einer Lüge bringen könte; als sie der alzustarken Versuchung Preis gegeben. Ich besorg' auch gar nicht, daß die Kinder deswegen schlim werden. Man trift sie immer noch genug bei Übertretungen an, wo man den traurigen Anlas hat, die Drohungen zu volziehen, und sie also wirksam zu machen." S. 119.

 

[Ib-11-1781-0529]
XXIII.

 

[Ib-11-1781-0530]
Anhang zu dem fünfundzwanzigsten bis sechs und dreissigsten Bande der algemeinen deutschen Bibliothek. Fünfte Abteilung.

 

[Ib-11-1781-0531]
1) Warscheinliche Vermutung, warum Moses in seinen Schriften der Unsterblichkeit der Sele nicht erwänt.

 

[Ib-11-1781-0532]
"Die Vermischung eines mannigfaltigen Aberglaubens mit der Unsterblichkeitslere, und der Misbrauch derselben zur Abgötterei, (indem man früh anfieng, den Selen der Verstorbnen eine religiöse Vererung zu erweisen) war die hauptsächliche Ursache, warum Mose derselben nicht erwäne – Er muste nämlich besorgen, daß die Misdeutung und der Misbrauch derselben zum Aberglauben und zur Vielgötterei unvermeidlich sein würde, wenn er sich darüber deutlich und entscheidend ausge

 

[Manuskriptseite 195]

lassen hätte, und daß wenigstens nach der damaligen Beschaffenheit dieser Lere, nach den rohen Begriffen und der ganzen Denkungsart seines Volks, der Misbrauch und Schaden dieser Meinung, wenn sie feierlich festgesezt und autorisirt wäre, weit warscheinlicher und grösser sein würde, als der rechte Gebrauch und Nuzzen. Und also bedient' er sich derselben nicht nur nicht, sondern übergeht sie, so wie die Lere von Engeln und Mittelgeistern, mit geflissentlichen und weisen Stilschweigen. Solte sich die Sach also verhalten, so ist in der Tat eine ser merkwürdige Revoluzion in den menschlichen Köpfen in Absicht auf die wichtigsten Religionsbegriffe vorgegangen. In den ältesten Zeiten nämlich, scheint der Glaub' eines Lebens nach dem Tode so wenig mit dem Glauben an die Gotheit zusammengehangen zu haben, daß er zur Entstehung und Erhaltung der Religion ganz entberlich war. Es waren blos zeitliche Angelegenheiten, wozu man sich den Beistand und den Rat der Götter erbat. Bei'm Gefül seiner Unmacht seiner Abhängigkeit von äussern Gegenständen, seiner Unwissenheit in Absicht dessen, was ihm in diesem Leben bevorstand, der einzigen Zukunft, die ihn interessirte, nam der Hülfs und Ratsbedürftige Mensch seine Zuflucht zu ienen unsichtbaren, verständigern und mächtigern Wesen, womit er die ganze Natur und alle Teile der Welt auf eben die Art belebt glaubte, wie sein Körper von einem Geiste belebt war; ihnen traut' er's zu, daß sie ihn aus einer gegenwärtigen Not und Gefar erretten, oder in Ansehung

 

[Manuskriptseite 196]

der dunkeln und schrekhaften Zukunft Rat erteilen könten, wenn er sie sich zu Freunden gemacht. Dies scheint's eigentlich gewesen zu sein, was ihn bewegte, Götter zu glauben, und sich an sie zu wenden. Selbst Mose, dessen Religionssystem so vorzüglich rein und vom Aberglauben frei war, der's dem commun sense der damaligen Zeiten zum Trozze wagte, die Vielgötterei, und ieden dazu nähernden Aberglauben seinen Israeliten zu verbieten, und auf alle Weis' unmöglich zu machen; selbst Mose fand nötig, um seinen Zwek einigermassen zu erreichen, die Unsterblichkeitsler' aus seinen Religionssäzzen auszuschliessen, und diesselbe seinem Volk' aus dem Gesicht zu rükken. – Und in neuern Zeiten behauptet man fast durchgehends, daß die Lere von der Unsterblichkeit der Sel' und einem zukünftigen Leben, ein so wichtiger und wesentlicher Religionsartikel sei, daß one den Glauben an dieselbe weder eigentliche Religion noch ware Tugend bestehen könne. Wodurch ist diese Veränderung bewirkt! –" Seit. 2608 - 2609.

 

[Ib-11-1781-0533]
2) Vom heiligen Geiste.

 

[Ib-11-1781-0534]
"Wir sind freilich auf den Namen des h. Geistes getauft, oder zur Vererung desselben verpflichtet; aber können das nicht die Wunder und Lere der Apostel sein? Was ist denn der h. Geist anders nach der Idee unsers Erlösers, wenn er sagt zu den Aposteln: Nemt hin den heiligen Geist, und wenn er ihnen den heiligen Geist am Pfingstfest verspricht, und wirklich

 

[Manuskriptseite 197]

sie dessen teilhaftig macht. Ein Fürst lies seine Untertanen schwören, daß sie ihm, seinem Stathalter und den Landesgesezzen Gehorsam leisten solten. Hier sind auch drei neben einander gesezt: aber sind sie alle drei Personen, und alle drei einander gleich? –" Seit. 2661.

