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Faszikel Ia-05-1779
 

Transkription und digitale Edition von Jean Pauls Exzerptheften

Vorgelegt von: Sabine Straub, Monika Vince und Michael Will, unter Mitarbeit von Christian Ammon, Kai Büch und Barbara Krieger. Universität Würzburg. Arbeitsstelle Jean-Paul-Edition (Leitung: Helmut Pfotenhauer)

Förderung: Fritz Thyssen Stiftung (11/1998-12/2000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft (01/2001-12/2005)
Projektleitung: Michael Will
Gesamtleitung: Helmut Pfotenhauer

Transkriptionsgrundlage: Nachlass Jean Paul. Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Fasz. Ia, Band 5

Bearbeitungsschritte:
Herbst 2000 MIWI Transkription
Oktober 2000 MIWI Autopsie Berlin
11.03.2003 MIWI Konvertierung von WORD in XML/TEIXLITE
05.05.2005 ST Fertigstellung Konvertierung WORD nach XML
10.06.2005 ST Erstkorrektur am HTML-Ausdruck
29.06.2005 ST Erstkorrektur Eingabe in XML-Datei
06.04.2010 CMC Zweites Online-Update

 

[Titelblatt]

Verschiedenes aus den neuesten Schriften

Fünfter Band.

Hof, - - . 1779.

 

[Manuskriptseite 1.]

[Ia-05-1779-0001]
I.

 

[Ia-05-1779-0002]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des sechs und dreissigsten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1778.

 

[Ia-05-1779-0003]
1) Von der Geschichte der Menschheit.

 

[Ia-05-1779-0004]
"Die menschliche Natur kan nicht alle Arten von Volkommenheiten auf einmal besizzen, und folglich auch nicht alle Arten der Glükseeligkeit zugleich geniessen; verschiedene Volkommenheiten führen ihre eignen Mängel mit sich, und machen, so wie in der Körperwelt, indem durch die Biegung nach der einen Seite der Konvexität zunimt, auf der andern Seite ein desto grösseres Leeres. Zwischen diesen Ausbiegungen nach einer von beiden Seiten ein rechtes Mittel zu halten, sich ausschliessende Volkommenheiten, so viel als möglich, zu einander zu nähern, und bei der Bildung des Geistes und des Herzens, alle Fähigkeiten und Anlagen in solchem Gleichgewicht zu halten, daß daraus die beste Harmonie entstünde, das müste man dem Menschen als sein höchstes Glük zeigen, dazu müste man ihn ermuntern; da aber, wo sich das nicht wolte thun lassen, oder wozu ihm seine Lage schlechterdings den Weg verschliest, da müste man ihm mit dem Trost zu Hülfe kommen, daß das Rath der Vorsehung sei, die die Rose auf den Dornstrauch gesezt hat. Was uns hier die Natur des Menschen sagt, dem stimt auch die Geschichte zu. Ihr bewegliches Bild zeigt uns das Menschengeschlecht in einer fortschreitenden Mannichfaltigkeit von Lagen, worin immer die eine oder die andere Seite des Menschen sich mehr oder weniger entwikkelt hat. Irgend eine von diesen Lagen ganz verdammen, ganz leugnen, daß darin etwas zur Übung irgend einer Tugend und Kraft des Menschen geschehen könne, und die Menschen in dieser Lage als Elende verhöhnen

 

[Manuskriptseite 2.]

ist unmenschlich, heist die Vorsehung in dem schlechtesten Lichte zeigen. ?" Seit. 8. 9.

 

[Ia-05-1779-0005]
"Die menschliche Natur ist keine im Guten selbständige Gottheit: sie mus alles lernen, durch Fortgänge gebildet werden, im almähligen Kampfe immer weiter schreiten: natürlich wird sie also von den Seiten am meisten gebildet, wo sie dergleichen Anlässe zur Tugend, zum Kampfe, zum Fortgange hat. ? In gewissem Betracht ist also iede menschliche Volkommenheit National, Sekular, und am genauesten betrachtet, Individuel. ?" Seit. 14.

 

[Ia-05-1779-0006]
2) Eine Apologie der Heiden.

 

[Ia-05-1779-0007]
"Daß die Lehren von einem einzigen Gotte, dem Schöpfer, Erhalter und Regierer der Welt, von der Unsterblichkeit der Seele, dem Zustande der Vergeltung des Guten und Bösen nach dem Tode, die Gottes sowohl, als des Menschen Natur angemessenste Verehrung ienes höchsten Wesens, überhaupt die Tugendpflichten nach ihrem Umfange, von einem (freilich nicht mathematisch bestimbaren) Theile der Heiden vor Christi Zeiten erkant und mit Überzeugung verkant worden sind: ist unläugbar. Deutlich sind in den ????. ??. der Pythagoräer, dem ?????. ????. des Phocylides, den ????. des Theognis, dem ???? ??? ??? ??? des Kleanthes, den ????????? ?????????] kein Punkt dahinter, obwohl es eine Abk. ist für ?????????????, oder Memor. Socratis dict. des Xenophon, den ????????? des sokratischen Äschines, den Dialogen des Plato, den Reden des Isokrates, u. a. m. unter den Griechen; ? den, besonders philosophischen, Werken des Cicero, u. a. unter den Römern, beide iene Grundsäzze, insbesondere die von einer alwaltenden Vorsehung, der Unsterblichkeit, und dem künftigen Vergeltungszustande, und die richtigsten, nothwendigsten Tugendvorschriften, enthalten; ?

 

[Manuskriptseite 3.]

und in noch mehreren würden sie gewislich zu lesen sein, wenn nicht eine Menge alter Schriften durch etliche der beklagenwürdigsten Feuerbrünste zernichtet worden wäre. So wenig man heut zu Tage richtige Einsichten blos denienigen, welche solche in Schriften übertragen, zuschreibt: eben so wenig sind iene, und ähnliche Schriftsteller für die einzigen in Religionssachen gesund denkenden Köpfen unter den Heiden, zu halten. Die vorhin genante und ähnliche Werke wurden ia von Menschen gelesen. Und wenn iene, in denselben vorgetragene, richtige und wolthätige Religionsbekentnisse, Lehrsäzze und Tugendgebote, sich nicht der Beistimmung und des Glaubens aller Leser rühmen können: so haben sie doch solchen bei einigen gefunden. Auch sind selbige durch den mündlichen Unterricht in Umlauf gesezt, ? durch den des Sokrates z. E. unter die Griechen verbreitet, von diesen auf die Römer, welche des Studierens wegen, so häufig nach Athen gekommen sind, u. s. w. fortgepflanzt worden. Und in diesen Unterweisungen fähiger und erprobter Schüler, so wie in dem Umgange mit vertrauten Freunden, trugen z. E. ein Pythagoras, Sokrates, Cicero, namentlich über die Volksreligion, die Götter, das Opfern und dergl. vor, ? zwar für ieden, der Augen hat zu sehen, und Verstand, zu verstehen, lesbar und verständlich genug in ihren, und ihrer Zöglinge, Schriften ausgedrükt; doch aber von ihnen, als Männern, welche wol wusten, daß sie zu fassen und nüzzen zu können, der grössere Haufen noch nicht hinreichend emporgehoben und gebildet sei, nicht gerade heraus, am wenigsten in allen Stellen, gesagt. Indessen schreibt z. B. Phocylides a. a. O., (wir wohl er V. 93 ermahnet ????? ?? ????? ??????, ausserdem) stets ????? ???? ????, ? ?? ???? ????????? ????????, ? ?????????? ??????? ???? ????????, ????? ???????, ? *?? ???

 

 

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????? ???? ?????? ???????? ???????, ? ??? ???? ???? ????? ??????? ?? ??? ??? ????????? u. dergl. m. ? Man könte einwenden: ich mus aber doch in andern, z. E. in einigen philosophischen Schriften des Cicero, ienes Richtige und Gute unter dem Schutte mancher offenbaren Irsäzze und Ungereimtheiten mühsam hervorgraben. In der Bibel treffe ich Alles beisammen, ohne einen einzigen Irthum, an. Richtig! dürfte hierauf zu antworten sein; aber offenbar sind die Äusserungen von diis, und ähnliche, nach der exoterischen Lehrart zu deuten, von ihm nicht wirklich geglaubt worden. Irthümer in physikalischen, mathematischen, u. dergl. Dingen musten, nach der Natur der Sache der Sache, dem Gange des menschlichen Geistes, häufiger damals sein, als iezt, wo sie gleichwol noch, wenn schon in geringerer Zahl, Plaz haben. Überhaupt läst die Beschränktheit ienes nie gänzliche Irthumslosigkeit zu; Stükwerk ist das menschliche Wissen, und ? wird es bleiben. Dem sei, wie ihm wolle: bei der unzweifelbaren Götlichkeit und Wahrheit der Offenbarung mus, der grössere Theil der Christen doch iene wichtigste Wahrheiten, Lehren und Tugendgesezze, zwar besonders im A. T., aber auch selbst im N. T., unter Manchem, was er entweder gar nicht, oder unrichtig, versteht, und wol zu seinem Nachtheil aus deutet, oder, wenn er es auch ? ohne, oder mit Mühe, ? gehörig fast, zur Tugendübung nicht nüzzen kan, heraussuchen. ?

 

[Ia-05-1779-0008]
Die Ausbreitung iener gesunden Religionserkentnisse erhellet auch daraus. In den Eleusischen grossen Mysterien ist der einzige wahre Gott, und die Unsterblichkeit der Seele, und in den kleinen die Bestrafungen nach dem Tode durch dramatische Vorstellungen (von den Freuden des Elysium und den Qualen des Tartarus pp.) gelehret worden. Die Unsterblichkeit

 

[Manuskriptseite 5.]

der Seele wurde auch in den Bachischen Orgien gelehret. Daß Alle diese richtige Religionseinsichten der Lesung der h. Bücher der Iuden, oder dem Umgange mit ihnen, hätten zu danken haben: läst sich nicht darthun; nicht erhärten z. E. daß Plato in dem von ihm bereiseten Ägypten aus den h. Schriften der Juden dieses Landes, namentlich den Mosaischen, geschöpft habe; denn bekantlich haben diese mit den Ägyptern in Religionssachen nicht die geringste Gemeinschaft unterhalten, vielmehr solche äusserts gehast; überdem ist das Dasein einer griechischen Übersezzung, welche älter als die als die sogenante septuagintaviralis, und von dem griechischen Philosophen gelesen worden sein sol, noch unbewiesen. ?

 

[Ia-05-1779-0009]
Man wird fragen: warum sind aber iene richtige Religionseinsichten, warum namentlich die Erkentnis und vernünftige Verehrung des einzigen wahren Gottes, vor I. C. nur auf den kleineren Theil der Heiden beschränkt geblieben? Theils der überhaupt unter ihnen minder häufige mündliche Religionsunterricht, theils die ebenfals weniger zahlreiche schriftliche Unterweisungen, theils der Mangel eines solchen Fortpflanzungsmittels derselben, als wir seit 300 und mehr Iahren an der Buchdrukkerei besizzen, theils das aus verschiedenen Ursachen minder häufige Reisen, theils die, ebenfals aus mehreren Gründen herfliessende, geringere Ausbreitung des Handels, und die, aus diesen und andern Ursachen schwächere Verbindung unter den Nationen, haben den schnellern Fortschrit und die grössere Verbreitung derselben, hauptsächlich aber Folgendes ? die Einführung iener reinen Erkentnis und Verehrung Gottes an die Stelle der Volksreligionen gehindert. Zu geschweigen, daß die almählig zahlreich und

 

[Manuskriptseite 6.]

wichtig gewordene Priesterschaft ihre Nahrung und ihr Ansehen blos von der Herschaft dieser erhalten, und die Obern ebenfals aus dem von ihnen wol eingesehenen Volksaberglauben, einen und den andern Vortheil gezogen haben, (die römische Senatoren z. E. aus den, von ihnen heimlich verlachten, auguriis, haruspicinis etc.:) so haben selbst die besser denkende und edlergesinte unter ihnen, und nicht ohne Grund, besorgt, es wäre die Zeit noch nicht gekommen, also gefährlich, der sinlichen, an ihre väterliche Religion so feste gebundenen, im Glauben an sie gebohrnen und erzogenen Menge eine geistigere zu geben. Wie überaus schwer dieses sei, ia wie, ohne einigen Zwang zu Hülfe zu nehmen, beinahe unthulich: erhellet daraus; da in den drei ersten Jahrhunderten nach C. G. das Heidenthum im römischen Reiche viele und ansehnliche Bekenner noch stets hatte: so wurden vom vierten an allerlei Gebräuche und äusserliche Einrichtungen aus demselben entlehnt, und mit einer geringen Abänderung in das Christenthum aufgenommen, um hierdurch ienen den Übergang zu diesem so viel zu leichter zu machen . ? Aber schwerlich würde, ohne die Einführung mancher Gebräuche und äusserlichen Einrichtungen aus dem Heidenthume, insbesondere ohne den Übergang des Regenten zum Christenthume, und ohne solche von manchen unter ihnen ? dem Geiste desselben zuwider ? verübte Machthandlungen, ia zum Theil eigentliche Vergewaltigungen, diese Religion bei ihrem unläugbar götlichen Ursprunge, und überwiegender innerer Treflichkeit, so vieles Land gewonnen haben. Denn wiewol solche Verfügungen keine innere Überzeugung der Andersdenkenden bewirken konten, sondern blosse äusserliche Annahme, blosses Bekentnis des Mundes; so wurden durch sie doch noch iene an der äusserlichen Übung ihrer vorigen Religion gehindert, besonders aber die Kinder derselben zum

 

[Manuskriptseite 7.]

Christenthume eingeweihet, in demselben erzogen, ? und so dieses immer weiter verbreitet und mehr gegründet. Gleichwohl ist es in Europa nicht überal, in Lapland z. B., nicht herschend. Wenn also die Erkentnis und vernünftige Verehrung des einzigen wahren Gottes, nach der Lehre und Anweisung Christi, in 1700 Jahren, bei solchen Veranstaltungen, in Verbindung mit dem steten Wachsthum andrer Wissenschaften, den häufigern Unterrichtsmitteln u. dergl. m. mit solcher Mühe in Europa Wurzel gefast hat, und gleichwol nicht aller Orten noch verbreitet ist: wie ungleich schwerer, oder vielmehr wie unthulich, muste nicht, in den durch das Licht andrer Kentnisse noch nicht so aufgehelten; und nach der Natur und dem Laufe der Dinge nicht so aufhelbaren, auch in anderm Betrachte minder günstigen Zeiten *) So musten in den Zeiten der Vereinigung der Menschen zu Völkerschaften, der Entstehung der Staaten, zuerst die gröbern Bedürfnisse befriedigt, Sicherheit gegen die Anfälle unruhiger, oder feindseeliger Nachbarn, Schuz gegen die damals häufigern Raubthiere geschaft, vorher die innere Ordnung und Ruhe gegründet, für die Anschaffung und Bewahrung der unentbehrlichen Nahrungsmittel, pp. gesorgt werden: ehe an die Bildung des Kopfs gedacht, über geistlige und sitliche Wahrheiten nachgesonnen werden konte. Und dieses konte nicht anders, als nach vielerlei Beobachtungen und Vergleichungen, mit einigem Erfolge geschehen u. s. f. *)] Am Seitenende unter horizontaler Trennlinie angefügtvor Christo, bei aller offenbaren Überzeugung, so vieler von der Grundlosigkeit und Ungereimtheit der Volksreligionen, die Einführung iener nach der Belehrung und Anleitung der Vernunft, an die Stelle dieser gewesen sein?

 

[Ia-05-1779-0010]
Und der Religionszustand in ganz christlichen, selbst protestantischen, Ländern, ? könte vielleicht hinzugesezt werden. Wenn manche Heiden theils nicht gewust haben, theils, wenn es ihnen bekant gewesen ist, aus Gemächlichkeit oder andern Gründen, nicht geglaubt haben, daß eine alwaltende Vorsehung, und ein andres Leben sei, in welchem das

 

[Manuskriptseite 8.]

Gute belohnt und das Böse bestraft werden würde; daß Gott auf eine, beides seiner und des Menschen Natur, gemässe Weise müsse verehret werden, manche von dem Zustande nach dem Tode grobe Vorstellungen sich gemacht haben, ? ungeachtet z. B. Pythagoras, Phocylides, Sokrates, Cicero u. a. die deutlichsten, richtigsten, geläutertsten Begriffe von allem diesem gesezt, und theils mündlich, theils schriftlich, andern mitgetheilt haben: so hat ienes auch bei nicht wenigen Christen Stat gehabt, und hat noch stets Plaz, ? ihnen, die gleichwol an der Bibel, besonders dem N. T., ein Buch von solchem inneren und äusseren Werthe besizzen, und zu überzeugender und volständiger Erkentnis iener theuersten Wahrheiten so viel leichter gelangen können! Und selbst bei einem Theile derienigen Christen, welche diese wissen und glauben: ist dieses blos eine Folge der Geburt, der Erziehung, der Nachahmung pp. Wenn unter den Heiden, (? in ihren ansehnlichen Städten eigentlich, bei dem Anwachse des Reichthums, ?) ein grosses Sittenverderben im Schwange gegangen ist: so herscht in den grossen Städten des christlichen Europa kein geringeres, welches sich auch in die kleineren almählig verbreitet. Der ???????????? z. B. gab es in dem Heidnischen Rom, und ähnlichen Städten, nicht wenige; ihrer waren auch in dem christlichen Rom, und ähnlichen katholischen und protestantischen Städten, und sind deren noch. ???????? waren im heidnischen Rom, und dergleichen Orten; Tossanien und Brinvilliers waren auch, und sind noch, in und ausser dem christlichen Rom. Wenn unter den Heiden ????????????? gewesen sind: so ist auch unter den Christen, selbst den protestantischen, der Menschenverkauf ein ganz ansehnlicher Handelszweig von Zeit zu Zeit gewesen. An Christen aller Bekentnisse, die ihren Glauben durch ihre Werke verläugnet haben und verläugnen, hat es überhaupt zu keiner Zeit gefehlt, und fehlt noch nicht an solchen. ? Wozu dieses? Dazu,

 

[Manuskriptseite 9.]

daß man aus der Unwissenheit und Sittenlosigkeit eines Theils der Heiden nicht auf die Schwäche und Unhinlänglichkeit der Naturoffenbarung, oder Vernunfterkentnis, schliesse; sonst kan, und mus, ebenfals aus der Unwissenheit und Sittenlosigkeit eines Theils d** der Christen, auf die Schwäche und Unzulänglichkeit der "übernatürlichen" Offenbarung geschlossen werden. ?" Seit. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.

 

[Ia-05-1779-0011]
3) Widerlegung folgenden Beweises für die Erbsünde:

 

[Ia-05-1779-0012]
"Das sogenante metaphysische Übel bei dem Menschen ist ein leerer Gedanke. Darin, daß der menschliche Verstand und Wille ihre Gränzen haben, liegt nicht der Grund, warum der Mensch zum Bösen geneigt ist; sondern darin, daß der Wille des Menschen eine andere Grundregel oder Grundzwek, als den götlichen Willen hat ? das war eben die Ursache des Fals des Menschen, daß er einen andern Grundzwek annahm, und den götlichen aufgab. Dadurch entstand bei ihm die Nothwendigkeit des moralischen Übels." Wohl! und dies muste doch einen Grund, diese Ursache muste wieder eine Ursache haben. Und welche war die? Woher kam es denn, daß der paradiesische Mensch den götlichen Grundzwek aufgab, und den andern annahm? Wenn nicht der Grund davon in seinen eingeschränkten Einsichten liegt, so ist er nirgends. Wo man nicht weiter nach der Ursache der Ursache oder dem Warum des Warum fragt, da hört man auf zu philosophiren. ?" Seit. 57. 58.

 

[Ia-05-1779-0013]
4) Gott liebt die Menschen ? nicht durch Christum bewogen.

 

[Ia-05-1779-0014]
"Ich denke, Gott hat zur Zeit der patriarchalischen Religion durch diese in den Erzvätern, und durch den Theil von natürlicher Religionswahrheit, der auch im ausgeartetsten Heidenthum übrig geblieben war, unter den Heiden viele Gute mittelbar gewirkt. Oder würde dies ohne Christi damals noch zukünftiges Verdienst, wovon die frommen Patriarchen und Heiden nichts wusten, nicht geschehen sein?

 

[Manuskriptseite 10.]

Den Beweis davon hat noch niemand ie bisher geführt. Ich möchte die Stelle in der Bibel wissen, worin stünde, daß Christus erst den Vater zur Barmherzigkeit gegen die Menschen bewogen habe. Der Vater liebte ia die Welt, und aus Liebe sandte er ihr seinen Sohn. ? " Seit. 59.

 

[Ia-05-1779-0015]
5) Von der Stelle Joh. V. 17., von den Wirkungen Gottes

 

[Ia-05-1779-0016]
"Die Stelle kan man mit Recht von den mittelbaren Wirkungen Gottes erklären. Jesus sagt: So wie Gott, mein Vater, ununterbrochen zum Wohl seiner Geschöpfe wirksam ist, so bin ich es auch. Auch am Sabbath mus ich allenthalben thätig sein, wo ich gutes wirken kan. ? So gewis ich indessen überzeugt bin, daß Gott alles mittelbar wirkt: so wenig wage isch es übrigens, nach meiner blinden Einsicht entscheidend zu bestimmen, wie Gott in alles mittelbar wirke. Die h. Schrift aber hat solches Wie auch b nicht bestimt. Wenn es die h. Schrift ausdrüklich bestimt hätte, so würde ich ihr vor allem glauben. Aber so lesen wir, daß die natürlichsten Veränderungen in der Körperwelt, Sturm und Ungewitter, Regen und Sonnenschein, in der Bibel als unmittelbare Wirkungen der Kraft Gottes angegeben werden, welche doch offenbar, wiewol unter seiner alles lenkenden Vorsehung, von natürlichen Mittelursachen herrühren. Wo wäre denn nun die biblische Belehrung über das Wie seiner Wirkungen? ? ?" Seit. 65. 66.

 

[Ia-05-1779-0017]
6) Von den Stellen Joh. 17, 4. 6. K. 18, 37.

 

[Ia-05-1779-0018]
"Von diesen so klaren, unmisdeutbar bestimten Aussprüchen unsers einzigen Meisters (die freilich mancher Dogmatiker in den indicem expurgandorum sezzen möchte, und) mit welchen verschiedne apostolische, wenn sie nur nach den probhaltigen Auslegungsregeln erklärt werden, in keinem Widerspruche stehen, geleitet, hat, unter andern, Hilarius von Poitiers ganz freimüthig geschrieben:

 

[Manuskriptseite 11.]

[Ia-05-1779-0019]
Proprium Domini nostri Iesu Christi officium est, cognitionem dei afferre, et intelligentiam nominis eius potestatisque præstare. ? " Seit. 78.

 

[Ia-05-1779-0020]
7) Von den Stellen Ps. 6, 3. ? Ps. 139, 7 und Ps. 33, 6.

 

[Ia-05-1779-0021]
"Es. 6, 3. $$$$$ heist hier, nach Erfodernis des Zusammenhanges, anbetungswürdig, und der ganze Vers wil nichts anders sagen, als was wir Offenb. 4, 11. lesen. ? In Ps. 139, 7. ist der Geist Gottes soviel, als die Alwissenheit, Alkentnis desselben; und in Ps. 33, 6. unterstüzt bezeichnen die Worte Geist seines Mundes im zweiten Glied einerlei mit dem Worte Worte des Herrn im ersten, nämlich den mächtigen Befehl Gottes, wie aus der Vergleichung mit Es. 11, 4. Ps. 148, 5. 2 Thess. 2, 8. Offenb. 4, 11. ?" Seit. 80.

 

[Ia-05-1779-0022]
8) Anmerkungen über den Iesaias.

 

[Ia-05-1779-0023]
"Kap. 2. erklärt der V. von der Zeit nach der babylonischen Gefangenschaft, v. 2. Der Berg, da des Herrn Haus ist, wird höher sein, als alle Berge, ist eine den Iuden eigenthümliche Redensart, die weiter nichts sagt, als Gott, der Iuden Gott, wird bei andern Völkern verherlicht werden, über die grossen Begebenheiten unter den Iuden. Kap. 4, 2. Der Zweig des Herrn sind neue Einwohner in Iudäa. ? Kap. 7, 14. Die bekante Stelle: Siehe eine Iungfrau ist schwanger usw. braucht man nicht von Christo zu erklären. Sondern Denn es ist vom iüdischen Reiche die Rede. Die Stelle mus man so verstehen: Es sol nur eine kurze Zeit dauern, in Jahr und Tag sol dein Land von feinden frei sein. Der Name Immanuel enthält so gut die Versicherung der Hülfe, als des Propheten andrer Sohn. Der Kap. 8, 3. Der Prophet zeigt es auch selbst, daß er seine eigne Kinder meine, denen er d** Namen gab, die Hülfe und Errettung versprachen. Kap. 8, 18.

 

[Manuskriptseite 12.]

Kap. 9, 6. meinet er könne wohl vom Biskias erklärt werden, besser aber vom Messias. Nur Schade, daß die äussern Prädikate vom weltlichen Herrn auf den Messias nicht passen. Sich aber nach den Begriffen des Zeitalters zu richten, um iene unedle Idee vom weltlichen Reiche Christi zu bekräftigen, die doch eine vernünftige Andacht nicht schärfen kan, heist bei einem Propheten in der That sehr wenig gesagt, vorzüglich wenn er ohne Nachtheil die edlere Idee vom moralischen Reiche Christi vertragen konte. Eben das gilt auch vom 11ten Kapitel. Hr. V. hat daher die Verbindung des Vortrags und der Reden des Propheten oft aufheben müssen, da er ihn bald vom Messias, bald von der babylonischen Gefangenschaft handeln läst: welche Schwierigkeit wegfallen würde, wenn man sie mit dem Grobius vom Biskias erklärt hätte. Kap. 38, 21. 22. Und Iesaias hies, man solte ein Pflaster von Feigen nehmen u. s. w. halten wir für eine Glosse. Kap. 52. Die bekante von Christo bisher erklärte Stelle, kan man füglich vom Ieremias verstehen. ? ?" Seit. 81. 82.

 

[Ia-05-1779-0024]
9) Anmerkungen bei dem Ieremias und Ezechiel.

 

[Ia-05-1779-0025]
"Kap. 1. Die drei ersten Verse hält Hr. V. mit allem Rechte, für einen Zusaz vielleicht des Samlers der Prophezeiungen Kap. 25, 13. kan man für Worte des Samlers der Prophezeigungen so wie Kap. 1. K. 28, 1. Ieremias hat seine Prophezeiungen nicht selbst gesamlet; weil keine genaue Ordnung in der Folge der Theile aufeinander beobachtet ist. ? Hr. Döderlein sagt sehr richtig vom Propheten Ezechiel ? qui eum cum Iesaiae vel Ieremiae sermonibus comparaverit, intelliget, eum fere in omnibus imitari veteres, et quas hi minutim informant imagines, eas ube

 

[Manuskriptseite 13.]

rius ac prolixius absolvere. Hinc nec. Esaiani stili maiestatem attingit nec pondus. ? Wir haben auch selbst immer davor gehalten, daß Iesaias vorzüglich für andere Propheten Original abgegeben habe. Noch eine richtige Bemerkung von ihm müssen wir hersezzen. Observatu dignum, sæpissime repeti voces $$$$$$$ et $$$$$$ et alias, ut præmoneat lectores, non ea, quæ iam describit, revera vel adfuisse, vel alicubi existere, sed ???? ???? mentis tantum visione ita sibi apparuisse. Darnach beurtheile man die warme Einbildungskraft Ezechiels K. 11, 15. vom Herrn wegfliehen, eine den Iuden eigenthümliche Redensart, und bedeutet aus Palästina entfernt sein. Diese Redensart schreiben wir ihrem Ursprung nach, der Meinung de diis tutelaribus (s. 2 Chron. 28, 23) zu. ?" Seit. 83. 84.

 

[Ia-05-1779-0026]
10) Anmerkungen bei dem Evangelisten Iohannis.

 

[Ia-05-1779-0027]
"Kap. 8. wird die von manchem die Authentizität der Erzählung von der Ehebrecherin bezweifelt. Der 4 Vers Kap. 5. findet sich in manchen Kodizen nicht; und könte wol unächt sein. Kap. 7, 52 liest man besser ?????????; und folglich ist die Stelle nicht zu verstehen, als wenn in vorigen Zeiten nie kein Prophet aus Galiläa gekommen wäre; denn s** so unwissend konten die Herrn des Raths doch wol nicht sein. ?" Seit. 94.

 

[Ia-05-1779-0028]
"Kap. 3, 35. geht das ????? auf die Weisheit und Erkentnis der Wahrheit und ?? ?? ????? ???? ist blos der bekante Ebraismus für ????. ? Kap. 10, 30. ich und der Vater sind eins; sagt der V. müsse man von keiner andern Einigkeit, als der Volkommenheiten und des Wesens verstanden werden, weil die Iuden ihn darüber einer Gotteslästerung, und daß er sich selbst zum Gott mache, beschuldigten. Gesezt aber, diese Beschuldigung wäre von ihnen so gemeint gewesen,

 

[Manuskriptseite 14.]

daß er sich selbst für das höchste Wesen ausgäbe; welches wir doch kaum denken können, und ihre Meinung lieber mit Semler so ausdrükken möchten: dicis te agere loco dei, omnia, quæ agis, deum quasi ipsum agere; sol man denn lieber dieser feindseeligen Beschuldigung gemäs erklären, als dem Zusammenhange, der offenbar nichts weiter als eine Einigkeit des Sinnes und der Absichten erfodert; und als der Vertheidigung und eignen Erklärung Iesu selber, wie er Gott und Gottes Sohn sein und heissen wolle, v. 34. u. f. Erklärt man diese Stelle nicht von der Einigkeit des Willens Iesu mit dem Willen Gottes; so kan man auch die Stellen Joh. 14, 20. Kap. 15, 4. 5. 17, 21. 22. 23. auch nicht davon erklären, W wo doch offenbar hiervon die Rede ist. ?" Seit. 96. 97.

 

[Ia-05-1779-0029]
11) Einige Bemerkungen von der Sprache.

 

[Ia-05-1779-0030]
"Die physische Verbindung zwischen Sache, Idee und Ton, sezt der V. (Brosses) in vier Punkte: daß das Sprachorgan so viel möglich die Gestalt des Gegenstandes annimt, der vermittelst der Stimme angezeigt werden sol, und einen hohlen Ton giebt, wenn der Gegenstand hohl, einen harten, wenn er hart ist; daß die Sprachorganen sich nicht alle zugleich entwikkeln, und *...* man also das erste bei das beste gebraucht; daß die Organe selbst mit dem Tone bezeichnet werden, der ohnen der natürlichste ist, z. B. die Gurgel durch G, u. s. w.; daß endlich der Mensch den natürlichen Ton der Gegenstände nachahmt. Zu dieser Quelle kan man noch folgende fügen; die Metapher, welche darin besteht, daß die Gegenstände des Gefühls, Geruchs u. s. w. durch harte oder weiche Töne bezeichnet werden, ie nachdem sie diesen Sinnen angenehm oder unangenehm vorkommen; daß Leidenschaften und innere Empfindungen Namen bekommen, welche aus ihren physischen Erschütterungen der Maschine abgeleitet sind; daß endlich intellektuelle Gegenstände vermöge der Metapher mit sinlichen Namen belegt werden. ?" Seit. 159. 160.

 

[Manuskriptseite 15.]

[Ia-05-1779-0031]
"Aus dem blossen Klange einer Sprache läst sich auf den Grad der Kultur nicht, wol aber auf die Beschaffenheit der Sitten und Denkart sehr wahrscheinlich schliessen. Eine weichliche entnervte Nation kan nicht gut eine rauhklingende Sprache haben. Aus dem Reichthume und der Armuth einer Sprache; aus der Art ihres Reichthums läst sich sicher der Grad der Kultur und die Lebensart folgern. Aus der Art, die Worte zu stellen, aus der Syntax einer Sprache, kan man auf seine geschwinde und langsame Art zu denken, *...* auf das Feuer seiner Seele schliessen, u. s. w. ? ?" Seit. 161.

 

[Ia-05-1779-0032]
"Die Festigkeit und Beständigkeit wird fast durchgängig mit dem Karakter st, die Lokkerheit und das Hohle mit sc bezeichnet, z. B. stare, stirps, stagnum; ??????, scutum, sculpere u. s. w. ? ?

 

[Ia-05-1779-0033]
Manche Wörter, die Gegenstände des Gefühls bedeuten, werden auch durch Approximation gebildet: so wird eine Blume, wegen ihres beweglichen Stängels, durch den Karakter fl (fleur, flos) bezeichnet, weil dieser die Flüssigkeit ausdrükt. ?" Seit. 163. 164.

 

[Ia-05-1779-0034]
II.

 

[Ia-05-1779-0035]
Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele in drei Gesprächen, von Moses Mendelssohn. Berlin und Stettin, bei Friedrich Nikolai. 1767.

 

[Ia-05-1779-0036]
1) Vergnügen und Schmerz folgen meistens aufeinander.

 

[Ia-05-1779-0037]
"Welch ein seltsames Ding scheint das zu sein, was man Vergnügen nennet! wie wunderbar! Dem ersten Anblikke nach ist es den Schmerzen entgegengesezt, indem kein Mensch zu gleicher Zeit aus einer Sache Schmerz und Vergnügen schöpfen kan; und dennoch kan niemand eine von diesen Empfindungen haben, ohne unmittelbar darauf die entgegengesezte zu fühlen, als wenn sie an beiden Enden an einander befestiget wären. ?" Seit. 81. 82.

 

[Manuskriptseite 16.]

[Ia-05-1779-0038]
2) Wie die Seele Begriffe, die ihr die Sinne nicht zuführen, bekömt?

 

[Ia-05-1779-0039]
"Alle unkörperlichen Begriffe hat die Seele nicht von den äussern Sinnen, sondern durch sich selbst erlangt, indem sie ihre eignen Wirkungen beobachtet, und dadurch ihr eigenes Wesen und ihre Eigenschaften kennen lernt. ? Dieses deutlicher zu machen, habe ich meinen Lehrer, Philolaus, oft eine Erdichtung hinzusezzen hören: Last uns von dem Homer, pflegte er zu sagen, die beiden Tonnen entlehnen, die in dem Vorsaale Iupiters liegen, aber zugleich uns die Freiheit ausbitten, sie nicht mit Glük und Unglük, sondern die zur Rechten mit wahrem Wesen, und die zur Linken mit Mangel und Unwesen anzufüllen. ? ? So oft die Almacht Jupiters einen Geist hervorbringen wil, so schöpft er aus diesen beiden Tonnen, wirft einen Blik auf das ewige Schiksaal, und bereitet, nach dessen Maasgebung, eine Mischung von Wesen und Mangel, welche die künftige völlige Grundanlage des künftigen Geistes enthält. Daher findet sich zwischen allen Arten von geistigen Wesen eine verwundernswürdige Ähnlichkeit; denn sie sind alle aus eben den Tonnen geschöpft, und nur an der Mischung verschieden. Wenn also unsere Seele, welche gleichfalls nichts anders ist, als eine solche Mischung von Wesen und Mangel, sich selbst beobachtet, so erlanget sie einen Begrif von dem Wesen der Geister und ihren Schranken, von Vermögen und Unvermögen, Volkommenheit und Unvolkommenheit, von Verstand, Weisheit, Kraft, Absicht, Schönheit, Gerechtigkeit und tausend andern unkörperlichen Dingen, über welche sie die äussern Sinne in der tiefsten Unwissenheit lassen würden. ?" Seit. 108. 109. 110.

 

[Ia-05-1779-0040]
"Die Seele kan sich zwar niemals von einem höhern Wesen, als sie selbst ist, oder nur von einer höhern Fähigkeit, als sie selbst besizzet, einen der Sache gemässen Begrif machen; allein sie kan gar wol überhaupt die Möglichkeit eines Dinges begreifen, dem mehr

 

[Manuskriptseite 17.]

Wesen und weniger Mängel zu Theile worden, als ihr selbst, das heist, welches vollkommener ist, als sie. Und von dem allerhöchsten Wesen, von der allerhöchsten Volkommenheit hat sie auch nicht mehr, als diesen Schimmer einer Vorstellung. Sie kan das Wesen desselben nicht in seinem Umfange begreifen; aber sie denkt ihr eigenes Wesen, das, was sie Wahres, Gutes, und Volkommenes hat, trent es in Gedanken von dem Mangel und Unwesen, mit welchem es in ihr vermischt ist, und geräth dadurch auf den Begrif eines Dinges, das lauter Wesen, lauter Wahrheit, lauter Güte und Volkommenheit ist. ?" Seit. 111. 112.

 

[Ia-05-1779-0041]
3) Was ist Veränderung?

 

[Ia-05-1779-0042]
"Mich dünkt, sprach Sokrates, wir sagen, ein Ding habe sich verändert, wenn unter zwoen entgegengesezten Bestimmungen, die ihm zukommen können, die eine aufhört, und die andere anfängt wirklich zu sein. z. B. schön und häslich, gerecht und ungerecht, gut und böse, Tag und Nacht, schlafen und wachen, sind entgegengesezte Bestimmungen, die bei einer und ebenderselben Sache möglich sind. Wenn eine Rose welkt und ihre schöne Gestalt verliert: so sagen wir, sie habe sich verändert.

 

[Ia-05-1779-0043]
Auch umgekehrt, wenn durch eine Veränderung etwas entstehen sol, so mus nothwendig vorhin das Widerspiel davon da gewesen sein. So wird es Tag, nachdem es vorhin Nacht gewesen, und hinwiederum Nacht, nachdem es vorhin Tag gewesen; ein Ding wird gros, schwer, ansehnlich u. s. w. nachdem es vorhin klein, leicht, unansehnlich gewesen ist. Eine Veränderung heist also überhaupt nichts anders, als die Abwechselung der entgegengesezten Bestimmungen, die an einem Dinge möglich sind

 

[Ia-05-1779-0044]
Diese schnurstraks entgegengesetzte Zustände können nicht unmittelbar auf einander folgen. Die Natur weis in allen ihren Veränderungen einen Mittelzustand zu finden, der ihr gleichsam zum Übergange

 

[Manuskriptseite 18.]

dienet, von einem Zustande auf den entgegengesezten zu kommen. Die Nacht folgt z. B. auf den Tag, vermittelst der Abenddämmerung, so wie der Tag auf die Nacht, vermittelst der Morgendämmerung. Das Grosse wird klein, vermittelst der Abnahme, und das Kleine hinwiederum gros, vermittelst des Anwachses.

 

[Ia-05-1779-0045]
Wenn wir auch in gewissen Fällen diesem Übergange keinen besondern Namen gegeben: so ist doch nicht zu zweifeln, daß er wirklich vorhanden sein müsse, wenn ein Zustand natürlicher Weise mit seinem Widerspiel abwechseln sol: denn eine Veränderung, die natürlich sein sol, mus durch die Kräfte, die in die Natur gelegt sind, hervorgebracht werden. Diese Kräfte aber sind stets wirksam, stets lebendig: denn wenn sie nur einen Augenblik entschliefen, so würde sie nichts als die Almacht zur Thätigkeit aufwekken können. Was aber nur die Allmacht thun kann, wollen wir dieses natürlich nennen?

 

[Ia-05-1779-0046]
Was die natürlichen Kräfte also itzt hervorbringen, daran haben sie schon von ie her gearbeitet; denn sie waren niemals müssig, nur daß ihre Wirkung erst nach und nach sichtbar geworden. Die Kraft der Natur z. B. die die Tageszeiten verändert, arbeitet schon iezt daran, nach einiger Zeit die Nacht auf den Horizont zu führen, aber sie nimt ihren Weg durch Mittag und Abend, welches die Übergänge sind von der Geburt des Tages bis auf seinen Tod.

 

[Ia-05-1779-0047]
Im Schlafe selbst arbeiten die Lebenskräfte schon an der künftigen Erwachung, so wie sie im wachenden Zustande den künftigen Schlaf vorbereiten. Dieses ist nicht zu leugnen. Und überhaupt, wenn ein Zustand natürlicher Weise auf sein Widerspiel erfolgen soll, wie solches bei allen natürlichen Veränderungen geschiehet: so müssen die stets wirksamen Kräfte der Natur schon vorher an dieser Veränderung gearbeitet, und den vorhergehenden Zustand gleichsam mit dem zukünftigen beschwängert haben. Folgt nicht hieraus, daß die Natur alle mitlern Zustände mitnehmen mus, wenn sie einen Zustand mit seinem Widerspiel ablösen wil? ?" Seit. 130. 131. 132. 133. 134. 135.

 

[Manuskriptseite 19.]

[Ia-05-1779-0048]
4) Alles Veränderliche kan keinen Augenblik unverändert bleiben.

 

[Ia-05-1779-0049]
"Was veränderlich ist, bleibt keinen Augenblick, ohne wirklich verändert zu werden. Denn, indem die Zeit ohne zu ruhen forteilet, und das Künftige beständig zu dem Vergangenen zurüksendet, so verwandelt sie auch zugleich alles Veränderliche, und zeigt es ieden Augenblik unter einer neuen Gestalt. Alles Veränderliche, wenn es eine Wirklichkeit, und kein blosser Begrif ist, mus eine Kraft haben, etwas zu leiden thun, und ein Geschikke, etwas zu leiden. Nun mag es thun oder leiden, so wird etwas an ihm anders, als es vorher gewesen; und da die Kräfte der Natur niemals in Ruhe sind: was könte den Strom der Vergänglichkeit nur einen Augenblik in seinem Laufe hemmen?

 

[Ia-05-1779-0050]
Das thut der Wahrheit keinen Eintrag, daß uns gewisse Dinge oft eine Zeit lang unverändert scheinen; denn scheinet uns doch auch eine Flamme eben dieselbe, und dennoch ist sie nichts anders, als ein Feuerstrom, der aus dem brennenden Körper ohne Unterlas empor steigt, und unsichtbar wird. Die Farben kommen unsern Augen öfters wie unverändert vor, und gleichwol wechselt beständig neues Sonnenlicht mit dem vorigen ab. Wenn wir aber die Wahrheit suchen, so müssen wir die Dinge nach der Wirklichkeit, nicht aber nach dem Sinnenschein beurtheilen. ?" Seit. 136. 137.

 

[Ia-05-1779-0051]
5) In der Zeit findet man zwei Augenblikke, die einander die nächsten sind.

 

[Ia-05-1779-0052]
"Diesen Saz wil ich durch ein Beispiel deutlicher machen. Indem ich das Wort Cebes ausspreche, folgen hier nicht zwo Sylben auf einander, zwischen welchen keine dritte anzutreffen ist? Diese beiden Sylben also sind einander die nächsten. Aber in dem Begriffe, den wir mit dem Worte verbinden, giebt es hier auch zwei Stükke, die sich einander die nächsten sind. Und mit Recht; denn die Theile dieses Begrifs sind unzertrenlich, und machen ein stetiges Ganzes aus; da hingegen die Sylben zertrenlich sind, und in einer unstätigen Reihe aufeinander folgen. Dieses ist vollkommen deutlich. Ich frage also izt von der Zeit:

 

[Manuskriptseite 20.]

Ist sie mit dem ausgesprochenen Worte, oder mit dem Begriffe zu vergleichen? Folgen ihre Augenblikke in einer stätigen, oder unstätigen Ordnung auf einander?

 

[Ia-05-1779-0053]
In einer stätigen, erwiederte Cebes.

 

[Ia-05-1779-0054]
Freilich, versezte Sokrates; denn durch die Folge unsrer Begriffe erkennen wir ia die Zeit; wie ist es also möglich, daß die Natur der Folge in der Zeit und in den Begriffen nicht einerlei sein solte? Es giebt also keine zwei Augenblikke, die sich einander die nächsten sind. Und da die Veränderungen mit der Zeit in gleichen Schritten fortgehen, so giebt es auch nicht zwo Zustände, die sich einander die nächsten sind.

 

[Ia-05-1779-0055]
Unsern Sinnen kömt es freilich so vor, als wenn die Veränderungen rükweise geschähen; allein in der Wirklichkeit ist die Folge der Veränderungen stätig; und man mag zween Zustände so dicht an einander sezzen, als man wil: so giebt es immer noch einen Übergang dazwischen, der sie mit ent einander verbindet, der der Natur von einem auf den andern gleichsam den Weg zeigt. ?" Seit. 138. 139. 140. 141.

 

[Ia-05-1779-0056]
6) Von Leben und Tod.

 

[Ia-05-1779-0057]
"In iedem thierischen Leibe gehen beständig Trennungen und Zusammensezzungen vor, die zum Theil auf die Erhaltung, zum Theil aber auf den Untergang der grossen Maschine abzielen. Tod und Leben fangen bei der Geburt des Thieres schon an gleichsam mit einander zu ringen. Dies zeigt die tägliche Erfahrung. Wir nennen den Zustand, in welchem die thierischen Veränderungen mehr auf die Erhaltung, als auf den Untergang des Leibes abzielen, Gesundheit. Hingegen werden die thierischen Veränderungen, welche die Auflösung der großen Maschine verursachen, durch Krankheiten vermehret, oder auch durch das Alter, welches die natürlichste Krankheit genent wer

 

[Manuskriptseite 21.]

den kan. Das Verderben nimt durch unmerkliche Grade almählig zu. Endlich zerfält das Gebäude, und löset sich in seine kleinsten Theile auf. Aber was geschieht? Hören diese Theile auf, Veränderungen zu leiden? gehen sie ganz verloren? Unmöglich, wenn das wahr ist, worüber wir einig geworden: denn es giebt wohl kein Mittel zwischen Sein und Nichtsein. Keinesweges. Sein und Nichtsein wären also zween Zustände, die unmittelbar aufeinander folgen, die sich einander die nächsten sein müsten: wir haben aber gesehen, daß die Natur keine solche Veränderungen, die plözlich und ohne Übergang geschehen, hervorbringen kan. Da nun die Natur weder Dasein noch eine Zernichtung hervorbringen kan; so gehet bey der Auflösung des thierischen Leibes nichts verloren. Die zerfallenen Theile fahren fort zu sein, zu wirken, zu leiden, zusammengesezt und getrennet zu werden, bis sie sich durch unendliche Übergänge in Theile eines andern Zusammengesezten verwandeln. Manches wird Staub, manches wird zur Feuchtigkeit, dieses steigt in die Luft, ienes geht in eine Pflanze über, wandelt von der Pflanze in ein lebendiges Thier, und verläst das Thier, um einem Wurme zur Nahrung zu dienen.

 

[Ia-05-1779-0058]
Wir sehen also, daß Tod und Leben, in so weit sie den Leib angehen, in der Natur nicht so getrent sind, als sie unsern Sinnen scheinen. Sie sind Glieder einer stätigen Reihe von Veränderungen, die durch stufenweise Übergänge mit einander auf das genaueste verbunden sind. Es giebt keinen Augenblik, da man, nach aller Strenge, sagen könte: Izt stirbt das Thier; so wenig man, nach aller Strenge, sagen kann: Izt ward es krank, oder izt ward es wieder gesund. Freilich müssen die Veränderungen unsern Sinnen wie getrent scheinen, da sie uns nicht eher, als nach einer geraumen Zwischenzeit merkbar werden; aber genug, wir wissen, daß sie es in der That nicht sein können. Ich besinne mich izt auf ein Beispiel, das diesen Saz erläutern wird. Unsere

 

[Manuskriptseite 22.]

Augen, die auf einen gewissen Erdstrich eingeschränkt sind, unterscheiden gar deutlich Morgen, Mittag, Abend und Mitternacht, und es ist uns, als wenn diese Zeitpunkte von den übrigen getrent und abgesondert wären. Wer aber den ganzen Erdboden betrachtet, erkennet gar deutlich, daß die Umwälzungen von Tag und Nacht stetig aneinander hangen, und also ieder Augenblik der Zeit Morgen und Abend, Mittag und Mitternacht zugleich sei.

 

[Ia-05-1779-0059]
Homer hat nur, als Dichter, die Freiheit, seiner Götter Verrichtungen nach den Tageszeiten einzutheilen: als ob iemanden, der nicht in einen engen Bezirk auf dem Erdboden eingeschränkt ist, die Tageszeiten noch wirklich getrennte Epochen wären, und es nicht vielmehr zu ieder Zeit so wohl Morgen als Abend wäre. Es ist den Dichtern erlaubt, dieses anzunehmen; allein der Wahrheit zu Folge, müste Aurora mit ihren Rosenfingern beständig die Thore des Himmels offen halten, und ihren gelben Mantel unaufhörlich von einem Orte zum andern schleppen, so wie die Götter, wenn sie nur des Nachts schlafen wollen, gar nicht oder beständig schlafen müssen. -

 

[Ia-05-1779-0060]
So lassen sich auch, im Ganzen betrachtet, die Tage der Woche nicht unterscheiden; denn das Stätige und Aneinanderhängende läst sich nur im in der Einbildung, und nach den Vorspiegelungen der Sinne, in bestimmte und abgesonderte Theile zertrennen; der Verstand aber siehet gar wol, daß man da nicht stehen bleiben mus, wo keine wirkliche Abtheilung ist. Mit dem Leben Leben und Tode der Thiere und Pflanzen verhält es sich gleichfals nicht anders. In der Folge der von Veränderungen, die dasselbe Ding erlitten, fängt sich, nach dem Urtheile unserer Sinne, da eine Epoche an, wo uns das Ding merklich als Pflanze oder als Thier in die Sinne gefallen, und dieses nennen wir das Aufkeimen der Pflanze, und die Geburt des Thieres. Den zweiten Zeitpunkt, da, wo sich die thierischen oder pflanzigten Bewegungen unsern Sinnen entziehen, nennen wir den Tod; und den dritten, wann endlich die thierischen oder pflanzigten Formen verschwinden und unscheinbar werden, nennen wir den Untergang,

 

[Manuskriptseite 23.]

die Verwesung des Thieres oder der Pflanze. In der Natur aber sind alle diese Veränderungen Glieder einer ununterbrochenen Kette, allmählige Auswikkelungen und Entwikkelungen desselben Dinges, das sich in unzählige Gestalten einhüllet und entkleidet.

 

[Ia-05-1779-0061]
Wenn wir sagen, die Seele stirbt, so müssen wir eines von beiden sezzen: Entweder alle ihre Kräfte und Vermögen, ihre Wirkungen und Leiden hören plözlich auf, sie verschwindet gleichsam in einem Nu; oder sie leidet, wie der Leib, almählige Verwandelungen, unzählige Umkleidungen, die in einer stätigen Reihe fortgehen, und in dieser Reihe giebt es eine Epoche, wo sie keine menschliche Seele mehr, sondern etwas anders geworden ist, so wie der Leib, nach unzähligen Veränderungen, aufhört ein menschlicher Leib zu sein, und Staub, Luft, Pflanze, oder auch ein Theil eines andern Thieres wird. Giebt es einen dritten Fal, wie die Seele sterben kann, einen Fal mehr, als plözlich oder almählig?

 

[Ia-05-1779-0062]
Der erste Fal. daß die Seele plözlich vergehe, kann nicht möglich sein, wenn das wahr ist, was wir vorhin behauptet haben, daß die Natur keine Zernichtung hervorbringen könne. Zwischen Sein und Nichtsein ist eine entsezliche Kluft, die von der almählig wirkenden Natur der Dinge nicht übersprungen werden kan. ? Gesezt aber dieser Fal wäre möglich, so ist die Frage: wann? zu welcher Zeit sol unsre Seele verschwinden? Vermuthlich zu der Zeit, da der Körper ihrer nicht mehr bedarf, in dem Augenblikke des Todes? ? Nun haben wir aber gesehen, daß es keinen bestimten Augenblick giebt, da man sagen kann, izt stirbt das Thier. Die Auflösung der thierischen Maschine hat schon lange vorher ihren Anfang genommen, ehe noch ihre Wirkungen sichtbar geworden sind; denn es fehlet niemals an solchen thierischen Bewegungen, die der Erhaltung des Ganzen zuwider sind; nur daß sie nach und nach zunehmen, bis endlich alle Bewegungen der

 

[Manuskriptseite 24.]

Theile nicht mehr zu einem einzigen Endzwekke harmoniren, sondern eine iede ihren besondern Endzwek angenommen hat: und alsdann ist die Maschine aufgelöset. Dieses geschiehet so almählig, in einer so stätigen Ordnung, daß ieder Zustand eine gemeinschaftliche Gränze des vorhergehenden und nachfolgenden Zustandes, eine Wirkung des vorhergehenden und eine Ursache des nachfolgenden Zustandes zu nennen ist.

 

[Ia-05-1779-0063]
Wenn also der Tod des Körpers auch der Tod der Seele sein sol: so mus es auch keinen Augenblik geben, da man sagen kan, izt verschwindet die Seele; sondern nach und nach, wie die Bewegungen in den Theilen der Maschine aufhören zu einem einzigen Endzwekke zu harmoniren, mus die Seele auch an Kraft und innerer Wirksamkeit abnehmen.

 

[Ia-05-1779-0064]
Daß aber die innern Kräfte der Seele nicht so almählig vergehen können, wie sich die Theile der Maschine trennen, werden wir so beweisen. Lasset uns diese getreuen Gefährten, Leib und Seele, die auch den Tod mit einander gemein haben sollen, auf ihrer Reise verfolgen, um zu sehen, wo sie zulezt bleiben. So lange der Körper gesund ist, so lange die mehresten Bewegungen der Maschine auf die Erhaltung des Ganzen abzielen, die Werkzeuge der Empfindung auch ihre gehörige Beschaffenheit haben, so besizt auch die Seele ihre völlige Kraft, empfindet, denkt, liebet, verabscheuet, begreifet und wil.

 

[Ia-05-1779-0065]
Der Leib wird krank. Es äussert sich eine sichtbare Mishelligkeit zwischen den Bewegungen, die in der Maschine vorgehen, indem ihrer viele nicht mehr zur Erhaltung des Ganzen harmoniren, sondern ganz besondere und streitende Endzwekke haben. Und die Seele?

 

[Ia-05-1779-0066]
Wie die Erfahrung lehret, wird sie indessen schwächer, empfindet unordentlich, denkt falsch und handelt öfters wider ihren Dank. Gut! Ich fahre fort. Der Leib stirbt: das heist, alle Bewegungen scheinen nunmehr nicht mehr auf das Leben und

 

[Manuskriptseite 25.]

die Erhaltung des Ganzen abzuzielen; aber innerlich mögen wol noch einige schwache Leibesbewegungen vorgehen, die der Seele noch einige dunkele Vorstellungen verschaffen: auf diese mus sich also die Kraft der Seele einschränken.

 

[Ia-05-1779-0067]
Die Verwesung folgt. Die Theile, die bisher einen gemeinschaftlichen Endzwek gehabt, eine einzige Maschine ausgemacht haben, bekommen iezt ganz verschiedene Endzwekke, werden zu mannigfaltigen Theilen ganz verschiedener Maschinen. Und die Seele, mein Cebes! wo wollen wir die lassen? Ihre Maschine ist verweset. Die Theile, die noch von derselben übrig sind, sind nicht mehr ihre, und machen auch kein Ganzes aus, das beseelt werden könnte. Hier sind keine Gliedmassen der Sinne, keine Werkzeuge des Gefühls mehr, durch deren Vermittelung sie irgend zu einer Empfindung gelangen könte. Soll also alles in ihr öde sein? Solten alle ihre Empfindungen, ihre Einbildungen, ihre Neigungen und Leidenschaften, Begierden und Verabscheuungen verschwunden sein, und nicht die geringste Spur hinterlassen haben?

 

[Ia-05-1779-0068]
Unmöglich, sprach Cebes. Was wäre dieses anders als eine völlige Zernichtung, und keine Zernichtung, haben wir gesehen, stehet in dem Vermögen der Natur.

 

[Ia-05-1779-0069]
Also kan die Seele in Ewigkeit nicht untergehen; denn der lezte Schrit, man mag ihn noch so weit hinaus schieben, wäre immer noch vom Dasein zum Nichts ein Sprung, der weder in dem Wesen eines einzelnen Dinges, noch in dem ganzen Zusammenhange gegründet ist sein kann. Sie wird also fort dauern, ewig vorhanden sein. Sol sie vorhanden sein, so mus sie wirken und leiden; sol sie wirken und leiden, so mus sie Begriffe haben: denn empfinden, denken und wollen sind die einzigen Wirkungen und Leiden, die der Seele zukommen können. ?" Seit. 144. geht bis Seit. 161.

 

[Manuskriptseite 26.]

[Ia-05-1779-0070]
7) Wenn der Mensch nach dem Tode nicht mehr wäre ? ? wie schreklich für ihn!!

 

[Ia-05-1779-0071]
"Ist unsere Seele sterblich, so ist unsere Vernunft ein Traum, den uns Iupiter geschikt hat, uns Elende zu hintergehen; so fehlet der Tugend aller Glanz, der sie in unsern Augen götlich macht; so ist das Schöne und Erhabene, das sitliche so wol als das physische, kein Abdruk götlicher Volkommenheiten; (denn nichts vergängliches kan den schwächsten Stral götlicher Volkommenheit fassen;) so sind wir, wie das Vieh, hieher gesezt worden, Futter zu suchen und zu sterben; so wird es in wenigen Tagen gleich viel sein, ob ich eine Zierde, oder Schande der Schöpfung gewesen, ob ich mich bemühet, die Anzahl der Glückseligen, oder der Elenden zu vermehren; so hat der verworfenste Sterbliche sogar die Macht sich der Herschaft Gottes zu entziehen, und ein Dolch kan das Band auflösen, welches den Menschen mit Gott verbindet. Ist unser Geist vergänglich, so haben die weisesten Gesezgeber und Stifter der menschlichen Geselschaften uns, oder sich selbst betrogen; so hat das gesamte menschliche Geschlecht sich gleichsam verabredet, eine Unwahrheit zu hegen, und die Betrüger zu verehren, die solche erdacht haben; so ist ein Staat freier, denkender Wesen nicht mehr, als eine Heerde vernunftloses Viehes, und der Mensch ? ich entsezze mich, ihn in dieser Niedrigkeit zu betrachten! und der Mensch, der Hofnung zur Unsterblichkeit beraubt, ist das elendeste Thier auf Erden, das zu seinem Unglükke über seinen Zustand nachdenken, den Tod fürchten, und verzweifeln mus. Nicht der algütige Gott, der sich an der Glükseeligkeit seiner Geschöpfe ergözt, ein schadenfrohes Wesen müste ihn mit Vorzügen begabt haben, die ihn nur beiammernswerther machen. Ich weiß nicht, welche beklemmende Angst sich meiner Seele bemeistert, wenn ich mich an die Stelle der Elenden sezze, die eine Vernichtung fürchten. Die bittere Erinnerung des Todes mus alle ihre Freuden vergällen. Wenn sie der Freundschaft geniessen, wenn sie die Wahrheit

 

[Manuskriptseite 27.]

erkennen, wenn sie die Tugend ausüben, wenn sie den Schöpfer verehren, wenn sie über Schönheit und Volkommenheit in Entzükkung gerathen wollen: so steigt der schrekliche Gedanke der Zernichtung, wie ein Gespenst, in ihrer Seele empor, und stürzt sie in Verzweiflung. Ein Hauch der ausbleibt, ein Pulsschlag, der stille stehet, beraubt sie aller dieser Herlichkeiten: das Gott verehrende Wesen wird Staub. Ich danke den Göttern, daß sie mich von dieser Furcht befreiet, die alle Wollüste meines Lebens mit Skorpionenstichen unterbrechen würde. Meine Begriffe von der Gottheit, von der Tugend, von der Würde des Menschen, und von dem Verhältnisse, in welchem er mit Gott stehet, lassen mir keinen Zweifel mehr über seine Bestimmung. Die Hofnung eines zukünftigen Lebens löset alle diese Schwierigkeiten auf, und bringet die Wahrheiten, von welchen wir auf so mancherlei Weise überzeugt sind, wieder in Harmonie. Sie rechtfertiget die Gottheit, sezt die Tugend in ihren Adel ein, giebt der Schönheit ihren Glanz, der Wollust ihre Reizung, versüsset das Elend, und macht selbst die Plagen dieses Lebens in unsern Augen verehrenswerth: indem wir alle Begebenheiten hienieden mit den unendlichen Reihen von Folgen vergleichen, die durch dieselben veranlasset werden. ?" Seit. 176. 177. 178. 179. 180.

 

[Ia-05-1779-0072]
8) Beweis, daß das Denken keine Eigenschaft des Zusammengesezten ist.

 

[Ia-05-1779-0073]
"Bei einer ieden künstlichen Bildung oder Zusammensezzung der Dinge werden gewisse Dinge näher zusammengebracht, die vorhin von einander entfernt waren. Sie sind vorhin mit andern in Verbindung gewesen, und nunmehr werden sie unter sich verbunden, und machen die Bestandtheile des Ganzen aus, das wir ein Zusammengeseztes nennen? ? Gut! ? Durch diese Verbindung der Theile entstehet erstlich in der Art und Weise, wie diese Bestandtheile neben einander sind, eine gewisse Ordnung, die mehr oder weniger volkommen ist. So dann werden auch die Kräfte und Wirksamkeiten der Bestandtheile durch die Zusammensezzung mehr oder weniger verwandelt, nachdem sie durch Wirkung

 

[Manuskriptseite 28.]

und Gegenwirkung bald gehemmet, bald befördert, und bald in ihrer Richtung verändert werden. Der Urheber einer solchen Zusammensetzung siehet bald einzig und allein auf das Nebeneinandersein der Theile: z. B. bei der Wohlgereimtheit und dem Ebenmaas in der Baukunst, wo nichts als diese Ordnung des Nebeneinanderseienden in Betrachtung kömt; bald hingegen gehet seine Absicht auf die veränderte Wirksamkeit der Bestandtheile, und die daraus erfolgte Kraft des Zusammengesezten, wie bei einigen Triebwerken und Maschinen; ia es giebt dergleichen, wo man deutlich siehet, daß der Künstler sein Absehen auf beides, auf die Ordnung der Theile und auf die Abänderung ihrer Wirksamkeit zugleich gerichtet hat. Kan nun, mein, Simmias! durch die Zusammensezzung eine Kraft im Ganzen entstehen, die nicht in der Wirksamkeit der Bestandtheile ihren Grund hat? ? Wie meinst du, mein Sokrates! ? Wenn alle Theile der Materie, ohne Wirkung und Widerstand, in einer todten Ruhe nebeneinander lägen, würde die künstlichste Ordnung und Versezzung derselben, im Ganzen irgend eine Bewegung, einen Widerstand, überhaupt eine Kraft hervor bringen können? ? Es scheinet nicht, antwortete Simmias; aus unwirksamen Theilen kann wol kein wirksames Ganzes zusammengesezt werden. ? Gut! sprach er, wir können diesen Grundsaz also annehmen. Allein wir bemerken gleichwol, daß in dem Ganzen Übereinstimmung und Ebenmaas angetroffen werden kann, obgleich jeder Bestandtheil für sich weder Harmonie, noch Ebenmaas hat; wie gehet dieses zu? Kein einzelner Laut ist harmonisch: und gleichwol machen viele zusammen eine Harmonie aus. Ein wolgeordnetes Gebäude kann aus Steinen bestehen, die weder Ebenmaas noch Regelmässigkeit haben. Warum kann ich hier aus unharmonischen Theilen ein harmonisches Ganzes, aus regellosen Theilen ein höchst regelmässiges Ganzes zusammensezzen? ? O! dieser Unterschied ist handgreiflich, versetzte Simmias, Ebenmaas, Harmonie, Regelmässigkeit, Ordnung, u. s. w. können, ohne Mannigfaltigkeit, nicht gedacht werden: denn sie bedeuten das Verhältnis verschiedener Eindrükke, wie sie sich uns,

 

[Manuskriptseite 29.]

zusammengenommen, und in Vergleichung gegeneinander, darstellen. Es gehört also zu diesen Begriffen ein Zusammennehmen, eine Vergleichung mannigfaltiger Eindrükke, die zusammen ein Ganzes ausmachen, und sie können daher den einzelnen Theilen unmöglich zukommen. ? Vortreflich! rief Sokrates, mein Simmias; sage uns auch dieses: Wenn ieder einzelne Laut nicht einen Eindruk in das Gehör machen sollte, würde aus vielen wol eine Harmonie entstehen können? ? Unmöglich! ? So auch mit dem Ebenmasse: Ieder Theil mus in das Auge wirken, wenn aus vielen das, was wir Ebenmas nennen, entstehen sol. ? Wir sehen also auch hier, daß im Ganzen keine Wirksamkeit entstehen kan, wovon der Grund nicht in den Bestandtheilen anzutreffen, und daß alles übrige, was aus den Eigenschaften der Elemente und Bestandtheile nicht fliest, wie die Ordnung, Symmetrie, u. s. w. einzig und allein in der Art der Zusammensezzung zu suchen sei. Es kömt also bei ieder, auch der allerkünstlichsten Zusammensezzung der Dinge, zweierlei zu betrachten vor: erstlich, die Folge und Ordnung der Bestandtheile in der Zeit oder im Raum; sodann, die Verbindung der ursprünglichen Kräfte, und die Art und Weise, wie sie sich im Zusammengesezten äussern. Durch die Anordnung und Lage der Theile werden zwar die Wirkungen der einfachen Kräfte eingeschränkt, bestimt und abgeändert, aber niemals kan durch die Zusammensezzung eine Kraft oder Wirksamkeit erhalten werden, deren Ursprung nicht in den Grundtheilen zu suchen ist. Erwäge, mein Simmias! wenn unser Vermögen zu denken und zu empfinden kein für sich erschaffenes Wesen, sondern eine Eigenschaft des Zusammengesezten sein sol: mus es nicht entweder, wie Harmonie und Ebenmas, aus einer gewissen Lage und Ordnung der Theile erfolgen, oder, wie die Kraft des Zusammengesezten, seinen Ursprung in der Wirksamkeit der Bestandtheile haben? ? Allerdings, da, wie wir gesehen, kein Drittes sich gedenken gedenken läst. ? In Ansehung der Harmonie haben wir gesehen, daß z. B. ieder einzelne Laut nichts Harmonisches hat, und die Übereinstimmung blos

 

[Manuskriptseite 30.]

in Gegeneinanderhaltung und Vergleichung verschiedener Laute bestehe. Dieses ist nicht zu läugnen. Aber diese Vergleichung und Gegeneinanderhaltung, ist sie wol etwas anders, als die Wirkung des Denkungsvermögens? Und wird sie, ausser dem denkenden Wesen, irgendwo in der Natur anzutreffen sein? - In der undenkenden Natur, fuhr Sokrates fort, folgen einzelne Laute, einzelne Steine auf und neben einander. Wo ist hier Harmonie, Symmetrie, oder Regelmässigkeit? Wenn kein denkendes Wesen hinzukomt, das die mannigfaltigen Theile zusammen nimt, gegeneinander hält, und in dieser Vergleichung eine Übereinstimmung wahrnimt, so weis ich sie nirgend zu finden. Nun weiter. Kan der Ursprung einer Sache aus ihren eignen Wirkungen erkläret werden? ? Auf keinerlei Weise. ? Ordnung, Ebenmas, Harmonie, Regelmässigkeit, überhaupt also Verhältnisse, die ein Zusammennehmen und Gegeneinanderhalten des Mannigfaltigen erfodern, sind Wirkungen des Denkungsvermögens. Ohne Hinzuthun des denkenden Wesens, ohne Vergleichung und Gegeneinanderhaltung der mannigfaltigen Theile ist das regelmässigste Gebäude ein blosser Sandhaufen, und die Stimme der Nachtigal nicht harmonischer, als das Ächzen der Nachteule. Ia ohne diese Wirkung giebt es in der Natur kein Ganzes, das aus vielen aussereinanderseienden Theilen bestehet; denn diese Theile haben ein iedes sein eignes Dasein, und sie müssen gegen einander gehalten, verglichen, und in Verbindung betrachtet werden, wenn sie ein Ganzes ausmachen sollen. Das denkende Vermögen, und dieses allein in der ganzen Natur, ist fähig, durch eine innerliche Thätigkeit Vergleichungen, Verbindungen und Gegeneinanderhaltungen wirklich zu machen: daher der Ursprung alles Zusammengesezten, der Zahlen, Grössen, Symmetrie, Harmonie u. s. w. in so weit sie ein Vergleichen und Gegeneinanderhalten erfodern, einzig und allein in dem denkenden Vermögen zu suchen sein mus. Und da dieses zugegeben wird, so kan ia dieses Denkungsvermögen selbst, diese Ursache aller Vergleichung und Gegeneinanderhaltung, unmöglich aus diesen ihren

 

[Manuskriptseite 31.]

eignen Verrichtungen entspringen, unmöglich in einer Verhältnis, Harmonie, Symmetrie, unmöglich in einem Ganzen bestehen, das aus aussereinanderseienden Theilen zusammengesezt ist: denn alle diese Dinge sezzen die Wirkungen und Verrichtungen des denkenden Wesens voraus, und können nicht anders, als durch dieselben, wirklich werden. Da ein iedes Ganzes, das aus Theilen, die aussereinander sind, bestehet, ein Zusammennehmen und Vergleichen dieser Theile zum voraus sezzet, dieses Zusammennehmen und Vergleichen aber die Verrichtung eines Vorstellungsvermögens sein mus: so kan ich den Ursprung dieses Vorstellungsvermögens selbst nicht in ein Ganzes sezzen, das aus solchen auseinanderseyenden Theilen bestehet, ohne eine Sache durch ihre eigenen Verrichtungen entstehen zu lassen. Und eine solche Ungereimtheit haben die Fabellehrer selbst, so viel ich weis, noch niemals gewagt. Niemand hat noch den Ursprung einer Flöte in das Zusammenstimmen ihrer Töne, oder den Ursprung des Sonnenlichts in den Regenbogen gesezt. ? ? ?" Seit. 204. 205. 206. 207. 208. 209. 210. 211. 212. 213. 214. 215.

 

[Ia-05-1779-0074]
9) Die Wirkungen der Seele sezzen ein einfaches Wesen zum voraus.

 

[Ia-05-1779-0075]
"Ausdehnung und Bewegung sind die Grundbegriffe, woraus sich alles auflösen läst, was dem Zusammengesezten zukommen kan; die Ausdehnung ist der Stof, und die Bewegung die Quelle, aus welchen die Veränderungen entspringen. Beide zeigen sich in der Zusammensezzung unter tausend mannigfaltigen Gestalten, und stellen in der körperlichen Natur die unendliche Reihe wundervoller Bildungen dar, vom klein kleinsten Sonnenstäubchen, bis zu iener Herlichkeit der himlischen Sphären. Alle kommen darin überein, daß ihr Stof Ausdehnung und ihre Wirksamkeit Bewegung ist. Alles Wahrnehmen, Vergleichen, Schliessen, Begehren, Wollen, Lust und Unlust empfinden, erfodern eine von Ausdehnung und Bewegung ganz verschiedene Bestandheit, einen andern Grundstof, andere Quellen der Veränderungen. In einem einfachen Grundwesen mus hier vieles vorgestellet, das Aussereinanderseiende zusammen begriffen, das

 

[Manuskriptseite 32.]

Mannigfaltige gegeneinander gehalten, und das Verschiedene in Vergleichung gebracht werden. Was in dem weiten Raum der Körperwelt zerstreuet ist, dränget sich hier, ein Ganzes auszumachen, wie in einem Punkt zusammen, und was nicht mehr ist, wird in dem gegenwärtigen Augenblik mit dem, was noch werden sol, in Vergleichung gebracht. Alhier erkenne ich weder Ausdehnung noch Farbe, weder Ruhe noch Bewegung, weder Raum noch Zeit, sondern ein innerlich wirksames Wesen, das Ausdehnung und Farbe, Ruhe und Bewegung, Raum und Zeit sich vorstellet, verbindet, trennet, vergleichet, wählet, und noch tausend anderer Beschaffenheiten fähig ist, die mit Ausdehnung und Bewegung nicht die mindeste Gemeinschaft haben. Lust und Unlust, Begierden und Verabscheuungen, Hofnung und Furcht, Glükseeligkeit und Elend, sind keine Ortveränderungen kleiner Erdstäublein. Bescheidenheit, Menschenliebe, Wolwollen, das Entzükken der Freundschaft und das hohe Gefühl der Gottesfurcht sind etwas mehr, als die Wallungen des Geblüts, und das Schlagen der Pulsadern, von welchen sie begleitet zu werden pflegen. ?" Seit. 229. 230. 231.

 

[Ia-05-1779-0076]
10) Die Art, wie sich ein Körper unsern Sinnen darstelt, ist etwas geringer, als das, Weise was wir vom Körper und seinen Eigenschaften wissen.

 

[Ia-05-1779-0077]
"Ausdehnung und Bewegung sind Vorstellungen des denkenden Wesens von dem, was ausser ihm wirklich ist. Wir mögen die zuverlässigsten Gründe haben, versichert zu sein, daß die Dinge ausser uns nicht anders sind, als sie uns nicht ohne Hindernis erscheinen: diesem aber ohngeachtet geht alzeit die Vorstellung selbst voran, und die Versicherung, daß ihr Gegenstand wirklich ist, folgt nachher. In der Reihe unsrer Erkenntnis gehet also alzeit das denkende Wesen voran, und das ausgedehnte Wesen folgt; wir erfahren zuerst, daß Begriffe, und folglich ein begreifendes Wesen, wirklich sein, und von ihnen schliessen wir auf das wirkliche Dasein des Körpers und seine Eigenschaften. Wir können uns von dieser Wahrheit auch dadurch überzeugen,

 

[Manuskriptseite 33.]

weil der Körper ohne Verrichtung des denkenden Wesens kein Ganzes ausmachen, und die Bewegung selbst, ohne Zusammenhalten des Vergangenen mit dem Gegenwärtigen, keine Bewegung sein würde. Wir mögen die Sache also betrachten von welcher Seite wir wollen, so stöst uns alzeit die Seele mit ihren Verrichtungen zuerst auf, und so dann folget der Körper mit seinen Veränderungen. Das Begreifende geht allezeit vor dem blos Begreiflichen her. Wir können die ganze Kette von Wesen vom Unendlichen an, bis auf das kleinste Stäublein in drei Glieder eintheilen. Das erste Glied begreift, kann aber nicht von andern begriffen werden: dieses ist der einzige, dessen Volkommenheit alle endlichen Begriffe übersteiget. Die erschafnen Geister und Seelen machen das zweite Glied: diese begreifen und können von andern begriffen werden. Die Körperwelt ist das lezte Glied, die nur von andern begriffen werden, aber nicht begreifen kan. Die Gegenstände dieses lezten Gliedes sind, so wol in der Reihe unsrer Erkentnis, als im Dasein selbst, ausser uns, alzeit die hintersten in der Ordnung, indem sie allezeit die Wirklichkeit eines begreifenden Wesens voraussezzen. ? ?" Seit. 232. 233. 234.

 

[Ia-05-1779-0078]
11) Vom Menschen überhaupt ? wie er niemals unvolkommener wird.

 

[Ia-05-1779-0079]
"Alle endliche Geister haben anerschaffene Fähigkeiten, die sie durch Übung entwikkeln und volkommener machen. Der Mensch bearbeitet sein angebornes Vermögen zu empfinden und zu denken mit einer erstaunenswerthen Geschwindigkeit. Mit ieder Empfindung strömet ihm eine Menge von Erkenntnissen zu, die der menschlichen Zunge unaussprechlich sind; und wenn er die Empfindungen gegen einander hält, wenn er vergleichet, urtheilet, schliest, wählt, verwirft, so vervielfältigt er diese Menge ins Unendliche. Zu gleicher Zeit entfaltet eine unaufhörliche Geschäftigkeit die ihm angebornen Fähigkeiten des Geistes, und bildet in ihm Wiz, Verstand, Vernunft,

 

[Manuskriptseite 34.]

Erfindungskraft, Empfindung des Schönen und Guten, Grosmuth, Menschenliebe, Geselligkeit, und wie die Volkommenheiten alle heissen, die noch kein Sterblicher auf Erden hat unterlassen können zu erwerben. Las es sein, daß wir manche Menschen dum, thörigt, gefühllos, niederträchtig und grausam schelten: vergleichungsweise können diese Benennungen zuweilen Grund haben; aber noch hat kein Dumkopf gelebt, der nicht einige Merkmaale des Verstandes von sich gegeben, und noch kein Tyran, in dessen Busen nicht noch ein Funken von Menschenliebe geglimt hätte. Wir erwerben alle dieselben Volkommenheiten, und der Unterschied bestehet nur in dem mehr und weniger; wir erwerben sie alle, denn auch dem Gottlosesten ist es nie gelungen, seiner Bestimmung schnurstraks zuwider zu handeln. Er strebe, er widersezze sich mit der grösten Hartnäkkigkeit: so wird sein Widerstreben selbst einen angebornen Trieb zum Grunde haben, der ursprünglich gut, und blos durch unrechte Anwendung verdorben sein wird. Diese fehlerhafte Anwendung macht den Menschen unvolkommen und elend; allein die Ausübung des ursprünglich guten Triebes befördert gleichwol, wider seinen Dank und Willen, den Endzwek seines Daseins. Auf solche Weise hat noch kein Mensch in dem wohlthätigen Umgange mit seinen Nebenmenschen gelebt, der nicht den Erdboden volkommener verlassen, als er ihn betreten hat. Mit der gesamten Reihe der denkenden Wesen hat es die nämliche Beschaffenheit. so lange sie - " Seit. 247. 248. 249.

 

[Ia-05-1779-0080]
12) Von den Thierseelen.

 

[Ia-05-1779-0081]
"Alle ist in unaufhörlicher Arbeit und Bemühung, gewisse Absichten in dem götlichen Plane zu erfüllen; einer ieden wahren Substanz ist eine unabsehbare Folge und Reihe von Verrichtungen vorgeschrieben, die sie nach und nach bewirken mus, und diese wirkende Substanz wird allezeit durch die lezte Verrichtung tüchtiger, die nächstfolgende auszuführen. Nach diesen Grundsäzzen ist das geistige Wesen, das die Thiere belebt, von unendlicher Dauer, und fährt auch in Ewigkeit fort, die

 

[Manuskriptseite 35.]

Absichten Gottes in der Reihe und Stufenfolge zu erfüllen, die ihm in dem algemeinen Plane angewiesen worden. ?" Seit. 259.

 

[Ia-05-1779-0082]
13) Unsere Begierden und Wünsche gehen ins Unendliche.

 

[Ia-05-1779-0083]
"Erschaffene Naturen können niemals eine Volkommenheit, über welche sich nichts gedenken liesse, erreichen. Ie höher sie klimmen, desto mehr ungesehene Fernen entwölken sich ihren Augen, die ihre Schritte anspornen. Das Ziel dieses Bestrebens bestehet, wie das Wesen der Zeit, in der Fortschreitung. Durch die Nachahmung Gottes kan man sich almählig seinen Volkommenheiten nähern, und in dieser Näherung bestehet die Glükseeligkeit der Geister; aber der Weg zu denselben ist unendlich, kan in Ewigkeit nicht ganz zurük gelegt werden. Daher kennet das Fortstreben in dem menschlichen Leben keine Gränzen. Eine iede menschliche Begierde zielet an und für sich selbst in die Unendlichkeit hinaus. Unsere Wissensbegierde ist unersätlich, unser Ehrgeiz unersätlich, ia der niedrige Geldgeiz selbst quälet und beunruhiget, ohne iemals befriediget werden zu können. Die Empfindung der Schönheit suchet das Unendliche; das Erhabene reizet uns blos durch das Unergründliche, das ihm anhänget: die Wollust ekelt uns, so bald sie die Gränzen der Sättigung berühret. Wo wir Schranken sehen, die nicht zu übersteigen sind, da fühlet sich unsere Einbildungskraft wie in Fessel geschmiedet, und die Himmel selbst scheinen unser Dasein in gar zu enge Räume einzuschliessen: daher wir unsrer Einbildungskraft sogern den freien Lauf lassen, und die Gränzen des Raumes ins unendliche hinaussezzen. Dieses endlose Bestreben, das sein Ziel immer weiter hinausstrekt, ist dem Wesen, den Eigenschaften, und der Bestimmung der Geister angemessen, und die wundervollen Werke des Unendlichen enthalten Stof und Nahrung genug, dieses Bestreben in Ewigkeit zu unterhalten: ie mehr wir in ihre Geheimnisse eindringen, desto weitere Aussichten thun sich unsern gierigen Blikken auf; ie mehr wir ergründen, desto mehr finden wir zu erforschen; ie mehr wir geniessen, desto unerschöpflicher ist die Quelle. ? ? ?" Seit. 268. 269. 270.

 

[Manuskriptseite 36.]

[Ia-05-1779-0084]
III.

 

[Ia-05-1779-0085]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des achtzehnten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1772.

 

[Ia-05-1779-0086]
1) Von den Aposteln in Ansehung ihrer Sprache.

 

[Ia-05-1779-0087]
"Die Apostel haben nicht blos die 70 Dolmetscher gelesen und ihre eigene griechische Sprache darauf gebildet; sondern auch wirklich hebräisch gedacht, und was die im Genie der hebräischen Sprache dachten, in das Griechische übertragen. ?" Seit. 79. 80.

 

[Ia-05-1779-0088]
2) Die Natur erzeugt keine Ungeheuer.

 

[Ia-05-1779-0089]
"So wie man kein Muster einer ganz volkomnen Tugend unter den Erdenbewohnern ausfinden wird: so wird man auch kein

 

[Ia-05-1779-0090]
monstrum nulla virtute redemtum monstrum bis redemtum] zentrierte Zeile? MIWI

 

[Ia-05-1779-0091]
a vitiis ? antreffen können; und wenn auch solche Ungeheuer auf Erden wandelten, so würden sie dennoch nicht als solche die Erde betreten, denn der Mensch, wenn er auf die Welt gebohren wird, ist nichts, kan aber alles werden, ein wolthätiges Glied in der Kette der menschlichen Wesen, oder ein fauler Verzehrer der Früchte des Erdbodens, oder ein Bösewicht und Peiniger seiner Brüder. ?" Seit. 140. 141.

 

[Ia-05-1779-0092]
3) Gründe für das Ende der Höllenstrafen.

 

[Ia-05-1779-0093]
"Strafen, lang anhaltende Strafen zerstöhren entweder den Menschen völlig, oder er wird ? denn wir Menschen gewöhnen

 

[Manuskriptseite 37.]

uns nach und nach an alles ? zulezt gleichgültig, unempfindlich, gefühllos dagegen. ? Gesezt aber sie seien möglich, sind sie proportionirt? Man erwäge eines Theils die kurze Dauer des gegenwärtigen Lebens, den Unterricht, überhaupt die Erziehung, die manchem Menschen zum Loose fallen, die Verbindungen und Umstände, worin er eingeflochten ist wird; die Leichtigkeit, womit der Verstand der Menschen von den Sinnen und Leidenschaften überrascht und überwältigt wird, daß unter manchen unrichtigen Handlungen eines nicht völlig bösen Lebens, (denn dergleichen möchte sich wol bei keinem Menschen finden,) nicht alle mit Überlegung und Vorsaz begonnen werden pp., entwikle auf der andern Seite den Begrif endloser Strafen bei sich, und ? entscheide nun. ? Wenn Gott nach den Vorstellungen, die in unsern heil. Büchern von ihm gegeben werden, alle Menschen zur Erkentnis der Wahrheit, alle zur Tugend und Glükseeligkeit wil gebracht wissen, können wol nicht auch die Strafen in der künftigen Periode des menschl. Daseins nach dem Tode, unter andern ? Mittel zu diesem Zwek sein? können sie nicht von der weisen Güte Gottes so berechnet, so gewählet und eingerichtet sein, daß der ausgeartete Mensch dadurch zugleich almählig zur Erkentnis, tiefen Empfindung und Bereuung seiner Vergehungen angeführet, auf weisere Gesinnungen und Entschlüsse geleitet und darin bestärkt, von den ihn verunstaltenden Gebrechen nach und nach befreiet, und so umgeändert am Ende wieder zum verlornen Besiz der Huld seines Schöpfers, und zum Genus des Erfreulichen, das er von ieher der Tugend zugedacht hat, gelange? ? Aber, möchten einige sagen, vielleicht werden keine positive Strafen den Bösen dort zugefügt werden, wodurch eine Erschütterung bewirkt, und doch das Nachdenken bei ihnen rege gemacht werden könte. Gesezt auch, so fallen da doch manche Zerstreuungen und Hindernisse weg, durch die hier bei so manchem die Rükkehr zu seiner Bestimmung erschweret, wo nicht vereitelt worden. Solte er also nicht in solch einem ruhigern Zustande mit Hülfe

 

[Manuskriptseite 38.]

seiner Vernunft, die bei manchem aus dieser Klasse sehr durchdringend ist, durch Nachdenken, durch Auswikkelung seiner im vorigen Leben erworbenen Kentnisse, u. a. m. von selbst von seinen Ausschweifungen wieder zurük, und auf die Bahn der ächten Weisheit und Tugend, und dieses nun für immer, kehren können? Solte das von Gott, solte es von den glüklichen Bürgern des Reichs desselben, verhindert werden? ? ?" Seit. 144. 145.

 

[Ia-05-1779-0094]
IV.

 

[Ia-05-1779-0095]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des achtzehnten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai. 1773.

 

[Ia-05-1779-0096]
1) Von den Glaubenslehren.

 

[Ia-05-1779-0097]
"Das Maas der Erheblichkeit und Brauchbarkeit einer ieglichen Glaubenslehre in dem Vortrage der Religion mus durch das Maas ihres Einflusses auf die Besserung und den Trost des Menschen bestimt werden. Ie weniger und schwächer dieser ihr Einflus unmittelbar ist, desto minder wichtig ist sie auch für die Religion. Denn Glaubenslehren sind nur in Rüksicht auf diesen moralischen Einflus da, in sich selbst entahlten sie nicht den lezten Zwek, warum sie geglaubt werden müssen, noch weniger ist es eine wilkührliche Forderung Gottes, sie zu glauben. ?" S. 522.

 

[Ia-05-1779-0098]
"Nicht das, was der Sohn Gottes (und überhaupt das götliche Wesen) in sich, sondern das, was er für uns ist, gehört zu der algemein nothwendigen und fruchtbaren Religionserkentnis. So auch brauche ich nicht

 

[Manuskriptseite 39.]

nothwendig zu wissen, wie mir durch Christum meine Sünden vergeben werden, sondern daß sie vergeben werden. ?" Seit. 523.

 

[Ia-05-1779-0099]
"Wie steht es aber dann um die reine Lehre? und um die Unterscheidungslehren der Kirche? Warum müssen wir diese glauben? Doch nicht, weil sie Unterscheidungslehren sind? ? Nein, weil sie Wahrheit sind. ? Aber alles was Wahrheit ist, ist doch nicht zur Seeligkeit nothwendig, sonst müsten es natürliche und wissenschaftliche Wahrheiten auch sein. Ergo. ? ?" Seit. 524.

 

[Ia-05-1779-0100]
2) Wahre Definition des Christenthums.

 

[Ia-05-1779-0101]
"Das Christenthum, so wie es im Evangelium ist, enthält ein volständiges, einfältiges, deutliches System der natürlichen Religion. Das System der nat. Religion ist es seiner Natur nach, und würde es zum Vortheile des menschlichen Geschlechts geblieben sein, wenn man es immer in eben der Einfalt ausgebreitet hätte, in welcher es Iesus selbst gepreiget hat. ?

 

[Ia-05-1779-0102]
Das Christenthum, so wie es aus Gottes Händen gekommen, wenn ich mich also ausdrükken darf, war eine einfältige verständliche Regel des Glaubens, des Gottesdienstes und der Sitten. Dies ist der ächte Begrif, den wir von der Religion haben sollen. Sobald die Menschen sich erfrechten, etwas hinzuzuthun, verderbte der menschliche Zusaz diese götliche Masse. Das Christenthum ward zum Gegenstand einer eitlen, verworrenen, zänkischen Wissenschaft: Seine Einfalt und Deutlichkeit beweisen, daß es verfertiget sei, eine Religion des menschlichen Geschlechts zu sein, und zugleich ist die Götlichkeit seines Ursprungs erwiesen. ?" Seit. 550.

 

[Ia-05-1779-0103]
V.

 

[Ia-05-1779-0104]
Philosophische Schriften. Erster Theil. (Von Moses Mendelssohn.) Berlin, bei Christian Friedrich Voß 1761.

 

[Ia-05-1779-0105]
1) Warum sich weder völlig deutliche noch völlig dunkele Begriffe mit dem Gefühle der Schönheit vertragen ? Klarheit der Vorstellung befördert das Vergnügen ? Nüzliche Vorbereitungen zu dem Genusse eines Vergnügens ? Betrachtung des Weltgebäudes aus zwei verschiednen Gesichtspunkten.

 

[Ia-05-1779-0106]
"Kein deutlicher auch kein völlig dunkler Begrif, verträgt sich mit

 

[Manuskriptseite 40.]

dem Gefühle der Schönheit. Iener, weil unsere eingeschränkte Seele keine Mannigfaltigkeit auf einmal deutlich zu fassen, vermag. Sie mus, wenn sie deutlich denken wil, ihre Aufmerksamkeit von dem Ganzen abziehen, und einen Theil des Gegenstandes nach dem andern überdenken. Dieser hingegen, weil die Mannigfaltigkeit des Gegenstandes in seine Dunkelheit gleichsam verhült, und unserer Wahrnehmung entzogen wird. Zwischen den Gränzen der Klarheit müssen also alle Begriffe der Schönheit eingeschlossen sein, wenn wir ohne mühsames Überdenken eine Mannigfaltigkeit wahrnehmen sollen. Ia noch mehr; ie ausgebreitet klärer die Vorstellung des schönen Gegenstandes, desto feuriger das Vergnügen, das daraus entspringt. Eine ausgebreitet klärere Vorstellung enthält eine reichere Mannigfaltigkeit, mehrere Verhältnisse des Mannigfaltigen gegen einander. Höre nun, edler Iüngling! wie ich mich zu dem Genusse eines Vergnügens vorbereite. Ich betrachte den Gegenstand des Vergnügens, ich überdenke alle seine Theile, und bestrebe mich sie deutlich zu fassen. Alsdenn richte ich meine Achtsamkeit auf ihre algemeine Beziehung; ich schwinge mich von den Theilen zum Ganzen. Die besondern deutlichen Begriffe weichen gleichsam wie ein Schatten zurük. Sie wirken alle auf mich , aber sie wirken in einem solchem Ebenmasse und Verhältnis gegen einander, daß nur das Ganze aus ihnen hervorstralt, und mein Überdenken hat mir die Mannigfaltigkeit nicht zerstreuet, nur faslicher gemacht. Der weise Stagirit eignet einer ieden Schönheit bestimte Gränzen der Grösse zu, und behauptet, daß sie diesen Namen nicht mehr verdiene, wenn sie die Gränzen entweder überschreitet, oder nicht erreicht. Seine Ausleger haben hierin unsägliche Schwierigkeiten gefunden. Die ganze Welt, schlossen sie, mus nach diesem Grundsaz aufhören schön zu sein; und wer wil dies behaupten?