 

[Ib-11-1781-0535]
3)

 

[Ib-11-1781-0536]
Die Abenddämmerung.
"Reizend Mittelding von Nacht und Tage,
das mit mildem Licht die Fluren dekt;
und des liebekranken Schäfers Klage
und des Mädgens wärmste Wünsche wekt!
Wenn noch wenig bleiche Sterngen glimmen,
und in Westen Rosenwolken glü'n,
Wolgerüche durch die Lüfte schwimmen,
und im Tal die Nachtviolen blüh'n;
dan befärt mit ihren leichten Schwänen
Zypria dies dämmernde Revier:
Wünsche wachen auf, mit heissem Senen
fleht sein Glük' der Zärtliche von ihr.
Heil dem Hirt, dem dan mit rötern Wangen
seine Daphne an den Busen sinkt;
dessen Glük die Dämm'rung angefangen,
und die schönste Nacht zur Reife bringt."

S. 3001.

 

[Ib-11-1781-0537]
4) Die Befruchtung der Pflanzen.

 

[Ib-11-1781-0538]
"Die Staubgefässe, (Staubbeutel, Antherae) sind in der Knospe beinahe durchsichtig, und mit der noch ungebildeten Samenmaterie, die gallertartig ist, angefült. Diese wird durch die von aussen eindringende Feuchtigkeit, (bei'm Aufbrechen der Knospe,)

 

[Manuskriptseite 198]

die eine Art von Gärung wirkt, aus einander gesezt, und zur Bildung der Staubkörner (des Blumenstaubes, Pollen.) vorbereitet. Alsdenn schwimt und gerint sie wie Fet in dem unter'm Mikroskop ihr zugesezten Wasser. Es bildet sich indes die elastische gefärbte Haut des Staubes, innerhalb welcher durch den Einflus des Lichts und der Luft nun die innere Materie desselben zu Samenkeimgen aus einander gesezt wird, und diese werden, bei der Reife des Staubs auf's Wärzgen des Stämpfels geschnelt, von dessen hervorragenden Har= oder Keimrörgen sie angezogen und verschlukt werden. Die Röre des Stämpfels aber (Griffel, Stylus) hat keine unmittelbare Gemeinschaft mit den Eiern, ist also nicht zum Eingange des Staubs, sondern zur Ausdünstung und zum Durchgange der Luft bestimt. Das Samenkeimgen wird durch iene Rörgen, vermittelst der anziehenden Kraft der Muttersäft' in's Ei gebracht. –" Seit. 3063. 199] für folgenden Text wurde eine neue Seite angefangen von fremder Hand am oberen Seitenrand: [vgl. den Band in Fasz. 25a, S. 157]

 

[Manuskriptseite 199]

[Ib-11-1781-0539]
Einzelne Anmerkungen, Sentenzen, und auffallende Ausdrükke, aus verschiedenen Schriftstellern gesamlet.

 

[Ib-11-1781-0540]
x x

 

[Ib-11-1781-0541]

x x

 

[Ib-11-1781-0542]
] Die Trennungs-Sternchen och durch ein adäquates Zeichen ersetzen! MIWI Berlin 2006

x x x x x x] Abtrennung der einzelnen Einträge durch Kreuzchenmuster (Seite scannen); im Folgenden einfach mit "x" angegeben

 

[Ib-11-1781-0543]
Langsam zeichnet ein unsichtbarer Grabstichel auf die Wangen des Wollüstlings die Vorboten seiner Verzweiflung. [Oekel?] [Oekel?]] von fremdern Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0544]
x

 

[Ib-11-1781-0545]
Die dankbaren Tränen auf den Wangen des erquikten Elends, lonen mer als das vergeudete Lob des Haufens. [Niemaier] [Niemaier]] von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0546]
x

 

[Ib-11-1781-0547]
Sich an seinem Feinde rächen heist, die Vergehen anderer an sich selbst bestrafen.

 

[Ib-11-1781-0548]
x

 

[Ib-11-1781-0549]
Von Männern, die auf einem grossen Schauplaz zu wirken bestimt sind, zeichnet man nur das auf, was sie am grösten, und nicht, was sie am kentlichsten macht. [Niemaier] [Niemaier]] von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0550]
x

 

[Ib-11-1781-0551]
Die Widerwärtigkeiten, die man mit kaltem Blut' erträgt, dienen sich selbst zum Schilde. Die nämliche Erde, welche die Tora a) Eine giftige Pflanze. erzeugt, bringt auch immer ganz nahe dabei die Antitora b) Pflanze von den Genuesisch=Piemontesischen Gebürgen; ein gutes Gegengift. hervor. Allein man sieht nur den Gift, der hinrichtet, one den zu bemerken, der wieder herstelt.