 

[Ia-05-1779-0107]
Allein dieses unermesliche Al ist für uns kein sichtbar schöner Gegenstand? Nichts verdient diesen Namen, das nicht auf einmal klar

 

[Manuskriptseite 41.]

in unsere Sinne fält. Zwar hat das Unermesliche, dessen Gränzen zu erreichen, unsere befliegelte Einbildungskraft ermüdet, seinen besondern Reiz, der das Vergnügen einer der abgemessenen Schönheit öfters übetrift; allein schön im eigentlichen Verstande, können wir das Weltgebäude nur als denn nennen, wenn die Einbildungskraft seine Haupttheile, in einem so vortreflichen Ebenmasse ordnet, wie Vernunft und Wahrnehmung lehren, daß sie ausser uns geordnet sind. Geschiehet dieses; so nimt man nur die algemeinen Verhältnisse der Welttheile zum Ganzen wahr; die Grösse, die für die Sinne unermeslich ist, veriüngt sich in der Einbildung, und trit in die Schranken der Schönheit zurük, die unsern Kräften angemessen sind. Die Einbildungskraft kan den kleinsten und den grösten Gegenstand zwischen die gehörigen Gränzen einschränken, indem sie die Theile so lange erweitert, oder zusammenziehet, bis wir die erforderliche Mannigfaltigkeit auf einmal fassen können. Ein Thier von einigen Stadien gros, eine Milbe, die dem scharfsichtigsten Auge unmerklich ist, können in der Einbildungskraft zu schönen Gegenständen werden; und wie oft hat ihr organischer Bau der Naturliebenden ergözt. Nur den Namen einer sichtbaren Schönheit, hat ihnen Aristoteles abgesprochen, weil unser kurzfristiges Auge die mannigfaltigen Gliedmassen des ungeheuren Thiers nicht auf einmal, der alzukleinen Milbe aber gar nicht fassen kan. Für dramatische Dichter ist diese Wahrheit ungemein wichtig. ?

 

[Ia-05-1779-0108]
Wenn du von der wundervollen Einrichtung aller Weltkörper nichts wüstest; und wenn es dir unbekant wäre, daß eine unermesliche Kette von Wesen ieden Planeten bewohnt; unbekant, daß sich aus der Mitte eines ieden Weltgebäudes ein milder Strom von Licht und Leben nach allen Seiten ausbreitet, wenn du von allen diesen wichtigen Wahrheiten nichts wüstest, sage ich, und du würdest iezt nur die algemeine Verbindung der Weltkörper, ihre Lagen, Grössen, und Entfernungen, nur das Gerippe gleichsam des Kopernikanischen Weltbaues gewahr; so würde dich diese Erkentnis zwar vergnügen, aber nicht deine ganze Seele anfüllen. Die Armuth an

 

[Manuskriptseite 42.]

Mannigfaltigkeit würde in dem Begriffe de vom Ganzen, erstaunliche Lükken hinter sich lassen, und die Harmonie, die dich ergözzen sol, auf wenige Gesezze der Natur hinauslaufen, nach welchen die Weltkörper in ihren Kreisen herumgeführet werden. Nunmehr rufe alles, was dir von den einzelnen Theilen der Welt bekant ist, in dein Gedächtnis zurük. Betrachte den leblosen Stein, dessen ganze Natur, Gewicht und Farbe zu sein scheint, und die Pflanze, in deren Bau Ordnung und Absicht zu erkennen ist; den Wurm, dessen Welt ein einziges Blat ist, und den Menschen, den die ganze Erde in alzu enge Räume einschliest; kurz! überdenke alles, was die blossen Augen, die Ferngläser, Vernunft und Sinne von der Welt bekant gemacht haben. Erwege die Gründe, dadurch die Muthmassung von der Be ähnlichen Beschaffenheit aller Weltkörper, mehr als wahrscheinlich wird; die uns veranlassen, unser Weltsystem, in Myriaden von Fixsternen, und unsere Wohnung hienieden, in unzählige Kugeln, die sich um iene in lichten Wirbeln drehen, vervielfältiget zu sehen; steige die Kette algemach hinauf, die alle Wesen an den Thron der Gottheit befestigen; alsdenn schwinge dich mit kühnem Fluge bis auf das algemeine Verhäöltnis aller dieser Theile, zu dem unermeslichen Ganzen Welche himlische Wollust wird dich auf einmal überraschen! Kaum wirst du dich in der betäubenden Entzükkung fassen können. Woher dieser unendliche Unterschied? Was hat dein Gefühl geadelt und deinen Vergnügen diesen überschwenglichen Zuwachs verliehen? Ist es nicht die deutliche Wahrnehmung aller Theile, die in dem leztern Falle vor der Empfindung des Ganzen fortgegangen ist? Hat das Überdenken der Theile die Lust gestöhrt, die aus der Wahrnehmung des Ganzen entspringt? O Nein! Es hat dich vielmehr dazu vorbereitet; du hast dem Vergnügen, das aus der Schönheit des Ganzen entspringt, die gehörige Fülle gegeben, indem

 

[Manuskriptseite 43.]

du eine grössere Mannigfaltigkeit ans Licht gebracht, die einhellig an seiner Bestimmung Theil nimt. ?" Seit. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.

 

[Ia-05-1779-0109]
2) In dem Augenblikke des Genusses verdunkeln sich alle einzelnen Begriffe.

 

[Ia-05-1779-0110]
"Mein Wahlspruch ist: wehle, empfinde, überdenke, und geniesse. Wehle: unter den Gegenständen, die dich umgeben, erlies dir solche, die deiner Wolfahrt zuträglich sind. Empfinde sie: versorge dich mit hinlänglichen Begriffen von ihrer Beschaffenheit. Überdenke: stelle dir alle einzelnen Theile deutlich vor, und erwege ihre Verhältnisse und Beziehungen gegen einander und auf das Ganze. Alsdenn geniesse: richte deine Aufmerksamkeit auf den Gegenstand selbst. Hüte dich, in diesem Augenblik an die Beschaffenheit einzelner Theile zu gedenken. Las die Fähigkeiten deiner Seele walten. Durch das Anschauen des Ganzen, werden die Theile ihre hellen Farben verlieren, sie werden aber Spuren hinter sich lassen, die den Begrif des Ganzen aufklären, und dem Vergnügen das daraus entsteht, eine grössere Lebhaftigkeit verschaffen.

 

[Ia-05-1779-0111]
Aber deutlich müssen die besondern Begriffe in dem Augenblikke des Genusses nicht bleiben; so lange wir uns noch mit dem Irdischen schleppen, so lange unsere Seele noch zu eingeschränkt ist, eine Mannigfaltigkeit auf einmal deutlich zu fassen. Hätten die Dichter dieses durchgehends bedacht; so würden wir weniger Epopeen haben, die den strengesten Regeln Genüge leisten, und dennoch den Zwek zu gefallen, so sehr verfehlen. Eine Bemerkung, dadurch viele das Ansehen der Regeln haben wanken machen wollen, aber mit Unrecht. Die Regeln sind Vorbereitungen, daudurch der Dichter sich und seinen zu bearbeitenden Gegenstand in die Verfassung sezzen sol, die Schönheiten in ihrem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Als Vorbereitungen können sie dem Virtuosen erspriesliche Dienste leisten, aber in der Hizze der Ausarbeitung müssen sie ihn nicht stöhren. Sobald er zum Werke

 

[Manuskriptseite 44.]

schreitet, mus der Vorwurf, und nichts als der Vorwurf die herschende Idee in seiner Seele sein. Er hüte sich in diesem Augenblikke seine Regeln alzudeutlich vor Augen zu haben. Sie sollen die Einbildungskraft nicht im Zügel halten, sondern ihr nur von Ferne den Weg zeigen, und nachrufen, wenn sie in Gefahr ist, sich zu verlieren. Alsdenn können sie nicht selten den Mangel eines ausserordentlichen Genies ersezzen, und den Dichter das lehren, was sein Genie vielleicht zu klein war, zu erfinden. ?

 

[Ia-05-1779-0112]
Unsre Schwachheit macht die dunkle Empfindung zu einem nothwendigen Gefährten der Fröhlichkeit, weil in der menschlichen Seele, Deutlichkeit und Reichthum der Begriffe nebeneinander nicht Raum genug finden. Aber in so weit es ein dunkeles Gefühl ist, führet es nichts annehmliches bei sich. Und Wesen, die eine grössere Mannigfaltigkeit deutlich fassen können, sind desto glükseeliger, weil die Gegenstände mit mächtigerm Reize in sie wirken können.

 

[Ia-05-1779-0113]
Ich habe gesagt, man würde gegen die Vorsehung ungerecht sein, wenn man den wesentlichen Grund alles Vergnügens in der dunkeln Empfindung suchen wolte. Die reine Seelenlust, als eine Bestimmung des Geistes betrachtet, und abgesondert von ihrer fleischlichen Begleiterin, von der sinlichen Wollust, mus in den positiven Kräften unserer Seele, und nicht in ihrem Unvermögen, nicht in der Einschränkung dieser ursprünglichen Kräfte gegründet sein. ?" Seit. 23. 24. 25. 26. 27.

 

[Ia-05-1779-0114]
3) Schönheit sezt Einheit im Mannigfaltigen und Volkommenheit Übereinstimmung des Mannigfaltigen voraus.

 

[Ia-05-1779-0115]
"Die Gleichheit, das Einerlei im Mannigfaltigen ist ein Eigenthum der schönen Gegenstände. Sie müssen eine Ordnung oder sonst eine Volkommenheit darbieten, die in die Sinne fält, und

 

[Manuskriptseite 45.]

zwar ohne Mühe in die Sinne fällt. Wenn wir eine Schönheit fühlen wollen, so wünscht unsere Seele mit Gemächlichkeit zu geniessen. Die Sinne sollen begeistert sein, und von ihnen sol sich die Lust auf die d müssige Vernunft ausbreiten.

 

[Ia-05-1779-0116]
Der Entwurf eines Gebäudes ist schön, wenn das Ebenmas in den Abtheilungen, und ihre Abwechslungen leicht zu fassen sind; und aus keiner andern Ursache ist der Gothische Geschmak verwerflich, als weil er die Mannigfaltigkeiten in einer alzuverwikkelten Ordnung anbringt. Ein alzu sehr durch einander geschlungener Tanz misfält, weil wir die verschiedenen Züge und Linien, die auf dem Boden gezueichnet werden, nicht ohne Mühe auseinander wikkeln können. Auch die Töne sind nur alsdenn wohlklingend, wenn die Bebungen in der Luft ein leichtes Verhältnis mit einander haben.

 

[Ia-05-1779-0117]
Was folgt gieraus? Daß das Vergnügen an der sinlichen Schönheit, blos unserm Unvermögen zuzuschreiben sei. Wir ermüden, wenn unsere Sinne eine alzuverwikkelte Ordnung aus einander sezzen sollen. Wesen, die mit schärfern Sinnen begabt sind, müssen in unsern Schönheiten ein ekkelhaftes Einerlei finden, und was uns ermüdet, kan ihnen Lust gewähren. Er, der alles Mögliche mit einmal übersieht, mus die Einheit im Mannigfaltigen durchaus verwerfen. ? ? ? Verwerfen? Und so hat der Schöpfer kein Gefallen an dem Schönen? So zieht er nicht einmal dem Häslichen vor? Ich behaupte Nein, und die Natur, das Werk seiner Hände, sol mir Zeugnis geben. Nur die äussern Gestalten hat der Schöpfer mit sinlicher Schönheit bedekt. Diese sind bestimt in die Sinne andrer Geschöpfe se reizend zu wirken. Die Schönheit der menschlichen Bildung, die annehmlichen Farben, die gewundnen Züge, die in seinen Minen bezaubern, sind nur der äusseren Schale eingeprägt. Sie gehen nicht

 

[Manuskriptseite 46.]

weiter als unsere Sinnen gehen. Unter der Haut liegen gräsliche Gestalten verborgen. Alle Gefässe sind ohne scheinbare Ordnung in einander verschlungen; die Eingeweide halten einander das Gleichgewicht, aber kein Ebenmaas, keine sinliche Verhältnisse; lauter Mannigfaltigkeit, nirgend Einheit; lauter Beschäftigung, nirgend Leichtigkeit in der Beschäftigung. Wie sehr würde der Schöpfer seinen Zwek verfehlet haben, wenn er nichts als Schönheit gewesen wäre!

 

[Ia-05-1779-0118]
Aber nein! Ich komme zu dir, der Himlischen vortreflichste, Volkommenheit! Nicht, wie dich die Sinen fassen, wie dich die Vernunft begreift! Wahrer Endzwek der Schöpfung! Rathgeberin Gottes! Ich würde deine Gotheit entweihen, wenn ich ihr nur Vorzüge für eingeschränkte Wesen einräumen wolte. Nein! Auch dem Unendlichen gefallen deine Vortreflichkeiten. Du gewährest Mannigfaltigkeit, aber kein Einerlei in dem Mannigfaltigen, keine Leichtigkeit in der Beschäftigung. Diese geringern Vorzüge überläst du deiner sinlichen Nachahmerin, der Schönheit, die sich bis zur Schwachheit der Irdischen herunterlassen mag. Du erfoderst aber vernünftigen Zusammenhang, Übereinstimmung, Einhelligkeit. Aus dem gemeinschaftlichen Endzwekke eines Wesens sol sich begreifen lassen, warum das Mannigfaltige so und nicht anders neben einander ist. Du gewährest nicht nur Vorstellungen, sondern auch verknüpfte und in einander gegründete Vorstellungen. Nichts mus überflüssig, nichts mishellig, nichts mangelhaft in deinen Bestimmungen sein. An diesen Merkmalen erkennet der Weltweise deine Gottheit, Mutter der himlischen Liebe!

 

[Ia-05-1779-0119]
Und er mus sich hüten, diese himlische Venus nicht mit der irdischen, mit der Schönheit zu verwechseln. Diese beruhet auf der Einschränkung, auf dem Unvermögen, aber das Gefallen an der Übereinstimmung des Mannigfaltigen, gründet sich auf eine positive Kraft unsrer Seele. Wenn es Wesen, die eine Vorstellungskraft

 

[Manuskriptseite 47.]

haben, natürlich ist, sich nach Vorstellungen zu sehnen; so ist es auch vernünftigen Wesen eigenthümlich, nach solchen Vorstellungen zu streben, die in einander gegründet sind. Zerrüttete Begriffe, Mishelligkeiten, Widersprüche, streiten eben so wol wider die Natur und das ursprüngliche Bedürfnis aller denkenden Wesen, als der Mangel, der völlige Tod aller Vorstellungen. Hierin liegt der mächtige Reiz, mit welchem die Volkommenheit alle Geister an sich ziehet; und so weit eine positive Kraft über ihre Einschränkung erhaben ist, so weit ist das Vergnügen der verständlichen Volkommenheit, über das Vergnügen der sinlichen, oder wie wir Irdischen sie nennen, über das Vergnügen der Schönheit hinweg. ?" Seit. 32. 33. 34. 35. 36.

 

[Ia-05-1779-0120]
4) Alles in der Welt mus zusammenhängen.

 

[Ia-05-1779-0121]
"Mit der algemeinen Verknüpfung der Dinge hebt man zugleich die Kräfte aller Wesen, hebt man die Wesen selbst auf. Eine zufällige Kraft, deren Einschränkungen nicht bestimt sind, kan nichts wirken, und eine Kraft, die nichts wirken kan, die ist nicht. Wodurch aber sind die Kräfte in der Welt bestimt, als durch den Zusammenhang der Dinge? Sol sie ein unmittelbarer götlicher Wille determiniren? So müste Gott alles verrichten; so könten die Geschöpfe nichts wirken; und wo blieben ihre Kräfte? Worin bestünden ihre Wesen?

 

[Ia-05-1779-0122]
Ia alle Vermögen unsrer Seele müsten aufhören. Die Erinnerung, die Einsicht in die Zukunft, und das Vermögen zu schliessen, worauf stüzzen diese sich als mehr als auf die Verbindung unsrer Begriffe, der vorhergegangenen mit den gegenwärtigen, und dieser mit den zukünftigen. Hebt man die Verbindung auf, wie können iene bestehen?

 

[Ia-05-1779-0123]
So grosse Verwirrungen, wenn nur ein einziges denkendes Wesen wirklich wäre! Solten mehr als eines vorhanden sein; so wird die

 

[Manuskriptseite 48.]

Verwirrung grösser. Ein iedes müste sich eine andere Welt vorstellen. In diesem sichtbaren Al, machen die Vorstellungen aller vernünftigen Wesen zusammen ein einziges Ganze, eine Welt aus, weil sie in einander gegründet sind. In unsrer fabelhaften Voraussezzung aber, müsten eben so viel Welten sein, als Vorstellungen. Mit iedem Augenblik ändert sich die Scene. Für iede Seele wiederum eine neue Welt. ? ? ? Nein! Gar keine Welt! Zerrüttung! Keine Wesen, keine Vorstellungen! Lauter Widersprüche! ?" Seit. 57. 58.

 

[Ia-05-1779-0124]
5) Die Quelle des Vergnügens ist so wohl im Körper als in der Seele anzutreffen.

 

[Ia-05-1779-0125]
"Die Zergliederer des menschlichen Körpers lehren, daß die nervigten Gefässe sich in tausend labyrinthischen Gängen so zart durchkreuzen, daß in dem ganzen Baue alles mit einem, und eines mit allem verknüpft ist. Die Grade der Spannung theilen sich von Nerve zu Nerve harmonisch mit, und niemals geschiehet eine Veränderung in einem Theile, die nicht gewissermassen einen Einflus in das Ganze hat. Diese harmonische Spannung nennen die Kunstverständigen den Ton.

 

[Ia-05-1779-0126]
Wird nun ein Glied, * wird ein Theil des menschlichen Körpers von einem sinlichen Gegenstand sanft gereizt; so pflanzt sich die Wirkung davon bis auf die entferntesten Gliedmassen fort. Alle Gefässe ordnen sich in die heilsame Spannung, in den harmonischen Ton, der die Thätigkeit des menschlichen Körpers befördert, und seiner Fortdauer zuträglich ist. Nach dem Genusse einer mässigen Wollust, gehet das Spiel aller Leibesbewegungen freier und lebhafter von statten; die heilsame Ausdünstung, der Thau des menschlichen Körpers, walt ungehindert fort, und wirket in diesem Augenblikke, nach dem Zeugnisse des Sanktorius, die grösten

 

[Manuskriptseite 49.]

Wunder. Ein unläugbares Zeugnis, daß nach dem Genusse einer sinlichen Wollust der Körper sich wol befinde, und der harmonische Ton in ihm hergestellet sei. Alle diese Wirkungen erfolgen aus einem wundervollen mechanischen Triebe, bevor sich noch der denkende Theil des Menschen in das Spiel mischt. Hieran ist kein Zweifel.

 

[Ia-05-1779-0127]
Rufe nunmehr die Zuschauerin deiner körperlichen Handlungen, rufe die Seele herbei. Wie wird sie sich verhalten? Sie wird einen behäglichen Zustand ihres getreuen Gatten, ihres Körpers, gewahr werden; einen Zustand, der ihm eine längere Fortdauer, eine thätigere und wirksamere Realität zu versprechen scheint; aber sie wird die erstaunungswürdigen Vermischungen der Gefässe, und ihre verschiednen Spannungen, nimmermehr deutlich, nimmermehr aufgeklärt übersehen können. Sie wird eine Verbesserung, einen Übergang zu einer Volkommenheit innerlich fühlen; aber die Art, wie diese Verbesserung entstanden, nur dunkel begreifen. Nim dieses zu= alles zusammen: sie wird eine undeutliche aber lebhafte Vorstellung von der Volkommenheit ihres Körpers erlangen; Grundes genug, nach unsrer Theorie den Ursprung eines Vergnügens zu erklären. ?" Seit. 83. 84. 85. 86.

 

[Ia-05-1779-0128]
"Der Henker unres Lebens, der sinliche Schmerz hat keine andere Schreknisse als das gegenwärtige Bild einer Unvolkommenheit in dem Körper. Wenn nervigte Theile, die natürlicher Weise vereiniget sein solten, aus ihrer Verknüpfung gerissen oder so heftig gespant werden, daß sie eine Zerreissung drohen; so erstrekken sich die traurigen Wirkungen davon auf das ganze organische Gebäude. Der Ton wird verändert, es äussert sich eine Misstimmung in allen Senadern, die Lebensbewegungen sind entweder träge oder im vollen Aufruhr. Die Nerven verkündigen diese Unordnung unverzüglich dem Gehirne. Was kan die Seele in diesem Augenblik anders wahrnehmen, als das dunkle Gefühl einer Unvolkommenheit, die ihrem Körper den Untergang drohet. ?" Seit. 87.

 

[Manuskriptseite 50.]

[Ia-05-1779-0129]
"Wenn eine Bewegung in den Gliedmassen, eine Vorstellung in dem Gehirne nach sich zieht, so bemühet sich wechselsweise diese Vorstellung, wenn sie vorgehet, wiederum iene Bewegung hervorzubringen. Die aufmerksame Betrachtung der Natur Marter, damit iener Übelthäter geplagt wird, kan in eben denselben Gliedmassen der Zuschauer gewisse Zukkungen, gewisse Täuschungen ähnlicher Schmerzen hervorbringen, die ohnstreitig den Schmerzen eines Gequälten nichts nachgeben würden, wenn die Vorstellung davon heftig genug wäre.

 

[Ia-05-1779-0130]
Im Traume, wenn die Empfindungen schlafen und die Einbildungen eigenmächtig regieren, siehet man auf Veranlassung dieser Einbildungen, alle die Bewegungen in den Gliedmassen entstehen, die nach dem ordentlichen Laufe der Empfindungen vorherzugehen, und die innern Vorstellungen zu verursachen pflegen.

 

[Ia-05-1779-0131]
Ist nun überdem wahr, daß eine iede sinliche Wollust, ein ieder verbesserter Zustand unsrer Leibesbeschaffenheit, die Seele mit der sinlichen Vorstellung einer Volkommenheit anfült; so mus auch umgekehrt eine iede sinliche Vorstellung einer Volkommenheit, ein Wohlsein des Körpers, eine Art von sinlicher Wollust, nach sich ziehen. Und so entstehet der angenehme Affekt. Er äussert sich durch einerlei Wirkungen mit der sinlichen Wollust, nur in den Ursachen gehen sie von einander ab. Iene nimt ihren Anfang in den Gliedmassen durch die Wirkung äusserlicher Gegenstände, und verbreitet sich von da auf das Gehirn. Diese hingegen entstehet in dem Gehirne selbst. Die Vorstellung einer geistigen Volkommenheit, die Erinnerung einer genossenen sinlichen Lust, und die Einbildung, die uns bei dieser Gelegenheit tausend andere angenehme Empfindungen in das Gedächtnis zurükführen, ordnen die Fasern des Gehirns in den gehörigen Ton, beschäftigen sie,

 

[Manuskriptseite 51.]

ohne sie zu ermüden; das Gehirn theilt diese harmonische Spannung den Nerven der übrigen Gliedmassen mit; der Körper geräth in den Zustand der Behaglichkeit: der Mensch geräth in einen angenehmen Affekt. Daher die Wallung des Geblüts! Daher die mannigfaltigen Bewegungen der Gliedmassen, die man in dem Stande der Affekten bemerkt. Bewundere die Gütigkeit unsers algemeinen Vaters, gegen seine undankbaren Söhne! Die Seele würde mit grösserer Entzükkung beglükt sein, wenn ihre Begriffe von der Volkommenheit völlig deutlich wären. Allein sie konten es nicht sein. Die Weisheit, sagt Plato, mit der Nothwendigkeit vereinigt, haben die Welt geschaffen. Es muste ein irdisches Wesen mit der Seele vereinbaret sein, das ihre Einsichten verdunkelt, und ihr dadurch einen Theil des Vergnügens raubt. Und siehe! das irdische Wesen, der träge Körper selbst, ist eine neue Quelle der Lust. Bei einer ieden Vorstellung einer Volkommenheit, begünstigt er uns mit dem Begriffe seines eignen Wolseins, und ersezt einigermassen den Unfug, den er in dem System unsrer Vergnügungen angerichtet hat.

 

[Ia-05-1779-0132]
Der tiefsinnige Mathematiker, der die verborgenste Wahrheiten ergrübelt, bessert seine Seele. Allein die Sinne nehmen an der Freude keinen Antheil, so lange er von Wahrheit auf Wahrheit mühsam fortschreitet. In dieser Folge seines Nachsinnens macht ein deutlicher Begrif dem andern Plaz. Lauter Arbeit! Wenn er aber die Kette der Schlüsse, die er durchgearbeitet, auf einmal überdenkt, wenn er überschlägt, wie die Wahrheiten in der besten Ordnung Glied an Glied geheftet sind, wie eine aus allen und alle aus einer fliessen; welche Fülle der sinlichen Lust mus sich alsdenn aus seinem Gehirne auf den ganzen Körper ergiessen! Seine Vorstellung wird alsdenn aufhören deutlich zu sein; er kan unmöglich die ganze Kette auf einmal in völliger

 

[Manuskriptseite 52.]

Lauterkeit übersehen. Allein die erstaunliche Mannigfaltigkeit, die sich in der schönsten Ordnung ausnimt, bewegt alle Fasern seines Gehirns in einer holdseeligen Eintracht. Sie macht das Spiel aller Nerven rege: der Mathematiker schwimt in Wollust. ?" Seit. 96. 97. 98. 99. 100.

 

[Ia-05-1779-0133]
6) Was verwöhnter Geschmak ist? ?

 

[Ia-05-1779-0134]
"Das Unvolkommene, als Unvolkommenheit betrachtet, kan unmöglich vergnügen. Da aber nichts schlechterdings unvolkommen sein kan, sondern allemal Gutes mit Bösem vermischt ist; so kan es die Gewohnheit dahin bringen, daß man vom Bösen abstrahiret, und seine Aufmerksamkeit auf das wenige Gute lenkt, das damit verknüpft ist. Diese Fertigkeit nent man einen verwöhnten Geschmak, und es ist keine Abscheulichkeit in der Welt, an welcher wir nicht auf diese Weise eine Art von Geschmak finden könten." ? Seit. 141. 142.

 

[Ia-05-1779-0135]
7) Unterschied zwischen Einhelligkeit und Einerlei.

 

[Ia-05-1779-0136]
"Die Einhelligkeit ist nicht, so wie das Einerlei, deswegen da, um die Mannigfaltigkeit einzuschränken. Nein, sie mus gerade das Gegentheil thun, sie mus nothwendig die Anzahl unsrer Begriffe vermehren! Man kan sich alle Federn, Räder und Triebwerke einer Uhr vorstellen, folglich ihre mannigfaltigen Theile völlig begreifen, ohne an den Grund zu gedenken, warum diese Gefässe da sind, und warum sie vielmehr so, als irgend anders, mit einander verknüpft sind. Der Grund, warum einem Dinge etwas zukomme, hat mit der blossen Vorstellung dieses Dinges nicht das mindeste gemein; denn da die Vorstellung der Theile sowol als ihrer Übereinstimmung in der positiven Kraft unserer Seele gegründet ist: so erfordern beide eine Anstrengung und Beschäftigung dieser usrpünglichen Kraft. Ja meistentheils kostet es mehr Muse und Achtsamkeit, den Grund eines Dinges oder

 

[Manuskriptseite 53.]

seine Einhelligkeit einzusehen, als sich die mannigfaltigen Theile desselben vorzustellen. ? Seit. 152. 153.

 

[Ia-05-1779-0137]
8) Was ist der Schmerz?

 

[Ia-05-1779-0138]
"Der Schmerz ist ein innerliches Gefühl von der Trennung des Stätigen im menschlichen Körper. Freilich muß dieses Stätige in solchen Theilen bestehen, die vermittelst des Gehirns mit der Seele in Verbindung stehen, sonst kan die Seele von der Trennung nichts fühlen. Daher giebt es viele unempfindliche Theile in dem thierischen Leibe, und die Nerven selbst können unempfindlich werden, wenn durch Unterbinden, ihre Gemeinschaft mit dem Gehirne unterbrochen wird. Ferner mus die Trennung nicht nothwendig sichtbar sein. Bei ieder heftigen Dehnung könten sich stätige Theile aus einander geben, die wir mit den Augen nicht bemerken, wol aber innerlich fühlen können. Doch wem diese Ausflucht nicht gefält, der mag die Erklärung des Schmerzes folgendergestalt ausdrükken: der Schmerz ist ein innerliches Gefühl von der wirklichen oder zu befürchtenden Trennung u. s. w. ?" Seit. 157. 158.

 

[Ia-05-1779-0139]
9) Von der Wirkung der Töne auf den menschlichen Körper.

 

[Ia-05-1779-0140]
"Gewisse nervigte Theile Gefässe des Gehörs erbeben mit den klingenden Saiten harmonisch, wir empfinden sogar den Schal nicht eher, bis sie diese zitternde Bewegung der in der Trummelhöle befindlichen Luft mitgetheilt haben. Ia man findet täglich Personen, die gewisse Töne nicht hören können, ohne daß sie alle ihre Gebeine erschütterten,

 

[Manuskriptseite 54.]

und diese Emfindung pflegen sie durch ein mechanisches Knirschen ihrer Zähne anzudeuten. Es ist höchstwahrscheinlich, daß alle Nerven unsres Körpers durch die Töne in gewisse mit den Saiten harmonirende Spannungen gesezt werden, und daß die Harmonie der Konsonanzen überhaupt, dem Ton eines gesunden Leibes zuträglich sind. ?" Seit. 160. 161.

 

[Ia-05-1779-0141]
10) Gewisse Art, die Leidenschaften durch Farben auszudrükken.

 

[Ia-05-1779-0142]
"Eine iede Leidenschaft ist so wol mit gewissen Tönen, als mit gewissen Bewegungen der Gliedmassen verknüpft. Iene werden in der Musik durch ähnliche Töne ausgedrükt, diese aber könten vielleicht durch die Bewegungen der Farben nachgeahmt werden. Eine plözlich unterbrochene Linie könte einigermassen den Schrekken, und viele schnel durcheinanderfahrende Linien den Zorn, so wie eine langsam ungekünstelt fortgehende Wellenlinie eine Art von Tiefsin abbilden. ?" Seit. 163.

 

[Ia-05-1779-0143]
11) Von algebraischen Zeichen.

 

[Ia-05-1779-0144]
"Man hat in der Algebra dreierlei Zeichen der Grösse, als a, b, y, z u. s. w. Zeichen der Operation, die mit dieser Grösse vorgenommen werden sollen, als +, ?, x, :, ?, u. s.w. und endlich Zeichen der Verhältnisse, als =, <, ">, ?, u. s. w. Bei stätigen Grössen, die nach entgegengesezten Gegenden betrachtet werden sollen, bedienet man sich der Zeichen + und ?, die Lage und die Gegend anzudeuten, von welcher man redet, weil diese gegenüber stehende Gegenden, als von einander abzuziehende Grössen betrachtet werden. Man siehet hieraus, daß die Zeichen + und ? in der Quantität nichts, wol aber die Operation verändern, die mit der Quantität geschehen sol.

 

[Manuskriptseite 55.]

Eine negative Grösse hinzusezzen, heist eine ihr gleiche positive Grösse abziehen; daher auch umgekehrt, eine negative Grösse abziehen, so viel heist, als eine ihr gleiche positive Grösse hinzuthun. Warum entstehet eine positive Quantität, wenn ich zwo negative mit einander verdoppele? Dieses ist nicht schwer zu beantworten. Verdoppeln heist, eine Grösse so vielmal nehmen, als eine andere Einheit in sich fast. Verdoppele ich also ? a mit b; so mus ich a so vielmal abziehen, als b Einheiten hat, das heist = ? a b. Verdoppele ich aber ? a mit ? b; so sol eine negative Grösse so vielmal abgezogen, oder, welches eben so viel, eine ihr gleiche positive Grösse so viel mal hingethan werden, als eine andere Einheiten in sich fasset; daher ist das Produkt eine positive oder hinzuthuende Grösse. ?" Seit. 166. 167.

 

[Ia-05-1779-0145]
12) Bei allen möglichen Umständen liebt und begehrt man doch das Sein, vor dem Nichtsein.

 

[Ia-05-1779-0146]
"Man kan sich keine Kraft vorstellen, die den Grund ihrer eigenen Zernichtung in sich halten solte, so wenig man eine Bewegung denken kan, die den zureichenden Grund der völligen Ruhe in sich enthielte. Nun wäre eine Seele, die ihre eigene Zernichtung wollen könte, nichts anders als eine Kraft, deren innere Bestimmung auf die Zernichtung ihrer selbst gerichtet wäre; denn der Wille ist eine innere Richtung unserer Vorstellungskraft. Und wenn der Gegner auch die Einfachheit der Seele läugnen, und das Vorstellungsvermögen zu einer Eigenschaft des Zusammengesezten machen wolte; so würde ihn diese Ausflucht dennoch nicht retten. Eine Kraft des Zusammengesezten kan natürlicherweise aufhören, wenn die Zusammensezzung selbst, durch andere natürliche Kräfte aufgelöset wird. Aber auf ihre eigne Zernichtung kan weder eine einfache, noch eine zusammengesezte Kraft gerichtet sein, und noch viel weniger sich selbst richten. Wenn also in unsrer Vorstellungskraft, sie mag einfach, oder eine Eigenschaft des Zusammengesezten sein, Dasein und Zernichtung um den Vorzug streiten; so mus der Wille allezeit dem Dasein den Ausschlag geben, sonst würde die Vorstellungskraft sich selbst bestimmen, vernichtet zu werden. In dieser Betrachtung mus das ein iedes denkende Wesen lieber alle mögliche Pein auszustehen, als zernichtet zu werden wünschen, und wenn eine ewige Verdamnis möglich wäre; so müste sie der Ruchlose dennoch seiner Zernichtung vorziehen. Diese Vorstellung revoltirt, und scheint unserm Gefühle zu widersprechen? Freilich! Aber aus keiner andern Ursache, als weil sich unsere Seele von der Zernichtung gar keinen Begrif machen kan; weil wir zur Unsterblichkeit geschaffen sind, und uns die Zernichtung niemals als wahre Zernichtung vorstellen können. Wir denken immer eine Art von süssem Schlafe dabei, der von keinem Traume unterbrochen wird, und diesem Schlafe geben wir das den Vorzug vor dem Bewustsein unsrer Pein. ?" Seit. 171. 172. 173.

 

[Ia-05-1779-0147]
VI.

 

[Ia-05-1779-0148]
Philosophische Schriften. Zweiter Theil. Berlin, bei Christian Friedrich Voß 1761.

 

[Ia-05-1779-0149]
1) Einige Bemerkungen über die vermischten Empfindungen.

 

[Ia-05-1779-0150]
"Wenn die Seele zwei Empfindungen, die sie zugleich hat, nicht unterscheiden kan; so sezt sie sich aus ihnen eine Empfindung zusammen, die von beiden unterschieden ist, und fast keine Ähnlichkeit mit ihnen hat. Man verändere aber den mindesten Umstand in den einfachen Erzä Empfindungen, so wird die Erscheinung mit verändert werden, und eine ganz andere Gestalt annehmen. ? Das Mitleiden z. B. ist eine vermischte Empfindung, die aus der Liebe zu einem Gegen

 

[Manuskriptseite 57.]

stande, und aus der Unlust über dessen Unglük zusammengesezt ist. Die Bewegungen, durch welche sich das Mitleiden zu erkennen giebt, sind von den einfachen Symptomen der Liebe, sowol als der Unlust unterschieden, denn das Mitleiden ist eine Erscheinung. Aber wie vielerlei kan diese Erscheinung werden. Man verändere nur in dem bedauerten Unglük die einzige Bestimmung der Zeit; so wird sich das Mitleiden durch ganz andere Kenzeichen zu erkennen geben. Mit der Elektra, die über die Urne ihres Bruders weinet, empfinden wir ein mitleidiges Trauern, denn sie hält das Unglük für geschehen, und beiammert ihren gehabten Verlust. Was wir bei den Schmerzen des Philoktets fühlen, ist gleichfals Mitleiden, aber von einer etwas andern Natur; denn die Qual, die dieser Tugendhafte auszustehen hat, ist gegenwärtig, und überfält ihn vor unsern Augen. Wenn aber Oedip sich entsezt, w indem das grosse Geheimnis sich plözlich entwikkelt; wenn Monime erschrikt, als sie den eifersüchtigen Mythridates sich entfärben sieht; wenn die tugendhafte Desdemona sich fürchtet, da sie ihren sonst zärtlichen Othello, so drohend mit ihr reden hört; * was empfinden wir da? Immer noch Mitleiden! Aber mitleidiges Entsezzen, mitleidige Furcht, mitleidiges Schrekken. Die Bewegungen sind verschieden, allein das Wesen der Empfindungen ist in allen diesen Fällen einerlei. Denn, da iede Liebe mit der Bereitwilligkeit verbunden ist, uns an die Stelle des Geliebten zu sezzen; so müssen wir alle Arten von leiden mit der ge

 

[Manuskriptseite 58.]

liebten Person theilen, welches man sehr nachdrüklich Mitleiden nennet. Warum solten also nicht auch Furcht, Schrekken, Zorn, Eifersucht, Rachbegierde, und überhaupt alle Arten von unangenehmen Empfindungen, sogar den Neid nicht ausgenommen, aus Mitleiden entstehen können? ? Man sieht hieraus, wie gar ungeschikt der gröste Theil der Kunstrichter die tragischen Leidenschaften in Schrekken und Mitleiden eintheilet. Schrekken und Mitleiden! Ist denn das theatralische Schrekken kein Mitleiden? ?" Seit. 4. 5. 6.

 

[Ia-05-1779-0151]
"Die vermischten Empfindungen haben die besondere Eigenschaft, daß sie zwar so angenehm nicht sind, als das reine Vergnügen, hingegen dringen sie tiefer in das Gemüth ein, und scheinen sich auch länger darinnen zu erhalten. Was blos angenehm ist, führet bald eine Sättigung, und zulezt den Ekkel mit sich. Unsere Begierde erstrekt sich allezeit weiter als ihr der Genus, und wenn sie ihre völlige Befriedigung nicht findet; so sehnet sich das Gemüth nach der Veränderung. Hingegen fesselt das Unangenehme, das mit dem Angenehmen vermischt ist, unsere Aufmerksamkeit, und verhindert die alzufrühe Sättigung. Bei dem sinlichen Geschmakke zeiget die tägliche Erfahrung, daß eine reine Süssigkeit bald den Ekkel nach sich ziehet, wenn sie nicht mit etwas Reizendem vermengt wird. ?" Seit. 7.

 

[Ia-05-1779-0152]
"Wenn die Betrachtung der götlichen Volkommenheiten selbst, die von Seiten des Gegenstandes über alle Mängel unendlich erhaben ist, dennoch in Ansehung unser von der Unlust über unsere eigene Schwäche unzertrenlich ist; so kan man wol sicher schliessen, daß es für eingeschränkte Wesen schlechterdings kein reines Vergnügen gebe. Doch giebt es noch

 

[Manuskriptseite 59.]

weit weniger ein reines Misvergnügen. Zum reinen Vergnügen ist wenigstens der Gegenstand vorhanden, nothwendig vorhanden, allein der Gegenstand zum unvermischten Misvergnügen ist so gar im Reiche der Möglichkeit nicht anzutreffen, und also ein Unding. Selbst der chimärische Begrif, den man sich von dem unvolkommensten Wesen macht, mus einiges Vergnügen gewähren; sonst würden sich unsere Dichter dessen nicht mit so vielem Vortheile bedienen können. ? Alles Böse, das in der Natur anzutreffen ist, das sich nur gedenken lässet, mus nothwendigerweise mit etwas Gutem vermischt sein, und kan daher schlechterdings kein lauteres Misvergnügen erregen. Unsere Seele wiegt bei ieder Wahl die Volkommenheit eines Gegenstandes gegen seine Unvolkommenheiten ab. Erkennet sie, daß das Böse überwiegt; so verabscheuet sie den Gegenstand, so wünscht sie, daß er nicht vorhanden sei, und daß es bei ihr stünde, sein Dasein zu verhindern. ?

 

[Ia-05-1779-0153]
Das Böse, sobald wir es nicht als den Gegenstand unserer Wahl betrachten hat allemal unzählige Bewegungsgründe, die uns reizen es anzuschauen. Es ist nicht nur an sich selbst mit vielem Guten untermengt, sondern unsere Einbildungskraft kan durch den Gegensaz auf tausend ergözzende Vorstellungen kommen, und wenn auch beides nicht wäre; so ist die Kentnis des Bösen selbst, und der lebhafte Abscheu für dasselbe, eine Volkommenheit des Menschen, und mus ihm nothwendig Vergnügen gewähren. Wir verabscheuen die Unvolkommenheit, aber nicht die Kentnis derselben; wir fliehen das Böse, aber nicht das Vermögen es zu erkennen, und zu verdammen. Da dieses wesentliche Fähigkeiten unserer Seele sind; so müssen wir nothwendig in ihrer Ausübung Vergnügen finden. In dieser Betrachtung würde die anschauende Erkentnis der äussersten Unvolkommenheit, wenn sie auch möglich wäre, nicht ohne alles Vergnügen sein. ?" Seit. 12. 13. 14. 15.

 

[Manuskriptseite 60.]

[Ia-05-1779-0154]
2) Beantwortung der Frage "Woher kömt es, daß die deutliche Einsicht der Vernunft mehrerntheils so wirksam nicht ist, als die undeutliche Erkentnis der Sinne? ? Warum sind die Triebfedern so oft mächtiger als die Bewegungsgründe? ?"

 

[Ia-05-1779-0155]
"Eine Vorstellung oder Erkentnis ist wirksam, in so weit sie uns eine Volkommenheit, oder Unvolkommenheit darbietet. Hieran ist kein Zweifel mehr; allein ich gehe weiter. Der Grad dieser Wirksamkeit mus sich verhalten; 1) wie der Grad der Volkommenheit. Ie grösser eine Volkommenheit ist, desto angenehmer ist uns die anschauende Erkentnis derselben, desto mächtiger ist auch der Trieb ihrer habhaft zu werden. Ferner 2) wie der Grad unerer Erkentnis. Ie deutlicher, gewisser, wahrer, u. s. w. unsere Erkentnis einer und eben derselben Volkommenheit ist, desto wirksamer ist die Begierde nach derselben. Und ich wage noch ein drittes Verhältnis hinbzuzusezzen, 3) wie die Geschwindigkeit. Ie weniger Zeit erfordert wird, die Volkommenheiten, die uns ein gewisser Begrif darbietet, zu überdenken; desto angenehmer ist uns ihre anschauende Erkentnis, und desto heftiger die Begierde sie zu geniessen. Man könte also nach dieser Hypothese sagen; die wirkende Kraft der Triebfedern verhält sich zusammengesezt, 1) wie die Quantität des Guten darnach sie streben; 2) wie die Quantität unserer Einsicht, und 3) umgekehrt wie die Zeit, die zum Überdenken dieses Guten erfordert wird.

 

[Ia-05-1779-0156]
Läst man diese Voraussezzung gelten; so folget gar natürlich, daß öfters eine Vorstellung minder deutlich,

 

[Manuskriptseite 61.]

minder gewis, minder wahr sein, und dennoch eine grössere Gewalt haben könne, in das Begehrungsvermögen zu wirken; nämlich wenn sie entweder eine grössere Quantität der Volkommenheit zum Gegenstande hat, oder wenn diese Volkommenheit geschwinder überdacht werden kan. Dieses ist aus den Regeln des zusammengesezten Verhältnisses leicht zu begreifen.

 

[Ia-05-1779-0157]
Daher sind die Affekten und die sinliche Empfindungen so ofte mächtiger, als die Vernunft. Araspes konte mit Recht sagen: aliud, cupido, mens aliud suadet; video meliora proboque, deteriora sequor. Die Seele kan durch einen richtigen Vernunftschlus überzeugt sein, A sei gut, und sich dennoch zu B entschliessen, wenn sie in B zwar nicht so deutlich, nicht so gewis, aber doch eine grössere Menge des Guten wahrnimt, und in einer kurzen Zeit überdenken kan. Geschieht dieses, so ist die Quantität der Triebfedern für B mächtiger, als die Quantität der Bewegungsgründe für A, und B erhält den Vorzug. Nun sind die Affekten nichts anders, als undeutliche Vorstellungen vieles Guten, oder Bösen, die in dem Gemüthe zu gleicher Zeit entstehen; daher können die Affekten auf zweierlei Weise die Vernunft besiegen, durch die Menge des Guten oder Bösen, und durch die Geschwindigkeit, mit welcher sie überdacht werden kan. Die sinliche Erkentnis kan gleichfals mächtiger werden, als die Vernunft, 1) durch die Menge der Merkmale, die wir wahrnehmen, 2) durch ihre beständige Gegenwart, und 3) durch die Geschwindigkeit, mit welcher wir uns alles das Gute vorstellen, das in einer sinlichen Erkentnis enthalten ist. Die deutlichen Begriffe der Vernunft können die Lebhaftigkeit, oder die Menge der Merkmale nicht haben, die einem sinlichen Begriffe zukommen; sie sind auch unsrer Seele nicht beständig so gegenwärtig, und müssen mit Weile überdacht werden. Daher können sie bei aller ihrer Gewisheit eine geringere Wirksamkeit in das Begehrungsvermögen äussern. -" Seit.

 

[Manuskriptseite 62.]

[Ia-05-1779-0158]
Mancher fährt für Schrekken in die Höhe, wenn ein Geschüz abgebrant wird, ob er gleich schusfrei stehet, und auch vorher bedacht hat, daß er keinen Schaden nehmen könne. Ein anderer ist volkommen versichert, daß das Pulver sich unter einer luftleeren Glokke nicht entzünden läst, und gleichwol weigert er sich dem Versuche beizuwohnen. Warum? Aus meiner Hypothese läst sich hiervon Rechenschaft geben. Die Überzeugung, daß keine Gefahr vorhanden ist, gründet sich auf einen Vernunftschlus, die Furcht aber auf eine fast anschauende Erkentnis. Der Vernunftschlus ist überzeugender, allein die anschauende Erkentnis ist lebhafter und schneller; sie äussert daher eine grössere Gewalt auf das Begehrungsvermögen, und bringt in dem Körper wilkührliche Bewegungen hervor. Daher bringt Fertigkeit, Gewohnheit und Übung zuwege, daß man etwas als gut erkennet, was sonst nicht für gut von uns würde gehalten worden sein. Denn, indem wir die Volkommenheiten, die uns die Sache darstelt, (die aber wegen dieser Volkommenheiten noch nicht gut ist, weil nämlich ihr Gegentheil noch mehrere hat) geschwind durch die Übung, und fast anschauend haben erkennen gelernt, so wird die Seele hingerissen, d nach dieser Sache zu streben. Die Ursache hievon ist keine andere, als weil die mehreren Volkommenheiten der einen Sache durch die anschauende, leichte und geschwinde Erkentnis von der andern minder volkommen ist überwogen worden. ?" Seit. 49. 50. 51. 52.

 

[Ia-05-1779-0159]
2) 2)] Numerierungsfehler Jean Pauls Wie Beispiele auf einen algemeinen Grundsaz reduzirt werden können.

 

[Ia-05-1779-0160]
"Wenn die Seele von dem Besondern auf das ähnliche Besondere kommen wil; so nimt sie ihren Weg durch das Al

 

[Manuskriptseite 63.]

gemeine. Denn da die beiden besondern Fälle nur in dem Algemeinen übereinkommen; so findet sich unsere Einbildungskraft keinen andern Übergang, als von dem Besondern aufs Algemeine, und sodan vom Algemeinen auf einen andern ähnlichen Fal, der von ienem das Beispiel sein sol. ?" Seit. 65. 6

 

[Ia-05-1779-0161]
3) Die Baukunst kan auch Leidenschaften erregen.

 

[Ia-05-1779-0162]
"Man kan der Baukunst selbst die Erregung der Leidenschaft nicht ganz absprechen. Sie kan uns wenigsten vermittelst eines Nebenbegrifs rühren, den unsere Seele allezeit mit dem Hauptbegriffe verbindet. So erregen prächtige und maiestätische Gebäude Ehrfurcht und Schauern. Luftschlösser ermuntern uns zur Fröhlichkeit; Einsideleien zu Ernst und Tiefsin, und ein Grabmal kan Leidwesen und Traurigkeit erregen. ?" Seit. 78.

 

[Ia-05-1779-0163]
4) Von dem Erhabnen.

 

[Ia-05-1779-0164]
"Das wahre Erhabne beschäftiget die Kräfte unserer Seele dergestalt, daß alle Nebenbegriffe, die irgend mit demselben verknüpft sind, verschwinden müssen. Es ist wie die Sonne, die einsam leuchtet, und durch ihren Glanz alle schwächern Lichter verdunkelt. Zudem können in dem Augenblikke, da wir das Erhabene wahrnehmen, weder der Wiz noch die Einbildungskraft ihr Amt verwalten, um uns irgend auf andere Begriffe zu leiten; denn mit Erhabnen, oder mit dem Gegenstande der Bewunderung war niemals ein anderer ähnlicher Begrif in unserer Seele verknüpft, daß er iezt vermöge der Gesezze der Einbildungskraft, natürlicher Weise darauf folgen könte. Wer hieran zweifelt, bedenke nur, daß nach unserer Erklärung das Unerwartete, das Neue, eine wesentliche Bestimmung des Erha

 

[Manuskriptseite 64.]

benen sei. Eben daher entspringt der starke Eindruk, den die Bewunderung in unser Gemüth macht, darauf nicht selten ein Erstaunen, oder gar eine Art von Betäubung, ein Mangel des Bewustseins zu erfolgen pflegt. Hieraus erhellet, daß sich kein übermässiger Schmuk im Ausdrukke mit dem Erhabenen von der ersten Gattung verträgt. Die Zergliederung des Hauptbegriffes Die Erweiterung durch Nebenbegriffe ist unnatürlich, indem sie alle gleichsam in den dunkelsten Schatten zurükweichen müssen. Die Zergliederung des Hauptbegriffes würde durch ihre Langsamkeit die Bewunderung schwächen, indem sie uns das Erhabene nur nach und nach empfinden liesse; die Gleichnisse hingegen können, so wie die übrigen Zierrathen der Rede, destoweniger Stat finden, da der Wiz und die Einbildungskraft, daraus sie entspringen, bei Wahrnehmung des Erhabenen ihre Verrichtungen einstellen, und der Seele die gehörige Musse lassen, dem Begriffe des Erhabenen ferner nachzuhängen, um ihn in seiner ganzen Grösse zu überdenken. Der Hauptbegrif des Erhabenen ist eigentlich dasienige,

 

[Ia-05-1779-0165]
Iudicis argutum quod non formidat acumen.

 

[Ia-05-1779-0166]
Man kan von ihm sagen, volet hoc sub luce videri; Stat daß von den Nebenbegriffen gilt, hoc amat obscurum. ?" Seit. 131. 132. 133.

 

[Ia-05-1779-0167]
5) Von der Wahrscheinlichkeit.

 

[Ia-05-1779-0168]
"Aus dem Verhältnisse der gegebnen Wahrheitsgründe zu denenienigen, die zur völligen Gewisheit gehören, wird der Grad der Wahrscheinlichkeit bestimt, und man eignet einem Saz nur einen geringen Grad der Wahrscheinlichkeit zu,

 

[Manuskriptseite 65.]

wenn die wenigsten Wahrheitsgründe bekant sind. Ist die Hälft derselben gegeben; so ist der Saz zweifelhaft. Wenn uns aber mehr Gründe gegeben sind, als zur Gewisheit fehlen; so pflegen wir schlechtweg zu sagen: der Saz ist wahrscheinlich.

 

[Ia-05-1779-0169]
Wir wollen dies durch ein beispiel erläutern. Titius reiset mit drei andern Personen durch einen unsichern Wald, und man erfähret, daß einer von ihnen das Leben verloren hat. Sollen wir nun mit Gewisheit behaupten, daß Titus tod sei; so müssen uns noch folgende drei Wahrheitsgründe gegeben werden:

 

[Ia-05-1779-0170]
1. Kaius ist nicht ermordet:

 

[Ia-05-1779-0171]
2. Sempronius ist nicht ermordet:

 

[Ia-05-1779-0172]
3. Marius ist nicht ermordet:

 

[Ia-05-1779-0173]
alsdenn folgt unwidersprechlich, Titius sei ermordet. So lange uns aber diese drei Wahrheitsgründe noch fehlen, und wir nicht mehr als den einzigen Grund, "Einer von den Reisenden sei ermordet," vor uns haben, so verhält sich der Grad der Wahrscheinlichkeit, daß Titius todt sei, zur Gewisheit, wie 1: 1+3 oder = 1:4, = 1/4, und also ist der Fal noch weniger als zweifelhaft.

 

[Ia-05-1779-0174]
Hätten aber zween von der Geselschaft das Leben eingebüsset; so fehleten uns nur zwei Wahrheitsgründe zu Gewisheit; folglich der Grad der Wahrscheinlichkeit zur Gewisheit, = 2:4 und also = 1/2, daher der Saz zweifelhaft.

 

[Ia-05-1779-0175]
Sind zwei umgekommen; so verhält sich die Wahrscheinlichkeit das Titius todt sei, zur Gewisheit = 3:4. In diesem Falle nun sagt man, es sei wahrscheinlich, daß Titius todt sei.

 

[Manuskriptseite 66.]

Auf diesen sehr leichten Schlüssen beruhet der bekante Grundsaz der Mathematiker, den sie bei allen Ausrechnungen der Wahrscheinlichkeit zum Grunde legten. Dieser ist:

 

[Ia-05-1779-0176]
Wie sich die Anzahl der Fälle, in welchen ein gewisser Erfolg erhalten wird, zu der Anzahl aller möglichen Fälle verhält; so verhält sich die Wahrscheinlichkeit dieses Erfolgs zur Gewisheit. Wenn man also fragt: wie gros ist die Hofnung eines Spielers, der den Einsaz a gewinnen wil sol, wenn er mit einem Würfel mehr als 4 Augen wirft? so die Antwort = a/3. Denn 6 verschiedene Würfe sind auf einem Würfel möglich, und in zween, nämlich wenn 5 oder 6 Augen fallen, wird gewonnen; daher die Hofnung zur Gewisheit = 2 a:6 oder = a/3. Die Hofnung des Gegenspielers ist aus eben diesem Grunde = 2a/3. Daher auch der Einsaz nach diesem Verhältnisse einzurichten ist. ? Soviel von der einfachen Wahrscheinlichkeit.

 

[Ia-05-1779-0177]
Die zusammengesezte Wahrscheinlichkeit zu erläutern, wird folgendes Exempel dienen. Wir wollen sezzen, es greife iemand in einen Topf, in welchem sich schwarze und weisse Kugeln befinden, und wir sollen sagen, wie wahrscheinlich es sei, daß die erste, die er heraus ziehet, schwarz, oder daß sie weis sein wird. Die Wahrscheinlichkeit verhält sich zur Gewisheit, wie die Anzahl der schwarzen Kugeln, zu der ganzen Zahl derselben; allein diese Zahlen sind uns beide unbekant.

 

[Ia-05-1779-0178]
Wir können aber, ohne uns um die Zahlen selbst zu bekümmern, das Verhältnis der einen gegen die anderen, welche wir suchen, entdekken, wenn vorher öfters eine oder etliche von diesen Kugeln herausgenommen worden sind. Denn

 

[Manuskriptseite 67.]

die Anzahl aller Kugeln, welche dergestalt aus dem Topfe genommen worden sind, verhält sich zu der Zahl der schwarzen, die sich unter derselben befanden, wie die Gewisheit zu der gesuchten Wahrscheinlichkeit. - Die Richtigkeit dieses Verfahrens läßt sich aus folgenden Gründen darthun.

 

[Ia-05-1779-0179]
So wie es wahrscheinlich ist, daß sich dasienige zutragen wird, wozu die wenigsten Wahrheitsgründe fehlen; eben so wahrscheinlich ist, daß sich dasienige zugetragen hat, wozu uns die meisten Wahrheitsgründe gegeben sind. Wenn man also eine gewisse Anzahl Kugeln herausgezogen hat; so ist zu vermuthen, daß alles nach dem Verhältnisse der Wahrscheinlichkeit erfolgt, und dasienige nicht ausgeblieben sei, wofür man die meisten Wahrheitsgründe hatte. Es ist also wahrscheinlich, daß sich die Anzahl der schwarzen, die sich unter den herausgekommenen befinden, zu der Anzahl der weissen verhalte, wie die Wahrscheinlichkeit, daß lauter schwarze, die sich unter den herausgekommenen befinden, zu der Anzahl der weissen verhalte, wie die Wahrscheinlichkeit, daß lauter schwarze, zur Wahrscheinlichkeit, daß lauter weisse Kugeln herauskommen werden (so wie iemand man nämlich vor dem Herausziehen hätte vermuthen müssen), oder wie aus angefügter Rechnung

 

[Ia-05-1779-0180]
*) Herausgenommene schwarze Kugeln = a weisse = b schwarze im Topfe y weisse = x Wahrscheinlichkeit, daß a + b lauter weisse Kugeln sein werden = a x + b x. Daß a + b lauter schwarze sein werden = a y + b y. Daher a : b = a y + b x und a : b = y : x. *) Herausgenomne ... y:x.] am unteren Seitenende, durch horizontale Trennlinie abgegrenzt, angefügt. Die Gleichungen sind bündig untereinandergestellt, als Scan anfügen. ST

 

[Ia-05-1779-0181]
zu sehen ist, wie die Anzahl aller schwarzen in dem Topfe sind, zu der Anzahl der weissen, die sich darin befinden. Ie grösser

 

[Manuskriptseite 68.]

die Zahl der herausgenommenen Kugeln ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß das angegebne Verhältnis richtig sei. Denn ie mehr der Kugeln herausgenommen sind, desto öfter mus der Erfolg wider die Wahrscheinlichkeit gewesen sein, wenn die Abweichung in dem Verhältnisse einen merklichen Unterschied ausmachen solte. Wir können also folgenden Vernunftsschlus machen:

 

[Ia-05-1779-0182]
Wie die Anzahl der schwarzen Kugeln im Topfe, zu der Anzahl der Kugeln darin *) = x + y : y. *) = x + y : y.] am unteren Seitenende, durch horizontale Trennlinie abgegrenzt, angefügt. Scan. ST; so die Wahrscheinlichkeit, daß iezt eine schwarze herauskommen wird, zur Gewisheit. Nun verhält sich wahrscheinlicherweise die Zahl der schwarzen im Topfe, zu allen zusammen genommen, wie die Zahl der herausgenommenen schwarzen, zu der Anzahl aller Kugeln, die herausgekommen sind. **) x + y : y = a + b : a. **) x + y : y = a + b: a.] am unteren Seitenende angefügt, Scan. ST

 

[Ia-05-1779-0183]
Daher die Wahrscheinlichkeit, daß iezt eine schwarze Kugel herauskommen sol werde, zur Gewisheit, wie die Zahl der herausgekommenen schwarzen Kugeln, zu der Zahl aller Kugeln, die herausgenomen worden.

 

[Ia-05-1779-0184]
Da aber in diesem Schlusse beide Vordersäzze keine völlige Gewisheit aussagen, sondern sich nur auf Wahrscheinlichkeiten stüzzen; so ist klar, daß in dem Schlussazze eine gedoppelte Wahrscheinlichkeit liegen mus. ?" Seit. 194. 195 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202. 203.

 

[Ia-05-1779-0185]
6) Beweis, daß unsere Experimentalschlüsse richtig sind, aus der Lehre der Wahrscheinlichkeit.

 

[Ia-05-1779-0186]
"Wenn wir ein einziges mal erfahren, daß zwo Begebenheiten A und B sich zu gleicher Zeit zutragen, die un

 

[Manuskriptseite 69.]

mittelbar auf einander folgen; so mus entweder die Begebenheit B in der Begebenheit A gegründet sein, oder A und B sind einer dritten nahen oder entfernten Ursach C zuzusch untergeordnet, oder endlich A und B sind Wirkungen ganz verschiedner Ursachen, deren Existenz gar nicht von einander abhängt.

 

[Ia-05-1779-0187]
In den beiden ersten Fällen kan ein Grund angegeben werden, warum sich A und B zu gleicher Zeit, oder unmittelbar auf einander zutragen: in dem dritten Falle hingegen, ist es in den Eigenschaften von A und B gar nicht gegründet, daß sie sich zu einerlei Zeit zusammenfügen sollen, und es ist als ein blosser Zufal anzusehen, daß die beiden Ursachen, welche die Begebenheiten A und B hervorbringen, zu einerlei Zeit zusammen gestossen sind.

 

[Ia-05-1779-0188]
Ie öfter man hingegen eben dieselben Begebenheiten zu gleicher Zeit wiederkommen sieht, desto unwahrscheinlicher wird der angenommene dritte Fal, daß nämlich diese beiden Begebenheiten gar nicht in einander gegründet sein solten. Denn die Wahrscheinlichkeit, daß sich A und B durch einen blossen Glüksfal zusammen fügen solten, verhält sich zur Gewisheit, wie 1 zu der Zahl der beobachteten Fälle + 1.

 

[Ia-05-1779-0189]
(*) In der ersten Beobachtung war die Wahrscheinlicheit = 1/2

 

[Ia-05-1779-0190]
in der zwoten = 1/3

 

[Ia-05-1779-0191]
in der dritten = 1/4

 

[Ia-05-1779-0192]
in der nten = 1/n + 1 (*) ....1/n + 1] am Seitenende durch horizontale Trennlinie abgegrenzt, angefügt. Scan. ST

 

[Ia-05-1779-0193]
Ie mehrmalen man also die Beobachtungen wiederholet hat, desto wahrscheinlicher wird es, daß es kein Zufal gewesen; sondern daß diese beiden Begebenheiten entweder in einander gegründet, oder einer dritten gemeinschaftlichen Ursache untergordnet sind. In beiden Fällen kan man also mit Wahrscheinlichkeit schliessen, daß sich A nie ohne B und wiederum B nie ohne A zutragen werde. ?" Seit. 209. 210. 211.

 

[Manuskriptseite 70.]

[Ia-05-1779-0194]
7) Die Wahrscheinlichkeit mus erste durch eine unendliche Anzahl Würfe zur Gewisheit anwachsen.

 

[Ia-05-1779-0195]
"Da wir gesehen haben, daß die Wahrscheinlichkeit zur Gewisheit ein bestimtes Verhältnis habe; so solte man glauben, die Wahrscheinlichkeit müste durch eine endliche Anzahl von Würfen zur Gewisheit anwachsen können. Allein dieses wäre, wenn ieder hinzukommende Wurf gleichviel zur Gewisheit beitrüge, welches aber nicht geschiehet; sondern der Beitrag zur Gewisheit nimt nach einem bestimten Verhältnisse ab beständig ab, und daher kan eine unendliche Reihe von solchen Beiträgen erfordert werden, ehe dadurch die endliche Quantität der Gewisheit erhalten wird. Ein Beispiel wird dieses deutlich machen. Gesezt, Titius sol einen Einsaz gewinnen, wenn er mit einem Würfel 4, 5 oder 6 Augen trift; so ist seine Hofnung so gros, als die Hofnung des Gegenspielers, und beide = 1/2. Man erlaube ihm zwei Würfe; so entziehet der zweite Wurf dem Gegenspieler die Hälfte seiner Hofnung; denn da der zweite Wurf nur Stat findet, wenn ih im ersten gefehlt wird; so kan er dem Titius nicht mehr bringen, als die ihn fehlenden Hofnung, in unserm Falle = 1/4. Daher ist seine Hofnung = 3/4 und des Gegenspielers = 1/4. Man siehet hieraus, daß der Beitrag des zweiten Wurfs zur Gewisheit, so gros nicht ist, als der Beitrag des ersten. Der dritte Wurf würde aus eben der Falle Ursache, dem Titius nur 1/8, der vierte 1/16 u. s. w. bringen. Die Reihe der Beiträge zur Gewisheit ist also 1/2 + 1/4 + 1/8 + 1/16, u. s. w. Diese mus unendlich sein, wenn sie = 1 werden sol; daher wird eine unendliche Menge von Würfen erfordert, ehe die Hofnung des Titius der Gewisheit gleich kommen kan. Erlaubt man dem Titius nicht mehr als einen Würfel zugleich zu spielen; so findet eine andere

 

[Manuskriptseite 71.]

Berechung stat, da gleichfals eine * abnehmende Reihe von Brüchen herauskömt, die unendlich werden mus, ehe sie dem Gegentheil alle Hofnung benimt. Überhaupt da wir gesehen, haben daß die Wahrscheinlichkeit = n/n+1, diese Formel aber nicht anders = 1 sein kan, als wenn n unendlich gros ist; so kan auch die Wahrscheinlichkeit durch die Menge der Würfe nicht anders zur Gewisheit werden, als wenn die Anzahl derselben unendlich ist. Dieses hindert aber nicht, daß die Wahrscheinlichkeit nicht in iedem besondern Falle ein bestimtes Verhältnis zur Gewisheit haben solte. ?" Seit. 214. 215. 216.

 

[Ia-05-1779-0196]
VII.

 

[Ia-05-1779-0197]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des siebenzehnten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1772.

 

[Ia-05-1779-0198]
1) Einige Gedanken, wie man den Weg, den Christus in seiner Reformation gegangen ist, angeben könte. könte.

 

[Ia-05-1779-0199]
"Es würde zur richtigen Beurtheilung der Religion und des Verhaltens Iesu und zur genauen Schäzzung der verschiednen Lehrsäzze des Glaubens der Christen sehr zuträglich sein; wenn man nach dem Evangelisten die verschiedene Gradation historisch untersuchte, in welcher Iesus die Religionserkentnis seiner Zeit zu verbessern, und die Lehren seiner einzuführenden Religion bekant zu machen gesucht hat: und wenn man zugleich die Ursachen und Bewegungsgründe prüfte, die ihn zur Beobachtung solches stufenweisen Unterrichts berechtigt haben. Dies würde nicht allein seine Klugheit ins Licht sezzen, und von

 

[Manuskriptseite 72.]

seiner abgebrochenen, zuweilen dunkeln, zuweilen ausweichenden Methode Rechenschaft zu geben; sondern mus auch in Beurtheilung und Behandlung der verschiedenen Deutungsarten der Menschen vorsichtiger und behutsamer machen, und mit Regeln bereichern, die Wichtigkeit der Lehrsäzze nicht blos an sich selbst noch in ihrer Beziehung untereinander, sondern, welches immer die Hauptsache ist, in Beziehung auf die Subiekte, die man vor sich hat, abzuwägen. ?" Seit. 89. 90.

 

[Ia-05-1779-0200]
2) Von Iesu und Iohannes.

 

[Ia-05-1779-0201]
"Die Methode und der Zwek Iesu und Iohannes in der Bildung ihrer Iünger war verschieden. Iohannes erzog seine Iünger als ein Iude, der sie zu frommen Iuden machen wolte; Iesus aber als ein Reformator, der das wesentliche vom zufälligen nach und nach scheiden, und sie zu wolgesinten und richtigdenkenden Menschen erziehen wolte. Aus eben dieser Ursache gab ihnen Iesus im Unser Vater eine Anweisung, und nicht eine Formel zum Beten, welche von den wortreichen Formularen der Iuden, die in vielen Gebeten einen grossen Theil ihrer frommen Übungen sezten, sehr verschieden war: und lehrte sie dadurch, daß man nicht beten müsse um zu beten, sondern Gott seine Angelegenheiten vorzutragen; wobei es nicht auf die Worte, sondern auf das Vertrauen und auf die Freimüthigkeit ankomme, womit man sich an Gott wende. ?" Seit. 93.

 

[Ia-05-1779-0202]
3) Koniektur über die Stelle Luk. 12, 58. 59.

 

[Ia-05-1779-0203]
"Die beiden Verse (58 und 59.) stehen mit dem vorhergehenden und nachfolgenden in gar keiner Verbindung: solten sie nicht eine gute Erinnerung und die end

 

[Manuskriptseite 73.]

liche Antwort Iesu an den Menschen enthalten, der ihn V. 13. zwischen sich und seinem Bruder zum Schiedsrichter verlangt hatte? ? ? ?" Seit. 94. 95.

 

[Ia-05-1779-0204]
4) Von der Hexe zu Endor.

 

[Ia-05-1779-0205]
"Die Zauberei dieses Weibes (1 Sam. 28.) kan ein blosser Betrug des Weibes sein, so wie zu unsern Zeiten die sogenanten weisen Frauen die Leute betriegen. Wer sahe denn den Samuel und die Götter aus der Erde aufsteigen? War es Saul oder seine Gefährten? Nein. Das Weib sagt: ich sehe. Aber Saul hörete doch die Stimme. Konte nicht das Weib oder eine andre Person die eine Stimme hervorbringen? Es ist ia iezt gar nichts besonders, daß Taschenspieler Puppen reden lassen. ?" Seit. 115.

 

[Ia-05-1779-0206]
5) Von der Stelle Röm. 9, 5. womit man die Gotheit Christi beweisen wil.

 

[Ia-05-1779-0207]
"Der Styl des Apostels scheinet der alten Erklärung nicht günstig zu sein. Man wird weiter keine Stelle in seinen Schriften finden, wo er Christum den hochgelobten Gott nennet. Das ? ?? ??? ?????? ???? ist als eine Doxologie des Vaters, der sich Paullus in seinen Schriften sehr oft bedienet. ? Die Stellen selbst, wo Christus Gott genennet wird, beweisen sehr wenig. Denn alle Vorzüge hat Christus vom Vater erhalten; wie er selbst z. B. saget, daß der Vater dem Sohn alles Gericht übergeben habe. ? ? ?" Seit. 118. 119.

 

[Ia-05-1779-0208]
"Hätten die Kirchenväter diesen Spruch für so entscheidend und zuverlässig wie man iezzo glaubet, gehalten, so würde derselbe sowol von allen orthodoxen Vätern, als auch häufiger in den Streitigkeiten mit den Feinden der Gotheit Christi, die schon bei der Stiftung des Christenthums hindurch vorhanden waren, gebraucht worden sein. ?" Seit. 121.

 

[Manuskriptseite 74.]

\74\] zwischen S. 74 und S. 75 drei ausgeschnittene Blätter

 

[Ia-05-1779-0209]
VIII.

 

[Ia-05-1779-0210]
Der deutsche Merkur vom Jahr 1778. Erstes Vierteliahr. Weimar.

 

[Ia-05-1779-0211]
1) Von der rechten Art der Erzählung ? nach dem Muster des Homers und der gemeinen Leute.

 

[Ia-05-1779-0212]
"Fühlen diese wol in ihrem Vater=Homer den ganzen grossen Umfang seines Mährchens, die beständige Gegenwart des Subiekts, daß alles vor ihren Augen entsteht, und die Handlung mit eben der Langsamkeit und Zeitfolge fortrükt wie in der Natur; nichts vergessen wird, was dasein solte, nichts da ist, was nicht dahin gehörte, niemand zu viel noch zu wenig sagt, alles vom Anfang bis zu Ende Ganz ist, niemand den Erzähler hört, nichts von seinem eignen Medis zum Vorschein komt, sondern alles gerade weder grösser noch kleiner erscheint, wie es

 

[Ia-05-1779-0213]
Iederman mit seinen Augen gesehen zu haben glauben würde? ?" Seit. 52.

 

[Ia-05-1779-0214]
"Man vergleiche die Naivetät des gemeinen Mannes, des würklich sinlichen Menschen. Seine Gabe zu sehen macht ihn zum beredsten Erzähler. Seine Einbildungskraft ist roh, durch Vergleichungen umgebildet. Das Gegenwärtige ist ihm daher immer gros und anziehend, weils von allen Seiten Eindruk auf ihn gemacht hat. Man höre ihm nur zu, wenn er die geringste Stadtbegebenheit, einen Todesfal, eine Familiengeschichte erzählt. Er eilt nicht schnel zum Schlus, wie der philosophische Erzähler; er drängt keine Begebenheiten, er mahlt aus. Ieder einzelne Eindruk ist ihm kostbar, er sucht ihn wieder zu geben. Daher das Umständliche das

 

[Manuskriptseite 75.]

\75\] nach S. 74 drei Blätter ausgeschnitten, Zählung und Textfortsetzung aber konstant ? MIWI den Gelehrten so lästig ist, und das doch eigentlich das Ding zu einer Begebenheit macht. Man höre nur auf die Konversation eines Weibes, eines Iägers, eines Soldaten, und man wird die Gabe zu erzählen finden, die den Skribenten nachzuahmen ohnmöglich fallen wird. ? ? ?" Seit. 55.

 

[Ia-05-1779-0215]
2) Von Möglichkeit und Unmöglichkeit ? und von dem uns unbegreifichen und dem an sich unbegreiflichen.

 

[Ia-05-1779-0216]
"Dasienige, worin zwei Eigenschaften zugleicher Zeit sich befinden, nie einander schnurstraks entgegen sind, von denen eine den Gegensaz des andern enthält, ist unmöglich; so wie dasienige, in welchem keine solche sich aufhebende Eigenschaften vorhanden sind, möglich ist. ?" Seit. 239.

 

[Ia-05-1779-0217]
"Das, was wir nicht begreiffen können ist von dem an sich unbegreiflichen weit unterschieden. Würden wir es wol einem Blödsinnigen zu gute halten, der die engen Schranken seiner Einsichten für die algemeine Schranken menschlicher Kentnisse halten wolte, und was ihm unfaslich ist auch für den geübtesten Scharfsin unfaslich ausgäbe? ? Es giebt nur Ein Merkmahl, woran wir das an sich unbegreifliche erkennen, und dieses ist das widersprechende: wo wir dieses entdekken, da können wir mit Zuverlässigkeit behaupten, daß es auch von dem volkommensten Verstande nicht begriffen werden kan und folglich unmöglich ist; alle andern Merkmale sind trüglich und beweisen nichts als die Gränzen unserer Erkentnis. ?" Seit. 241.

 

[Manuskriptseite 76.]

[Ia-05-1779-0218]
IX.

 

[Ia-05-1779-0219]
Der deutsche Merkur vom Jahr 1778. Zweites Vierteljahr. Weimar.

 

[Ia-05-1779-0220]
1) Etwas Algemeines von der Wahrheit.

 

[Ia-05-1779-0221]
"Das Wahreste von allem was iemals ist wahr genent worden, ist dies: daß mitten unter al dem Trug von Erscheinungen, Gespenstern und Traumbildern, wovon wir umgeben sind, ieder Sterbliche gerade so viel Wahrheit auffassen kan, als der zu seiner eignen Nothdurft braucht.

 

[Ia-05-1779-0222]
Die Wahrheit ist, wie alles Gute, etwas verhältnismässiges. Es kan Vieles für die menschliche Gattung wahr sein, was es für höhere oder niedrigere Wesen nicht ist; und eben so kan etwas von diesem Menschen mit der innigsten Überzeugung als wahr empfunden und erkant werden, was ein anderer mit gleich starker Überzeugung für Irthum und Blendwerk hält. ?" Seit. 9. 10.

 

[Ia-05-1779-0223]
2) Wie gering ist unsere Einsicht noch in der Natur!! ?

 

[Ia-05-1779-0224]
"Wenn ein Man auch so alt wäre wie Nestor und so weise wie siebenmal Sieben Weise zusammengenommen, so müst' er doch ? eben darum weil er so alt und weise wäre ? einsehen gelernt haben: daß man immer weniger von den Dingen begreift, ie mehr man davon weis ? daß, gegen Eine lichte Stelle die wir in der unermeslichen Nacht der Natur erblikken, Zehntausend in Dämmerung, und zehnmal tau Zehntausend im Dunkeln vor uns liegen ? und daß, wenn wir auch von diesem Erdklümpchen, das wie ein ungeheures Weltal vor uns liegt, uns bis zur Sonne aufschwingen, und in ihrem Lichte dies ganze Planetensystem,

 

[Manuskriptseite 77.]

>mit al seinem Inhalt und Zugehör, so deutlich übersehen könten, wie ein Man von der Spizze einer Terasse seinen Garten übersieht ? dies nämliche Planetensystem nun abermal nichts mehr für uns wäre als ? eine lichte Stelle in der unermeslichen Nacht der Natur. Und wenn dann der weise Man in einer so langen Lehrzeit auch noch gelernt hätte, daß eben diese Unermeslichkeit und Unbegreiflichkeit, die für uns Erdbewohner eine Eigenschaft der ganzen Natur ist, sich auch in iedem einzigen Stäubchen befindet; daß in iedem einzelnen Punkte der Natur Stralen aus allen übrigen zusammenlaufen, und wie unbegreiflich alle diese Stralen, Beziehungen, Aus= und Einflüsse aller Dinge auf iedes, und ieden Dinges auf Alle einander durchschneiden und durchkreuzen ? und wie unmöglich es also ist, nur ein einziges Ding, eine einzige Erscheinung, eine einzige Bewegung, oder Würkung eines einzigen Theilchens der Natur, recht zu erkennen, ohne zugleich die ganze Natur recht zu erkennen eben so zu durchschauen, wie der, in dem sie lebt und webt und ist: ? Beim Himmel! ich denke das müste den weisen Man bescheiden gemacht haben. ? ?" Seit. 17. 18.

 

[Ia-05-1779-0225]
3)

 

[Ia-05-1779-0226]
Nachtlied.
"Ich gehe nun so gerne
in stiller Nacht allein,
zu sehn die lieben Sterne,
den klaren Mondenschein.
Ach, nach dem Taggetümmel
lab ich recht inniglich
an diesem schönen Himmel
für alles Übel mich.
Ich schmieg an deinen Busen,
Natur! mich trauter hier,

 

[Manuskriptseite 78.]


und, wie an Minchens Busen,
so wol ist mir an dir:
Ach alles heilt und stillet
dein kühler Mondenstral,
und Himmelsruhe quillet
durch meine Sinnen al.
Wohl mir, mir ward gegeben
zu fühlen diese Pracht,
süsträumend so zu schweben
im Dämmerlicht der Nacht;
und stille ganz genies ich
die grosse Herlichkeit,
nur säusselnd überflies ich
von meiner Seeligkeit.
Dort steht im Mondenschimmer
mein Häuslein, winkt so schön,
und ich möcht nimmer nimmer
von diesem Schauplatz gehn.
Die lichten Sterne sinken
hier nieder, gehn dort auf,
und alle freundlich winken
das Morgenroth herauf.
Und ihr liegt al so friedlich,
ihr Lieben, um mich her;
und ich thu' hier mir gütlich
und hab der Freuden mehr.
Ruht sanft! o ich beneide
euch eure Ruhe nicht:
von meinem Glük bereite
euch Gott ein Traumgesicht. ?"

Seit. 203. 204.

 

[Manuskriptseite 79.]

[Ia-05-1779-0227]
X.

 

[Ia-05-1779-0228]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des siebenzehnten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1772.

 

[Ia-05-1779-0229]
1) Was ist eigentlich ein physisches Gesez?

 

[Ia-05-1779-0230]
"Alle Abänderungen eines Zeitworts machen blosse Säzze aus, bis auf dem Imperativ; dieser ist kein blosser Saz, sondern ein Gesez. Da nun durch die Veränderung des Wörtleins ist in sol, ieder Saz in ein Gesez verwandelt werden kan, so siehet man, daß der Unterschied zwischen einem Sazze und einem Gesezze, nicht in den beiden Begriffen, welche das Subiekt und das Präd Prädikat ausmachen, liegen kan, sondern einzig und allein in deren Verbindung, oder d in der Art wie das Prädikat von dem Subiekt beiahet oder verneint wird, und wenn es daher Säzze geben kan, die nicht zu Gesezzen gemacht werden können, so mus die Art von Verbindung, welche in diesen erfordert wird, zwischen ihrem Subiekt und Prädikat nicht stat finden können. Der erste flüchtige Anblik lehrt schon folgendes, daß iede Abänderung eines Zeitworts blos die Verbindung zweier Begriffe angiebt, der Imperativus aber, stiftet erst eine; diese mus also einmal nicht gewesen sein, oder wenigstens müssen sich die beiden Begriffe auch getrent, als möglich denken lassen; es wäre sehr uneigentlich, Dinge mit einander verbinden zu wollen, die es schon an und für sich nothwendig sein müssen.

 

[Ia-05-1779-0231]
Ein ieder schlechter Saz ist nur historisch, sagt blos das Verhältnis aus, das ein Subiekt zu einem Prädikat hat; bei diesem läst sich also nicht fragen, warum dieses so ist? wenigstens liegt es demienigen, der den Saz macht, nicht ob, dieses warum zu beantworten, er hat sein Werk vollendet, so bald er die

 

[Manuskriptseite 80.]

Gründe angiebt, woraus er die Würklichkeit dieses Verhältnisses erkennet. Mit dem Gesezze verhält es sich anders, dieses sagt nicht das Verhältnis, welches zwischen einem Subiekt und einem Prädikat wirklich vorhanden sein sol, ist also nicht mehr historisch, und ihm, der dasselbe giebt, gehet eigentlich die Frage an, warum ebem dieses und kein anderes Verhältnis stat finden sol? Der Weltweise, der vorgiebt, daß der Mensch diese oder iene Leidenschaft hat, daß die Mensch Welt nicht von ewig her geschaffen sei, leistet seinem Zwekke Genüge, wenn er das, was er behauptet, aus der Erfahrung oder aus Vernunftgründen darthut; die Frage warum ist der Mensch mit dieser Leidenschaft verbunden, warum ist die Welt nicht von ewig her geschaffen, sind Fragen, die gegen einen ganz andern Saz gerichtet sind, der stilschweigend vorausgesezt wird, nämlich, daß irgend ein Wesen aus gewissen Absichten den Gesezgebenden Ausspruch gethan, daß der Mensch mit dieser oder iener Leidenschaft verbunden sein, daß die Welt in diesem Zeitpunkt aus Nichts hervortreten sol. Der Unterschied zwischen einem Sazze und einem Gesezze scheint nunmehr schon etwas klarer zu sein. Iede Verbindung eines Subiekts mit einem Prädikat mus einen Grund haben, aber die Verschiedenheit des Grundes, nach dem gefragt wird, ist es, die das Unterscheidungszeichen zwischen beiden angiebt, beim ersten wird nur der Erkentnisgrund gesucht, d. i. man wil die Stükke wissen, woraus die Wirklichkeit der Verknüpfung erkent wird; beim lezten wird ausser diesem noch der äussere obiektive Grund, oder vielmehr die wirkende Ursache, verlangt, welche diese Verbindung zwischen dem Subiekt und Prädikat gestiftet hat. Daß der Mensch hinfällig ist, erkennen wir aus der Struktur seines Körpers, der obiektive Grund des Gesezzes aber, der

 

[Manuskriptseite 81.]

der Mensch sol von dieser Struktur und hinfällig sein, mus, wenn wir nicht etwa angeben könnten, zu mit der Reihe von Erkentnisgründen, die wir noch etwa angeben können, zu Ende sind, endlich ausser dem Menschen, in seinem Urheber liegen. Daraus folgt, daß dieienigen Säzze, in welchen die Verbindung zwischen Subiekt und Prädikat nicht ein äusseres Wesen zur Ursache hat, sondern eine unmittelbare Folge aus den Begriffen ist, keine Gesezze genent werden können.

 

[Ia-05-1779-0232]
Diese Theorie wird von der Erfahrung ungemein bestätigt. Ein ieder Saz solte, wie wir gezeigt haben, durch die Veränderung des Bindewörtleins ist in sol, in ein Gesez verwandelt werden können; und gleichwol legen wir diese lezte Benennung nicht ohne Unterschied allen Säzzen bei, sondern nur gewissen, die von einer besondern Beschaffenheit sind, und die wir sehr genau von denienigen unterscheiden, die von einer andern Art sind. Wir geben alle zu, daß es Gesezze der Mechanik giebt, aber nie bedienen wir uns des Ausdruks Gesezze der Geometrie. Es giebt Gesezze in der Zahlenrechnung, nach denen wir verfahren müssen, um von einer bekanten Zahl zu einer unbekanten zu gelangen, aber die Verhältnisse selbst, welche sich unter den Zahlen befinden, nennen wir nie Gesezze. Daß der Körper sich bewegt, auf eine gewisse Art sich bewegt, einen andern anziehet, u. s. w. sind Gesezze, niemand aber wird den Saz für ein Gesez halten: Der Körper ist zusammengesezt, ausgedehnt, theilbar u. s. w. Nach der algemeinen Erklärung eines Gesezzes, läst sich von diesem Verfahren keine Rechenschaft geben. Denn wenn ieder Saz, wie Baumgarten sagt, der eine Bestimmung angiebt, die einem Grunde gemäs ist, ein Gesez ist, so mus dieses von iedem Sazze überhaupt, von ieder Definition

 

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gelten, indem bei ieder Verbindung zweier Begriffe, ein Grund vorhanden sein mus, der die Verbindung nothwendig macht. Nach unserer Entwikkelung ist nichts leichter als die Erklärung dieses Unterschieds. Wir haben schon gesagt, daß die Verschiedenheit zwischen einem Sazze und einem Gesezze auf der Verschiedenheit des Grundes beruhet, indem iener ein blosser subiektiver Erkentnisgrund, dieser aber ein obiektiver ist, nun giebt es Fälle, wo diese beiden Gründe in einander fallen und nur eins ausmachen, und Säzze dieser Art sind es, die vermöge ihrer Natur nicht in Gesezze verwandelt werden können. Zu dieser Art müssen ale dieienigen Säzze gezehlt werden, die Begriffe enthalten, welche mit einander identisch sind, und deren Verbindung sich daher auf den Saz der Identität gründen. Diese lassen sich auch nicht in der Möglichkeit als getrent denken, welches aber demBegriffe eines Gesezzes zuwider ist, bei welchem etwas äusseres erfordert wird, von dem die Verbindung zwischen dem Subiekt und dem Prädikat abhängt.

 

[Ia-05-1779-0233]
Alle Säzze der reinen Mathematik gründen sich auf den Saz der Identität; das was da Grund und Folge heist, ist es nicht in der That, sondern nur subiektive, in so fern ein Begrif aus dem andern erkant wird, die Gleichheit des Quadrats der Hypotenuse mit den Quadraten der übrigen Seiten, enthält sowol den Begrif eines rechtwinklichten Triangels, als umgekehrt der Begrif des Triangels diese Gleichheit, und ein unendlicher Verstand mus in iedem möglichen Prädikate eines Triangels alle übrige darin anschauend oder als identisch erkennen, und es hängt also nicht von dessen Wilkühr ab, ein einziges von diesen Verhältnissen aufzuheben und an dessen Stelle ein andres zu sezzen. In der unreinen Mathematik ist es anders, da finden wir Verbindungen zwischen Begriffen,

 

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die nicht unmittelbar in ihrem Wesen gegründet, nicht identisch sind, sondern einen Grund haben müssen, der ausser ihnen ist, und daher ist es ein Gesez, daß z. B. die Sonne in diesem, der Mond in ienem Zeitpunkt ihren Kreislauf vollenden sol, nicht aber, daß der Triangel drei Winkel haben, daß dreimal drei neune sein sol. Es hat eben die Bewandnis mit Gott, von welchem Gott nicht gesagt werden kan, daß er einem Gesezze unterwürfig sei. Denn ob gleich iede seiner Eigenschaften und Handlungen ihren zureichenden Grund hat, so ist dieser doch nicht ausser demselben, sondern ist mit seinem Wesen nothwendig verknüpft. Die Eigenschaften Gottes sind unter einander in einer solchen Verbindung, und verhalten sich eben so zu ihrem Subiekt, wie die Eigenschaften einer mathematischen Grösse. Man kan von ihnen, welche man wil, für einen Grund annehmen, und alle übrige auf das strengste daraus herleiten, und alle man kan keine einzige weglassen, ohne das ganze Wesen dadurch aufzuheben, indem die Nothwendigkeit der Eigenschaften, sich auf dem Sazze der Identität gründet.

 

[Ia-05-1779-0234]
Alle Eigenschaften, die wir vom Körper kennen, sind entweder solche, die a priori aus dessen Begriffen folgen, und alsdenn sind sie identisch, oder solche, die vermöge eines äussern Grundes mit demselben verknüpft sind. Von der ersten Art sind, Zusammensezzung, Ausdehnung, Theilbarkeit, u. s. w. Von der lezten hingegen sind, Bewegung, Art der Bewegung, Anziehung, u. s. w. Ohne die ersten findet der Begrif eines Körpers nicht stat, und daher lassen keine Säzze, deren Prädikate solche Eigenschaften sind, sich in Gesezze verwandeln; die Verbindung der lezten aber hänget von einem äussern Grund ab, und in so f** fern sie diesem gemäs betrachtet

 

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werden, werden sie Gesezze. Der Körper sol schwer sein, ist eben so wol ein Gesez, als die Schwere sol mit der Entfernung von der Erde abnehmen, beides lesen wir nicht in dem Begriffe des Körpers, und in ihrem Gegentheil findet sich nichts widersprechendes.

 

[Ia-05-1779-0235]
Auf gleiche Wesie können Raum und Zeit Gesezze genent werden, die unsrer sinlichen Erkentnis vorgeschrieben sind, denn da es sich aus dem Wesen der Seele nicht trennen erklären läst, daß sie diese Schranken nothwendig haben mus, so macht ihre Verbindung mit der Seele ein Gesez, dessen Grund in dem Willen der obersten Ursache ist. Und da es ferner zwar zum Wesen der Seele gehört, sich nach Erkentnis und Wahrheit zu sehnen, aber nicht a priori eingesehen werden kan, daß sie Art, auf welche wir dazu gelangen, die einzige mögliche sei, sondern im Gegentheil die Erkentnis Gottes von den äussern Gegenständen von einer ganz andern Art und anschauend, vorgestelt werden mus, so sind die Regeln der Syllogistik gleichfals Gesezze. ? ?" Seit. 325. 326. 327. 328. 329. 330. 331.

 

[Ia-05-1779-0236]
2) Der Unterschied zwischen froh sein und erquikken.

 

[Ia-05-1779-0237]
"Wir erquikken uns, wenn die durch ein Übel verlorne Kräfte unmittelbar darauf wieder hergestellet werden; und froh sind wir über die Entfernung eines daurenden Übels, das wir noch lange befürcheteten. Das Erquikken gehet auf das Gegenwärtige, und bestehet in einem Genus, das Frohsein beziehet sich auf das vergangene, und bestehet in einem blossen Lossein des Übels. Daher hört das erste gleich nach dem Genusse auf, das lezte aber kan beständig dauren. Dem von der Hizze ermüdeten Wanderer, ist ein

 

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frisches Glas Wasser erquikkend, mit der Stillung seines Durstes aber ist auch die Empfindung zu Ende, aber das Frohsein über das Entgehen aus den Händen eines Tyrannen, oder aus sonst einem Unglükke, dem man nahe war, kan Zeitlebens dauren. ?" Seit. 332.

 

[Ia-05-1779-0238]
3) Unterschied zwischen Has und Zorn.

 

[Ia-05-1779-0239]
"Der Has scheint uns darin vom Zorn wesentlich unterschieden, daß iener auf einen Gegenstand geht, in so fern wir von dessen Anschauung in der Zukunft Unlust vermuthen; zornig aber sind wir über einen Gegenstand, in so fern er schon wirklich die Ursache einer Unlust war. Wir können daher einen Gegenstand hassen, wenn er auch nicht die wirkende Ursache einer Unvolkommenheit ist, sondern mit dieser nur in der zufälligsten Verbindung stehet oder auch nur eine Ähnlichkeit mit ihr hat, allein zum Zorn kan uns nur ein Gegenstand bringen, wenn er selbst die wirkende Ursache einer Unvolkommenheit war. Man siehet daraus, wie ieden Zorn ein gewisser Grad des Hasses begleitet, indem ein Gegenstand der ersten, sehr leicht als ein zukünftiger Gegenstand der Unlust vermuthet wird, aber nicht umgekehrt. ? ?" Seit. 333.