 

[Manuskriptseite 200]

[Ib-11-1781-0552]
x

 

[Ib-11-1781-0553]
x] Seite scannen

Rede selten vor Idioten von Regeln und Grundsäzzen, sondern handle, wie's die Regeln und Grundsäzz' erheischen. Z. B. bei einer Malzeit predige nicht, wie man essen sol; sondern is, wie man sol. Erinnere dich, daß Sokrat gerad' auf diese Weise von aller Eitelkeit entfernt war – die Schafe zeigen dem Hirten nicht vor, wie viel sie gefressen haben; sondern verdauen nur inwendig ihr Futter, und geben dan äusserlich Woll' und Milch. [Epiktet] [Epiktet]]von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0554]
x

 

[Ib-11-1781-0555]
Man lächelt darüber, wenn man von den Ägyptern liest, daß sie ihre Könige blos auf den Kalender haben schwören lassen – Aber man wird aufhören, sich zu wundern, wenn man weis, daß Kalender bei den Ägyptern nicht das war, was er bei uns ist. Bei ihnen war er Urkunde der Religion, erste Einrichtung von der Gesezgebung, Religionspflege – er war Alles. Ein König, der ihn beschwur, beschwur ursprüngliche Religion, Gesezze, Sitten, Freiheit, Landesverfassung – alles. [Herder]. [Herder].]von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0556]
x

 

[Ib-11-1781-0557]
Das drei und zwanzigste Kapitel der ersten Buchs Mose ist so von der übrigen Schreibart Mose unterschieden und so solen, so iuristisch eingerichtet, daß es beinah' ein Kaufbrief zu sein scheint. [Michaelis] [Michaelis]]von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0558]
x

 

[Ib-11-1781-0559]
Eingebildete Leiden verdienen oft eben so viel Mitleid als ware.

 

[Manuskriptseite 201]

[Ib-11-1781-0560]
x

 

[Ib-11-1781-0561]
Die Iuden lebten in Polygamie. Gleichwol verbot Mose den Israeliten, viel Weiber zu haben. – Dies ist so zu erklären. Moses wil daß sich ieder nicht mer als vier Weiber nemen sol. Was über diese Zal hinausgeht, nent er viel. Dies erlaubt ebenfals Muhammed, der in allen Stükken dem alten arabischen Herkommen zu folgen pflegt. Auch war dies Sitte bei den Patriarchen. [Michaelis] [Michaelis]] von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0562]
x

 

[Ib-11-1781-0563]
Unsre Konsistorien scheiden Eheleute nur in denen Fällen, in welchen Christus es erlaubt. In andern aber, wo Moses die Ehescheidung wegen der Herzenshärtigkeit der Iuden zwar erlaubt, Christus sie aber wieder aufhebt – trent man nicht. Wie! könte man nicht noch in merern Fällen scheiden, selbst da, wo's Christus nicht erlaubt hat? Sahe Moses der Herzenshärtigkeit der Iuden so viel nach; könte man nicht dies auch der Herzenshärtigkeit der Christen tun? War's bei den Iuden nicht Sünde; so wird es eben so wenig bei uns sein. [Michaelis] [Michaelis]]von fremder Hand, s.o.

 

[Ib-11-1781-0564]
x

 

[Ib-11-1781-0565]
Wenn die Hermaphroditen der Irtum der Natur sind, so sind die Kastraten die Satyre derselben.

 

[Ib-11-1781-0566]
x

 

[Ib-11-1781-0567]
Got kan nie sein Geschöpf hassen: nur das hasset er, wodurch es verunstaltet wird – das moralische Böse.

 

[Manuskriptseite 202]

[Ib-11-1781-0568]
x

 

[Ib-11-1781-0569]
Luther hat's alte Testament besser übersezt als das neue.

 

[Ib-11-1781-0570]
x

 

[Ib-11-1781-0571]
Lessing's Tod.
Wenn du mir alle Warheiten, ew'ger Got,
in deiner Rechten eingeschlossen bötst,
und in der linken Hand den regen Trieb,
der Warheit unverdrossen nachzugehn,
(Gesezt, ich gienge lebenslang bei ihr
vorüber) und du sprächst: Nim! so fiel'
ich dir mit Demut in die linke Hand
und sagte: Vater gieb! Das reine Licht
der Warheit ist ia doch für dich allein.
So sprach er *) Lessing's Duplik Seit. 11., warlich weise: denn er sah,
wie gros sein Got, wie klein er selber war.
Die ew'ge Warheit aber sprach: Du irst.
Die reine Warheit ist für mich: doch die,
die so wie du sie suchen, finden sie
bei mir; und dich zu überfüren, kom! –

x

 

[Ib-11-1781-0572]
So wie wir eigentlich kein Ding nach seinem Wesen, sondern nur blos nach seinen Verhältnissen

 

[Manuskriptseite 203]

gegen uns kennen, so wissen wir auch nicht sowol, was Got an und für sich selbst ist, als was er in Ansehung unserer ist.