 

[Ia-05-1779-0240]
4) Von dem Wort Vergnügen, wenn mans stat der Benennung Tugend oder Glükseeligkeit braucht.

 

[Ia-05-1779-0241]
"Freilich ist Vergnügen von zu ungewisser Bedeutung, um stat des Worts Glükseeligkeit gebraucht zu werden, aber nur alsdann, wenn es unbestimt gelassen, und ihm nicht eine gewisse Bedeutung gegeben wird, allein in diesem Falle, möchte man beinahe sagen, gilt dieses von der Tugend nicht weniger. Es giebt Tugenden die andern Plaz machen müssen, und die nicht anders ausgeübt werden können, als wenn wichtigere unterdrükt werden, und in diesem Falle hören sie auf Tugenden zu sein. Iede tugendhafte Handlung ist also nur alsdenn ein Moment der Glükseeligkeit, wenn ihr die gehörige

 

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Stelle angewiesen wird, d. i. wenn sie von der Art ist, daß alle andern im gehörigen Verhältnisse dabei bestehen können; man thue nun diese Bedingung zu dem Begriffe des Vergnügens hinzu, und er erschöpft völlig den Begrif der Glükseeligkeit. Es ist einmal ausgemacht, daß die Anschauung einer Volkommenheit, und nichts anders als einer (es sei einer fremden oder eignen,) Vergnügen gewährt, und der Grundsaz, "bring so viel Volkommenheiten hervor, als dir möglich ist," ist mit diesem gänzlich einerlei, "verschaffe (dir ider andern) so viel Vergnügen, als dir möglich ist," indem alle die Einschränkungen, die der lezte erfordert, auch bei dem ersten nothwendig sind. ?" Seit. 334.

 

[Ia-05-1779-0242]
5) Von den Grundeigenschaften der Dinge und den abgeleiteten - (qualitatibus primariis et secundariis.) Warum uns einige Eigenschaften der Dinge als obiektive und einige subiektive erscheinen.

 

[Ia-05-1779-0243]
"Iede Eigenschaft eines Dinges, das auf uns wirkt, stellen wir uns entweder in dem Gegenstand existirend, oder obiektive, oder in uns befindlich d. i. subiektive vor, und wieder einige stellen wir uns entweder mehr obiektive oder mehr subiektive vor. Es mus also gewissen Regeln geben, vermöge welcher, wir uns die Eigenschaften der Dinge so oder in uns oder in dem Dinge existirend vorstellen. Wir glauben folgende Regeln entdekt zu haben, nach denen wir, so lange wir die Eigenschaften nicht philosophisch untersucht haben, ihren subiektiven oder obiektiven Werth bestimmen.

 

[Ia-05-1779-0244]
1. Nach der Entfernung des Körpers von uns während seiner Wirkung.

 

[Ia-05-1779-0245]
2. Nach der Dauer und Lebhaftigkeit des hervorgebrachten Begriffes, nach dem der Gegenstand nicht mehr gegenwärtig ist

 

[Ia-05-1779-0246]
3. Nach der Verknüpfung des Begrifs mit dem Gegenstande zu

 

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allen Zeiten und an allen Orten.

 

[Ia-05-1779-0247]
Ie näher uns also ein Gegenstand während seiner Wirkung ist, ie kürzer und schwächer diese, nach dessen Entfernung, in uns bleibt, und ie unveränderlicher die Wirkung mit dem Gegenstand beisammen getroffen wird, desto mehr wird die hervorgebrachte Eigenschaft dem Gegenstand zugeschrieben; hingegen umgekehrt, ie entfernter der Gegenstand während der Wirkung, ie lebhafter und und] danach fehlt offensichtlich etwas. MIWI die Vorstellung davon bei uns dauert, und ie veränderlicher die Verknüpfung der Eigenschaft mit dem Gegenstand angetroffen wird, desto geneigter sind wir, den hervorgebrachten Begrif, blos als in uns existirend zu halten.

 

[Ia-05-1779-0248]
Nach diesem dreifachen Verhältnisse glauben wir, läst sich von iedem einzelnen Falle Rechenschaft geben, wenn man nur iede Eigenschaft in so fern betrachtet, als sie einer oder der andern von diesen Regeln gemäs ist. So müsten z. B. zufolge der ersten Regel, die Begriffe, die wir durch das Gefühl erlangen, am meisten für obiektiv gehalten werden, alsdenn der Geschmak, der Geruch, das Gehör, und die wir durch's Gesicht erlangen, am wenigsten; die Erfahrung scheint aber im gegentheil zu zeigen, daß ie feiner der Sin, d. i. ie entfernter dessen Gegenstand während seiner Wirkung ist, destomehr sind wir geneigt den hervorgebrachten Begrif in den Gegenstand zu sezzen. Das süsse, das Bittere wird weit weniger für eine Eigenschaft des Gegenstandes gehalten, als der Geruch oder der Schal. Daß die Farben Eigenschaften der äussern Gegensände sein, haben

 

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sogar Philosophen behauptet, aber nie wird es iemand in Sin gekommen sein, zu glauben, daß Wärme und Kälte, oder der Schmerz, den ein scharfes Eisen in unserm Körper hervorbringt, in den Gegenständen vorhanden wären; allein, der Umstand ist dieser, ie feiner ein Sin ist, desto schwächer und weniger daurend ist die durch seinen Gegenstand hervorgebrachte Wirkung, so bald derselbe aufhört zu wirken; es ist nur ein schwaches Bild und von kurzer Dauer, das uns von der Farbe zurük bleibet, so bald wir die Augen verschliessen, oder sie von dem Gegenstand abwenden; eine rauschende Musik bleibt schon länger in unsern Ohren, ein einmal empfundener übler Geruch hält sich lange in unsern Organen auf, und kan eine Ohnmacht zuwege bringen, ein übler Geschmak kan einen immerwährenden Ekkel hervorbringen, und von der Dauer und Heftigkeit der Empfindung des Gefühls, ist das hinfällige Geschlecht der Menschen nur alzu sehr überzeigt. Dieses Verhältnis scheint also von mehr Wichtigkeit als das erste zu sein, und daher bestimmen wir nach diesen vorzüglich die Gültigkeit der Begriffe. Bei der Wärme, Kälte und dem Schmerze kömt noch dies hinzu, daß wir sie oft empfinden, ohne den Gegenstand davon durch einen andern Sin wahr zu nehmen. Wir empfinden oft einen innerlichen Schmerz, eine innerliche Hizze und Kälte, ohne dass wir einen andern Gegenstand als uns selbst vor uns haben, dem wir sie zuschreiben können; auch bei den übrigen Sinnen scheint es, daß dieses desto seltener geschieht, ie feiner sie sind, auch und daher kömt noch dies dritte angegebene Verhältnis hinzu, welches gleichfals macht, daß die Eigenschaften mehr als in uns, denn als in den äussern Gegenständen existirend gehalten werden. ?" Seit. 338. 339. 340.

 

[Manuskriptseite 89.]

[Ia-05-1779-0249]
6) Bemerkungen, die zum Beweise dienen, daß die, in der Geschichte des Fals angeführte Schlange, nicht der Teufel war.

 

[Ia-05-1779-0250]
"Der Teufel ist zur Erklärung des sogenanten Fals der Menschen nicht nöthig. Daß ein Geschöpf fält, dazu braucht man kein anderes. Wer hätte dann den (vermeinten) Teufel verführt? Er sol ein volkomneres Geschöpf als der Mensch gewesen sein, und dennoch ist er von selbst, wegen eines in seiner Natur und Einschränkung liegenden Grundes, gefallen? ? Wie solte denn nicht der eingeschränktere Mensch auch auf diese Weise fallen können? ? ?" Seit. 389.

 

[Ia-05-1779-0251]
"Es scheint nun äusserst merkwürdig zu sein: daß in den Schriften Mosis nicht die geringste Spur von einem feinern oder gröbern Manichäismus zu finden ist, da doch derselbe in allen philosophischen Systemen der Morgenländer herschte und das ganze Lehrgebäude tragen mus. Er giebt auch nicht einmal den entferntesten Wink, daß man unter der Schlange, die er das listigste Thier auf dem Felde nennet, einen feindseeligen Dämon zu verstehen habe. So wenig in ihre Reden als in die angedrühte Strafe scheinet irgend etwas hindurch, das dieses vermuthen liesse. ? ?" Seit. 392.

 

[Ia-05-1779-0252]
7) Widerlegung der Meinung: "Christus hat uns durch seinen Tod von den Strafen und dem Elende der Sünden befreiet." ?

 

[Ia-05-1779-0253]
"Ist aber nicht der Lauf der Dinge von ie her der gewesen, ieder erndtet, was er säet? Gal. 6, 7. 8. Ist nicht

 

[Manuskriptseite 90.]

bisher immer bemerkt worden, daß die Sünde von Anbegin her bei iedem Menschen theils nach der Natur der Dinge mit nothwendigen, unzertrenlichen schlimmen Folgen begleitet sei, theils von dem heil. und gerechten Wesen, wenn der Mensch darin beharret, auf allerlei andere Weise hier, und auch dort, bestrafet werde? Ezech. 18, 24=26. 30. Röm. 2, 6=10. ? Kan das Gute eines andern für unser eigenes gelten und angesehen werden, ? auch um unsers Besten willen mit? ? Wird nicht mit der Bereuung der Sünde, der Wiedererstattung, der Unterlassung des Bösen von Seiten des Menschen auch die Strafe zugleich aufgehoben, die Sünde ohnehin getilgt? ? Ezech. 33, 14=16. K. 18, 31. 32. Es. 66, 2. Solte Gott wol auch nicht bei herschender Liebe des Guten, bei Tugendhaftigkeit, und wegen derselben, die etwannige Schwachheit sünden, wenn schon ihr Schaden nicht getilgt ist, übersehen und vergeben, so wie, wenn ein Gleichnis erlaubt ist, Eltern ihren Kindern, bei herschender Tugendliebe, kleine Übereilungen und Fehler, um derselben willen, erlassen? hat man irgendwo Grund gefunden anzunehmen, daß der Vater der Menschen, nicht von selbst, ohne ...., heist geneigt sein solte, sein verirtes Geschöpf, wenn es nur das seinige redlich thut, in seine Huld für immer wieder anzunehmen? Ps. 103, 9. Ps. 145, 8. 9. Klagl. Jer. 3, 31. 33. Mich. 7, 18. Luk. 15, 10. ? Was sollen wol für Strafen durch den Tod Christi aufgehoben worden sein, und was für Absichten solten dadurch erreicht werden? Etwan die Offenbarung des Misfallens Gottes an der Sünde? Daß

 

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die sich überlasne Vernunft die Menschen von dem Misfallen Gottes an der Sünde belehren könne, solten dies nicht so manche in den alten heidnischen Skribenten vorkommende Stellen, und verschiedene unter den Heiden übliche Gebräuche, beweisen? ? Wenn Gott allen Menschen Gesezze vorgeschrieben, weise und wolthätige Gesezze, in deren Befolgung das Glük der Menschen verflochten ist, wenn er sich in der Natur um uns als unsern Vater offenbaret, wie kan er das lieben, so doch zum Verderben der Menschen gereicht, wie also Sünde lieben, und nicht vielmehr Misfallen daran haben? Zeigt sich dieser Has Gottes gegen die Sünde nicht auf mancherlei Art, nicht durch die unangenehme Folgen, welche die Lasterhaftigkeit, welche schon einzelne Vergehungen, hier nach sich ziehen? Äussert er sich nicht durch die positive Strafen, womit Gott, wie ia alle zugeben, die Sünde hier belegt, auch noch dort belegen wird? ? hat man unter der Haushaltung des A. B. dieses Misfallen Gottes an der Sünde in Zweifel gezogen? Findet man in den Büchern desselben nicht Nachrichten von positiven Strafen der götlichen Vorhersehung, die sie um der Sünde willen auferlegt hat? nicht ausdrükliche Zeugnisse vom Misfallen Gottes an d. Sünde? 2 B. Mos. 20, 5. 5 B. Mos. 4, 24. Ps. 5, 5. 34, 16. 17. Es. 59, 1. 2. Um den Menschen das Misfallen an der Sünde zu zeigen, hat Gott seinen Sohn nicht sterben lassen. Viele tausend Menschen sind gleichwol in Ansehung dieser Begebenheit unwissend gewesen, viele tausend sind es noch ? und unter ihnen zwar manche Böse, aber auch viele Gute,

 

[Manuskriptseite 92.]

so wie es unter unsern Christen, welchen diese Begebenheit bekant ist, und auf solche Art erklärt wird, neben manchen edlen rechtschafnen Seelen, auch an vielen schlechten und lasterhaften dennoch nicht mangelt. Dafür hat Gott von ie her gesorgt, durch den Bau der Menschen und durch andre Verbindungen gesorgt, daß auch, ohne dieses, oder ienes Dogma, doch Tugend und Glükseeligkeit sich nicht von der Erde verlieren. ? Oder wurde der Tod I. C. veranstaltet, um das Ansehen des götlichen Gesezzes wieder herzustellen? Dieses bleibt ia aber bei den Sünden der Menschen doch ungekränkt; weil die innere Vortreflichkeit desselben augenscheinlich ist; weil dem Menschen durch die Haltung des götlichen Gesezzes mancherlei natürlich gute Folgen zuwachsen, so wie er noch durch anderweitiges Gute dafür von Gott belohnt wird; und die Übertretung des götlichen Gesezzes dagegen allerlei schädliche Folgen und positive Strafen Gottes nach sich zieht, wie wir alle glauben. ? Iesus hat dem Menschen die Gnade Gottes, im Fal er die Sünde verliesse, verkündiget, den Weg, sich davon los zu machen, ihm gezeigt und ihn durch die eröfnete Aussicht in die Ewigkeit, und andre Belehrungen, zur Betretung desselben ermuntert. Diese edle, grosmüthige Bemühungen, die Menschen dem Unglük der Sünde zu entziehen, zogen ihm den Neid und die Feindschaft der Iuden zu, und damit den Tod. Solte sich nicht alles hierauf einschränken? Wenn es Matth. 20, 28. 1 Tim. 2, 6. Tit. 2, 14. 1 Joh. 3, 5 u. a. m. O. z. B.

 

[Manuskriptseite 93.]

heist: Iesus habe sein Leben gegeben zur Erlösung für viele; er ist erschienen, daß er unsre Sünden wegnehme pp. was ist dies wol anders als, wie man doch iezt sagt, er hat in dem Dienst der Wahrheit und Tugend sich aufgeopfert, er hat alle seine Kräfte dahin verwandt, sein ganzes Leben damit zugebracht, die Menschen von Sünden zu befreien; und wodurch, wie kan man Menschen von Sünden los machen? Wenn man ihnen den erforderlichen Unterricht ertheilet, nicht blos sagt: dies ist der Wille Gottes, sondern ihnen auch zur Befolgung desselben die nöthige Verpflichtungs= und Bewegungsgründe u. dgl. m. an die Hand giebt ? ia, wenn man sie nicht nur belehrt, sondern ihnen auch mit seinem Beispiel in allem vorleuchtet; ? wie Iesus gethan. Jak. 5, 19. 20. Iesus hat dem Tode den Stachel, die Macht genommen (1 Kor. 15, 55. 2 Tim. 1, 10.) das heist, das Unangenehme, ia das Schrekkensvolle und Fürchterliche in den Ideen der Menschen; und dieienige erlöset, die durch Furcht des Todes in ihrem ganzen Leben Knechte sein musten (Ebr. 2, 14. 15.), das ist, dieienige, die sich ihr ganzes Leben hindurch vor dem Tode fürchteten, aus dieser Besorgnis gerissen. Wodurch alles dieses? durch die von ihm und seinen Aposteln gepredigte, und in ein neues Licht gestelte Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und dem künftigen Zustand, so wie durch ihren Unterricht, von der Tugend, als den Weg zu allem Glük. ? Auf diese Weise müssen wol mehrere Stellen Stellen] fehlt danach "des"? MIWI N. T. erklärt werden, und können es auch. Wenn in andern

 

[Manuskriptseite 94.]

vom Blut I. C. von Versöhnung, von Opfern pp. die Rede ist, so darf man sich nur in die Lage der Apostel in Ansehung der Iuden und Heiden, und der Proselyten aus beiden ? nur in selbige Zeiten versezzen, um eine ganz andre, als die gewöhnliche Erklärung, und zwar ohne Zwang herauszubringen. ? ?" Seit. 407. 408. 409. 410. 411.

 

[Ia-05-1779-0254]
8) Von der Stelle 1 Joh. 5, 20.

 

[Ia-05-1779-0255]
"In dieser Stelle hat wahrscheinlich in den E ersten Exemplaren nach ???????? das Wort ???? gefehlt, und ist später hinzugesezt worden; dergleichen Einschaltungen in andern Stellen N. T. mehr vorgegangen sind. Beim Hilarius (de Trin.) u. a. steht es wirklich nicht. Gesezt aber die gewöhnliche Lesart sei die rechte, so ist doch aus dem Zusammenhang, und aus andern Gründen überwiegend wahrscheinlich, daß ????? auf den Vater müsse gezogen werden, wie Klarke, Benson, Harwood u. a. gethan, auch ganz neuerlich der sel. Alberti erkant hat. ?" Seit. 418. 419.

 

[Ia-05-1779-0256]
9) Von der Stelle Matth. 26, 24. die die Ewigkeit der Höllenstrafen beweisen sol.

 

[Ia-05-1779-0257]
"Iesus beklagt in diesem Ausspruch in einem, noch in unsern Tagen gewöhnlichem, Sprüchworte das grosse Unglük des Iudas Ischarioth. Diesen Ausspruch kan man nicht in ganz eigentlichem, metaphysischem Verstande nehmen. Wenn man es anderswo bei ähnlichen Sprüchwörtern und Redensarten, welche Iesus gebraucht hat, so machen wolte, so würde man aus dessen weisen Reden viel sonderbare Dinge heraus erklären können. Hand und Fus abhauen und ein Auge ausreissen, wenn die Seele dadurch zu verbothenen Lüsten gereizt würde, wäre uns dann auch von Iesu zur Pflicht gemacht. ? Seit. 488.

 

[Manuskriptseite 95.]

[Ia-05-1779-0258]
10) Von Matth. 25, 46.

 

[Ia-05-1779-0259]
"Es ist nicht erweislich, daß es die Absicht des götlichen Lehreres gewesen sei, durch den Ausdruk äonische Pein und äonisches Leben die unendliche Dauer des unglükseligen Zustandes der Ungerechten und des glüklichen Zustandes der Gerechten nach dem Tode zu bestimmen. Iesus braucht das Wort äonisch, wie es gewöhnlich gebraucht wurde, von einem unbestimten Abschnitte der Zeit in einer nicht gegenwärtigen sondern künftigen Lebensepoche. Der Ausspruch des Heilandes würde sich in im Deutschen sehr richtig übersezzen lassen: die zur Linken werden in die künftige Pein gehen, die Gerechten aber in das künftige Leben; und so in allen übrigen Stellen, wo das Wort vorkomt. Denn was wir in dem gegenwärtigen Leben, disseit des Grabes schon sehen und erfahren, werden das heist im N. T. ??????????, was wir aber in dem zukünftigen Leben, ienseit des Grabes erst sehen und erfahren werden, das heist ???????. Z. B. 2 Kor. 4, 18. ? ?" Seit. 489.

 

[Ia-05-1779-0260]
11) Von der Benennung Christus "Sohn Gottes" ?

 

[Ia-05-1779-0261]
"Wenn Christus ???? ???? genennet wird, so ist diese Benennung nicht von seiner metaphysischen Natur, oder dem Ursprunge seines Wesens zu verstehen, sondern sie ist für ein Amtsname des Erlösers zu halten, womit sein moralischer Karakter, seine hohe Würde und Ehre bei Gott angedeutet wird. Dies beweiset Iesus, da er nach dem Bericht des Joh. 10, 36. die Iuden ausdrüklich fragte: warum sie ihn seiner Gotteslästerung beschuldigten, da er sich ia deshalb den Sohn Gottes nente, weil er vom Vater zu einem grossen Werke geheiligt und in die Welt gesandt worden? Diese eigne Erklärung Iesu stimt genau mit Luk. 1, 35. zu. Iene ganze Unterredung Christi mit den Iuden Joh. 10. allein betrachtet, ist gewis dafür, daß Sohn Gottes ein Amtsnahme Iesu sei. ?" Seit. 507.

 

[Manuskriptseite 96.]

[Ia-05-1779-0262]
XI.

 

[Ia-05-1779-0263]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Fünfter Band. Lemgo, in der Meierschen Buchhandlung. 1774.

 

[Ia-05-1779-0264]
1) Von den Vergnügungen der Sinne.

 

[Ia-05-1779-0265]
"Wir haben von den Veränderungen in der Natur keine andere Kentnisse, als vermittelst der Sinne, durch die Bewegungen in den Nerven des Körpers. Die Lebhaftigkeit oder Stärke unsrer Empfindungen ist allezeit der Stärke der Bewegung in den Nerven proportionirt, und so mannigfaltig und zusammengesezt diese sind, müssen iene auch sein. Iede ganze sinliche Empfindung ist aus einer grossen Menge augenbliklicher Empfindungen zusammengesezt,die so schnel aufeinander folgen, daß darüber die Augenblikke der Zeit, die zwischen zwei Schlägen verstreichen, nicht bemerkt werden. Die Organe werden durch gröbere oder feinere Materien in Bewegung gesezt, daher die Eintheilung in gröbere oder feinere Nerven und Sinne. Ie gröber die Nerven sind, desto lebhafter sind die Empfindungen, die sie erregen; ie feiner sie sind, desto schwächere Eindrükke bringen sie zwar hervor, aber desto mehr nähern sie sich auch dem Geistigen. Ist die Folge der Eindrükke einförmig, indem sie in gleichen Intervallen und mit gleicher Stärke aufeinander folgen, so mus die darin befindliche Regelmässigkeit der Seele nothwendig angenehm sein, doch kan auch die Geschwindigkeit der Folge zur Vermehrung und oder Verminderung ihrer Annehmlichkeit etwas beitragen. Ist sie mannigfaltig, indem die Eindrükke entweder in un

 

[Manuskriptseite 97.]

gleichen Zwischenzeiten aufeinander folgen, oder in Absicht ihrer Stärke verschieden sind, so wird sie angenehm sein, weil wenn sie ein regelmässiges Ganzes ausmacht. ? ?" Seit. 55. 56.

 

[Ia-05-1779-0266]
2) Erklärung eines psychologischen Sazzes: daß der Mensch zuweilen nicht nur ohne Grund, sondern auch selbst gegen dringende Gründe handelt.

 

[Ia-05-1779-0267]
"Die Ursache, warum der Mensch oft so handelt, ist sind die dunkeln Vorstellungen. Iedes Obiekt besteht aus einer Menge von Theilen, und kan von verschiednen Seiten betrachtet werden. Wenn wir es überschauen, so bekommen wir nur von den wenigsten Theilen und Seiten eine klare Idee, die Vorstellungen der übrigen bleiben dunkel, aber ihre Wirkungen sind sehr merklich, und die Urtheile und Meinungen, die sie hervorbringen, widersprechen oft den Wirkungen der klaren Idee. Ihrer Natur nach musten sie auch eine stärkere Gewalt über uns haben, als die klaren und deutlichen, weil sie viel verworrener, zusammengesezter und lebhafter sind. Der Grund davon liegt in unserm Nervensysteme, welches so eingerichtet ist, daß einer ieden Vorstelung in der Seele eine Erschütterung in den Nerven entspricht. Ie einfacher die Vorstellung ist, desto geringer ist die Anzahl der sich bewegenden Nerven. Ie lebhafter aber die Vorstellung ist, desto mehrere Nerven werden in Bewegung gesezt, und desto stärker werden sie erschüttert. Ihre Schläge müssen sich also auch weiter verbreiten und mittheilen, und sie werden in denen Gegenden des Körpers am merklichsten werden, wo die mehresten Nerven in einem Ganglion oder sogenanten Nervenknoten zusammenlaufen. Umgekehrt daher auch, wenn die meisten Nerven erschüttert werden, so mus die Vorstellung am lebhaftesten sein. Es ist also nicht möglich, daß die langsame Wirkung der deutlichen Begriffe

 

[Manuskriptseite 98.]

die schnelle Wirkung der dunkeln Ideen verhindern, und auf diese Art überrascht oft die Empfindung die Vernunft. ?" Seit. 57. 58.

 

[Ia-05-1779-0268]
3) Anmerkungen über den gegenseitigen Einflus der Vernunft in die Sprache, und der Sprache in die Vernunft.

 

[Ia-05-1779-0269]
"Die ersten Empfindungen des noch rohen Menschen sind blos verworren, und werden durch tausend Gegenstände zugleich erregt, die er als ein aus einem einzigen Stükke bestehendes Ganzes betrachtet, ohne darauf zu rechten, daß sie Theile haben. Almählig fängt er an, vermittelst der Sinne, und hauptsächlich des Gesichts, diese Theile von einander abzusondern, und sich einzeln vorzustellen. Von den sinlichen Begriffen geht er dann zu den Eigenschaften und Zufälligkeiten der Körper fort. Diese zu erkennen, wird aber mehr als blose Aufmerksamkeit erfordern. Es gehört der Beobachtungsgeist dazu, der mehrere Dinge mit einander vergleicht. Derselbe entwikkelt sich aber in rohen Menschen nur bei ausserordentlichen Gelegenheiten, bei Antrieben des Bedürfnisses. Eine grosse Menge Ideen, besonders die meisten Verhältnisbegriffe, hat man wahrscheinlicher Weise dem Zufal zu danken. Die Erfahrung führt die Gelegenheit zur Beobachtung der Korrelaten herbei. Es giebt vielleicht noch manche algemeine Eigenschaft der Körper, von der wir gar keinen Begrif haben; weil das Gegentheil davon niemals beobachtet worden ist. Diese Operationen, wodurch der Seele Mensch klare Ideen erlangte, musten nothwendig vor der Erfindung der Wörter vorhergehen. Die Anzahl der Wörter in einer Sprache kan niemals die Anzahl der klaren Begriffe einer Nation übertreffen. Wer einen neuen Ausdruk erfindet, der bereichert den Verrath unserer Kentnisse mit einem neuen Begriffe, und die Anzahl der

 

[Manuskriptseite 99.]

Wörter einer Sprache, und ihrer abgeleiteten Bedeutungen mus die Summe aller klaren Begriffe der Nation, die diese Sprache spricht, ausmachen. ? Sowie der Verstand arbeiten muste, um zu den Elementen einer Sprache zu gelangen, so zieht er wieder aus der Sprache viele Vortheile. Die Wörter woraus eine Sprache besteht, sind theils wilkührliche, theils natürliche Zeichen. Schon die wilkührlichen Wörter befördern die Anbauung der Vernunft, indem sie uns den Besiz der klaren Ideen versichern, von denen wir viele ohne diese Beihülfe ganz verlieren würden. Die sinlichen Ideen könten wir behalten, (weil wir sie uns unter Bildern denken) alle übrigen würden, ohne Hülfe der Wörter, aus dem Verstande ausgelöscht werden. Daher finden neue Ideen nicht eher Eingang, bis man mit den Ausdrükken derselben bekant geworden ist. Gedächtnis und Einbildungskraft gewinnen also durch die Namen. Ferner sind die Wörter ein Mittel, alle Operationen des Verstandes beträchtlich abzukürzen, indem sie oft die Stelle der Begriffe, welche sie vrostellen, vertreten, ohne daß man nöthig hat, sich alle Augenblikke von ihrer Bedeutung Rechenschaft zu geben. Sie haben in so fern Ähnlichkeit mit den algebraischen Zeichen. Endlich führen sie auf das Nachdenken über die Sachen selbst, und stärken den Erfindungsgeist. Die technischen Ausdrükke eines ieden Faches sind eine Topik für dasselbe. Wer z. B. die Kunstwörter der Malerei inne hat, wird viel leichter ein Gemälde beurtheilen; wer mit den ontologischen Wörtern bekant ist, wird bei Untersuchung philosophischer Materien viel besser fortkommen. Eine Wissenschaft kan nie zu viel Kunstwörter haben, wenn nur iedes Wort einen wirklichen Begrif ausdrükt. Sie veranlassen oft Untersuchungen, die man sonst nicht angestellet hätte. Die genaue und gründliche

 

[Manuskriptseite 100.]

Erkentnis ieder Sache hängt grossentheils von dem Reichthum der Sprache ab, in der man denkt. Sie sezt uns alsdenn in den Stand, dasienige genau zu bestimmen, was sich sonst nur ungefähr schäzzen liesse, so wie ein Mechanikus, der zugleich Meskünstler ist, die allerkleinsten Wirkungen einer Maschine durch Zeichen anzugeben weis. Eben dieser Reichtum der Mathematik, vermittelst dessen sie iede Idee, die in ihren Schlüssen vorkomt, durch Zeichen ausdrükken kan, ist die Ursache von der grossen Evidenz dieser Wissenschaft. Ie mehr wir also unsere Sprache bereichern, desto mehr befördern wir unsere Kentnisse und ihre Gewisheit. ? Die natürlichen Wörter, oder dieienigen, die einen eigentlichen und einen figürlichen Sin haben, folglich die Metaphern, tragen noch besonders zur Kultur des Verstandes bei. Durch bekante Ähnlichkeiten, unter denen sie einen vorher nur dunkeln Begrif vorstellen, machen sie denselben klar, und da es in dem Verstande des Menschen überaus viel dunkele Ideen giebt, die dem Wachsthum seiner Kentnisse Schranken sezzen, so rükt iede glükliche Metapher diese Schranken weiter hinaus, indem sie eine von diesen Ideen, die bisher unnüz gewesen war, aus der Dunkelheit hervorzieht. Die Metaphern führen gar zuweilen auf wichtige Entdekkungen. Leibnizzens Theorie von den Begriffen ist ein Beispiel davon. Die Metaphern einer Sprache fassen alle Wahrheiten in sich, welche man nur halb gesehen oder von weitem erblikket hat, ohne sie entwikkeln zu können. Der Fortgang der Vernunft hängt also sehr von der Volkommenheit des metaphorischen Theils der Sprache ab. Ein Wörterbuch von den reichsten Metaphern würde ein wahrer Schaz sein, und ungemein viel zur Beförderung der philosophischen Kentnisse in allen Gattungen beitragen. ? ?" Seit. 61. 62. 63. 64.

 

[Manuskriptseite 101.]

[Ia-05-1779-0270]
4) Einige Bemerkungen von der menschlichen Seele.

 

[Ia-05-1779-0271]
"Da alle Individua in allen ihren Verhältnissen durchaus bestimt sind, so mus unsere Idee von ihnen immer nur sehr unvolständig sein; folglich auch unsere Idee von uns selbst. Wir sind uns nur einer kleinen Anzahl von Besonderheiten, die unsere Individualität ausmachen, deutlich bewust. Fassen wir also einen Entschlus, der sich auf denienigen Theil des Zustandes, von welchem wir alsdenn keine deutliche Idee haben, bezieht, so kan derselbe nicht anders als sehr unschiklich und zwekwidrig sein. So geht es Personen, die aus ihrer Fassung gebracht werden. Sie denken allein die Ursache, die sie aus ihrer Fassung brachte, und verlieren darüber die deutliche Idee ihrer ganzen Lage. Die Fertigkeit, die möglichst gröste Menge von unsern Bestimmungen zu fassen, hat vielen Werth. Man findet sie mehr bei Leuten, die durch ihre Lebensart gewöhnt sind, auf einmal eine grosse Menge von Ideen zu denken, als bei solchen, die in abstrakten Wissenschaften Schrit vor Schrit durch einzelne Begriffe fortgehen. Daher komt es, daß man zuweilen unter den grösten Gelehrten und unter den geschiktesten Künstlern fast blödsinnige Leute antrift. ? Nicht blos die natürlichen Leidenschaften entstehen aus der Menge und Stärke sinlicher Empfindungen, sondern es fliessen aus dieser Quelle auch dieienigen Leidenschaften, welche durch die Kunst hervorgebracht, von dem Sektengeist genährt, und durch die eine strenge Zucht unterhalten werden. Die Wirkungen der leztern sind noch stärkerr als der erstern. Ist die Seele einmal einer gewissen Disciplin unterworfen, so behält keine einzige

 

[Manuskriptseite 102.]

Vorstellung mehr ihre Freiheit, iede Idee wird gezwungen, sich mit der Lieblingsidee zu vereinigen; oder derselben zu weichen, und nach und nach wird die Seele allen Eindrükken der Sinne, und allen mit dem festgesezten Entwurfe ihres Verhaltens streitenden Leidenschaften überlegen. ? Ie schwächer unsere sinliche Empfindungen und die Vorstellungen unsers äussern Zustandes sind, oder ie mehr wir unsre Aufmerksamkeit auf blos idealische Vorstellungen richten, desto eher können wir unsere Einbildungen für etwas Wirkliches halten. Daher die Begeisterungen der Einsiedler, die seltsamen Erscheinungen im Traume u. s. w. ?" Seit. 64. 65. 66.

 

[Ia-05-1779-0272]
5) Über den verschiednen Zustand, worin sich die Seele bei Ausübung ihrer Hauptvermögen befindet.

 

[Ia-05-1779-0273]
"Die Rede ist vom Vorstellungs= und Empfindungsvermögen. Gemeiniglich übt die Seele beide Vermögen zugleich aus, doch giebt es Fälle, wo das eine ihre Wirksamkeit allein zu beschäftigen scheint. Was das Vorstellungsvermögen betrift, so findet sich zwischen demselben und dem Sinne des Gesichts eine so volkomne Ähnlichkeit, daß der leztere sowol überhaupt, als auch nach den verschiedenen Graden seiner Anwendung zur Erläuterung des ersten dienen kan. Z. B. wenn wir einen Gegenstand recht deutlich sehen wollen, so müssen wir dem Auge die nöthige Richtung geben, und als denn nimt unter der grossen Menge Bilder, welche sich zugleich hinten im Auge abmalen, der deutliche Gegenstand nur einen äusserst kleinen Raum ein. Eben so geht es dem Verstande. So lange der Verstand sich mit der Zergliederung eines Ob

 

[Manuskriptseite 103.]

iekts beschäftiget, so ist in iedem Augenblik nur ein einziger heller Punkt, nur ein einziger heller recht deutlicher Begrif von einem Theile des Obiekts in der Seele. Dies ist der Zustand des Nachdenkens; und die auf ein einziges Obiekt konzentrirte Aufmerksamkeit verdunkelt alle andern Vorstellungen, macht den Menschen zu einem abstrakten Wesen, das mit nichts in der Welt zusammenhängt, und ist die Ursache der sonderbaren Zerstreuungen, die man oft bei tiefsinnigen Betrachtern antrift. Ganz anders verhält es sich mit dem Zustande der Empfindung. (Durch Empfindungen versteht man nämlich dieienigen Vorstellungen, die angenehm oder unangenehm sind.) Man empfindet eigentlich nicht den Gegenstand, sondern sich selbst. Die Empfindung hat nur in dem Zustande verworrener Vorstellungen Plaz, und ihre Stärke ist allemal dem Grade der Verwirrung, die in den Vorstellungen herscht, gemäs. Bei der Empfindung wird die Seele blos ihrem eignen Zustand gewahr, deutlich gewahr, und bemerket kaum den Gegenstand, der diesen Zustand hervorbringt; da hingegen bei dem Nachdenken die Seele ihrer selbst kaum bewust ist, und sich blos an den Gegenstand hält, der ausser ihr zu sein scheint. Auch ist der Zustand des Empfindens allemal mit einem körperlichen Gefühl vergeselschaftet. Der Schmerz ziehet die Brust zusammen; das Vergnügen erweitert dieselbe; es gehen merkliche Veränderungen in dem K Kreislauf des Bluts und in den Nerven der Gedärme

 

[Manuskriptseite 104.]

vor; bei Gemüthsbewegungen theilt sich sich die Erschütterung der Nerven zuweilen dem ganzen System mit. Bei dem Nachdenken hingegen ist ein Körper nichts, das die Ideen von uns selbst in uns erwekken könte. Es giebt noch einen dritten Zustand, der sowol vom Nachdenken als vom Empfinden etwas an sich zu haben scheint, den Zustand der Betrachtung. Er rührt entweder daher, daß der Geist nicht aufgelegt ist, sich mit den Gegenständen, die sich ihm darstellen, genauer bekant zu machen, oder daher, daß diese Gegenstände selbst so beschaffen sind, daß sie sich nicht genauer untersuchen lassen. Unsre Ideen haben als denn nicht die Klarheit und Genauigkeit des Nachdenkens an sich, und unsere Empfindungen machen keine tiefe Eindrükke. In diesem Zustande der Mittelmässigkeit in Ansehung aller Wirkungen der Seele befinden wir uns am öftersten. ? Aus diesen verschiednen Zuständen der Denkkraft unserer Seele läst es sich erklären, wie es zugeht, daß z. B. Männer, die sich im tiefen Nachdenken geübt haben, sehr oft zu Geschäften ungeschikt, sind; daß es nicht die evidentesten Wahrheiten sein können, die den stärksten Einflus in unsere* Handlungen haben; daß, überhaupt so zu reden, die abstrakten Wissenschaften zur Verminderung der Empfindlichkeit des Herzens, hingegen die schönen zur Vermehrung derselben dienen; daß der Mensch nicht Herr über die ersten Bewegungen seiner Seele bei plözlichen Eindrükken ist, und alles, was er thun kan, darin bestehet, daß er die Wirkungen der Empfindung verhindert. ?" Seit. 66. 67. 68.

 

[Ia-05-1779-0274]
6) Von der Vernunft.

 

[Ia-05-1779-0275]
"Die erste Eigenschaft aller empfindenden Wesen ist die

 

[Manuskriptseite 105.]

Vorstellungskraft, ein Prinzipium von Thätigkeit, das uns bewegt, auf die durch die Sinne in uns erwekten Eindrükke zu merken. Sie entwikkelt sich nicht anders als nach ihrem Verhältnisse zu dem gegenwärtigen Zustande der Werkzeuge ihres Körpers. Es kan also ein Wesen mit der Vorstellungskraft, so wie sie im Menschen ist, begabt sein, ohne zur Vernunft zu gelangen, weil der Körper so organisirt sein kan, daß diese Kraft gar keine merkliche Wirkung hervorbringt. Die Vorstellungskraft kan nicht ohne ein inneres Gefühl wirken, und ihre ersten Äusserungen sind Ideen. Wir empfinden alsdenn, daß wir im gegenwärtigen Augenblik auf eine gewisse bestimte Art affizirt werden. Wenn die Art, wie wir affizirt werden, sich von einem Augenblik zum andern verändert, so folgen mehrere Ideen aufeinander. Um diese Veränderungen zu unterscheiden, wird die freie Anwendung der thätigen Kräfte erfordert, damit wir uns bei den einzelnen Eindrükken einen Augenblik verweilen. Wir können also von iedem Thier, dessen Organisation so beschaffen ist, daß sie in Verbindung mit seiner thätigen Kraft das innere Gefühl hervorbringt, sagen, daß dieses Thier nothwendig Ideen habe. ? Die materielle Beschaffenheit der Ideen ist die Art der Vorstellung in Absicht auf die Ursache, welche sie hervorbringt. Sie hängt einzig und allein von Organisationsart der verschiednen Sinne ab, welche die Natur dem Thier verliehen hat, weil uns unsere Sinne nicht die Ideen von den Körpern selbst, sondern nur von einigen auf die Sinne sich beh beziehenden Eigenschaften derselben gehören geben. ? Die formelle Beschaffenheit unserer Ideen hängt von der Volkommenheit iedes Organs ab. Volkommene

 

[Manuskriptseite 106.]

Organe führen uns auf den Weg der Vernunft; aber auf demselben wirklich fortzugehen, mus noch die Aufmerksamkeit hinzukommen. Sie entsteht entweder aus der vorzüglichen Stärke, womit uns gewisse Ideen rühren, oder aus ihrer Deutlichkeit. Im ersten Fal ist sie blos sinlich, sezt uns in eine Art von Staunen, und hindert das vernünftige Denken; im zweiten Fal ist sie der wahre Grund der Vernunft. Der Geist hat alsdenn Freiheit nach Belieben zu handeln, um einer Vorstellung den Vorzug vor andern zu geben, und sich bei derselben aufzuhalten, oder sie wieder fahren zu lassen, wie er es für gut findet. Dazu wird aber erfordert, theils ein Zustand klarer Ideen oder des volkommenen Wachens, da die Folge von Ideen durch stärkere oder und feste Bande zusammenhängt, und über die ganze Maasse der auf einmal gegenwärtigen Vorstellungen sich so viel Licht verbreitet, daß es leicht wird, die einzelnen Ideen mit einander zu vergleichen, und von einer zur andern nach den Gesezzen der Gleichförmigkeit überzugehen. Dieser Zustand wird bewirkt durch empfindliche sinliche Werkzeuge, die eine freie Gemeinschaft mit dem ganzen Nervensystem haben, und durch Ideen, die mit einer grossen Menge von Vorstellungen, die sie auf einmal erregen, zusammenhängen. Theils gehört zur vernünftigen Aufmerksamkeit eine hinlängliche Stille der Seelen, die weder durch starke Leidenschaften noch durch dunkele, im Verborgenen ohne unser Bewustsein wirkende Gemüthsbewegungen gestöhret, oder durch häufige Anfälle starker sinlicher Empfindungen, die aus gar zu empfindlichen Nerven entstehen, unterbrochen wird. Folglich ist für die Vernunft dieienige Organisation am vortheilhaftesten eingerichtet, nach welcher das Nervensystem so beschaffen ist, daß wir die gröste Mannigfaltigkeit von Eindrükken erhalten; welche ferner iedem Theile dieses

 

[Manuskriptseite 107.]

Systems den gehörigen und dergestalt gemässigten Grad der Empfindlicheit giebt, daß kein einziger Theil über die andern herscht; und welche endlich eine freie Gemeinschaft eines ieden Theils des Systems mit allen übrigen verstattet. Ausser der Aufmerksamkeit gründet sich die Vernunft auf die Einbildungskraft und das Gedächtnis, um aus dem gesamleten Vorrathe von Ideen dieienigen herzunehmen, die sie in Vergleichung sezzen und in Zusammenhang bringen kan; ferner die Sprache, ohne welche keine Abstraktion stat findet; endlich auf das Vermögen zu abstrahiren, und auf die Urtheilskraft, welche sich sowol mit einzelnen Begriffen als ganzen Säzzen beschäftigt, und deren Wirkung die Überzeugung ist. Bei allem ist es möglich, daß ein Mensch alle diese Vermögen, welche Ingredienzien der Vernunft sind, in einem vorzüglichen Grade besizzen kan, und sie dennoch nur sehr eingeschränkt ausübt. Der gröste Umfang der Vernunft beruht darauf: erstlich, daß man sich der einmal erkanten Wahrheiten mit Leichtigkeit wieder erinnert. Dies wird man um soviel besser thun, ie volkomner der Ausdruk ist, in dem man sie eingekleidet hat. Zweitens, daß man sie in eine, ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und ihrem Zusammenhange gemässe Ordnung sezt. Zu dem Ende mus man die gemeinschaftlichen Begriffe und Säzze in gewisse Klassen bringen, und sich Hauptbegriffe bilden, die zum Leitfaden dienen, *...* vermittelst dessen man die Ordnung und Folge der einzelnen Theile ohne Mühe entdekken kan. Zu einem systematischen Geist gehört also ein vorzüglicher Grad aller Erkentnisvermögen. ?" Seit. 68. 69. 70. 71. 72. 73.

 

[Ia-05-1779-0276]
7) Beweis, daß das Wesen der Seele von der Materie verschieden ist.

 

[Ia-05-1779-0277]
"Ein inneres Gefühl lehrt uns daß wir thätige Wesen sind. Unsere Thätigkeit ist von der Apperzeption unabhängig. Wenn unsere

 

[Manuskriptseite 108.]

Seele auch keine klare Vorstellungen hat, so ist sie deswegen doch nicht ganz unwirksam. Wenn die Seele sich irgend eine im Körper vorgegangene Veränderung vorstelt, so schränkt sie ihre Thätigkeit nicht blos auf die Wahrnehmung dieser Veränderung ein, sondern sie interessirt sich für die empfangenen Ideen, um sie entweder aufzufassen oder zu entfernen, folglich die Wirkungen der organischen Bewegungen zu verändern. Es mus also noch eine höhere von den Organen unabhängige Kraft in uns sein. Eine Bewegkraft kan sie nicht sein, denn sonst müste sie die Bewegungen selbst, die durch den Eindruk in unserm Gehirn entstanden sind, mehr oder weniger verändern. Das kan sie aber nicht, sondern sie beschäftigt sich blos mit den Wirkungen dieser Eindrükke, und bestrebt sich, die empfangenen Ideen durch neue Verhältnisse einzuschränken. Die Seele ist also selbstthätig, und bewegt sich die Materie hingegen ganz leidend, und bewegt sich nicht anders, als nach Maasgabe einer fremden in sie wirkenden Kraft. Auch wenn die Materie organisirt ist, kan die Organisation zwar die Bewegung der Maschine regelmässig bestimmen, aber niemals die Gesezze der Bewegung ändern. ?" Seit. 78. 79.

 

[Ia-05-1779-0278]
8) Das Iudenvolk brauchte den Glauben an ein anderes Leben, nicht, um from zu sein.

 

[Ia-05-1779-0279]
"Gott regierte das Israelitsche Volk theokratisch; er war der Monarch desselben, und als ein zeitlicher Monarch belohnte und bestrafte er zeitlich. Da seine Providenz sich überal sichtbarlich zeigte, so war die Lehre von dem Leben nach dem Tode nicht nöthig, um das Volk in dem Gott schuldigen Gehorsam zu erhalten. Das konte ohne dieselbe geschehen; und diese zeitlichen Strafen und Be

 

[Manuskriptseite 109.]

lohnungen waren auch der Grund des Gehorsams der Iuden gegen die Verordnungen des Zeremonialgesezzes, und gegen die Befehle Mosis, als er sie aus Egypten ins gelobte Land führte. ? Die Iuden glaubten diese Lehre nicht als einen Grundsaz der Religion, sondern als eine Privatmeinung; aus eben den Gründen, aus denen es die heidnischen Völker annahmen. ?" Seit. 249. 250.

 

[Ia-05-1779-0280]
9) Ursache: "warum alle Völker eine Unsterblichkeit der Seele glauben".

 

[Ia-05-1779-0281]
"Da alle Dinge, die auf die Sinne wirken, Vorstellungen in uns hervorbringen, ia für uns eigentlich nichts als Vorstellungen sind, so ist der Mensch gleich gewohnt, alle seine Vorstellungen, von dergleichen Dinge für reelle Dinge zu halten, wenn sie auch nur Werke seiner bewegten Einbildungskraft sind. Ie mehr der Mensch roh und unwissend ist, ie mehr denkt er so, denn er lernt erst durch die Erfahrung die Dinge, die nicht existiren, oder die aufgehört haben zu existiren, von denen wirklich existirenden, in seiner Vorstellung zu unterscheiden. Ein Mensch, den er gekant hat, der aber tod ist, existirt also noch für den rohen Menschen, weil er dessen Bild im Gedächtnis hat. Kömt ihm das Bild vollends im Schlafe, oder wachend, durch starke Imagination so vor, als wenn ers wirklich empfände, wo kan er, der noch keine empirische Philosophie studirt hat, sich anders vorstellen, als der ihm Erschienene existire noch, und habe die Empfindung auf ihn verursacht. ?" Seit. 250. 251.

 

[Ia-05-1779-0282]
10) Von der verschiednen natürlichen Wärme der Menschen und der Thiere.

 

[Ia-05-1779-0283]
"Hr. Braun fand, daß das Delislische Thermometer 95° und 96 Grad

 

[Manuskriptseite 110.]

anzeigte, wenn er es in den Mund der Menschen stekte, welches nach der Fahrenheitischen Gradleiter 98 und 97 1/5 Grad betrug. Die Wärme des Urins ist fast gleicher Grösse, doch aber bisweilen 1 auch 1 1/2 Grad stärker; und bezeichnet zugleich die Wärme der Eingeweide. Erwachsene und Kinder zeigten hier fast einerlei Grade; und eben so bemerkte man bei dem verschiednen Geschlechte keine merkliche Abweichung. Die Wärme des Bluts von einem Kalbe war nach diesem Masse auf 90 Grad, welche 104 Fahrenh. betragen. Eben so stark war sie bei einem Ferkel; bei einem Ziklein 92 oder 101 1/2 Fahrenheit und hiemit kam die Wärme von einem Lamme und Schafe überein. Bei einer Kazze zeigte der Thermometer zwischen den Schenkeln 92 Grade, bei Hunden 93 oder 100 1/2 Fahrenheit Hieraus erhellet, daß die Wärme der Menschen geringer als bei vierfüssigen Thieren sei; hingegen werden diese wieder von den Vögeln übertroffen. Denn bei einer Gans fand der V. im Blut und Bauche die Wärme von 87 Graden oder 107 3/5 Fahrenh. und ein Gleiches zeigten Hüner, Hähne, Enten, Kalikuten, indianische Hüner und Tauben. Allein ie kleiner der Vogel ist, um desto grosser ist seine Wärme. Bei Rothkehlchen stand das Thermometer auf 95 oder 111 1/3 Grad; unter den Flügeln war die Wärme aber allezeit um 2 Grad geringer, als im Blute. Fische hatten nur den Grad der Wärme des umgebenden Wassers und eben so auch die Frösche. ?" Seit. 323. 324.

 

[Ia-05-1779-0284]
11) Einige Zweifel in Ansehung der Schriften Paullus.

 

[Ia-05-1779-0285]
"Es scheint oft, daß Paullus mehr aus Iüdischen Begriffen,

 

[Manuskriptseite 111.]

als aus richtiger Philosophie seine Schlüsse hernimt, daß er allegorisirt, wo er beweisen solte, daß die Citationen aus dem A. T., die er so häufig braucht, nicht passen, und daß seine Gründe, z. E. aus dem Wort Saamen, aus der doppelten Bedeutung das Wort ??????? (fals er den Brief an die Ebräer wirklich geschrieben hat,) mehr spizfündig, als bündig sind. Da, wo er von der Verwerfung des erwählten Volks Gottes spricht, hat es das Ansehen, als ob er sich Bedenklichkeiten macht, wo keine sind, indem es sich leichter begreiffen läst, warum Gott dies Volk verworfen, als warum er es erwählt hat. ?" Seit. 517.

 

[Ia-05-1779-0286]
XII.

 

[Ia-05-1779-0287]
Der deutsche Merkur vom Jahr 1778. Drittes Vierteliahr. Weimar.

 

[Ia-05-1779-0288]
1) Von den Samenthiergen.

 

[Ia-05-1779-0289]
"Die Samenthiergen erscheinen unter einem guten Glas als halbdunkle, eirunde, mit langen Schwänzen versehene Körpergen, die 200000 mal kleiner als ein Hirskorn sind. So lang der Same noch nicht mit warmem Wasser verdünnet ist, so ist ihr Schwimmen langsam, und indem sie in dem dikken Samen mit ihren Schwänzen kleben bleiben, so rükken sie nicht vorwärts, sondern bewegen sich nur hin und her, um sich loszumachen. Sobald aber der Same verdünt ist worden, fahren sie schnel in einer Schlangenlinie nach allen Gegenden herum, iust so frei, wie die auch dem Laich hervorkommenden Froschgeburten; nur daß ihre Schwänze im Verhältnis

 

[Manuskriptseite 112.]

mit dem Körper viel dünner sind. Diese geschwänzte Thiergen finden sich in dem mänlichen Samen aller warm= und kaltblütigen Thiere, und unterscheiden sich nur durch die Grösse, kleine Veränderung des Körpers, längern oder kürzern Schwanzes, langsamern oder geschwindern Bewegung. Der V. (von Gleichen) entdekte auch in dem Samen Kristallen von verschiednen Formen, welche, das, was das sonderbarste ist, nicht zu Ende der Verdünnung aller Feuchtigkeit, sondern in dem Flüssigen selbsten entstehen. Ist der Same endlich in eine dünne Feuchtigkeit ganz aufgelöset, so kommen auch solche Thiergen zum Vorschein, dergleichen die Infussionsthiergen sind, welche aber mit den eigentlichen Samenthiergen in gar keiner Verbindung stehen. ? Die Samenthiergen sind der einzige Urstof der Befruchtung, oder das Thier, welches in das Ei des Weibgen übergeht, darinnen sich weiter entwikkelt, und das wird, was das Weibgen zu bestimter Zeit gebiert: wo diese Thiergen in dem mänlichen Samen fehlen, da, befindet sich auch allezeit eine Unfruchtbarkeit. So leugnet also der V. gegen Haller und Bonnet die Präexistenz des Thiers im Ei. Er beweiset seinen Saz durch die Beobachtungen, sowol im Thier= als Pflanzenreich, denn in beiden Reichen geht alles nach einem Plan. Wenn Haller und Bonnet schliessen: weil das Gelbe vom Ei ohne Befruchtung in dem Leibe des Huhns sei: so folge, daß der Keim vor der Befruchtung existiere; denn die Haut, welche das Gelbe im Ei bekleide, seie nichts anders, als eine Fortsezzung derienigen Haut, welche die dünnern Gedärme des Küchleins bedekke, und zugleich mit dem Magen, Mund, Haut und den Oberhäutgen Gemeinschaft habe, und ein organisches Ganze ausmache: so sezt Herr v. G. dagegen: die in dem Dotter zertheilten zuführende Gefässe, die Puls= und Blutadern könne man

 

[Manuskriptseite 113.]

nicht eher sehen, als nach einer etlichstündigen Brütung desselben; daraus müsse folgen, daß sie ihren Grund in den Bewegungen und Würkungen eines eingedrungenen Samenthiergens haben. Er zeigt dieses noch näher durch Beschreibung des Eis, an welchem er das Auge als die erste Anlage des Eies im Eierstok und die Befruchtung desselben vor der Entstehung des Gelben erklärt. Dieses Auge ist vor der Befruchtung zusammengedrukt und klein, aber nach der Befruchtung wird es nicht allein grösser, ausgedehnt, sondern bekomt auch einen weissen Ring. Das nämliche bemerkt man in dem Pflanzenreich: so lange keine Befruchtung vorgegangen ist, so ist kein Samenkeim da, sondern nur, wie z. E. in der Bohne, das den Keim erwartende Gewölbe, welches nur mit einem hellen flüchtigen Saft erfült ist. Könte nach diesen Erscheinungen wol ein natürlicher Schlus gemacht werden, als dieser: der Keim des Thiers sowol als der Pflanze präexistirt nicht in dem weiblichen Ei: wenigstens sprechen alle Observationen mehr für diese, als die entgegengesezte Meinung. ?" Seit. 182. 183. 184.

 

[Ia-05-1779-0290]
2)

 

[Ia-05-1779-0291]
"Eiakulationen eines Verliebten."
"Lob und Preis dem Liebesruf,
der die schöne Welt erschuf,
dem hervor die Sonne gieng,
welchem an zu leuchten fieng
Mond und Stern am Himmel blau;
der im Regen und im Thau
mählich auf die Blumen schlos,
und ins Land die Bäche gos!
Lob und Preis dem Liebesruf
der die schöne Welt erschuf!

 

[Manuskriptseite 114.]


Aber ohne Freude wär
uns des Himmels goldnes Heer;
was im grünen Felde steht,
und vom Ufer rauscht und weht;
alles, alles ohne Lust;
hätte nicht des Mädchens Brust
Liebesathem ausgesandt
über Meer und über Land!
Wie die Rose voller wird,
stil im Gras ein Lüftchen irt,
sich die Well' am Ufer bricht,
sähen wir, und fühlten's nicht,
und verstunden nicht darin
den geheimen Liebessin,
und erkenten nicht den Ruf,
der die schöne Welt erschuf.
Nur ein Jüngling wird's verstehn,
wenn er über sich gesehn
in den hellen, reinen Tag,
von dem Busen, wo er lag.
Wenn's gelind ihn trägt und hebt,
süsser Hauch ihn überschwebt,
ihn erwärmt, in ihm es glüht,
aller Schmuk der Felder blüht,
wo sein Ruhepläzchen ist;
alles, alles er vergist;
und vom Taumel nun erwacht;
in die neue Schöpfung lacht:
dann versteht sein Herz darin
den geheimen Liebessin.
Lob und Preis dem holden Ruf,
der des Mädchens Busen sucht schuf !

 

[Manuskriptseite 115.]

Liebchen, ist dir's eben so,
wenn in Flammen lichterloh,
dir mein Herz entgegeneilt,
glühend dir am Busen weilt,
Eins das Andre
fest umwindet,
und der helle Tag verschwindet?
O dich selber seh ich kaum,
fühl in meinem süssen Traum
nur ein Küssen, nur ein Drükken ?
weg von Hinnen wil's mich rükken ?
O wie seelig! O wie froh!
Liebchen, ist dir's eben so? ?
Als sich Stäubchen sich zu Stäubchen drängten
die Samenkörnchen sich zu Samenkörnchen mengten,
da bebten alle sie vor seligem Genus!
so wurde Luft und Herz und Meer und Berg und Thal und Flus:
die ganze Schöpfung war ? ein grosser Liebeskus. ? ?"

Seit. 199. 200. 201.

 

[Ia-05-1779-0292]
3)

 

[Ia-05-1779-0293]
Jakobi's Klagen bei dem Grabe eines ? Rousseaus.
"Armer! Bin ich werth um dich zu weinen,
hier im fernen deutschen Vaterland;
o so las mich! ? Armer! von den Deinen,
als du Wahrheit suchtest, fortgebant!
Ausgehönt vom stolzen Atheisten,
weil du Glauben trugst in deiner Brust,
und verfolgt vom Priester unter Christen,
gleich als wär Verfolgen Engels=Lust!
Ach! gehöhnt, weil dir ein Leben ohne Reue
für dein Elend künftgen Trost verhies,

 

[Manuskriptseite 116.]

ach! verfolgt, weil ohne Lieb' und Treue
man umsonst dir seinen Glauben pries!
Kontest nicht den bittern Lohn verschmerzen
von dem Volke, dem du wolgethan;
giengst hinweg mit deinem Bruder=Herzen,
giengst allein auf deiner Dornen=Bahn.
Armer, guter! schlafe iezt in Frieden,
wo kein Priester dich, kein Gottesläugner drängt:
Guter, Edler! Bist dahin geschieden,
wo die Einfalt ihre Kro' empfängt,
wo dem Märtyrer aus allen Himmelslichtern
sein errungner Glanz entgegenscheint,
Lieb' und Ruh in allen Angesichtern
um den Verstosnen sich vereint. ?
Unter iene Bäume wil ich wallen,
wo, von Menschen weit, dein Lager sanfter ist:
O, da werden blut'ge Thränen fallen,
ums Jahrhundert, wenn es dich vergist! ? ?"

Seit. 217. 218.

 

[Ia-05-1779-0294]
XIII.

 

[Ia-05-1779-0295]
Der deutsche Merkur vom Iahr 1778. Viertes Vierteliahr. Weimar.

 

[Ia-05-1779-0296]
1) Der Mensch - als Kind betrachtet.

 

[Ia-05-1779-0297]
"Hundertmal, wenn ich die unaussprechliche Liebenswürdigkeit der menschlichen Natur im zweiten und dritten Iahre der Kindheit ? diese so unläugbar angenehme und reizvolle Komposition von Unwissenheit und Neugierde, Sorglosigkeit und Aufmerksam

 

[Manuskriptseite 117.]

keit, Liebe und Selbstheit, traulicher Gutherzigkeit und äusserster Zornfähigkeit, Nachgiebigkeit und Eigensin, Schlauheit und Einfalt; diese ofne Unbefangenheit der Seele; dieses Aufdämmern der Vernunft aus dem dunkeln Gewir des Gefühls; diese zarte Beweglichkeit aller Sinne; diese lautere Reinheit iedes Naturtriebs, diese Wahrheit und Innigkeit aller Begierden, Zuneigungen und Bewegungen des Herzens, in Lust und Schmerz, Freude und Betrübnis, Liebe und Has; diese glükliche Disposition, alles Übels, sogleich wie es nicht mehr gegenwärtig gefühlt wird, aller Beleidungen im Moment, wie sie aufhören wieder zu vergessen; diese reine Stimmung aller Saiten des Gefühls zu Allem in der Natur, was Beziehung auf sie hat; diese beständige Aufgelegtheit sich zu freuen, zu geniessen, dieses ewige Leben im Augenblik, diese gänzliche Verschlossenheit für die Zukunft; dies nichts Böses wollen, nichts Böses ahnen ? wenn ich, sag' ich, das alles, in der so unbeschreiblich feinen und lieblichen Mischung, wie es in den ersten Iahren des kindischen Leben sich äussert, sehe, es zu einer Zeit sah, da ? noch von keinem O=Thahiti die Rede war ? wie oft dacht ich dann: was für Geschöpfe wären wir, wenn wir zur Blüte und Kraft des Iünglingsalters heranwüchsen, und die Volkommenheiten unserer Natur erreichen könten, ohne von allem, was die Kindheit so liebenswürdig, so glüklich macht, mehr zu verlieren, als, vermöge der absoluten Nothwendigkeit der Sache verloren gehen mus, wenn Dämmerung zum Morgen, und Knospe zur Blume wird. ? Seit. 144. 145.

 

[Manuskriptseite 118.]

[Ia-05-1779-0298]
XIV.

 

[Ia-05-1779-0299]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des neunzehnten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1773.

 

[Ia-05-1779-0300]
1) Von der Stelle 1 Joh. 5, 20, die fälschlich die Gottheit Christi beweisen sol.

 

[Ia-05-1779-0301]
"Man sehe diese Stelle recht an, sie handelt gewis vom Vater, denn das: dieser ist pp. hindert daran nicht. Solte das ????? nothwendig auf den zulezt erwähnten Sohn Gottes gehen, so müste nach 2 Joh. 7., wo eben diese Wortfügung vorkomt, Iesus Christus auch der Verführer und Ant der Widerchrist sein. Der ganze Kontext giebt es auch, daß der Vater gemeint sei. ?" Seit. 84.

 

[Ia-05-1779-0302]
2) Von andern Schriftstellen, die von der Gottheit Christi reden sollen.

 

[Ia-05-1779-0303]
"Wenn Gott nach Phil. 2, 9. 10. seinen Sohn zu der höchsten Würde der Geister erhoben hat, daß ihn alle Zungen für ihren Hern und zwar zur Ehre Gottes des Vaters, bestimmen sollen, so wird in den theol. Kompendien daraus geschlossen: Christus sei im eigentlichen Verstande wahrer Gott, weil einem Geschöpf die Ehre der Anbetung nicht gebühren könne. Aber ist denn "Christum zum Preise Gottes für den Hern bekennen", wozu er ihn verordnet hat, und ihn als den höchsten wahren Gott anbeten, wirklich einerlei? Man legt auf das Wort anbeten ??????????, ?????, ein so gros Gewicht, und es heist doch soviel als verehren, hochschäzzen, und wird im N. T. sowol als in den LXX nicht blos von der Verehrung des höchsten Wesens, sondern auch der Menschen gebraucht. ?

 

[Ia-05-1779-0304]
Die Stelle Aktor. 20, 28. kan nichts für die Gottheit Christi beweisen; denn die Lesarten der verschiednen Handschriften, Übersezzungen und Kirchenväter, wenn sie selbige

 

[Manuskriptseite 119.]

anführen, gehen von einander ab; einige derselben lesen ????, andere ???? ??? ??????, noch andere ??????, und wieder andere ???????. Wie sehr gewöhnlich ist nicht in den alten griechischen Handschriften die Verwechselung der dreien Wörter ????, ??????, und ???????! Weil sie auf eine abgekürzte Art ??, ??, ?? geschrieben wurde, so konten die Abschreiber leicht eines für's andere gesezt haben. ?

 

[Ia-05-1779-0305]
Eine alte, ganz gewöhnliche, aber seltsame Distinktion zwischen Christo und Christo, (wenn man nämlich bei dieser oder iener Stelle sagt, dies ist von der menschlichen Natur allein, dies ist von beiden Naturen Christi zu verstehen) vielleicht die einzige in ihrer Art, welche die Ausleger der Bibel ausgehekt, ihre Verfasser aber nimmermehr in ihrem Gedenken gemacht haben! ? Wenn Iesus von seiner eignen Person, oder die Apostel davon sprechen, so sprechen sie von seiner ganzen Person, die doch eine einzelne Substanz, ein Individuum ist, und sich nicht in zwei Substanzen theilen läst. Folglich mus alles, was Iesus von sich gesagt hat, auch von seiner ganzen Person gelten. Die Ausleger seiner Worte, die ihn anders verstehen und seine Reden dem Volk nach ihrer ihrer Ausdeutung erklären, kommen mir recht so vor, als ob sie sagten: Hört einmal, lieben Leute! der Herr Iesus hat sehr unbestimt, zweideutig und dunkel von seiner Person gesprochen. Wir müssen es auch besser und deutlicher sagen, als er selbst, wie er's gemeint hat. Seht, billig hätte er sagen sollen: dies spreche ich von mir, als von einem Gott, ienes sprech' ich von mir, als einem Menschen. Er hat es nur hinzuzusezzen vergessen. Lernt es also von uns, denn wir wissen es gewis. Alle Kirchenlehrer haben es so verstanden.

 

[Manuskriptseite 120.]

Wir müssen es auch so verstehen, sonst könten wir nicht beweisen, daß er wahrer Gott und Mensch, merkt wol in hypostatischer Union, zugleich wäre. ? ?" Seit. 105. 106. 107.

 

[Ia-05-1779-0306]
3) Von der Stelle Ebr. 1, 3.

 

[Ia-05-1779-0307]
"In dieser Stelle wird Iesus deswegen das Ebenbild Gottes genent, weil er mit allem götlichen Ansehn auf der Welt erschien. (Phil. 2, 6) ? Wir wollen diese Stelle näher betrachten ? Luther übersezt:

 

[Ia-05-1779-0308]
"Welcher ist der Glanz pp."

 

[Ia-05-1779-0309]
Bei der ersten Hälfte weis ich eben nichts zu erinnern, als daß vielleicht noch genauer für Glanz, Abglanz, (Wiederschein) und für Herlichkeit Maiestät gesagt werden könte. ? Das meiste komt hier auf die Erklärung an. Aber in der zweiten Hälfte vermisse ich Richtigkeit der Übersezzung, denn es solte heissen:

 

[Ia-05-1779-0310]
"Und der Abdruk (die Gestalt) seiner (Macht) mächtigen Stärke.".

 

[Ia-05-1779-0311]
Ich nehme über mich, es darzuthun, daß beide Hälften durchaus gleichgeltende Beschreibungen eben derselben Sache enthalten. Das Wort, welches L. Wesen übersezt, bedeutet ohnedies das Bestehen eines Dinges; wird überhaupt von dem gebraucht, was dicht, fest und gründlich ist, und es ist überdies schwer zu glauben, daß Paullus ? der in diesem Brief lediglich zeigen wolte, daß in Iesu alles der Wahrheit nach vereinigt sei, was die Iuden ehemals in Sinbildern grosses und feierliches gesehen und gehört hatten, ein solches Schreiben mit einer aus den Eingeweiden der Metaphysik hergenommenen Einleitung solte anfangen

 

[Manuskriptseite 121.]

solte. Um so viel wahrscheinlicher wird es also auch, daß der Apostel hier gleichfals ein Sinbild der götlichen Macht und Grösse aus der Israelitschen Welt in Gedanken gehabt. Und diese Vermuthung erhebt sich zum möglichsten Grad exegetischer Gewisheit, wenn sich findet, daß (wie bekant) die Wolken und Feuersäule die Herlichkeit Gottes genant werde ? und nach einem ferneren Sprachgebrauch der griechischen Iuden mit demselben Wort, welches L. Wesen, ich Macht übersezze. Ein entfernter Beweis hiervon könte schon sein, daß das hebräische Zeitwort, von welchem das Nenwort in der Bedeutung, Säule, abgeleitet ist, mit demselben griechischen Zeitwort von den Übersezzern des A. T. gegeben wird, von welchem das griechische Nenwort in dieser Stelle herkomt; ein näherer dieser, daß die gedachten Übersezzer für ein anderes Wort, welches gleichfals eine Säule oder Statue bedeutet, dasselbe Nenwort, von dem die Rede ist, in der Übersezzung Ezech. 26, 11. brauchen. Aber der allertreffendste ist wol der, daß der V. der Übersezzer des B. d. Weisheit 16, 21. gerade dieses Wort von der Wolken= und Feuersäule in Beziehung auf 2 B. Mos. 16, 7. 10. braucht. Luther übersezt auch hier nicht richtig: denn so man auf dich harret pp. für: deine (Hypostase) Wolkensäule machte deinen Kindern deine Süssigkeit offenbar. Stehts zu läugnen, daß iene Säule, als etwas festes und dichtes, die Hypostase Gottes genant werden konte? der Weise mit diesem einzigen Wort, das Mosaische, die Herlichkeit Gottes in den Wolken, ausdrükken wolte? folglich Gestalt der Hypostase Gottes

 

[Manuskriptseite 122.]

hier beim Apostel der Sprache nach gerade soviel ist, als 8 B. Mos. 24, 17. das Ansehn der Herlichkeit Gottes? (hier ???????? dort ?????; hier ??? ?????????? ????, dort ??? ????? ????) und es endlich das natürlichste sei, den Sprachgebrauch eines Apostels aus dem Iudenthum (und zwar in einem solchen an Iuden gerichteten Schreiben) mit dem Sprachgebrauch eines iüdischen Gelehrten zu vergleichen? Und wie genau past dies in den ganzen übrigen Theil der Rede ein! Welche würdige und die ganze Absicht des Briefs feierlich ankündigende Vorstellung! ? Gott, fängt er an, hat ehemals auf mancherlei Weise durch die Propheten geredet; aber nun redet er durch seinen Sohn und nur auf einerlei Weise; ihn hat er gemacht zum Hern über alles ? denn nachdem er gleich iener Wolken= und Feuersäule das sichtbare Zeichen des grossen und maiestätischen Gottes auf der Welt gewesen, und in götlicher Gestalt unter uns erschienen ? so hat er sich gesezt ? Ich vermuthe auch beinahe, daß Iohannes gleiche Rüksicht genommen, wenn er sagt, wir sahen seine Herlichkeit. ? ?" Seit. 184, 185, 186.

 

[Ia-05-1779-0312]
4) Von der Stelle Koloss. 2, 9.

 

[Ia-05-1779-0313]
"Das ??????? ???????? bedeutet nichts anders, als die aus den Iuden und Heiden gesammelte christliche Gemeine, kurz die Kirche. "Die Fülle der Gottheit wohnt in Christo" ? heist, er ist das Haupt der Gemeinde, er hat sie unter sich vereinigt, Gott hat sie durch

 

[Manuskriptseite 123.]

ihn zu samlen beschlossen. (Ephes. 2, 16) ? Daß dies so heisse, beweisen die Parallelstellen Kol. 1, 18. 19. Eph. 3, 19. Man könte also den 8. 9. 10. Vers des 2 Kap.Koloss. also übersezzen:

 

[Ia-05-1779-0314]
"Trennet euch also nicht durch Lehren, die dem Christenthum nicht gemäs sind; denn das würde ia ganz der Absicht desselben zuwider sein, da eben unter der Herschaft Iesu die ganze von Gott ausersehene Menge der Iuden und Heiden als Eine Gemeine stehen, alle von seinen Vorschriften abhangen solten, und ihr eben deswegen auch dazu durch sein Evangelium seid versammelt worden."

 

[Ia-05-1779-0315]
Es ist sichtbar, daß auf diese Weise V. 8. und V. 10. auch viel natürlicher zusammenhängen, als nach der gewöhnlichen Erklärung, welche den Apostel einen ganz zufälligen Gedanken über die metaphysische Natur Christi, in die Rede einschieben läst. ?" Seit. 188. 189.

 

[Ia-05-1779-0316]
5) Was das Wort "?????????" im N. T. bedeutet.

 

[Ia-05-1779-0317]
"Ein Geheimnis wird überhaupt iede Begebenheit, Handlung, Lehre, Erzählung genant, die entweder an sich nicht algemein bekant ist, oder nur nach ihren Ursachen, Zusammenhang, Folgen verborgen. Beispiele von diesen Bedeutungen sind folgende: Röm. 11, 25. 1 Kor. 15, 51 sind die in beiden Stellen bekantgemachten noch zukünftigen Begebenheiten, die also bis dahin für die römischen und korinthischen Christen eine ungeglaubte Sache waren.

 

[Ia-05-1779-0318]
Geheimnis der Bosheit 2 Thess. 2, 7. (nach dem Grundtext)

 

[Manuskriptseite 124.]

ist eben das, was wir die unbegreiflichste Bosheit nennen.

 

[Ia-05-1779-0319]
Geheimnis des Himmelreichs, des Glaubens, Gottes: Matth. 13, 11. Mark. 4, 11. 1 Kor. 4, 1. 1 Tim. 3, 9. Die Lehren des Evangeliums, die bis dahin den Iuden und Heiden unbekant gewesen waren, nun aber von ihnen erkant und angenommen werden solten, nach der eignen Auslegung Iesu Matth. 11, 25. Kap. 16. 17. In diesem Verstande war also die ganze christliche Religion von ihrer Bekantmachung ein Geheimnis, und nach demselben heist im Br. an die Korinther ein Haushalter über Gottesgeheimnisse, eben soviel, als ein Religionslehrer sein. ?" Seit. 196.

 

[Ia-05-1779-0320]
6) Vom Elias.

 

[Ia-05-1779-0321]
"Elias ist wol nicht der Erde lebendig entzogen worden, sondern von einem Wetterstral getroffen und getödtet worden. ? Was steht doch Ebr. 9, 27. 1 Kor. 15, 21. 22. u. a. O? ?, Seit. 213.

 

[Ia-05-1779-0322]
XV.

 

[Ia-05-1779-0323]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des neunzehnten Bandes zweites Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1773.

 

[Ia-05-1779-0324]
1) Die Sprache der Menschen! ?

 

[Ia-05-1779-0325]
"Der Mensch hat den ausgedehntesten Kreis, er hat Sinne und Vorstellungskräfte für die ganze Welt; folglich eine getheilte, zerstreuete, schwächere Sinlichkeit und Freiheit in den Vorstellungen; folglich weder die Stärke noch die Sicherheit des Instinkts, weder Kunsttriebe noch Fähigkeiten, noch eigentliche Thiersprache, oder dies lebendige Einverständnis einer

 

[Manuskriptseite 125.]

Thiergattung untereinander über ihre Bestimmung im Kreise ihre Würkung ? die Schadloshaltung für allen diesen Abgang ist der eigenthümliche Karakter seines Geschlechts, den der V. (Herder) sehr gut durch Besonnenheit ausdrükt Wie sich diese Besonnenheit des Menschen des Menschen äussert, sol wollen wir mit des V. eignen Worten ausdrükken: Lasset ienes Lam als Bild sein Auge vorbeigehen: ihm wie keinem andern Thiere. Nicht wie dem hungrigen, witternden Wolfe! nicht wie dem Blutlekkenden Löwen ? die wittern und schmekken schon im Geist! Die Sinlichkeit hat sie überwältiget! Der Instinkt wirft sie darüber her! ? Nicht wie dem brünstigen Schaafman, der es nur als den Gegenstand seines Genusses fühlt, den also wieder die Sinlichkeit überwältigt, und der Instinkt darüber herwirft; nicht wie iedem andern Thier, dem das Schaaf gleichgültig ist, das es also klar vorbeistreichen läst, weil ihn sein Instinkt auf etwas anders wendet ? Nicht so dem Menschen! sobald er in die Bedürfnis kömt, das Schaaf kennen zu lernen: so störet ihn kein Instinkt: so reist ihn kein Sin auf dasselbe zu nahe hin, oder davon ab: es stehet da, ganz wie es sich seinen Sinnen äussert. Weis, sanft, wollicht ? seine besonnen sich übende Seele sucht ein Merkmal ? das Schaf blökket! sie hat Merkmal gefunden, der innere Sin wirket. Dies Blökken, das ihr am stärksten Eindruk macht, das sich von allen andern Eigenschaften der Beschauens und Betastens losris, hervorsprach, am tiefsten eindrang, bleibt ihr. Das Schaaf komt wieder. Weis, sanft, wollicht ? sie sieht, tastet, besinnet sich, sucht Merkmal ? es blökt, und nun erkennet sie's wieder! Ha! bist du bist das blökkende! ? fühlt sie innerlich, sie

 

[Manuskriptseite 126.]

hat es menschlich erkant, da sie's deutlich, das ist, mit einem Merkmal erkennet und nennet. ? So weit Hr. Herder. Dies erste Merkmal der Besinnung war Wort der Seele, mit ihm ist die menschliche Sprache erfunden. Auch der Zeit Lebens Stumme, war er Mensch, besan er sich, so lag Sprache in seiner Seele. Wie richtig auf diese Weise der Ursprung der Sprache angegeben sei, kan man durch fernere Bemerkungen über Taube und Stumme bestätigen. können Ein ieder, der mit solchen Menschen einigen Umgang gehabt, mus bemerkt haben, wie sehr sich ihre Seele bestrebt, Unterscheidungsmerkmale zu erhaschen, wie sie durch ihre oft so sinreiche Zeichen und Geberden Sprache beweisen, daß sie sich Merkmale zu abstrahiren und daran zu unterscheiden wissen, und wie bei ihren Bemühungen, diese Merkmale andern verständlich und vermittelst derselben die Obiekte kentlich zu machen, ihre Kehle und Luftröhre arbeitet, als wenn sie es fühlten, daß sie diese billig zu Hülfe nehmen müsten. Ist dies die Wirkung einer natürlichen Verbindung eines geheimen Einverständnisses zwischen ihrem arbeitenden Verstande und den Werkzeugen der Sprache, oder ist es Nachahmung der Sprechenden, insoferne sie, die blos die Bewegung der Zunge und der Gurgel sehen, Sprechende nachahmen können? Die Sache selbst, daß bei Tauben und Stummen die Sprachwerkzeuge in Bewegung sind, hat ihre Richtigkeit, wie man sie auch erklären mag. ? ?" Seit. 446. 447. 448.

 

[Manuskriptseite 127.]

[Ia-05-1779-0326]
XVI.

 

[Ia-05-1779-0327]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Sechster Band. Lemgo, in der Meierschen Buchhandlung. 1774.

 

[Ia-05-1779-0328]
1) Von der Inspiration der Apostel.

 

[Ia-05-1779-0329]
"Scheint es nicht, daß die Apostel sich und ihren Aussprüchen nicht das Ansehen der Orakel beilegen, das wir ihnen iezt zuschreiben, und daß man zu ihren Zeiten nicht daran dachte, es ihnen beizulegen? ? Wenn das wäre, warum räsonniren sie in ihren Schriften; da ein: Gott redet, alles Räsonniren unnöthig macht? Warum treten sie zur gemeinschaftlichen Entscheidung, zur Berathschlagung zusammen? Wie geht es zu, daß Lehrer, die von ihnen abweichen, Eingang unter den Christen fanden, da sie doch sogleich autoritate divina allen Streit schlichten konten, durch einen Ausspruch, gegen welchen keine Widerrede stat fand. ?" Seit. 134.

 

[Ia-05-1779-0330]
2) Der Karakter der Morgenländer.

 

[Ia-05-1779-0331]
"Eine von den seltsamsten Wirkungen der heissen Luft auf die Menschen, ist, daß sie im Morgenlande weniger schlaffen als unter den gemässigten, und noch weit weniger als unter den nördlichern Himmelsstrichen. Börhave hat bemerkt, daß der Schlaf bei den Thieren abnimt, die ein heisses Geblüt und einen schwachen Magen haben. Kurzer Schlaf und Schwäche des Magens finden sich bei den mittäglichen Völkern, und sie können also wol nicht

 

[Manuskriptseite 128.]

anders als ein hizziges Geblüt haben. Daher ist auch der Enthusiasmus unserer Dichter bei ihnen eine heftige Entzükkung. Die übertriebensten Ausdrükke sind ihnen nicht stark genug, das, was sie zu sehen und zu empfinden sich einbilden, auszudrükken. Dies ist die Quelle des Schwulstes ihrer Beredsamkeit; und daher entspringen denn auch die Hirnbilder und Ungeheure, die immer unter dem Pinsel und dem Meisel der südländischen Künstler hervorkommen. Dies verursacht eine Unstätigkeit, die sie verhindert, den Fleis und die Aufmerksamkeit der Seele anzuwenden, die dazu gehören, richtig zeichnen zu lernen und schön zusammengesezte und vollendete Werke hervorzubringen. Könten sie aber auch ihre unruhige Einbildungskraft dämpfen, so würden sie es doch nicht weit in der Malerei bringen. Die Luft bringt dort eine Schwachheit des Sehnerven hervor, daher auch die Blindheit ein weit gewöhnlichers Gebrechen als bei uns ist. Diese Schwachheit macht, daß ihnen nichts als höchst lebhafte Farben gefallen. Was uns unerträglich buntschäkkig und abstechend scheint, reizt die Augen der Südländer, und gefält ihnen. Unsere Art, die Farben in einander zu vertreiben, wie es die Natur angiebt, unsere Schatten würden ihnen abgeschmakt vorkommen. Daher sie auch nie mahlen, sondern ewig illuminiren. ?" Seit. 157. 158.

 

[Ia-05-1779-0332]
3) Bemerkung von Sprache ? und Gedanke.

 

[Ia-05-1779-0333]
"Es ist noch nicht ausgemacht, daß Gedanke und Zeichen zweierlei Dinge sind. Und Die Bilder sind Vorstellungen von den Obiekten selbst, welche diese von sich in uns hervorgebracht

 

[Manuskriptseite 129.]

haben. Ich denke iezt an eine Rose; das ist das Bild der Rose. Wie sollen nun diese Bilder Zeichen der Gedanken sein? Sie sind ia selbst Gedanken, Ideen, Notionen. ? Sogar die tiefste Abstraktion ist ein Gewebe von Bildern. Alle abstrakte Obiekte, z. B. Tugend, Ordnung, stellen wir uns nicht anders als unter Bildern vor. Beim Worte, Quidditas, denkt man sich entweder nichts, oder man hat ein Bild, das wirklich kein helleres, als das Obiekt selbst ist. ?" Seit. 560. 561.

 

[Ia-05-1779-0334]
"Man solte wenigstens aus Neugierde analysiren: ob denn die Wörter im Gehörsin getönt und im Munde modulirt, nichts weiter als Zeichen, ob sie nicht selbst lautes Verständnis, nicht selbst Ideen, auch nur zum Theil, Ideen wären? ? Was ist Idee, was Gedanke? woraus ist er zusammen gesezt? Keiner unsrer Philosophen hat dies genetisch untersucht, keiner etwas darin geleistet. Man sage nicht, es sei unmöglich. Man studire die Natur der Wörter, die Art und Applikation des Gehörs, die Gewohnheiten des Sprachorgans, man beobachte den sprachlernenden Menschen, und man wird, vielleicht zum Erstaunen, über iene Dinge sehr konkret reden können, die man bisher nur mit Unverstand behandelt hat, und behandeln wird, so lange man an Schalen krabbelt ? Was ist Vernunft, Besinnung, Denkkraft, oder wie man es nennen wil? Man scheint dem Sazze näher zu kommen, Sprache und Ausübung der Vernunft als Korrelaten zu betrachten.

 

[Manuskriptseite 130.]

Doch noch lange nicht genug. Wie wenn die Sprache und blos die Sprache Vernunft wäre und Vernunft gäbe? Hierüber nachdenken, heist wenigstens, nicht ohne grosse Belehrung nachdenken ? ? ? Gedächtnis und Einbildung, Dinge, Dinge die so manchem Man unsterblichen Ruhm schenkten, werden bewundert, und sind Geheimnisse bis heute. Man hat so vieles vergeblich versucht, man forsche doch auch, welche Quellen des Gedächnisses ins Gehör, und welche Würkfedern der Einbildung ins Auge gelegt sind? und fasset unser Denken mehr in sich als Gefühl, Einbildung und Gedächtnis? ? ? Das Thier lebt ohne Besinnung, alle seine unzählbare Empfindungen von der Geburts= bis zur Todesstunde sind nur eine einzige lange Empfindung, durch zögernde Überlegung niemals unterbrohen, zum Gefühl der Empfindung niemals erhoben. Der Mensch, gleich der dümste Mensch, zählt Freuden und Leiden, Tage und Iahre, fühlt sich, kent sich, denkt, und bedenkt, was er denkt. Zwischen beiden Wesen, welch eine Kluft! Man nent sie Bewustsein, Gefühl des Ichs. Das Zeichen des Menschen, sein ächtes Karaktermal, auch das kennen wir nicht. Das Bewustsein hat seine sehr sinlichen Bestandtheile. Weil man aber diese nicht kent, so liegt auch ienes im Dunkeln. Mir gieng Licht auf, als ich dem Gefühl des Ichs in den Elementen der Sprache nachspürte. Beide sind durch einander gewirkt, und bestehen durch einander. Inneres Bewustsein giebt es nicht, aber ein äusseres und weit ausgebreiters, als sich ie einer eingebildet hat ? ? Sprache ist der getreueste Ausdruk der menschlichen Natur. ? ? ?" Seit. 646. 647. 648.

 

[Manuskriptseite 131.]

[Ia-05-1779-0335]
XVII.

 

[Ia-05-1779-0336]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Siebenter Band. Lemgo, in der Meierschen Buchhandlung.1775.

 

[Ia-05-1779-0337]
1) Vom Worte ????? in der h. Schrift.

 

[Ia-05-1779-0338]
"Die Wort bedeutet in der h. Schrift nicht die Natur der Dinge in dem metaphysischen, sondern nur in dem gemeinen oder politischen Sinne, den Zustand und die Beschaffenheit der Dinge, ihre Fähigkeiten, Kräfte und Umstände, und zuweilen auch nur Gebräuche, als Ephes. 2, 3 von Natur Kinder des Zorns, nicht durch unsre ursprüngliche Natur oder Wesen, sondern durch die damaligen Umstände unserer Natur, durch die angewohnte Verkehrtheit und Verdorbenheit der Sitten vor unsrer Bekehrung zum Christenthum. ?" Seit. 74.

 

[Ia-05-1779-0339]
2) Von Ioh. 14, 28.

 

[Ia-05-1779-0340]
"Nanzianzonus, der Kirchenvater, sagt von dieser Stelle: wolte man sagen, der Vater sei grösser denn Christus, insofern dieser als Mensch betrachtet wird, so ist dies wahr, aber unerheblich; denn was ist das merkwürdig, daß Gott grösser ist als ein Mensch. ?" Seit. 76.

 

[Ia-05-1779-0341]
3) Von der Volkommenheit eines ieden Volks.

 

[Ia-05-1779-0342]
"Ieder Stand der Menschheit, iede Verfassung, hat seine Volkommenheit. Der Römer kan nicht Asiate sein, so wenig der Asiate Römer sein kan. Alle musten sein, was sie waren, und alle waren gut. Bei allem war ein gewisser Grad von Glükseeligkeit, und man mus nicht urtheilen, Völker seien unglüklich

 

[Manuskriptseite 132.]

gewesen, weil sie nicht unsere Verfassung, unsere Künste und Wissenschaften gehabt haben, und weil wir etwa in ihrer Lage unglüklich waren. Ieder Stand hat in Ansehung der Tugenden und der Glükseeligkeit gewisse Vorzüge besessen, die dem glüklichern, dem bessern mangelten. ?" Seit. 101. 102.

 

[Ia-05-1779-0343]
4) *...* Ein Beweis, wider die höchste Gottheit Iesu.

 

[Ia-05-1779-0344]
"Daß Iesus nicht der höchste Gott ist, beweiset unter andern die Stelle: verkläre mich, Vater! mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Er hatte also vor Entstehung der Welt eine Herlichkeit, die er iezt nicht mehr hatte, und wieder zu erlangen wünschte. Als blossem Menschen konte ihm vor der Schöpfung keine Herlichkeit zukommen, folglich geht dieses auf die höhere Natur, die in ihm wohnte und ihn beseelte. Diese kan aber nicht Gott im höchsten Verstande sein, weil der nichts verlieren kan. ?" Seit. 429. 430.

 

[Ia-05-1779-0345]
5) Widerlegung des Sazzes: "alle Menschen bringen eine überwiegende Lust zum Bösen mit auf die Welt" ?

 

[Ia-05-1779-0346]
"Überwiegende Neigung des Menschen zum Bösen ist eine Chimäre. Er hat vielmehr nach seinen Anlagen eine Disposition gut zu werden, und er wird erst durch seine ihm nothwendige Sinlichkeit, durch anscheinenden Vortheil und Schaden, durch Beispiel, Erziehung und Unterricht verdorben. Der Mensch solte kein Engel sein, weil er ein Mensch war; seine Bestimmung auf der Welt erforderte diesen Grad von Kräften, Fähigkeiten und Neigungen, und da die Tugend eine Linie ist, so konte es nicht anders sein, er muste zu einer oder der andern Seite abschweifen, und immer nach erst nach Verirrungen sich

 

[Manuskriptseite 133.]

zu ihr zurükfinden. Selbst seine verwilderten ausgearteten Eigenschaften verrathen den Keim des Guten, sein Neid, sein Ehrgeiz, seine Habsucht, sein Eigensin u. s. w. Daß der Mensch Mensch; und kein Engel ist, beweiset mit nichten, daß er verdorben ist, oder daß er nicht das ist, was er nach dem Willen seines Vat Schöpfers sein solte, ein algemeines, angebohrnes, ursprüngliches, unvermeidliches Verderben einer ganzen Gattung von Geschöpfen scheinet vielmehr der Gottheit verkleinerlich, und allen Begriffen, die wir von ihm haben, widersprechend. ?" Seit. 433. 434.

 

[Ia-05-1779-0347]
6) Es ist Gottes Wille nicht, daß wir Alle einerlei Glauben haben sollen.

 

[Ia-05-1779-0348]
"Es ist wahrscheinlich, daß es der Endzwek Gottes gar g nicht gewesen, eine pünktliche Übereinstimmungen in den genauen Vorstellungsarten von diesen oder ienen Säzzen zu erhalten, und daß es sein Wille nicht sei, sie als eine Bedingung seiner Gnade zu verlangen, vorausgesezt, daß die Grundwahrheiten aller Religion, auf welche sich Moralität und Beruhigung gründet, ungekränkt bleiben. Denn wenn das sein Wille und Endzwek wäre, so würde er sich in der Offenbarung nicht unbestimt, nur beiläufig, bei dieser oder iener Gelegenheit, und so ungenau darüber erklärt haben, daß verständige und redliche Forscher leicht einen doppelten, ia dreifachen und vierfachen Sin daraus herleiten können; sondern es wäre ihm ein eben so leicht gewesen, ein System zu schreiben, oder ein Symbolum aufsezzen zu lassen, aus welchem man seine eigentliche Meinung eben so unzweideutig hätte erkennen können, als es ieder Doktor Theologiä und iede Kirchenparthei gethan hat. Wenn es Gott eben so wichtig wäre, als es uns schwa

 

[Manuskriptseite 134.]

chen Erdensöhnen oft scheint, daß Alle über die unter ihnen streitige Lehrpunkte einerlei Begrif haben solten, warum hat er nicht Paullus und oder Iakobus bevollmächtiget, der Kirche eine Lehrverfassung zu schreiben, der ein ieder Glauben beimessen musten müste ?? ? Seit. 511. 512.