 

[Ib-11-1781-0573]
x

 

[Ib-11-1781-0574]
x] Seite scannen

Ie eingeschränkter der Verstand ist, desto ausschliessender die Grundsäzze.

 

[Ib-11-1781-0575]
x

 

[Ib-11-1781-0576]
Kinder des Lichts heissen nach einem Hebraism nicht Wiedergeborne, sondern solche Menschen, denen die götliche Offenbarung bekant gemacht worden ist 1 Tess. 5, 5.

 

[Ib-11-1781-0577]
x

 

[Ib-11-1781-0578]
Raubt nicht das Übel, das dem Menschen die Kräfte wegzert, ihm auch zugleich den Mut, sich davon zu befreien? –

 

[Manuskriptseite 204]

[Ib-11-1781-0579]
Verzeichnis der neuen Schriften.

 

[Ib-11-1781-0580]
I. I. D. Michaelis mosaisches Recht. Fünfter Teil. Seit. 1

 

[Ib-11-1781-0581]
II. I. D. Michaelis mosaisches Recht. Sechster Teil. 6

 

[Ib-11-1781-0582]
III. I. D. Michaelis mosaisches Recht. Erster Teil. Zweite vermerte Auflage. 9

 

[Ib-11-1781-0583]
IIII. I. D. Michaelis Einleitung in die götlichen Schriften des neuen Bundes. 20.

 

[Ib-11-1781-0584]
V. Isaak Iselin über die Geschichte der Menschheit. Erster Band. Vierte und verbesserte Auflage. 29

 

[Ib-11-1781-0585]
VI. Deutsche Chrestomatie für Iünglinge zur Bildung des Herzens und des Geschmakkes. 39

 

[Ib-11-1781-0586]
VII. D. Ioh. Salomo Semler's Abhandlung von freier Untersuchung des Kanon's. Erster Teil. 51.

 

[Ib-11-1781-0587]
VIIII VIIII] Zählfehler JP D. Ioh. Salomo Semler's Abhandlung von freier Untersuchung des Kanon's. Zweiter Teil. 67.

 

[Ib-11-1781-0588]
VIIII. Isaak Iselin über die Geschichte der Menschheit. Zweiter Band. Vierte und verbesserte Auflage. 71.

 

[Ib-11-1781-0589]
X. Über die Sitlichkeit der Wollust von E. F. Okkel. 76.

 

[Manuskriptseite 205]

[Ib-11-1781-0590]
XI. Niemaier's Karakteristik der Bibel. Erster Teil. Seit. 85.

 

[Ib-11-1781-0591]
XII. Herder's älteste Urkunde des Menschengeschlechts. Erster Teil. 100.

 

[Ib-11-1781-0592]
XIII. Niemaier's Karakteristik der Bibel. Zweiter Teil. Seit 115.

 

[Ib-11-1781-0593]
XIIII. Chronologen. Ein periodisches werk von Wekherlin. Erster Band. 136. 163.

 

[Ib-11-1781-0594]
XV. Von dem Reiche Gottes. Ein Versuch über den Plan der götlichen Anstalten und Offenbarungen – von Hes. Zweite Hälfte. 139.

 

[Ib-11-1781-0595]
XVI. A. H. Niemeier's Karakteristik der Bibel. Dritter Teil. 142.

 

[Ib-11-1781-0596]
XVII. I. D. Michaelis mosaisches Recht. Zweiter Teil. 148.

 

[Ib-11-1781-0597]
XVIII. I. D. Michaelis mosaisches Recht. Dritter Teil. 153.

 

[Ib-11-1781-0598]
XVIIII. Chronologen. Ein periodisches Werk von Wekherlin. Zweiter Band. 178.

 

[Ib-11-1781-0599]
XX. I. D. Michaelis mosaisches Recht. Vierter Teil. 181.

 

[Manuskriptseite 206]

[Ib-11-1781-0600]
XXI. A. H. Niemeier's Karakteristik der Bibel. Vierter Teil. Seit. 191.

 

[Ib-11-1781-0601]
XXII. Unveränderte Fragment' aus dem Tagebuch' eines Beobachters seiner Selbst. Zweiter Teil. 192.

 

[Ib-11-1781-0602]
XXIII. Anhang zum fünf und zwanzigsten bis sechs und dreissigsten Bande der algemeinen deutschen Bibliotek. Fünfte Abteilung. 194.

 

[Manuskriptseite 207]

[Ib-11-1781-0603]
Verzeichnis der exzerpirten Sachen

 

[Ib-11-1781-0604]
1) Von den Lebensstrafen der Israeliten – und den Volziehern derselben – – - - - - Seit. 1.

 

[Ib-11-1781-0605]
2) Von der Abgötterei, in Rüksicht der Iüden - - - 4.

 

[Ib-11-1781-0606]
3) Vom Selbstmorde - - - - - - - - 6.

 

[Ib-11-1781-0607]
4) Vom fünften und vierten Gebot - - - - - 7.

 

[Ib-11-1781-0608]
5) Von der Bergpredigt Iesu - - - - - - - - 8.

 

[Ib-11-1781-0609]
6) Vom Worte ???? - - - - - - - - 8.

 

[Ib-11-1781-0610]
7) Mose Gesezze sind teils nomadisch teils ägyptisch - - - - - - - - - - 9.

 

[Ib-11-1781-0611]
8) Gränzen zwischen Sittenler' und Statsklugheit 10.

 

[Ib-11-1781-0612]
9) Mose verbindet die Religion mit gewissen politisch nötigen Gesezzen – nach Art der Ägypter - - - - - - 10.

 

[Ib-11-1781-0613]
10) Was bei den Israeliten hinauf und hinabgehen hies - - - - - - - - 11.

 

[Ib-11-1781-0614]
11) Wie Moses seine Gesezze wider die Abgötterei einrichtet. - - - - - - - - - 11.

 

[Ib-11-1781-0615]
12) Von den Leviten – der gewönliche Begrif, den man sich von ihnen macht, ist falsch - - - - - 15.

 

[Ib-11-1781-0616]
13) Vom Könige der Israeliten - - - - - 19.

 

[Manuskriptseite 208]

[Ib-11-1781-0617]
14) Hebraismen und Syriasmen sind im N. T. anzutreffen. Seit. 20.

 

[Ib-11-1781-0618]
15) Eine Quelle falscher Lesarten - - - - - 21.

 

[Ib-11-1781-0619]
16) Was ?????? und ?????? sind. - - - - - 21

 

[Ib-11-1781-0620]
17) Warum Christus seinen Iüngern die Füsse wusch - - - - - - - - 22.

 

[Ib-11-1781-0621]
18) Die Unächtheit der Stelle 1 Ioh. V, 7. erwiesen - 23.

 

[Ib-11-1781-0622]
19) Gesunder Verstand, Einfalt, Narheit, Weisheit 29.

 

[Ib-11-1781-0623]
20) Immer reger Erweiterungstrieb - - - - - 30.

 

[Ib-11-1781-0624]
21) Der Widerspruch zwischen unsrer Teorie und Praxis - - - - - - - - 31.

 

[Ib-11-1781-0625]
22) Vom Ursprunge der ausschweifenden Karaktere - - - - - - - 31.

 

[Ib-11-1781-0626]
23) Die Glükseligkeit steigt nach dem Grad' unsrer erweiterten Denkenssphäre - - - - - - 34.

 

[Ib-11-1781-0627]
24) Wie die Idee des Eigentums entsteht - 35.

 

[Ib-11-1781-0628]
25) Von den Ausschweifungen vortreflicher Menschen der Genie's - - - - - - - - - 36.

 

[Ib-11-1781-0629]
26) Der Einflus der Narung der Wilden auf ihre Gemütsart - - - - - - - - - - 37.

 

[Ib-11-1781-0630]
27) Die Ursache der Trägheit der nordischen und morgenländischen Völker - - - - - - - 38.

 

[Manuskriptseite 209]

[Ib-11-1781-0631]
28) Nicht iedes Land trägt gleich viel zur Ausbildung des Menschen bei - - - - - - Seit 38.

 

[Ib-11-1781-0632]
29) Der Wilde! - - - - - - - - - 39.

 

[Ib-11-1781-0633]
30) Gefül bei einem Manne, bei dem man's nicht suchen solte - - - - - - - - - 40.

 

[Ib-11-1781-0634]
31) Lied eines Greisen im Herbst – von Gesner 41.

 

[Ib-11-1781-0635]
32) Damon, Daphne – von Gesner - - - - - 42.

 

[Ib-11-1781-0636]
33) Auf einer Reise bei Friedberg über's Schlachtfeld - - - - - - - - 44.

 

[Ib-11-1781-0637]
34) Aus dem Messias vom Klopstok die Hölle 45.

 

[Ib-11-1781-0638]
35) Die bösen Könige vor Gericht – aus dem Messias - - - - - - - - - 46.

 

[Ib-11-1781-0639]
37) 37] Zählfehler JPWas heißt Kanon und kanonische Bücher 51.

 

[Ib-11-1781-0640]
38) Das A. T. ist blos für Iuden - - - - 54.

 

[Ib-11-1781-0641]
39) Auch andre Völker haben eine solche Offenbarung Gottes gehabt, deren sich die Iuden rümen - - 57.

 

[Ib-11-1781-0642]
40) Von den prophetischen Büchern des alten Testaments - - - - - - - - 57.

 

[Ib-11-1781-0643]
41) Neue Ursache, warum die Christen alle Bücher des Alten Testaments, von den Iuden sogleich als götlich angenommen haben - - - - - 60.