 

[Ia-05-1779-0349]
7) Vom Unser Vater.

 

[Ia-05-1779-0350]
"Christus wolte seine Zuhörer von gedankenlosen, unnüzlangen Gebeten abgewöhnen, und giebt ihnen in dieser Absicht eine kürzere Formel zum Muster. Nun findet man in dieser Gebetsformel blos solche Ausdrükke, die die Iuden zu Christi Zeiten an ihren Gebetsformeln zu haben pflegten. ? ? Christus mus sie also aus besondern Ursachen beibehalten haben. Die Ursach mag diese sein. Iede Art des Vertrags mus nun einmal ihre eigne Schreibart haben; und wenn man die hergebrachte verläst, so verfält man leicht entweder ins Schwülstige, Gekünstelte oder Niedere. Nun hatte Christus zwei Formen, nach denen er sein Muster zuschneiden konte: entweder die Psalmen im A. T., oder die damals gewöhnliche Formeln. Um ein allen verständliches Muster zu geben, wählte er die leztere, die damals übliche, behielt aus ihr ganze Redensarten bei, (wie die Vergleichung lehrt,) die Matthäus übersezt hat. Z. E. ???????? ??? ???? heist nach der Iuden Sprachgebrauch, der Ort wo der einzige wahre Gott, Jehova verehrt wird. Das Wort ??????? in der 3ten Bitte heist die Gestirne, die ganze Natur ? (wie Wetstein behauptet.) Diese mus daher so übersezt werden: So wir die ganze Natur und die Gestirne und die Gesezze, die ihnen Gott gegeben hat, nie beobachten; also müssen wir die götlichen Gesezze halten. ?" Seit. 605. 606. 607

 

[Manuskriptseite 135.]

[Ia-05-1779-0351]
XVIII.

 

[Ia-05-1779-0352]
Halladat oder das rothe Buch. (Zum Vorlesen in den Schulen.) Frankfurt und Leipzig, 1775.

 

[Ia-05-1779-0353]
1)

 

[Ia-05-1779-0354]
Der Gesang: "Gott".
"Der Einzige, der Allem alles ist,
ist unser Gott! Geschöpfe, betet an!
Er schuf, was ist; Geschöpfe betet an!
Den nicht Erschaffenen, den Einzigen,
der Allem alles ist, den Einzigen,
den Ersten, den, Geschöpfe, betet an!
Du seine grosse, weite, schöne Welt
Mit allen deinen Feuerkugeln, du!
Du warest nicht, du wurdest, und du warst!
Du schöne Welt! du warst und bist und bist
in deiner Pracht! Geschöpfe, betet an!
Zehntausend seiner Sonnen traten hin,
und gehen ewig ihren grossen Gang!
Zehntausend seiner Erden traten hin,
und gehen ewig ihren grossen Gang!
Zehntausend Myriaden Geister stehn
Um seinen Thron. Um seinen Thron? ? Hinweg
mit seinem Thron! Er sizt, er stehet nicht,
er ist kein König, kein Kalif! Er ist
das Wesen aller Wesen! Er ist Gott,
Is ist unser Gott! Geschöpfe, betet an.

 

[Manuskriptseite 136.]

Wer ist, den er zu seiner Werstat rief,
dahin zu treten, und zu sehn, zu sehn ? ?
wie er es macht? Wie er den Ozean
in so geschmeidigem Gehorsam hält,
daß seines Wassers nicht ein Tropfe fort
aus seiner Tiefe wil! Wie er den Mond
an einen dünnen Faden bindet, und
In blauer Luft ihn schweben läst; Wie er
in Zeit von Rosses oder Reuters Hui!
zehntausend Millionen Sonnenfernen mist
und keines Apfels, keines Staubes fehlt!
Wer ist, wie Er? Auf seiner Erde wohnt
in irgend einer öden Felsenkluft
kein ihm ergebener erhabner Geist,
und keiner blikt von seinem Wolkenzug
und seinem Morgenroth, der mir es sagt,
wie er es macht? Kein Seher Gottes ist,
kein Heiliger, kein Frommer, der es weis,
wie er es macht? Geschöpfe, betet an!
Von dir du kleiner Bal, auf welchem wir
zehntausend Millionen Ballen dort
nur funkeln sehn, zu dir, du Sonnenbal,
und Sonnenbal, von dir zum Sirius,
der Millionenmal so gros, wie du

 

[Manuskriptseite 137.]

dem armen Erdenwurm, ein Punktum ist!
Von dir, du kleiner Käfer, bis zu dir,
du stolzer Adler, der den Bannadar *) Ein ungeheurer Felsen *)] am unteren Seitenende, durch horizontale Trennlinie abgegrenzt, angefügt. ST
auf seinen Flug für einen Kiesel sieht!
Von dir, du Purpurschnekke, deren Blut
die Hüllen stolzer Menschen färben mus,
zu dir, du kluger Bilbat **) Eine Art von Affen, die für die klügsten gehalten wird, weil sie den Menschen am wenigsten nachahmt. **)] am unteren Seitenende, durch horizontale Trennlinie abgegrenzt, angefügt. ST, welcher sich
die Wa** Wangen färbt, um schön zu sein, und dann
so weiter fort, zu einem Geist, der Gott,
das Wesen aller Wesen, denken wil ? ?
Ha! welche Stufen! welche Stufen hier!
Und dort in allen Millionen, dort!
In allem Todten, allem Lebenden!
Und allem Leichten, allem Schweren!! Gott,
der Einzige, der allem Alles ist,
ist unser Gott! Geschöpfe betet an! ? ?"

Seit. 9. 10. 11. 12.

 

[Ia-05-1779-0355]
2)

 

[Ia-05-1779-0356]
Die Menschenseele.
"Aus meiner Seele den Gedanken, der
in einer dunklen Tiefe drinnen liegt,
herauszuwinden, wer, ihr Menschen, leiht
mir eine Winde? Menschen, was es ist,
das in mir denkt, ist der Gedanke! Tief
liegt er in dem, was ist! In dem, was mein

 

[Manuskriptseite 138.]

und meines Wesens ist, in diesem Was
liegt er zu tief! Mein volles Herze pocht!
Mein Alles strebt empor, hat eine Kraft,
mein Alles ist mein Leib, ist meine Seele!
Ist dieses Was, das meine Glieder lenkt.
Was aber, was ist Seele, was ist Leib?
Kan ich's ergrüblen, ha! so wil ich mich
auf ein Gebirge betten, wil in Wald
von euch, ihr meine lieben Menschen, und
von Weib und Kind entfernen wil ich mich
und grübeln! Alle Weisen konten's nicht!
Was denn? Nicht wissen wollen, was es ist,
das in mir denkt, und denken! ? Gott ist Gott!
Mein Alles ist von ihm, in ihm leb' ich.
Durch seine Macht ward seine Sonne, ward
sein Sonnenstaub! Wenn Sonn' und Sonnenstaub
nicht denkt, dann dünk' ich mich was Besseres
als Sonn' und Sonnenstaub, ich denk' an Gott!
Und, unbekümmert, Menschen! was es ist,
das in mir denkt, denk' ich an Gott,
und Gott begnadigt mich, und abgesandt
von ihm an euch, euch, seine Menschen, sol
ich euch verkündigen, daß euer Geist
und euer Leib, und beides ungetrent
ein eignes Gottgeliebtes Etwas ist,
das hier auf seinem Klumpen Erde nur

 

[Manuskriptseite 139.]

einfältig sein, in seiner bessern Welt
zu besren Thaten weiser werden, und,
wenn's immer weiser gern geworden ist,
in seiner besten ewig dauern sol! ?"

Seit. 17. 18.

 

[Ia-05-1779-0357]
3)

 

[Ia-05-1779-0358]
Die bessere Welt!! ?
"Du wirst mit deinem Freunde tausend Iahr
den Gott begreifen lernen, welcher dich
zum Freund erschuf, und dann, o dann (du bist
getreu geblieben) dann wird dich dein Gott
verherlichen! Hinauf ins Vaterland
der treugebliebnen guten Seelen, das
von tausend unsrer Sonnen Tag für Tag
erleuchtet wird, und Eba=Zilima
den Weisen heist, in dieses wird er dich
mit einem Fittig seiner Winde wehn,
und dein und deines Freundes Vaters dort,
in seinem zehnten Himmel ewig sein. ?"

Seit. 76.

 

[Ia-05-1779-0359]
XIX.

 

[Ia-05-1779-0360]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Achter Band. Lemgo, in der Meierschen Buchhandlung. 1775.

 

[Ia-05-1779-0361]
1) Genauere Anfangsgründe der griechischen Sprache.

 

[Ia-05-1779-0362]
"Bei den Griechen mus man drei verschiedene Alphabete unterscheiden. 1) das vom Kadmus ????????????, das aus 16 Buchstaben bestand, und von der rechten zur linken Hand geschrieben wurde. 2) das alte Ionische, das zur von dem vorigen verschieden

 

[Manuskriptseite 140.]

war a) durch Zusezzung einiger neuen Buchstaben, b) dadurch, daß man es von der Linken zur Rechten schrieb. 3) das neue Ionische, das zur Zeit des peloponesischen Krieges erst gewöhnlich wurde. Kallistratus von Samos sezte mehrern neue Buchstaben hinzu, so daß es nunmehr aus 24. bestund, und die Gestalt hatte, in der es in der übrigen Welt vertheilet wurde. Diese historische Notiz hätte ich bei den Konsonanten gegeben.

 

[Ia-05-1779-0363]
Bei der Lehre Bei der Lehre ] im Folgenden: Scannen!vom Spiritus asper hätte ich auf diese Notiz weiter gebauet: ich hätte erinnert, daß im alten Ionischen Alphabeth ein H, in der Figur ? war, das aus dem orientalischen $ wahrscheinlich entstanden ist, und wodurch man die Adspiration ausdrükte. ? Daß dieses ? noch auf Sigäischen Aufschriften und den Münzen von Himera vorkomme, wo der Name Himera immer mit einem ? geschrieben sei. ? Ferner, daß an diesem Alphabeth nur ein E, nämlich E und ein O, nämlich O gewesen ? daß Simonides ein langes E und ein langes O zugesezt habe, und zu dem langen E das bisherige Zeichen der Adspiration H genommen, und zum langen O das ? erfunden habe. ? Nun war das Zeichen der Adspiration dahin; um doch wieder die Adspiration ausdrukken zu können, nahm man 1) das rechte Bein vom iezzigen H und drükte damit den Spiritum asperum aus, 2) mit dem linken hingegen den Spiritum lenem.

 

[Manuskriptseite 141.]

[Ia-05-1779-0364]
Nun wär ich weiter gegangen, und hätte erzählt, wie's insbesondere die Äolier mit Adspiration gehalten hätten. Sie hatten kein H dazu ? sondern etwas ihnen ganz Eigenes ? einen Laut, ohngefähr wie ein W. Diesen Laut drükten sie mit der Figur F aus, die späterhin das F der Lateiner wurde. Darauf hätte ich im Vorbeigehen bemerkt, daß die lateinische Sprache sich meist nach dem Äolischen Dialekt gebildet, ? ich hätte in einigen Beispielen gezeigt, was für einen Nuzzen diese Notiz habe, daß di* die Lateinische Sprache sich nach dem Äolischen Dialekt sich gebildet ? daß nun die Ursache klar sei, warum so vielen Worten, die sichtbar aus dem Griechischen abstamten, im Lateinischen ein V vorgesezt wäre ? wie Vespera von ???????, Vesta von ?????, Vinum von ????? abstammen könne, weil man im Äolischen mit einem vorgesezten W ????????, ??????, ?????? geschrieben habe,- folglich, daß man in Rom wie V wie W ausgesprochen habe, z. E. Wirtus = Virtus. Zulezt wäre ich zu dem Digamma, über dem so manches Alphabet verschwendet worden, fortgegangen, und hätte bemerkt, daß die Äolier zwischen zwei Vokalen in die Mitte ihr Zeichen der Adspiration F eingeschoben hätten, z. E. ???? stat ???, Ei ? daß nun ieder die sonst unbegreifliche Form mancher lateinischer Wörter einsehen könne, wie man von Bos im Genitiv Bovis habe sagen können, weil man im

 

[Manuskriptseite 142.]

Äolischen ?????? stat ???? geschrieben habe. Auf solche Art sei aus ???, Äolisch ????, das lateinische Ovis; aus ???, Äolisch ???? das lateinische Ovum entstanden, u. s. w. ?" Seit. 78. 79. 80.

 

[Ia-05-1779-0365]
2) Krittische Anmerkung.

 

[Ia-05-1779-0366]
"Oft blieb von den Häuten, auf die man eine Schrift des Alterthums abschrieb etwas übrig, und diesen leeren Raum wolte man doch nicht ungebraucht lassen. Der Abschreiber nahm also noch kleine Piecen und schrieb sie hinten an, sie mochten nun dem ersten Verf. zugehören oder nicht. (So ist Virgil zu den carminibus minoribus gekommen, die er, wenigstens gröstentheils, nicht verfertigt hat.) Die folgenden Abschreiber kopirten sie zugleich mit ab, als wenn sie zu ihrem Hauptauktor gehörten. ? Nun wurde am Ende des Kodicis in der Unterschrift der Hauptauktor genant, weil man damals die Titel der Bücher hinter den Büchern selbst sezte ? und nach Iahrhunderten glaubte man auch, daß sie ihm gehörten, weil sie ihm angehängt waren. Dies wende man auf unsern Kodex an, und denke sich, daß die Bücher, die er enthält, aus mehrern Handschriften in eine zusammengeschrieben sind, so wird man sich alles leicht erklären können. ?" Seit. 90. 91.

 

[Ia-05-1779-0367]
3) Zweifel gegen die Authentizität des vierten Kap. Daniels.

 

[Ia-05-1779-0368]
"Dieses Kapitel ist eines von denen, bei dem sich die ältesten

 

[Manuskriptseite 143.]

Vertheidiger der Bibel und Religion nicht haben Genüge thun können. Man schlage nur einmal den Hieronymum nach, der beim Anfange dieses Kapitels das, was vielen unglaublich vorkam, erzählt. Nebukadnezar wird rasend, und sol 7. Jahre im Walde unter wilden Thieren herum gelaufen sein ? und nach dem Verflus dieser Periode sol er wieder regiert haben. Hieronymus wil diesen Zweifel haben, und vergleicht mit dieser Erzählung die, welche uns Griechen und Römer von der Scylla, Chimera, Hydra und den Centauren aufbehalten haben. Ob durch diese Vergleichung Daniel und die Religion gewinnen, lassen wir andere entscheiden. Aber fragen dürfen wird doch: ob iemand die angeführten Erzählungen von der Scylla, Chimera u. s. w. glaubt? Und wenn man sie glaubte, ob sich daraus folgern läst, daß wir auch diese glauben müssen. ? Doch der gröste Zweifel gegen den in diesem Kapitel erzählten, unglüklichen Zustand Nebukadnerzars ist wol dieser, daß uns davon in Nebukadnezars Lebensgeschichte nichts gemeldet wird. Und doch wäre er merkwürdig genug gewesen, um eine Aufzeichnung zu verdienen. Nebukadnezar hatte seinen eigenen Biographen, den Berosus. Der hat uns zwar die Vorsehung verloren gehen lassen; aber daß er diesen Umstand übergangen hat, wissen wir daher, weil Origenes nichts bei ihm davon gefunden, und sich daher gezwungen gesehen hat, die ganze Erzählung nicht für eine wahre Geschichte, sondern für eine Erdichtung zu erklären. Man sehe Origenes Stromat. IX.

 

[Manuskriptseite 144.]

[Ia-05-1779-0369]
Nun komt zu allem diesen noch folgendes hinzu, daß die 70 Dolmetscher in diesem ganzen Kapitel sehr vom hebräisch=kaldäischen Original abweichen; daß sie (wie auch Hieronymus schon bemerkt) einige Verse (von 3=7) auslassen; daß sie Origines dieser Lükke und der vielen weit unglaublichern Stellen wegen, als wir im kaldäischen Original haben, am angeführten Orte nicht zu dem Texte macht, über den er kommentirte, sondern stat ihrer Theodotion's Übersezzung wählte. ? Nur zur Probe einige von den Stellen, die von den 70 Dolmetschern in diesem Kapitel einen Sin enthalten, der sich kaum mit gesundem Menschenverstand verträgt. ? Nach ihnen also ist alles alles, was im 3ten und 4ten Kapitel erzählt, in einem Iahr, nämlich im 18ten der Regierung Nebukadnezars vorgefallen, (Kapitel IV. 1. verglichen Kapitel III. 1.) folglich 1) eine so grosse Statüe aus Gold errichtet worden, daß das Gold, das damals in der Welt war, gar nicht dazu hinreichen konte; 2) alle Staatsbedienten im ganzen babylonischen Reiche durch ein feierliches Manifest zusammen berufen worden, und auch ? zusammen gekommen; 3) der Prozes gegen die Hebräer am babylonischen Gerichtshof anhängig gemacht; 4) das Urtheil über sie gesprochen und exequirt worden; 5) in eben dem Jahr hatte nach den LXX Nebukadnezar den Kap. IV erzählten Traum; 6) lies alle Magos zu sich rufen und befragte sie u. s. w. ? Wie kan dieses in einem Iahr geschehen sein? Zum Glük steht dies

 

[Manuskriptseite 145.]

nicht im kaldäischen Original. ? Weiter: der Gipfel des Baums, den Nebukadnezar sahe, reichte bis an den Himmel, und sein Rumpf (?????) bis an die Wolke, und auf diesem Baume nisteten Vögel, die Früchte wurden reif, und doch hatte Sonne und Mond hier ihre Wohnung. (V. 8 und 9.) Welche unglaubliche Beschreibung! wie physikalisch unmöglich! Und das solte ein götlicher Traum heissen? ? Weiter V. 12. 13 er sol mit den Thieren der Erde weiden, und sein Leib sol durch den Thau des Himmels verändert werden, und sol 7. Jahre weiden. Welcher Zusammenhang unter den Bildern! welche Zusammensezzung! ? Nebukadnezar sol von einem andern König abgesezt werden; die Engel sollen ihn 7 Jahre lang verfolgen; diese Engelein sollen ihn mit Gras und Heu wie einen Ochsen füttern!! ?" Seit. 102. 103. 104. 105.

 

[Ia-05-1779-0370]
4) Eine Bemerkung von der Religion alter Völker.

 

[Ia-05-1779-0371]
"Wir messen die Art der ausländischen und alten Völker zu sehr nach der unsrigen ab, und glauben ohne Ursache, daß nach ihrer Vorstellungsart, Wahrheit und Irthum, Theismus und Abgötterei sich eben so entgegengesezt wären, als sie es nach der unsrigen sind. ?" Seit. 166.

 

[Ia-05-1779-0372]
5) Von dem Metrum der Hebräer.

 

[Ia-05-1779-0373]
"Überhaupt hatten die alten Hebräer nie ein ordentliches

 

[Manuskriptseite 146.]

metrum, eine Sache, die alle die Herrn bedenken solten, die das Metrum der Hebräer wieder finden wollen. Bowth hat kein Stichos finden können, das unter 6. oder 7. Sylben, und keines, das über 12. oder 14. gehabt hätte. Dies Phänomen ist so zu erklären. Die Hebräische Poesie stand unter der Erziehung der Musik und des Tanzes, und alle ihre Lieder wurden gesungen; folglich war kein genauers Metrum nöthig. Denn beim Gesang können wir selbst ein Metrum machen, wir können die Sylben schleifen, oder dehnen. Also fand sich auch der hebräische Dichter nie gezwungen, seine Muse durch ein ängstliches Metrum zu fesseln, und ungezwungen nimt man nicht leicht ein genaues Metrum an. So gieng es selbst bei uns Deutschen. Bis auf gegenwärtiges Sekulum hatten wir keine durch Gesezze genau fixirte Sylbenmasse, weil unsre alten Deutschen mehr beim Singen tanzten. Nun hörte diese Sitte ganz auf, die Dichter wurden blos gelesen, und um doch auch im Lesen zu gefallen, banden sie sich an ein ängstlicheres Metrum. ?" Seit. 235. 236.

 

[Ia-05-1779-0374]
6) Bemerkung, warum uns nicht eine Idee immer so lebhaft gegenwärtig ist, als sie es zu manchen Zeiten ist.

 

[Ia-05-1779-0375]
"Die Eindrükke der Dinge wechseln ab. So wenig du ieden Augenblik gleich lebhaft den Gedanken fühlest, daß du sterben wirst, eben so wenig kanst du von dir fordern, daß die Überzeugung von einem Leben nach dem Tode, immer einen gleichen Grad von Lebhaftigkeit behalten sol. Dies erlaubt die Einrichtung unsrer Seele nicht. Dies ist nur eine Eigenschaft des Unendlichen, wel

 

[Manuskriptseite 147.]

cher ieden Augenblik, um nach unsrer Sprache zu reden, alle Dinge auf einmal gleich stark kent und sieht. Diesen Vorzug darf der Staub nicht fordern, auch vielleicht in der Ewigkeit nicht hoffen. Also heist das zwar menschlich, aber nicht ungläubig sein. ?" Seit. 295. 296.

 

[Ia-05-1779-0376]
7) Vom der Labyrinth im Ohr, wodurch das Hören geschieht.

 

[Ia-05-1779-0377]
"Der Labyrinth ist nicht, wie man sonst glaubt, mit Luft angefült, sondern mit einer Feuchtigkeit, die ihren Zu= und Abflus hat. Wäre der Labyrinth mit Luft angefült, so würde das Hören gar nicht recht haben geschehen können, denn die Luft würde die Fäserchen des Gehörnervens troknen, und diese dadurch so verändert haben, daß sie von einem einzigen Anstos in mehrere, länger anhaltende und ganz andere Schwingungen würden gesezt worden sein, und ganz andere Empfindungen in unsern Ohren entstanden sein würden, als von den, Schal erregenden, Körpern entstehen solten. Weil aber die Fäserchen des Gehörnervens mit einer Feuchtigkeit umgeben sind, so werden allemal bei einem Schalle vermittelst der Eindrükke, die in diese Feuchtigkeit geschehen, dieienigen Fäserchen des Gehörnervens erschüttert, die mit dem Schalle harmoniren. ?" Seit. 331.

 

[Ia-05-1779-0378]
8) Von den Erkentnissen des Iudenthums.

 

[Ia-05-1779-0379]
"Gemeiniglich denkt man sehr gros von den Einsichten der Patriarchen in den Wahrheiten der Religion, die doch noch sehr unvolständig und dunkel waren. Die Vorfahren Abrahams, ia er selbst war anfangs Gözzendiener. Er

 

[Manuskriptseite 148.]

sahe den Schöpfer als einen Nationalgott an, und scheinet keine rechte Begriffe von der Algegenwart und Alwissenheit Gottes zu haben. In den Offenbarungen werden den Patriarchen keine dogmatischen Wahrheiten enthült, sie enthalten nur Verheissungen zeitlicher Wolthaten, Warnungen und Vorhersagungen, ? nichts vom künftigen Leben. Ihre Moral zeigt sich noch sehr nachsichtig gegen gewisse Lieblingssünden, die aus Temperament, Karakter und Klima ihren Ursprung haben. ? Moses war nicht so inspirirt, daß ihm ieder Gedanke gleichsam in die Feder diktirt worden. In dem ersten Kapitel entdekt man die deutlichsten Spuren der Philosophie der Egypter, so wie sie von demselben in Hieroglyphen vorgetragen wurde. Er hat sich bei Abfassung seiner Geschichte alter historischer Lieder bedient. Israël war in allem Betracht ein sehr ungebildetes Volk, das nichts in Egypten gelernt hatte, als eine Anhänglichkeit an den dikken Aberglauben, dem der einfältige Pöbel in diesem Lande anhieng. Mosis Hauptwerk geht dahin, dieses Volk zu der alten, dem menschlichen Verstande und Herzen angemessenen, Religion zu führen, und diese Religion, auf eine, den damaligen Zeiten angemessene, Weise in Israel zu gründen. Sein N ebenzwek ist der, dieses iunge und noch ungebildete Volk sowol zu unterrichten, als auch demselben k eine ihm angemessene kirchliche und politische Verfassung zu geben; auf diesen Zwek richtet er seine ganze Geschichte im 1. Buch ein, die Geschichte der Schöpfung, des Fals, der Sündfluth, des Sabbaths. ?" Seit. 457. 458.

 

[Manuskriptseite 149.]

[Ia-05-1779-0380]
XX.

 

[Ia-05-1779-0381]
Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Neunter Band. Lemgo, in der Meierschen Buchhandlung. 1776.

 

[Ia-05-1779-0382]
1) Ein Fehler, den man bei der Untersuchung der Wirkung des Christenthums, auf das zeitliche Glük der Menschen, begeht.

 

[Ia-05-1779-0383]
"Die Feinde des Christenthums sehen nur die transitorischen, auffallenden, bösen Wirkungen des Christenthums: Religionskriege, Verfolgungen, Inquisitionen, Aberglauben, Mönchswesen. Aber die geheimen stillen Wirkungen, die sich durch die Jahrhunderte verbreiten, und deren wolthätige Folgen noch fortdauern, sehen sie nicht. So erblikt ein gemeiner Geist die Verheerungen, die Orkane und Volkane anrichten: aber, wie viel eben die Ursachen, die Ursachen iene hervorbringen, zum Ganzen nüzzen, und wie heilsam selbst die Stürme und Feuerspeiende Berge sind, erblikt nur das geschärfte Auge des Philosophen. ?" Seit. 5.

 

[Ia-05-1779-0384]
2) Von der Gottheit Christi.

 

[Ia-05-1779-0385]
"Wenn man die sozinianische Auslegung der Schriftstellen, die die Gotheit Christi beweisen sollen, mit unbefangenem Gemüthe liest, so wird man ihnen Beifal geben. Wenn man weis, daß die damalige (da Iohannis sein Evangelium schrieb) Zeit in ihrer Sprache und Philosophie ihre Besonderheiten hatte, die izt aus der Mode gekommen, und daß man alles allegorisirte, personificirte und spiritualisirte, wenn man mit den Schriften des Philo und der Kirchenväter, die so sehr allegorisch und mystisch sind, bekant ist, wenn man hinzusezt, daß vornämlich Iohannes, aus dem die vornemsten Stellen, auf

 

[Manuskriptseite 150.]

welche man sich gegen sie beruft, genommen sind, vol von harten Metaphern und hyperbolischer Ausdrükke ist, und daß seine Schreibart sehr nach dem Platis Platonismus schmekt, ? ? ? wenn man das alles bedenkt, so urtheilt man schon günstiger von den Erklärungen der Sozinianer. Man findet daher auch in unsern Zeiten, daß die gelehrten Theologen, denen aus der Bekantschaft mit den Patribus und iüdischen Schriftstellern die alte iüdische, platonische und gnostische Sprache geläufig geworden ist, sich zum Sozinismus; hingegen die philosophischen Theologen, die mehr ihre Vernunft und ihren Verstand verfeinert, als die alte Gelehrsamkeit studirt, sich vorzüglich zum Arianismus neigten. Man darf nur den Barnabas, Hermas, Papias lesen, so sieht man, wie gewöhnlich es zu der Zeit war, die Schrift zu allegorisiren, durch geheime Deutungen Vorbilder zu finden, und von dem Typo das zu sagen, was nur von dem Antitypo gelten konte. So sagt der erste, daß die Rahab den Vater, Sohn und h. Geist bei sich beherberget, und mit eben dieser Allegorie sagt auch Paullus, daß die Iuden in der Wüsten Christum versucht, und daß Moses die Schmach Christi gelitten. Da nun die erste Schöpfung ein Bild der neuen Schöpfung durch Christum, und eben die götliche Kraft, die die erste verrichtet, in Christo wohnet; ist es denn Wunder, daß Iohannes von der lezten mit solchen Ausdrükken redet, die von der ersten hergenommen sind, und sie Christo auch

 

[Manuskriptseite 151.]

zuschreibt? ? Man wird weiter finden, daß das, wass in den Rathschlüssen Gottes sein Dasein hat, schon lange vorher, als ehe es vorhanden war, als existirend vorgestelt wird. So sagen die Iuden, daß ihr Gesez schon vor der Schöpfung der Welt gegeben sei, und Paullus nennet Christum das Lam, das geschlachtet ist, von Anbegin der Welt her. Nach diesen Grundsäzzen mus man die Ausdrükke: Ehe Abraham war, bin ich; verkläre mich mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt u. s. w. erklären. ? Man wird, wenn man den Iustinus, Theophilus, Origenes, Klemens, Alexander gelesen, bemerkt haben, wiesehr es zu ihren Zeiten Mode gewesen, Eigenschaften, z. E. Weisheit, Vernunft, Macht, als Personen vorzustellen, und von ihnen als von Personen zu reden; nicht allein mit einer Rednerfigur, sondern auch dann, wenn man dogmatisirte. Und schon hieraus lassen sich manche Erklärungen des N. T. rechtfertigen, die nach unserm izzigen Sensus communis paradox scheinen. Schon Salomo führt Sprüch. Sal. 8. die Weisheit als eine Person redend ein, in welcher Stelle die meisten Kirchenväter den ????? ??????????? finden, und noch persönlicher redet von ihr der Verf. des Buchs der Weisheit K. 8, v. 3 pp. Sie ist, sagt er, herlichen Adels, denn ihr Wesen ist bei Gott, (????????? ???? ????). Gleiche Ausdrükke finden wir beim Iesus Sirach K. 1, v. 1. Alle Weisheit ist von Gott dem Herrn, und ist bei ihm ewiglich (???? ?????). Wie ähnlich dem Ausdruk

 

[Manuskriptseite 152.]

Johannis: das Wort war bei Gott. K. 24, v. 4. sagt diese Weisheit: Ich bin Gottes Wort. Da haben wir auch den ?????. V. 32. sezt er hinzu, daß diese ewige Weisheit das Buch des Bundes sei, das Gesez, welches Mose dem Hause Iakob gegeben. Sirach sezt also den ????? mit der iüdischen Offenbarung zusammen. Solte dies nicht den Gedanken veranlassen, daß Iohannes auch den ????? mit der christlichen Offenbarung zusammensezze und von ihm anfange, um ihn zu diesen Vorzügen zu erheben. Es ist bekant, was der ????? beim Plato, Philo und den Platonikern für eine Figur spiele, und daß er, so wenig man auch alles, was von ihm gesagt wird, auf eine feste Idee zurükführen kan, im Grunde nichts mehr und nichts weniger sei als die Vorstellung in dem Verstande Gottes von der zu erschaffenden Welt, der Komplexus aller existirenden Dinge in der götlichen Idee, Mundus intelligibilis, aus welchem der sensibilis entstanden ? ? dies um alles zusammen genommen, macht es sehr wahrscheinlich, daß das 1ste Kapitel Iohannis so zu verstehen sei. Im Anfang war das Wort. Von Ewigkeit ist eine höchste Weisheit, der volkommenste Verstand, der den Inbegrif alles dessen, was in der Zeit wirklich werden sol, enthält. Dieses Wort war bei Gott, sie ist von Gott unzertrennlich, (gerade wie sich das Buch der Weisheit und Sirach ausdrükt. Schriftsteller, die Iohannes weit eher kan gelesen haben, als die Zenda=Vesta.) Gott war

 

[Manuskriptseite 153.]

das Wort. Denn ist nicht alles in Gott selbst? Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht. Die Geschöpfe sind in der Weisheit Gottes gegründet, und sie heist vornämlich Logos, in so fern sich Gott durch sie offenbaret: Das Wort war Leben und Licht des Menschen. Es erleuchtet alle, die in diese Welt kommen. Ein Funke, ein Stral des götlichen Verstandes ist den vernünftigen Seelen von Anfang der Welt mitgetheilt. Daher sagen die Kirchenväter, daß alle Weisen aller Zeit den ????? gehabt, sie nennen sie ???????? und Iustinus nennet sie auch Christen, weil sie von eben dem Logos erleuchtet worden, der in Christo gewohnet. Das Wort war Fleisch, die götliche Weisheit wurde in dem Menschen Christo sichtbar und anschaulich, sie nahm eine menschliche Gestalt an, denn in ihm sind verborgen alle Schäzze der Weisheit. Daher komt auch der grosse Vorzug der Offenbarung, die uns durch ihn wiederfahren ist. Das Gesez ist durch Mosen gegeben, aber Gnade und Wahrheit ist durch Christum worden. ? ? Unter dem Charakter des sichtbaren Logos, unter welchem Iohannes Christum einmal vorgestelt, führt er ihn nachher beständig redend ein. Er spricht im Namen des götlichen ????? (Verstand, Weisheit) der ihn beseelte, wie im A. T. nach der Meinung der Iuden der Engel sich Iehovah nent, weil er dessen Person vorstelt. Daher die häufigen Redensarten: Ich bin vom Vater ausgegangen, vom Himmel kommen, ich bin im Himmel, u. s. w. Ausdrükke, die wir bei den übrigen Evangelisten nicht finden. ?" Seit. 78. 79. 80. 81. 82. 83.

 

[Manuskriptseite 154.]

"Die Christo beigelegte Schöpfung," sagen die Vertheidiger der Gotheit Christi, "zeigt es deutlich, daß er der höchste Gott sei. ?" Wenn aber, antworten wir, die Schöpfung eine Hauptschwierigkeit wider unser System ist, ist denn diese Schwierigkeit wol wichtig genug, den ausdrüklichen Worten Christi, daß nur der Vater, der allein wahrer Gott ist, den unläugbaren Versicherungen Paulli, daß wir nur einen Gott, den Vater, so wie einen Herrn, nämlich Christum haben, ins Angesicht zu widersprechen? Ist sie wichtig genug, ein Galamatias von Säzzen, womit kein Mensch einen gesunden Begrif verbinden kan, einzuführen? Wissen wir denn, welchen Grad von Weisheit und Macht der höchste einem andern Wesen ausser sich, das er der Ehre würdigt, der Nächste nach ihm zu sein, beilegen kan, wie nahe er es seiner Unendlichkeit bringen, und es dadurch ausrüsten kan, die Dinge der Welt, die doch immer endlich sind, und besonders der sichtbaren Erde (eine andere Welt kanten die Alten nicht) in die Ordnung und Verbindung zu sezzen, worin sie stehen? daß Christus den Grundstof der Dinge aus Nichts erschaffen, wird nirgend gesagt, und folgt auch nicht aus dem Worte Schaffen, welches Iohannes von ihm braucht. Paullus unterscheidet selbst die Schöpfung, in so weit sie der Vater, und die Schöpfung in so weit sie der Sohn verrichtet. Vom ersten sagt er ?? ?? ?????, und von dem andern ??? ??, wo

 

[Manuskriptseite 155.]

durch er diesen zur Instrumentalursache, ienen zur ersten und vornehmsten Quelle macht, und, wenn man das merket, so wird es nicht schwer fallen, die Schöpfung durch Christum mit den Stellen zu vereinigen, worin sich der Höchste die Ehre, Schöpfer zu sein, ganz allein und ausschliessend beilegt. Quod quis per alium fecit, id ipse fecisse putandus est. Allein Christus hat doch auch Anspruch auf götliche Verehrung, da doch Gott sonst seine Ehre keinem andern geben wil, und da wir doch Gott allein anbeten und ihm dienen sollen? Sagt er nicht, daß alle den Sohn ehren sollen, wie sie den Vater ehren? werden wir nicht in seinem Namen getauft? sollen sich nicht in seinem Namen alle Knie beugen, und selbst die Engel Gottes ihn anbeten? - Die Antwort auf diese Gründe ist sehr leicht. Ich läugne ihnen schlechterdings, daß Christus ie Anspruch auf die höchste Verehrung und Anbetung gemacht hat, und daß sie ihm irgendwo zuerkant wird, wenn Paullus sagt, daß sich alle Knie vor ihm beugen sollen, woraus leitet er das Recht dazu her? Gewis nicht aus seiner götlichen Natur, sondern aus seiner Erhöhung, aus dem Namen, den ihm Gott nach seiner Erniedrigung gegeben. Und worauf sol sich der Dienst, den man Christo leistet, am Ende beziehen? Sol er seine lezte Beziehung auf ihn selbst haben (und das müste sein, wenn er der höchste Gott wäre) oder auf Gott zuük geleitet werden? Paullus entscheidets durch

 

[Manuskriptseite 156.]

den merklichen Zusaz: Zur Ehre Gottes des Vaters. Siehet man auf die Verbindung, worin der Ausspruch Christi Joh. V. auf daß sie alle den Sohn ehren, wie sie alle den Sohn Vater ehren, mit seiner ganze Rede stehet, so ist es auffallend deutlich, daß hier an keine gottesdienstliche Verehrung gedacht, sondern nur eine solche gemeint wird, die ihm als einem götlichen Gesandten und Bevolmächtigten gebühret? Mus man nicht die Worte eines Gesandten mit eben der Verehrung annehmen, die man dem Sendenden schuldig ist, nicht um seinetwillen, sondern in Beziehung auf den Obern, dessen Befehle er überbringet? Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht. Alle Verachtung des Wortes Christi fält auf Gott zurük, von dem d* er gesandt hat ist. Vergleiche Luk. 10, 16. Darauf sezzet er unmittelbar hinzu: Wer mein Wort höret und gläubet dem, der mich gesandt hat, pp. Und was ist denn der Grund der Verehrung auf den Christus Anspruch macht? woraus leitet er sie her? Nicht aus seiner götlichen wesentlichen Hoheit, sondern aus seiner Würde die ihm der Vater gegeben hat. v. 20, 21, 22, 23. Daß die Christen auf den Namen nicht allein des Vaters, sondern auch des Sohnes getaufet werden, sezzet diesen mit ienem nicht in gleichen Rang, und es ist wilkürlich und unerweislich, wenn man daraus eine Verpflichtung zur götlichen Anbetung macht. Oder waren vielleicht auch die Iuden, die auf Mosen

 

[Manuskriptseite 157.]

getauft sind 1. Kor. 11 10, 2. schuldig Mosen götlich zu verehren? Die Taufe ist ein Glaubensbekentnis, eine Einweihung zur christlichen Religion. Und da nun diese auf Veranstaltung des Vaters und vermittelst seiner Mitwirkung durch den Sohn gelehret, und durch die Wundergaben des Geists Gottes von den Aposteln eingeführet ist, was bekennen wir in der Taufformel anders, als daß wir Schüler des Vaters, des Sohnes und des ? ? sind? Vater und Sohn werden hier zusammengesezt, allein das sezt keine grössere Gleichheit voraus, als zwischen Gott und Moses, wenn von den Israeliten gesagt wird, daß sie an Gott und Mosen geglaubt haben. Sieht man auf den herschenden Ton der Schrift, der allemal entscheidender ist als Schlüsse, die man aus einzelnen Stellen macht, so siehet man, daß der Vater der höchste Gegenstand der götlichen Anbetung im N. T. ist, daß die Apostel diesem durch Christum, in Christo, in seinem Namen dienen, danken und zu ihm beten, daß die Verehrung Christi ihre lezte Beziehung auf ihn haben mus. Auf daß der Vater geehret werde in dem Sohn. ?" Seit. 84. 85. 86. 87.

 

[Ia-05-1779-0386]
"Die Ausflucht der Vertheidiger der Gotheit Iesu bei den Stellen, die ihr zuwider sind, ist gegen allen Sprachgebrauch. (Dies Sie sagen nämlich, dies gehe nur auf die menschliche Natur.) Man kan von einem Ganze wol von einem Ganzen etwas beiahen, das ihm nur nach einem Theile zukomt, aber wie kan ich von demselben etwas

 

[Manuskriptseite 158.]

läugnen, das doch nach einem Theile von ihm gilt. So kan ich von dem Menschen dagen, daß er denkt, daß er unsterblich ist. Nie kan ich aber von ihm sagen, daß er nicht denket, daß er nicht unsterblich ist, unter dem Vorwande, daß ihm beides nicht zukomt, in so fern er Körper ist. Ich bin vom Himmel kommen, nicht daß ich meinen Willen thue, sondern der Willen des, der mich gesandt hat, Ioh. 6. 38. Hier redet doch Christus von sich; in so fern er vom Himmel gekommen, oder mit den Orthodoxen zu reden, in sofern er das andere Subiekt der Gottheit ist, und wie kan er denn seinen Willen von dem Willen des Vaters unterscheiden? da doch in diesem Betracht sein Wille und des Vaters Wille einer und eben derselbe ist? Dies sei genug ? " Seit. 89.

 

[Ia-05-1779-0387]
"Es ist immer merkwürdig, daß die Väter, welche Christum Gott nennen, alle Platoniker gewesen, und daß die andern, die es nicht waren, Klemens R., Barnabas, Hermas, Polykarpus eine ganz andere Sprache führen, und nicht gewohnt sind, Christum Gott zu nennen; merkwürdig, daß sie die Sohnschaft Christi des Erlösers nicht aus seiner ewigen Zeugung vom Vater und wesentlichen Gottheit, sondern aus seiner übernatürlichen Empfängnis und mitgetheilten Herschaft herleiten; merkwürdig, daß Ignatius, die apostolischen

 

[Manuskriptseite 159.]

Konstitutionen (ein altes Buch, wenn es gleich nicht von den Aposteln ist) und Origenes dieienigen, die Christum den Gott über alles nennen, tadeln; merkwürdig, daß in den ältesten Konfessionen, die wir noch haben, des Geheimnisses von der ewigen wesentlichen Gottheit Christi mit keinem Worte gedacht und alles Gewicht auf seine übernatürliche Empfängnis und Herschaft gelegt wird. So lautet es in unserm apostolischen Symbolo, so in dem römischen Bekentnisse. Mehr fordert auch Paullus nicht zu unserer Seeligkeit Röm. 10, 9. 10. ?" Seit. 93. 94.

 

[Ia-05-1779-0388]
3) Von Glauben und Unglauben.

 

[Ia-05-1779-0389]
"So wie es nicht der Glaube ist, sondern die Früchte des Glaubens, die guten Werke, die der Grund unsrer Seeligkeit genant werden können, so ist auch nicht der Unglaube an sich der Grund der Verdamnis eines Menschen, sondern die Laster, die entweder die Ursach desselben gewesen, oder daraus entsprungen sind. Die christliche Religion ist Mittel zu einem Zwek, nämlich zur Tugend. Und wenn diese in der That durch ein anderes Mittel erreicht worden ist, so wird der gütige Urheber derselben nicht beleidigt sein, sondern sich darüber freuen. ?" Seit. 176. 177.

 

[Ia-05-1779-0390]
4) Anmerkungen über die Kindertaufe.

 

[Ia-05-1779-0391]
"Bei der Beschneidung Abrahams wurden alle seine Hausgenossen und Knechte mit beschnitten, die doch nicht Theil an dem Bunde hatten, dessen Siegel die Beschneidung war, ihre Beschneidung war ein Anfang

 

[Manuskriptseite 160.]

der seinigen, und bedeutete für sie nichts. Dies kam von der Macht des Hausvaters im Morgenlande her, dem sein Weib, Kinder und Bediente völlig als sein Eigenthum zugehörten. Es ist daher sehr gläublich, wenn die Apostel ganze Häuser gekauft, alles, was zum Hause gehörte, auch die Kinder mit darin begriffen waren. Die musten sich alle nach dem Haupte der Familie richten. Unter uns sind nun zwar bei den milden Gesinnungen des Christenthums, das die Menschheit in ihre Rechte gesezt, diese Begriffe nicht mehr: folglich haben auch die besondern Ursachen iunge Kinder zu taufen aufgehört, indessen kan die Gewohnheit doch bleiben. Ich betrachte die Taufe meiner Kinder nicht so, als ob sie gerade anzeige, daß sie an derselben oder an den darin bezeichneten Dingen Antheil haben, sondern als einen Theil meines eignen Bekentnisses des Christenthums, und folglich als eine Verpflichtung, unter welcher ich stehe, meine Kinder in den Grundsäzzen der christlichen Religion zu erziehen. ?" Seit. 177.

 

[Ia-05-1779-0392]
5) Über die prophetische Namen.

 

[Ia-05-1779-0393]
"Bei den Morgenländern war es gewöhnlich Namen zu geben, die sich nicht auf etwas bezogen, nicht etwas andeuteten in der Person oder Sache, der sie gegeben werden, sondern vielmehr etwas ausser ihr, das man sich einprägen oder dessen Gedächtnis man erhalten wolte. Daher kan man auch aus den Namen, die Christo im A. T.

 

[Manuskriptseite 161.]

beigelegt werden, Immanuel, Iehova, unsre Gerechtigkeit, oder aus denen, die man Ies. 9, 6. findet, nichts für seine eigene Person dogmatisch herleiten. Ier. 33, 15. 16. wird auch die Stadt Ierusalem genant Iehova unsre Gerechtigkeit. ?" Seit. 179.

 

[Ia-05-1779-0394]
XXI.

 

[Ia-05-1779-0395]
Ephemeriden der Menschheit oder Bibliothek der Sittenlehre, der Politik, und der Gesezgebung. Homines hominum causa sunt generati; ut ipsi inter se alii aliis prodesse possent. Cicero . Vierter Band 1776. Leipzig, bei Karl Friedrich Schneidern, 1778.

 

[Ia-05-1779-0396]
1) Zeichnung, Ausdruk eines fühlbaren Menschenfreundes.