 

[Manuskriptseite 210]

[Ib-11-1781-0644]
42) Daraus daß Christus und seine Apostel Stellen aus machen Büchern A. T. anfüren, folgt noch nicht daß sie götlich sind - - - - - 61.

 

[Ib-11-1781-0645]
43) Von den Evangelisten - - - - - - - 62.

 

[Ib-11-1781-0646]
44) Von den Kentnissen der Apostel und der ersten Kirche - - - - - - - 63.

 

[Ib-11-1781-0647]
45) Von denen Alten, welche die Apokalyps verworfen haben - - - - - - - - 65.

 

[Ib-11-1781-0648]
46) Widerlegung des Sazzes "es komt bei auf's Zeugnis der ältern Kirche viel an, bei der Frage, ob ein Buch der Kirche von den Aposteln als götlich übergeben worden sei" - - - - - 65.

 

[Ib-11-1781-0649]
47) Von der Einschiebung des ??? in der Stelle 2 Tim. 3, 16. - - - - - - - 67.

 

[Ib-11-1781-0650]
48) Aus der Erhaltung der Schriften des A. und N. T. einen Beweis für ihre Götlichkeit zu suchen – ist ungegründet - - - - - - - - 69.

 

[Ib-11-1781-0651]
49) Vom Petrus - - - - - - - - - 69.

 

[Ib-11-1781-0652]
50) Propheten sind Statssekretaire gewesen - - 70.

 

[Manuskriptseite 211]

[Ib-11-1781-0653]
51) Von den vier Evangelisten - - - - - - - Seit. 70.

 

[Ib-11-1781-0654]
52) Von den Saduzzäern - - - - - - - - 71.

 

[Ib-11-1781-0655]
53) Neue Ursache der Vielgötterei - - - - - - 71.

 

[Ib-11-1781-0656]
54) Warum Landesverweisung bei den Alten als die härteste Straf' angesehen ward - - 72.

 

[Ib-11-1781-0657]
55) Vom Despotism - - - - - - - 73.

 

[Ib-11-1781-0658]
56) Von der Erfurcht gegen die alten Leute bei ganzen Völkern - - - - - - 73.

 

[Ib-11-1781-0659]
57) Eine ware Antitese - - - - - - 74.

 

[Ib-11-1781-0660]
58) Von der wolfianischen Sekte - - - - - - 74.

 

[Ib-11-1781-0661]
59) Iedes Gute hat gute Folgen und iedes Böse zerstört sich selbst. - - - - - - - 75.

 

[Ib-11-1781-0662]
60) Zum Vergnügen sind wir Menschen geschaffen 76.

 

[Ib-11-1781-0663]
61) Der wollüstige, sich selbst hinrichtende Iüngling 77.

 

[Ib-11-1781-0664]
62) Von dem Werte der sinlichen Vergnügungen - - - - - - - - - 78.

 

[Ib-11-1781-0665]
63) Schön, gut und war ist dasselbe Ding – nur aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet - - - - - - - - 78

 

[Manuskriptseite 212]

[Ib-11-1781-0666]
64) Die Schönheit ist nicht die Maske des Lasters - und des Bösen – aber wol die Verkünderin der Tugend und des Guten - - - - - - Seit. 78.

 

[Ib-11-1781-0667]
65) Verwandschaft der Poesie und der Malerei - - 80.

 

[Ib-11-1781-0668]
66) Wie die Musik die Leidenschaften zu erwekken fähig ist - - - - - - - - - - 80.

 

[Ib-11-1781-0669]
67) Warum wir nicht mit den entusiastischen Gefülen der Alten von Heldenfreundschaft, sympatisiren können - - - - - - - - 82.

 

[Ib-11-1781-0670]
68) Über Sympatie – von Schmid - - - - - - 83.

 

[Ib-11-1781-0671]
69) Vom Schmerze, in Rüksicht der Temperamente, die ihn erfaren - - - - - - - 85.

 

[Ib-11-1781-0672]
70) Vom Hasse der Iuden gegen die Samariter 85.

 

[Ib-11-1781-0673]
71) Thomas vom Unglauben gerettet - dessen man ihn gemeiniglich beschuldigt - - - - 85.

 

[Ib-11-1781-0674]
72) Rechtfertigung Paullus, wenn er mit dem Iuden so behutsam und nachgebend umgehet - - - - - - - - - 87.

 

[Ib-11-1781-0675]
73) Karakter des Petrus - - - - - - - - 90.

 

[Ib-11-1781-0676]
74) "Got des Himmels und der Erde" eine Behauptung Bennenung von den kindernden Orientalern und Naturmenschen - - - - - - - 100.

 

[Manuskriptseite 213]

[Ib-11-1781-0677]
75) Die Wunder des Lichts - - - - - - - Seit. 103.

 

[Ib-11-1781-0678]
76) Der Mond - - - - - - - - - - 104.

 

[Ib-11-1781-0679]
77) Parallele beider Ozeane, des Wassers und der Luft - - - - - - - - - - - 105.

 

[Ib-11-1781-0680]
78) Die Schöpfung des Menschen - - - - - 105.

 

[Ib-11-1781-0681]
79) Die ganze Schöpfungsgeschicht' ist nichts anders, als Gemälde der Morgenröte, Bild des werdenden Tages - - - - - - - - - 108.

 

[Ib-11-1781-0682]
80) Ruh' ist dem trägen Morgenländer höchste Seligkeit - - - - - - - - - 112.

 

[Ib-11-1781-0683]
81) Der Mensch – ganz Einheit und Mannigfaltigkeit - - - - - - - - - 113.

 

[Ib-11-1781-0684]
82) Über die Geschichte des alten Testaments aus dem Gesichtspunkte der Karakteristik - - - 115.

 

[Ib-11-1781-0685]
83) Schwierigkeiten, den Karakter der Personen, die lange vor uns lebten, genau darzustellen - - 118.

 

[Ib-11-1781-0686]
84) Das alte Testament ist ärmer an guten weiblichen Karaktern als an mänlichen - - 118.

 

[Ib-11-1781-0687]
85) Ursprung der Abgötterei und der Vielgötterei - - - - - - - - - 119.

 

[Manuskriptseite 214]

[Ib-11-1781-0688]
86) Die Affekten bei kleinen Selen - - - Seit. 125.

 

[Ib-11-1781-0689]
87) Der Einflus der politischen Freiheit auf den Menschen - - - - - - - - 125.

 

[Ib-11-1781-0690]
88) Karakter Lot's - - - - - - - - 126.

 

[Ib-11-1781-0691]
89) Bemerkung über den Menschen – um zu zeigen, daß er nie ganz böse ist, und daß in dem Augenblik, da er uns seine böse Seite zeigt, eine andre gute wieder an ihm erscheint - - - - - - - - - 126.

 

[Ib-11-1781-0692]
90) Unterschied zwischen dem Karakter Abraham's und Lot's - - - - - - - - - - 127.

 

[Ib-11-1781-0693]
91) Von der Schwäch' Isaak's in seinem Alter - 127.

 

[Ib-11-1781-0694]
92) Der Karakter Esau's - - - - - - 128.

 

[Ib-11-1781-0695]
93) Die Erkentnis der Vorväter - - - - - 129.

 

[Ib-11-1781-0696]
94) Wollust ist noch keiner von den grösten Felern 129.

 

[Ib-11-1781-0697]
95) Wie sich die Zeiten, in denen der Mensch lebt, zu seinem sitlichen Karakter verhalten, und umgekert - - - - - - - 130.

 

[Ib-11-1781-0698]
96) Das Buch Hiob ist ein dar dramatisches Gedicht - - - - - - 131.

 

[Ib-11-1781-0699]
97) Über die Regeln überhaupt und besonders in der Dichtkunst - - - - - - - 134.

 

[Ib-11-1781-0700]
98) Hiob hat den Tag seiner Geburt nicht verflucht - - 135.

 

[Manuskriptseite 215]

[Ib-11-1781-0701]
99) Das Grab in einem angenemen Bilde – von Göthe - Seit. 135.

 

[Ib-11-1781-0702]
100) Philosophische Kart' Europens - - - - - - 136. 169

 

[Ib-11-1781-0703]
101) Vom Zustand der Iuden vor der Ankunft des Messias - - - - - - - 139.

 

[Ib-11-1781-0704]
102) Von der Benennung Iesu "Son Gottes" - - - - 140.

 

[Ib-11-1781-0705]
103) Von der Ankunft des iüngsten Tages - - - - 140.

 

[Ib-11-1781-0706]
104) Die Bildung des Nationalkarakters der Iuden in Ägypten - - - - - - - 142.

 

[Ib-11-1781-0707]
105) Nuzzen, den der lange Aufenthalt der Iuden, auf dem Wege nach Palästina, hatte - - - - - 145.

 

[Ib-11-1781-0708]
106) Von 2 B. Mos. 4, 25. 26. - - - - - 146.

 

[Ib-11-1781-0709]
107) Einige Warscheinlichkeiten, zum Beweise, daß die ägyptischen Wundertäter nicht Zauberer gewesen sind - - - - - - - 146.

 

[Ib-11-1781-0710]
108) Ein Räuber zu sein, hält man in Arabien nicht für schimpflich - - - - - - - 147.

 

[Ib-11-1781-0711]
109) Was "Nächster" bei Mose bedeutet - - - - 148.

 

[Ib-11-1781-0712]
110) Vom Gesezze Mose wegen der Unveräusserlichkeit der Äkker - - - - - - - - 151.

 

[Ib-11-1781-0713]
111) Vom Gelde der Israeliten zu Mose Zeiten - - - 152.

 

[Ib-11-1781-0714]
112) Was "Ebräer" heist - - - - - - 152.

 

[Manuskriptseite 216]

[Ib-11-1781-0715]
113) Von Matt. XXII, 15-22 - - - - - - - Seit. 153.

 

[Ib-11-1781-0716]
114) Worinnen das Verbrechen David's bestand, da er das Volk zälen lies - - - - - 156.

 

[Ib-11-1781-0717]
115) Mit welchem Rechte die Israeliten die von den Ägyptern erborgten silbernen und güldenen Gefässe zurükbehielten - - - - - 161.

 

[Ib-11-1781-0718]
116) Des Prinzen vonAloys von Gonzaga=Kastilione, Gedanken von der Dichtkunst - - - - - - - - 172.

 

[Ib-11-1781-0719]
117) Wissenschaften und Krieg - - - - - 178.

 

[Ib-11-1781-0720]
118) Bemerkung über die Beschneidung bei den Iuden - zum Beweis, daß sie nur Naturalisazion war - - - - - - - 181.

 

[Ib-11-1781-0721]
119) Einflus der Opfer der Iuden in ihr bürgerliches Wesen - - - - - - - 182.

 

[Ib-11-1781-0722]
120) Woher Muhammed seine neue Religion zusammengestoppelt hat - - - - - - - - 186.

 

[Ib-11-1781-0723]
121) Vom Sabbate der Iuden - - - - - - 187.

 

[Ib-11-1781-0724]
122) Was die Redensart bedeutet: "sich vor dem Iehova freuen" - - - - - - 188.

 

[Manuskriptseite 217]

[Ib-11-1781-0725]
123) Mose's Absicht bei den Gesezzen von den unreinen Tieren Seit. - - - - - - - - - 189.

 

[Ib-11-1781-0726]
124) Welche Gesezze der Mensch am meisten beobachtet - - 191.

 

[Ib-11-1781-0727]
125) Unsre falsche Urteil' über die Güte oder Nichtgüte einer Handlung - - - - - - - 191.

 

[Ib-11-1781-0728]
126) Bemerkung von der Traurigkeit - - - - - 192.

 

[Ib-11-1781-0729]
127) Es ist nicht gut, wenn man die Kinder von der Geselschaft andrer ausschliest - Mittel, ihre Lügen zu verhüten - - - - - - - 192.

 

[Ib-11-1781-0730]
128) Wahrscheinliche Vermutung der Ursache, warum Mose in seinen Schriften der Unsterblichkeit der Sele nicht erwänt - - - - - - - - - - 194.

 

[Ib-11-1781-0731]
129) Vom heiligen Geiste – dessen Persönlichkeit man aus der Taufformel zu erweisen sucht - - - - - 196.

 

[Ib-11-1781-0732]
130) Die Abenddämmerung - - - - - 197.

 

[Ib-11-1781-0733]
131) Die Befruchtung der Pflanzen - - - - 197.

 

[Ib-11-1781-0734]
132 Einzelne Anmerkungen, Sentenzen und auffallende Ausdrükk' aus verschiednen Schriftstellern gesamlet.

 

[Ib-11-1781-0735]
I. Die Verschlimmerung des Wollüstlings - - - - 199.

 

[Ib-11-1781-0736]
II. Die Woltätigkeit - - - - - - - 199.

 

[Manuskriptseite 218]

[Ib-11-1781-0737]
III. Die Rache - - - - - - - - - - Seit. 199.

 

[Ib-11-1781-0738]
III. Die Kentnis von grossen Männern - - - - 199.

 

[Ib-11-1781-0739]
V. Für iedes Übel ist eine Heilung in der Natur - 199.

 

[Ib-11-1781-0740]
VI. Das, was du sagen wilst, tue - - - - - - 200.

 

[Ib-11-1781-0741]
VII. Ist's lächerlich, wenn die ägyptischen König' auf den Kalender schwuren - - - - - - 200.

 

[Ib-11-1781-0742]
VIII. Das drei und zwanzigste Kapitel des ersten Buch Mos. 200.

 

[Ib-11-1781-0743]
VIIII. Welche Leiden verdienen unser Mitleid - - - 200.

 

[Ib-11-1781-0744]
X. Polygamie bei den Iuden - - - - - 201.

 

[Ib-11-1781-0745]
XI. Die Ehescheidung - - - - - - 201.

 

[Ib-11-1781-0746]
XII. Hermaphroditen und Kastraten - - - - 201.

 

[Ib-11-1781-0747]
XIII. Hast Got den Sünder? - - - - - - - 201.

 

[Ib-11-1781-0748]
XIIII. Luther's Übersezzung - - - - 202.

 

[Ib-11-1781-0749]
XV. Lessing's Tod - - - - - - 202.

 

[Ib-11-1781-0750]
XVI. Unsre Kentnis von Got und andern Dingen - - 202.

 

[Ib-11-1781-0751]
XVII. Der eingeschränkte Verstand - - - - 203.

 

[Ib-11-1781-0752]
XVIII. Kinder des Lichts - - - - - 203.

 

[Ib-11-1781-0753]
XVIIII. Kan der Mensch sich von grossen Übeln befreien 203.