 

[Ia-05-1779-0397]
"Neulich schlenderte ich am Ufer des sanft hinabgleitenden Rheins ? Gottes sanftes Frühlings Lüftgen in mich zu trinken, und iedem Reiz der, sich neu entwikkelnden, Natur, meinen Busen zu öfnen ? da kroch disseits im Tannenwäldchen, ein Invalide, mit allen Kenzeichen der Gutheit, über zwei Krükken gekrümt, den Fahrweg hinan. ? Wieder. Ich tändle im Buchenwald, um an Gottes frischem Grün, mein lange dürstendes Auge zu weiden, ? oder Gedanken zu denken, ? oder

 

[Manuskriptseite 162.]

in der Stille in mich hinab zu schaun: da sammelt eine gute Alte ? nah an 80, wie ich's dachte, dürres, abgefallenes, halb vermodertes Holz ? Splitter; um's kühle Alter zu wärmen. Besser, dacht ich, du iunger Pursch da, mit al deiner Fühlkraft, sammelst ihr, und sprichst, "sez dich her, und ruhe, Mutter"! Festlicher Abend! in aller Pracht stieg die Sonne hinab; Ich sah den Mond auf die Gräber blikken, ? Flittergold rauschte leise an Kirchhofs Kreuzen; ? kühles todenhaftes Lüftgen, schauerte mich an. Mir war's wol, liebe Brüder, unaussprechlich wol! Die Szene mit dem Weib, und ihren nach Brod wimmernden Kleinen, verschweig ich euch. "Iesus! ? Iesus Christus, wenn ich hätte!" sprach sie, drang vol, und mit der frischern Stimme des Elends.

 

[Ia-05-1779-0398]
Das iüngste kroch die Brust hinan.

 

[Ia-05-1779-0399]
Fühlt, wenn ihr fühlen könt, wie mir's zu Muthe sein mochte! Wehe dem Man, dem beim Blik nicht das lezte Fäserchen gezittert hätte!

 

[Ia-05-1779-0400]
O ihr Reichen! ? ihr Mächtigen! ? ihr Erhabnen! ? ihr Starken! ? ihr Götter dieser Welt! zu euch drang der forschende Blik: Euch, und dem ganzen Wirbel eurer Herlichkeiten, warf sich das beklommene Herz entgegen. ? Aber ach! es schauerte in sich selbst wieder zurük ? und fluchte der Welt, in dem Über

 

[Manuskriptseite 163.]

maas des Drangs.

 

[Ia-05-1779-0401]
Ist's möglich, daß ? ohne die ersten Pflichten der Menschenliebe ganz in ihrem Umfang erfült zu haben, ie euer Busen, einer Freude empfänglich sein kan! Ohne vorher die Thräne des Elends abgetroknet zu haben, ists möglich, daß ihr der Künste Freude seegnen könt?

 

[Ia-05-1779-0402]
Menschenliebe heiligt alle Freuden; macht für sie fühlbarer.

 

[Ia-05-1779-0403]
Wenn ich's immer durch That bekräftigen könte, spräch ich bei iedem Blik des Elends zu mir selbst. "Ist das nicht dein Bruder? Hat er nicht einen gemeinschaftlichen Vater mit dir? ? nicht einerlei Wohnhaus? ? einerlei Bedürfnisse? einerlei Kräfte? ? Zwekke? - Hofnungen? Und deinen Bruder köntest du, ieder stürmenden Woge Preis gegeben, so taumeln seh'n?" Ich überrechnete im Moment. Ich spräch, "Mensch Gottes, Mitmensch, kom, is, trink, sättige dich, sei gutes Muths!" Es müste mir unendlich leicht werden.

 

[Ia-05-1779-0404]
Glaubt ihr nicht, daß Gott auf die lezte Wallung des Herzens hernieder sieht? ? lächelnd wie der Erden Vater, auf den Stamler an der Mutter Brust?

 

[Ia-05-1779-0405]
Bleibt mir mit al euern Freuden zurük! des elenden Flittergolds! Ich wil zuerst Friede in meinen Gebeinen, ? im Busen Friede, zuerst Ruhe im Gewissen: eh ich mich dem Gefühl al, al der Schönheiten überlassen kan.

 

[Manuskriptseite 164.]

[Ia-05-1779-0406]
Gefühl der Freude ist seines Glüks Gefühl. Undenkbar ist mir der Man, der sich freuen könte, ? und seinen Bruder zu Gott seufzen sähe; und nicht thäte, was Kraft vermag. Zuerst wil ich wissen, ob Gottbilligend auf meine Tage herab sehen kan; dann pflük ich's Veilchen, ? hör der Lerche wirbelnden Gesang, ? und fühl al das schöne tausendfach tiefer. Denn ich bin schuldlos.

 

[Ia-05-1779-0407]
Habt ihr ie gefühlt, Brüder, welch unendliches Vergnügen es ist, bei der nächtlichen Überraschung des Tags, so wie's Kind, in der aufwallenden, heimlichen Sprache, ? hinauf zu rufen, "Abba, Vater!" ? und sich dann unter den Fittigen der Cherubins, zu harmlosen Träumen, von mannigfaltigen Gestalten des Glüks, einwiegen zu lassen? So lange noch die schleichende Armuth, vergebens unter dem Kampf ihrer sich abzehrenden Kräfte, zu dir aufgerufen hat ? "Vater!" so bist du noch schuldig ? unendlich viel schuldig ? kanst deine Rechnung noch nicht schliessen.

 

[Ia-05-1779-0408]
Elender! woferne du kontest!

 

[Ia-05-1779-0409]
Aber des Unvermögenden Gesinnung, ist That bei Gott! Wenn's Würmchen, (indes ich mich am schwülen Mittag, unter der breitästigten Buche, hin, auf Gottes Erdboden lagre:) wenn 's Würmchen, so leise, meine Hand hinankriecht; so zermalm ich's nicht: ? beschau's: ? fühl in ihm den Werth meines Seins! ? mehr noch, meiner Bestimmung Werth: - denke, in der äussersten Eingeschränktheit deiner Kraft, und deines Wirkungskreises, must di doch auch des Le

 

[Manuskriptseite 165.]

bens Werth fühlen! ? Liebes, kleines Würmchen! Denn thu ich, was ihr alle thätet: ? sez es ruhig auf des Grases gebognen Stiel. ? ?

 

[Ia-05-1779-0410]
Ists nicht Wonne Gefühl, sich im Kreis webender Geschöpfe zu erblikken? Diese arbeitende Welt! ? ?

 

[Ia-05-1779-0411]
Diese Behaglichkeit am Leben, am Sein, ist Quelle von unendlichen Freuden; giebt immer neuen Stof zum Gefühl: ? zum Gedanken: macht gut, ? heimlich, ? bessert das Herz, ? und macht den Menschen liebenswürdiger.

 

[Ia-05-1779-0412]
Der Man, der's Würmchen, das seinen Pfad hinüber kriecht, zertreten kan; so kalt, als hätt' er der Rose entfallenes Blat zerknikt, ist harter Man; ? kan Zertreten, bis zum Gefühl des Wohlgefallens vervielfältigen: kan Blut seh'n: und zum elenden Bruder, der der lezten Aufwallung seiner Kraft erliegt, sprechen ? Gott! sprechen: ? Was?

 

[Ia-05-1779-0413]
Des sterbenden Thiers fliessendes Blut, ist nicht des Bachs sprudelnde Quelle. Meide den Blik! der, dessen Beruf es ist zu tödten, ist immer zehn Grad, roher, härter, unbarmherziger als das andre Menschenkind. Es ist Thatsache. Gewöhnst du dich an ruhigen Blik, beim Kampf des Thiers, so hast du nur noch einen Schrit zu thun, um dich zum ruhigen Blik, beim Kampf des Menschen zu gewöhnen.

 

[Ia-05-1779-0414]
Führt dich Zufal, so sehe: sieh's Lämchen dem ruhigen Genus seiner Muttermilch entwunden; wie's gestern noch in der bunten Wiese froh aufsprang, nun unter Entblutung ermatten, ? ersterben. ? Schaure über Untergang ? und bete Gott an!

 

[Manuskriptseite 166.]

[Ia-05-1779-0415]
Nächtlicher Gräberbesuch ? ist der thätigen Menschenliebe Quelle. ? Schauerlich süs ist's, vom kühlenden Maienlüftgen angesäuselt, unter Mondsblinkern, al, al die harmlosen, nachbarlichen Hügel zu spähn! Schauerlich, wenn's so todenleise um dich ist, und's dich ergreift, das grosse, alumspannende Gefühl! ? ?

 

[Ia-05-1779-0416]
Grosser Vereinigungspunkt des ganzen Menschengeschlechts zur gemeinschaftlichen Ruhe, ? zum gemeinschaftlichen Zwek!

 

[Ia-05-1779-0417]
Menschen, last und unsre Brüder lieben! ? Liebe überlebt 's Grab. Aber alle deine Herlichkeiten, ? das brausende Gewebe: ? und al, al das Spielwerk des Lebens, ? wie der Kindheit Wasserblasen; sieh, wie's über'm Grab zerflattert!!!! ? Menschen last uns unsre Brüder lieben! Gemeinschaftliches Grab begräbt den, aus gleichem Stof gewebten, zum gemeinschaftlichrastvollen Schlummer: An seiner Hand entschwingst du dich, dem, sich öfnenden Grabe: und ruhst auf ? "Hier Vater, ich ? und meine Brüder!" Heil dir, wenn einst der Bedrängte, Thräne des Bemitleidens, des Seegens Thräne, auf dein Grab hinweint! Glaubst du, daß sie der Erdenklos, ungesehen dem Alseher einschlürfe? ?

 

[Ia-05-1779-0418]
Brüder! Siechhaus ist Schule der Menschenliebe. Flieh ihn nicht den Blik ? aber such ihn! Ach! al der vergebens streitenden Kräfte! ? al der ohnmächtigen Aufwallungen! ? al des erkrankenden Gefühls! der kämpfenden Schwäche! ? des mannichfaltigen Gewimmers! ? ?

 

[Manuskriptseite 167.]

Wie wird dir?

 

[Ia-05-1779-0419]
Sieh des Lebens Schiksaale, ? Bedürfnisse, ? Schwächen, ? des Lebens Jammerbild ? anschaulich! ? und fühle Menschenliebe im Bemitleiden, Bemitleiden in Menschenliebe! Denk, wenn du so da lägst, in der lezten peinlichen Ermattung, und der Mensch stünde, wie Bildsäule des Grabmals, ? fühllos, unhelfend da: und sänke kühlen Blik in deine Glut, und al deine sonstigen Fühllosigkeiten drängen sich heran, ? und du müstest überm Grabe zittern! ? ? Hinüber über das! Last uns lieben, denn der Menschheit Bedürfnisse sind unsre Bedürfnisse. ? Der Menschheit Freuden unser, und unser, der Menschheit Qualen!

 

[Ia-05-1779-0420]
Brüder! der Künste Freuden bessern das Herz: ? denn sie verfeinern das Gefühl. Ha! wenn die Macht der Tonkunst bis auf die lezte Nerve deines Gefühls dringt: ? köntest du da verschlossen sein? ? Verschlossen der Stimme des Bedrängten? Sie ist Harmonie, Philomelens Gesang, dem Rechtschaffenen. Fühlst du was schön ist, so fühlst du auch was gut ist, denn das moralische Schöne ist gut: ? und nun frohlokst du über That, die noch vor ihrer Vollendung im Himmel angeschrieben ist.

 

[Ia-05-1779-0421]
Es giebt Freuden, die das Herz einengen. Freuden, die dir peinlich werden, wofern du andere nicht Antheil dran nehmen lässest: ? ungeniesbar, wofern du nicht fühlst, daß alles glüklich ist. ? Daß alles glüklich sei, wie oft hängts vom Menschen ab? Der Mensch wil nicht; und ist doch nicht Gott.

 

[Manuskriptseite 168.]

[Ia-05-1779-0422]
Wofern du eine Thräne erpressest ? Thräne hülflos in Staub sinken läss'st: ? so ist Gott ? Gott Richter.

 

[Ia-05-1779-0423]
Stille Betrachtung der Naturschönheiten am frohen Frühlingstag, wie sehr ist sie der Menschenliebe Mittel?

 

[Ia-05-1779-0424]
Fas der Natur unendliche Mannichfaltigkeiten, wenn's möglich ist: ? der Natur Schönheiten, für dich! ? Der Natur Zwekke, für dich ? ihre Mittel, für dich: Du kanst's nicht. Du erliegst dem Gefühl. So wirf dich hin, und lalle aus dem tiefsten Grund deines Herzens ? "du, lieber himlischer Vater, du hast so unendlich viel für den Menschen ? für mich gethan: und ich solte den Menschen, der al das Gefühl, al al den Theil mit mir hat, nicht mit Wärme lieben, ? nicht Bruder nennen? ? Dieser Verwandschaft Gefühl nicht durch That bestätigen?"

 

[Ia-05-1779-0425]
Das Veilchen wird dir frischer blüh'n, ? die Rose süsser duften, ? das Lüfttgen labender säuseln ? der Gottes Sonnenstral wird dich inniger erquikken.

 

[Ia-05-1779-0426]
Mensch die Natur mus sich dir verherlichen!

 

[Ia-05-1779-0427]
Brüder! bei den mannigfaltigen Gaben, die Gott verschieden ausgetheilt ? beim Vermögen, wol zu thun, ? bei den wolthätigen Neigungen die Gott tief in der Stunde unsrer Geburt in unser Herz gelegt: ? beim Vergnügen, das die Befriedigung unsrer wolthätigen Triebe uns gewährt; beim Gefühl unsrer eignen Bedürfnisse und Schwachheiten; ? beim Gefühl unsrer Pflicht, ? bei alle dem, beschwör ich euch, last uns unsre Mitmenschen lieben; ? *...* und Liebe durch That bestätigen!! ?" Seit. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

 

[Manuskriptseite 169.]

[Ia-05-1779-0428]
XXII.

 

[Ia-05-1779-0429]
Der Deutsche Merkur vom Jahr 1779. Erstes Vierteliahr. Weimar.

 

[Ia-05-1779-0430]
1) Gedanken zum weitern Nachdenken, über die Apperzeption seiner eignen Existenz u. a. m.

 

[Ia-05-1779-0431]
"Merian hält dafür, daß wir die Kentnis unsers Wesens weder durch Räsonnement, noch durch Reflexion, noch auf irgend einen andern Weg erlangen. Daraus können nun mit Recht schliessen, daß wir uns selbst unmittelbar und anschaulich apperzipiren. Auch erhellet hieraus, daß die Apperzeption seiner selbst der erste Akt und ein wesentlicher Akt eines denkenden Wesens, als eines denkenden Wesens, ist; weil wir alle Kentnisse diesen Akt voraussezzen, er hingegen ganz allein nichts voraussezt. ? ?

 

[Ia-05-1779-0432]
Iede Idee ist von der andern unterschieden. ? Alle Gedanken sind an sich selbst gleich klar, und die Grade der Klarheit, die man bei ihnen annimt, sind ihnen nicht wesentlich, sondern rühren blos von der Vergleichung her. ? ?" Seit. 78. 79.

 

[Ia-05-1779-0433]
2) Von der Einbildungskraft.

 

[Ia-05-1779-0434]
"Die Einbildungskraft erneuert nicht nur die Empfindungen des Gesichts, sondern auch die Sensationen des Ohrs, des Geschmaks, des Geruchs und Gefühls. Auch die Freuden und Schmerzen des innern Sinnes bringt sie wieder hervor. Diese Erneuerung ist gemeiniglich schwächer, als die wirkliche Empfindung, aber auch oft eben so lebhaft. Die Ein

 

[Manuskriptseite 170.]

bildungskraft ist ein Theil des Empfindungsvermögen. Dadurch unterscheidet sie sich aber von ihm, daß sie ihre Ideen, ohne iezt auf die Organe wirkende Gegestände der Vorstellungen, und nach ihren eignen Gesezzen hervorbringt und ordnet. Die Einbildungskraft ist thätiger, und es gehört allezeit eine starke innere Anstrengung der Seele dazu, diese Bilder hervorzubringen. Das Empfindungsvermögen kan ohne die Einbildungskraft existiren, wie bei Austern und Polypen; deswegen aber sind sie noch nicht gänzlich von einander unabhängig, vielmehr in einem wesentlichen Stükke diesselben.

 

[Ia-05-1779-0435]
Die Einbildungskraft betrachtet blos die erneuerten Empfindungen, ohne darauf zu sehen, ob sie schon ehemals da gewesen sind, oder nicht; dies thut aber das Gedächtnis allemal. Bei iedem Aktus des Gedächtnisses findet sich folglich nothwendig ein Urtheil; bei dem Aktus der Einbildungskraft aber nicht. Sie beschäftigt sich nur mit den Empfindungen; jenes mit allen und ieden Ideen. Die Erneuerung der Bilder ist auch lebhafter und darstellender, als bei ienen. Ein gewisser Grad des Gedächtnisses macht nicht Einbildungskraft, so wie umgekehrt ein gewisser Grad d*ss der Einbildungskraft nicht Gedächtnis macht. Das Gedächtnis erhält nicht blos das Empfangene; es erhält auch den Gedanken, daß es empfangen ist, die Zeit, den Ort, da es empfangen wurde. Von diesem allen gehört für die Imagination nichts.

 

[Ia-05-1779-0436]
Einige Bilder der Einbildungskraft erscheinen, ohne, auch

 

[Manuskriptseite 171.]

sogar gegen den Befehl der Seele, andere aber mit ihrer Einwilligung, unddurch ihren Vorsaz. Das Vermögen, die Bilder in verschiednen Graden der Deutlichkeit zu entwerfen, hängt allein von der Organisation ab. Die Anlage zu grossen besondern Bildern gleichfals von der Organisation, die Ausübung beider aber von dem Willen und der Anstrengung der Seele. Lebhafte Bilder hängen theils von der Organisation, theils vom Willen der Seele ab. Die Ursachen lange daurender Bilder ist entweder mechanisch, oder auch zugleich mechanisch und geistig, blos geistige giebt es nicht. ? ?

 

[Ia-05-1779-0437]
Die Nerven der Sinne werden durch die Ursachen der Krankheit auf eine sonst nicht gewöhnliche Art bewegt, oder vielleicht auch werden solche Fibern in Bewegung gesezt, die durch die äussern Obiekte nicht berührt werden, und dies giebt die neuen Ideen. So sind viele Phantasmen der delirirenden wirkliche Sensationen, und diese werden sehr unrecht für Würkungen der Phantasie gehalten. ?" Seit. 182. 183. 184. 185.

 

[Ia-05-1779-0438]
XXIII.

 

[Ia-05-1779-0439]
Algemeine deutsche Bibliothek. Des zwanzigsten Bandes erstes Stük. Berlin und Stettin, verlegts Friedrich Nikolai, 1773.

 

[Ia-05-1779-0440]
1) Neue Grundprinzipien der menschlichen Kentnis ? Beitrag zur Verbesserung der Metaphysik.

 

[Ia-05-1779-0441]
"Der Saz des Widerspruchs, oder das Principium positionis,

 

[Manuskriptseite 172.]

oder irgend ein andres der bisherigen metaphysischen Prinzipien, können nicht wol für oberste Grundsäzze unsrer Kentnis gehalten werden. Sie betreffen nur die Form der Erkentnis, und geben von der Materie soviel als gar nichts an. Der Saz des Widerspruchs ist verneinend, und zeigt nur, wo das mögliche und das wahre nicht ist. Die positiven Möglichkeiten lassen sich daraus nicht geradehin erkennen, der Saz des Widerspruchs bezeichnet gleichsam nur die Gränzlinie zwischen dem wahren und dem blos symbolischen, und ist daher nicht ein Principium der Erkentnis selbst, sondern nur des theoretischen Theils der Probierkunst der menschlichen Erkentnis, sofern es ein Mittel ist, das Unmögliche vom Möglichen zu unterscheiden. ? Nach H. Lambert besteht der materielle Anfang unsrer Kentnis nicht in den abstraktesten, oder sogenanten höchsten ontologischen Begriffen, und zwar deswegen nicht, weil diese Begriffe unter allen die allerzusammengesezteste sind. Er nimt aber die abstrakten Begriffe nicht so von allen Bestimmungen entblöst, wie die Worterklärungen, sondern sieht sie als Sceleta von den darunter gehörenden einzeln Obiekten an, und zeigt, wie sehr z. E. der so abstrakte und von allem entblöst scheinende Begrif Ding, zusammengesezt ist, wenn man alle Fundamenta divisionum et subdivisionum, die nothwendig darin vorkommen müssen, in Betrachtung zieht. Nun wil H. L. überhaupt gar keine zusammengesezte Begriffe zur ersten Grundlage unsrer Erkentnis ge

 

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rechnet wissen, weil die Möglichkeit ihrer Zusammensezzung vorerst bewiesen werden mus. Dieses leitet ihn zu den einfachen Begriffen, die eben dadurch, daß sie einfach sind, von innern Widersprüchen nothwendig frei sind, weil zum Widersprechen wenigstens zwei erfordert werden. Es müssen demnach im System der Erkentnis die einfachen Begriffe zum Grunde liegen. ?" Seit. 13. 14.

 

[Ia-05-1779-0442]
2) Vom Begriffe Einheit.

 

[Ia-05-1779-0443]
"Die Einheit ist sehr verschieden. Es finden sich z. E. absolute Einheiten, die schlechthin so bleiben, wie sie sind, und die weder Brüche haben, noch vielfach werden können. So ist die Existenz, welche keine Grade der Intensität hat, in dieser Absicht eine absolute Einheit. Es giebt andere Einheiten, die nur Brüche haben können, ohne daß sie können vielfach werden. Silber kan z. E. nicht mehr als rein sein, hingegen kan die Reinheit bis auf 0 herunter vermindert werden. Sie ist z. E. bei 12 löthigem Silber nur 3/4 bei 8 löthigem Silber nur 1/2 pp. Es giebt hinwiederum Einheiten, die keine Brüche haben, dagegen aber grösser werden können. Z. E. das Wasser kan nicht leichter werden, als wenn es ganz rein ist. Iede Vermengung mit Salze pp. macht es schwerer. Nimt man nun mit, daß das Salz nicht mehr als bis zur Saturation aufgelöst werden kan, so sieht man, daß die Schwere des Wassers nur zwischen bestimten Schranken veränderlich ist, und in so fern zwo bestimte Einheiten hat, die zum Grunde ge

 

[Manuskriptseite 174.]

legt werden können. Endlich giebt es ganz wilkürliche Einheiten, und diese kommen immer vor, wo eine Grösse von 0 an bis ins unendliche anwachsen kan, wie z. E. bei Ausmessung der Ausdehnung, der Dauer, der Bewegung, der Geschwindigkeit pp. ?" Seit. 21.

 

[Ia-05-1779-0444]
3) Von den beiden Kap. XV. und XVI. an die Römer.

 

[Ia-05-1779-0445]
"Hr. Semler ist mit andern aus guten Gründen der Meinung, daß diese beiden Kapitel eine doppelte Nachschrift gewesen, dergleichen, obgleich kürzere auch bei andern Paullinischen Briefen sich finden. Er beruft sich theils deswegen theils auf eine Nachricht beim Origenes, daß Marcion beide Kapitel verworfen habe, und die Wahrnehmung, daß in den meisten Handschriften der Schlus des XVI, 25=27. am Ende des XIV. Kap. steht; theils auf den Inhalt, der mit dem Briefe selbst nichts gemein hat. Dann hält er dafür, daß die zweite Nachschrift im XVI. Kap. überhaupt gar nicht für die römische Gemeine bestimt gewesen; der Apostel sie dem Briefträger mitgegeben habe, um auf der Rükreise durch Korinth und andere Gemeine in Griechenland, Mazedonien, die darin genanten Lehrer und Aufseher in seinem und seiner Freunde Namen zu grüssen, diese also sich nicht zu Rom aufgehalten hätten, in der Folge aber man das Kapitel dem Briefe

 

[Manuskriptseite 175.]

an die Römer, als für Glieder der dasigen Gemeine bestimt, angefangen, um auch dadurch den Vorzügen dieser für andere Gemeinen ein neues Gewicht zu geben. Auf diese Weise läst sich leicht begreifen, warum der Apostel iedesmal am Ende XV, 33. XVI, 24. einen besondern Abschiedsgrus beigefügt, oder umgekehrt, wenn beide Kapitel noch zum Briefe selbst gehört hätten, so würde die Häufung dieser Abschiedsformeln etwas ungewöhnliches sein. ?" Seit. 86. 87.

 

[Ia-05-1779-0446]
4) Einige Beweise, daß der Schlus der Stelle Röm. 9, 5. auf den Vater gezogen werden müsse.

 

[Ia-05-1779-0447]
"Daß es eine Doxologie des Vaters sei bestätigen folgende Gründe. Der Vater wird durchaus im N. T. als der höchste Gott vorgestelt, entweder mit den Worten ? ??? ?????? ???? oder nach den gleichgeltenden Versicherungen, daß er, der Gott, das Haupt Christi Eph. 1, 17. 1 Kor. XI, 3. XV, 27. sei, grösser als Christus, u. d. gl. desgleichen in Eph. 4, 5. wo der Vater auch ausdrüklich ? ??? ?????? genant wird: Hr. Semler hat also Recht auf diesen durchaus herschenden Sprachgebrauch des N. T. zu dringen, und sich an das vorgeworfene ? ????? ???? nicht kehren, weil das folgende ???? dazu gehört, und unser grosser Gott, und der allerhöchste Gott noch ganz zweierlei ist, so, wie es auch die ersten christlichen Lehrer einsahen, wenn sie den Vater Deum summum Chri

 

[Manuskriptseite 176.]

stum aber Deum nostrum nanten. Daß auch dieses der älteste Sprachgebrauch der christlichen Lehrer, und der gelehrtesten unter ihnen gewesen, ist ausgemacht, und es ist gewis der elendeste Einwurf, dagegen zu sagen "sie haben sich nicht allezeit behutsam genug ausgedrükt" nämlich, Gelehrte, die sehr vorsichtig beide Ausdrükke an gehörigen Ort anbringen! Man denke doch! Last uns lieber gar sagen, Iesus habe sich vor den Nicänischen Kirchenversamlungen nicht behutsam genug ausgedrükt, wenn er so oft in gleichgeltenden Versicherungen gesagt: der Vater sei grösser, als er, der allein wahre Gott, Er, der Gesandte desselben u. s. w. Weiter: Hr. Semler behauptet mit eben soviel Recht, der Vater allein werde @ @@@@@@@@ in casu recto genant, Iesus nur @@@@ @@@ @@@@@@@ und überhaupt werde die ganze Formel @@@@@@@ @@@ @@@@ @@@@@@@ nur vom Vater gebraucht Röm. I, 27. 2 Kor. XI, 31. Noch weiter ists für den H. Semler, daß der Apostel nach @ @ @@@@@ nicht fortfährt @@ @@@@ oder @@ @@@ @@@@, und daß diese deutlichere Verbindungsart nöthig gewesen sein würde, um auch den damaligen Lesern es ungezweifelt zu machen, daß er Christum meine, da sie sonst gewohnt waren, nur den Vater von ihm @@@ @ @ @ @@@@@@ @@@ @ @ genent zu hören, und nur gleich im Anfange des Briefes, das von ihm gehört hatten. Durch Exempel kan gezeigt wer

 

[Manuskriptseite 177.]

den, daß Paullus weit öfter in Säzzen, wo er von einem vorhergehenden Subiekt etwas behauptet, mit @@ @@@@ die Verbindung mache, wie I, 25. IV, 16. XVI, 5. Kol. I, 7, 15. 17. II, 10. 1 Tim. IV, 10. und wo er noch etwas höheres von demselben beieahen wil, mit @@ @@@ @@@@ Röm. VIII, 34. ?" Seit. 95. 96.

 

[Ia-05-1779-0448]
5) Von der Offenbarung Iohannis.

 

[Ia-05-1779-0449]
"Viele halten die Apokalypsis nicht würdig, unmittelbar vom Allerweisesten, der im N. T. nicht mehr im dunkeln Worte redet, dem menschlichen Geschlechte, welches nichts davon versteht, geoffenbaret zu werden. Sie glauben mit Recht Vorstellungen im Ganzen und in Theilen zu finden, welche mit dem nachgebenden, menschenfreundlichen Geiste der christlichen Religion sehr unangenehm kontrastiren. In ihren Augen thun die Seelen der Blutzeugen unter dem Altar k. 6. v. 10. was kein rechtschaffener Weltbürger auf Erden thun würde. Nothwendig ist das ein Buch nicht , seine Lehre und seine schönen Stellen scheinen aus den Propheten gestoppelt, das übrige sind iüdische Träume, dergleichen in eigentlich iüdischen Büchern manche stehen.* Eine Anmerkung, die allen Auslegern der Apokalypse entgangen zu sein scheint, ist folgende: daß die Iuden glauben, die Apokalypse sei das Werk eines Iuden, der die Absicht gehabt habe dadurch in verdekten Bildern die christliche Religion zu widerlegen. Es ist hieraus zu sehen, wie leicht der menschliche Verstand mit dunkeln Bildern spielen könne, und wie sehr alle Auslegungen derselben, auf vorhergefasten Meinungen beruhen. ? *] Durch horizontale Linie vom Haupttext getrennt am unteren Seitenende angefügt. ST

 

[Manuskriptseite 178.]

[Ia-05-1779-0450]
Sie berufen sich auf die Erfahrung der frommen Betrügereien der ersten Christen, auf den Widerspruch vieler einsichtsvollen Forscher, und glauben Gottes, Christi, Iohannis und der christlichen Kirche Ehre, nebst der Zufriedenheit mancher durch dies Buch verwirten Menschen gegen dieses Buch interessirt. ? Einem nachdenkenden Menschen zu beweisen, ein dem ganzen menschenliebenden Geiste Christi, der ganzen Denkungsart des edlen Iohannis, so sehr widersprechendes Buch, ohne Beispiel im N. T., ohne Nuzzen im Leben, unverständlich denen, zu deren Unterricht es sol gegeben worden sein, vol Rache, vol Menschenhas, Intoleranz und gewöhnlichen iüdischen Spizfindigkeiten, ein Buch von dieser Beschaffenheit, dessen Ursprung überdem in den ältesten Zeiten zweideutig war; zu beweisen, dies Buch sei Gottes Werk, sei des menschenfreundlichen Iohannis Gesichte, sei zum algemeinen Unterrichte aller Christen vom algemeinen Vater der Menschen, geoffenbaret worden ? das zu beweisen, braucht es mehr als ein zweideutiges Zeugnis eines Papias, welcher die Apokalypse vielleicht selbst unter die Schriften zählte, welchen er weniger als einer mündlichen Überlieferung traute, (niemand sagt, er habe seinen Traum der 1000 Iahre aus diesem Buche bewiesen, welches doch sein wichtigstes Zeugnis gewesen sein müste,) welcher dem Zeugnis des Irenäus, als wär er Io

 

[Manuskriptseite 179.]

hannis Schüler gwesen, durch sein Stilschweigen in 5. Büchern von den Reden Christi, (welche Eusebius so gut als Irenäus gelesen hat) selbst widerspricht, und erst vierhundert Iahre später von einem kappadocischen Bischoffe, als (vielleicht mittelbarer durch seine Lehren) Zeuge für die Apokalypse angeführt wird. ? Dazu braucht es mehr als einen leichtgläubigen Iustin, der die Avthentie eines bestrittenen Buches so wenig als das Wunder mit der Übersezzung der CXXX. oder Simon des Zauberers Ehrensäule entscheiden kan ? Es braucht mehr als einen Irenäus, der für den Chiliasmus partheiisch mit beiden Händen ein Buch als Iohannis Arbeit annahm, welches er von Polykarpen, seinem Lehrer, Iohannis Schüler, so wenig als die apokryphische Nachricht vom Alter Christi und die noch sehr ungewisse Epoche dieses Buchs empfangen haben mochte; welcher überdem noch andere Bücher götlich ehrte, welche die Kirche verwirft. ? Eben so wenig kan das Zeugnis eines Melitto's oder Tertullian's und des Origenes gelten. ? ?" Seit. 133. 134. 135.

 

[Ia-05-1779-0451]
XXIV.

 

[Ia-05-1779-0452]
Leipziger Musenalmanach aufs Iahr 1776. Leipzig, im Schwikkertschen Verlage.

 

[Ia-05-1779-0453]
1)

 

[Ia-05-1779-0454]
Die Unsterblichkeit der Seele vom Dichter bewiesen.
"Zu fernen Kentnissen gab Gott mir den Gedanken,
Und schreibt mein ganzes Sein doch in so enge Schranken? -
Ist nur Ein Alter mein, so gab er mir zu viel,
Unwissend sterb ich doch, und war des Iammers Spiel;

 

[Manuskriptseite 180.]

Noch unreif fal ich ab! Vernichtung ist mein Ende!
Rühmt seine Güte nicht, nur seine starken Hände.
Ich leb'; und daß ich bin, beweist mir seine Macht,
Doch sagt, ist seine Kunst nicht übel angebracht?
Heut elend! morgen Nichts! Das ist mein ganzes Wesen!
Könt ihr in diesem Plan auch Güt' und Weisheit lesen?
Wie macht ihr Gott so klein! ist er so warlich nicht,
Dem Almacht eigen ist, und alles sonst gebricht. ?" Seit. 5.
"Ich denke; nenne den Gedanken meinen Ohren,
Und rathe, was er ist? wer ihn in mir geboren?
Reizbarer Fibern Kraft zeugst du mir diesen Sohn?
Und Denken wäre blos Organisation?
So denkt ein iedes Ding, und hat vernünftig Leben,
Der Fibern Feinheit ist ia Blumen auch gegeben?
Wol uns! daß Gott den Mund der Körperwelt versagt,
Wie wär' der arme Mensch mit Weisen sonst geplagt!
Aus Rosen sprächen oft die steifesten Zenonen,
Es würd' ein La Mettrie in manchem Pilze wohnen. ?" S. 8.
"Wahr ist's, der Geist betrit die Gränzen dieser Welt
Nicht ehr, als zur Geburt das Loos dem Körper fält,
Scheint erst gedankenlos, unfähig zu begreifen,
Wächst wie er älter wird, mus mit den Sinnen reifen."
Macht ihn gleich völlig reif, so ist er es zu früh.
Des weisen Schöpfers Werk ist lauter Harmonie,

 

[Manuskriptseite 181.]

Er kante, sezte, folgt' auch selbst der Einheit Regel:
An eines Wandrers Stab hängt man kein schwellend Seegel.
Die noch unreife Schaal' enthält den ganzen Kern,
Doch seine Zeitigung erwartet er von fern.
Dem kindschen Alter zolt das Leben wenig Gaben,
Drum darf es nicht zu viel Volkommenheiten haben.
Der Säugling misse sie, sonst stimt, um Eins zu sein,
Der Körper mit dem Geist nicht richtig überein.
Quält Alexandren schon in seiner Mutter Schoosse
Der Ehrsucht stolzer Plan, wie wird er denn der Grosse?
Verzweifelt wird er sich der kindschen Kräfte schämen,
Und, ungeschikt zu Sieg und Ruhm, zu Tode grämen.
Der Geist wächst mit dem Leib, doch mus ich daraus schliessen,
Darum wird er mit ihm auch untergehen müssen?
Erreicht nicht Aug' und Ohr bald die Volkommenheit,
Indes ist noch der Geist von seinem Ziele weit; Er wächst auf andre Art, nicht nach ganz gleichem Maasse.
Gilt auf den Diogen der Schlus von seinem Fasse? ?" Seit. 9. 10.

 

[Ia-05-1779-0455]
2)

 

[Ia-05-1779-0456]
Ein blosses Wortspiel.
"In finstrer Barbarei schlug mit der eisernen Hand
Der edle Göz von Berlichingen
Der Menschheit Hasser, die, 's Recht aus dem Vaterland
Zu iagen, wider ihn zu Felde giengen.
In aufgeklärter Zeit, da die erhabne Zunft
Der Menschenfreunde, Freiheit und Vernunft
Dem Menschen rettete, der Menschheit wahre Zierde
Und duldsam Tugend stets zum Himmel führte,

 

[Manuskriptseite 182.]

Kam mit dem eisernen Kopf ein G? von H?burg aus,
Und schmis Duldsamkeit, Vernunft und Mensch zum Himmel 'naus!!! ?" Seit. 34.

 

[Ia-05-1779-0457]
3)

 

[Ia-05-1779-0458]
An'n Mond!
"Freundlicher gefälliger Mond!
Wie du heiter mir lächelst!
Vom entwölkten Himmel herab
Senkst du Ruhe in die Seele.
Ganz bescheiden leuchtet dein Licht,
Wie die Sonne nicht prächtig,
Mit zufriednem zärtlichen Blik
Siehst du auf mich hernieder. ?
O so sei mein Leben auch hier
Keine blendende Sonne,
Nur die sanfte Tugend umkränz'
Meine Schläfe mit Rosen!
Stille Freuden, einsam gefühlt
Und vom Himmel gesehen,
Sind uns Quellen höherer Lust,
Als weitschimmernde Thaten.
Unsre stille Tugend bemerkt
Doch das Auge des Weisen,
Wann die hohe glänzende That
Prächtig blizet und ? blendet. - " Seit. 48.

 

[Ia-05-1779-0459]
4)

 

[Ia-05-1779-0460]
Muthmassungen.
"Die alte Iungfer schmäht auf iunger Liebe Freuden,
Der Dichter auf das Gold, darein sich Fürsten kleiden.
Man solte gar beinahe glauben,
Es wär' der Fal vom Fuchs und von den sauren Trauben." S. 118.

 

[Manuskriptseite 183.]

[Ia-05-1779-0461]
5)

 

[Ia-05-1779-0462]
Der Indifferentist.
"Traun liebe Leutchen, traun ihr raufet euch fast sehr.
Gilt Luthers oder Kalvins Lehr
Dereinst am Thor S. Petri mehr;
Allein mein Glaube heist:
Wer seinen Bruder nicht betrübet,
Selbst seinen Feind als Menschen liebet;
Und seinen guten Schöpfer preist
Als Wodan oder Iupiter
Als Vizlipuzli, oder mehr
Wie man die Namen nennen kan,
Der ist doch traun! ein braver Man,
Und ihm wird von S. Petro aufgethan:
Und wie in der Kirche zu dieser Frist,
So ist es auch am Parnassus ist.
Darum was schmäht ihr lieben Leut'
Einander so zu dieser Zeit?
Wir Lutheraner Kalvinisten
Und Päpstler alzumal sind Christen;
Und doch ist Zwietracht unter euch
Zwischen Wielands und Klopstoks Reich. ?" Seit. 154.

6)

 

[Ia-05-1779-0463]
An ein Iohanniswürmchen.
"Helle den Rasen, lieber Glühwurm, helle
Diese wankenden Blumen, wo mein Mädchen
Abendschlummer schlummerte, wo ich ihre
Träume belauschte.

 

[Manuskriptseite 184.]

Helle den Rasen, lieber Glühwurm, daß ich
Iede wankende Frühlingsblume küsse,
Iedes Silberglökchen des grünen Rasens
Fülle mit Thränen." S. 207.

7)

 

[Ia-05-1779-0464]
Schlus.
"In Griechenland, wie beim Laerz wir lesen,
Gabs sieben Weise blos;
Nun denke man, wie gros
In Griechenland der Narren Zahl gewesen. ?" Seit. 207.

8)

 

[Ia-05-1779-0465]
Über M. Silligs Behauptung, daß alle in der lezten Theurung Verhungerte grosse Sünder gewesen sind.
Der Theurung hat nur Sünder weggeraft,
Wer wil, kan es in Silligs Büchlein lesen:
Der reiche Mann ist folglich tugendhaft,
Und Lazarus ie Bösewicht gewesen. ?" Seit. 249.

9)

 

[Ia-05-1779-0466]
Es ist alles Eitel.
"In der Welt ist alles eitel,
Sprach einst der weise Salomo.
Bei meiner Treu, auch ich dächt' so,
Hätt' ich nur sein Serail und seinen Beutel. ? ? ?" Seit. 288.

 

[Manuskriptseite 185.]

Verzeichnis der in diesem Bande vorkommenden Schriften.

 

[Ia-05-1779-0467]
I. Algemeine deutsche Bibliothek. Des sechs und dreissigsten Bandes erstes Stük. Seit. 1.

 

[Ia-05-1779-0468]
II. Moses Mendelssohns Phädon in drei Gesprächen über die Unsterblichkeit der Seele Seit. 15.

 

[Ia-05-1779-0469]
III. Algemeine deutsche Bibliothek. Des achtzehnten Bandes erstes Stük. 35.

 

[Ia-05-1779-0470]
IV. Algemeine deutsche Bibliothek. Des achtzehnten Bandes zweites Stük. 38.

 

[Ia-05-1779-0471]
V. Moses Mendelssohns Philosophische Schriften. Erster Theil. 39.

 

[Ia-05-1779-0472]
VI. Moses Mendelssohns Philosophische Schriften. Zweiter Theil. 56.

 

[Ia-05-1779-0473]
VII. Algemeine deutsche Bibliothek. Des siebenzehnten Bandes erstes Stük. 71.

 

[Ia-05-1779-0474]
VIII. Der deutsche Merkur vom Jahr 1778. Erstes Vierteliahr. 74.

 

[Ia-05-1779-0475]
IX. Der deutsche Merkur vom Jahr 1778. Zweites Vierteljahr. Weimar. 76.

 

[Ia-05-1779-0476]
X. Algemeine deutsche Bibliothek. Des siebenzehnten Bandes zweites Stük. 79.

 

[Ia-05-1779-0477]
XI. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Fünfter Band. 96.

 

[Manuskriptseite 186.]

[Ia-05-1779-0478]
XII. Der deutsche Merkur vom Jahr 1778. Drittes Vierteliahr. Seit. 111.

 

[Ia-05-1779-0479]
XIII. Der deutsche Merkur vom Iahr 1778. Viertes Vierteliahr. 116.

 

[Ia-05-1779-0480]
XIV. Algemeine deutsche Bibliothek. Des neunzehnten Bandes erstes Stük. 118.

 

[Ia-05-1779-0481]
XV. Algemeine deutsche Bibliothek. Des neunzehnten Bandes zweites Stük. 124.

 

[Ia-05-1779-0482]
XVI. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Sechster Band. 127.

 

[Ia-05-1779-0483]
XVII. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Siebender Band. 131.

 

[Ia-05-1779-0484]
XVIII. Halladat oder das rothe Buch. 135.

 

[Ia-05-1779-0485]
XIX. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Achter Band. 139.

 

[Ia-05-1779-0486]
XX. Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur. Neunter Band. 149.

 

[Ia-05-1779-0487]
XXI. Ephemeriden der Menschheit. Vierter Band 1776. 161.

 

[Ia-05-1779-0488]
XXII. Der deutsche Merkur vom Jahr 1779. Erstes Vierteliahr. 169.

 

[Ia-05-1779-0489]
XXIII. Algemeine deutsche Bibliothek. Des zwanzigsten Bandes erstes Stük. 171.

 

[Ia-05-1779-0490]
XXIV.Leipziger Musenalmanach aufs Iahr 1776. 179.

 

[Manuskriptseite 187. ]

[Ia-05-1779-0491]
Verzeichnis der, in diesem Bande exzerpirten, Sachen.

 

[Ia-05-1779-0492]
1) Von der Geschichte der Menschheit. Seit. 1.

 

[Ia-05-1779-0493]
2) Eine Apologie der Heiden. 2.

 

[Ia-05-1779-0494]
3) Widerlegung eines Beweises für die Erbsünde. 9.

 

[Ia-05-1779-0495]
4) Gott liebt die Menschen ? nicht durch Christum bewogen. 9.

 

[Ia-05-1779-0496]
5) Von der Stelle Ioh. V. 17., von den Wirkungen des Gottes. 10.

 

[Ia-05-1779-0497]
6) Von den Stellen Ioh. 17, 4. 6. K. 18, 37. 10.

 

[Ia-05-1779-0498]
7) Von den Stellen Es. 6, 3. ? Ps. 139, 7. und Ps. 33, 6. 11.

 

[Ia-05-1779-0499]
8) Anmerkungen über'n Iesaias. 11.

 

[Ia-05-1779-0500]
9) Anmerkungen über'n Ieremias und Ezechiel. 12.

 

[Ia-05-1779-0501]
10) Anmerkungen über's Evangelium Iohannis. 13.

 

[Ia-05-1779-0502]
11) Einige Bemerkungen von der Sprache. 14.

 

[Ia-05-1779-0503]
12) Vergnügen und Schmerz sind mit einander verbunden. 15.

 

[Ia-05-1779-0504]
13) Wie die Seele Begriffe, die ihr der Körper nicht zuführt, bekömt. 16.

 

[Ia-05-1779-0505]
14) Was ist Veränderung? 17.

 

[Ia-05-1779-0506]
15) Das Veränderliche kan keinen Augenblik unverändert bleiben. 19.

 

[Ia-05-1779-0507]
16) In der Zeit findet man zwei Augenblikke, die einander die nächsten sind. 19.

 

[Ia-05-1779-0508]
17) Von Leben und Tod. 20.

 

[Ia-05-1779-0509]
18) Wenn der Mensch nach dem Tode nicht mehr wäre ? ? wie schreklich für ihn!! 26.

 

[Manuskriptseite 188.]

[Ia-05-1779-0510]
19) Beweis, daß das Denken keine Eigenschaft des Zusammengesezten ist. S. 27.

 

[Ia-05-1779-0511]
20) Die Wirkungen der Seele sezzen ein einfaches Wesen zum voraus. 31.

 

[Ia-05-1779-0512]
21) Das denkende Wesen geht voraus und das ausgedehnte folgt. 32.

 

[Ia-05-1779-0513]
22) Alle Menschen, wenn sie sterben, sind volkommener als wenn sie gebohren werden. 33.

 

[Ia-05-1779-0514]
23) Von den Thierseelen. 34.

 

[Ia-05-1779-0515]
24) Unsere Begierden und Wünsche gehen ins Unendliche. 35.

 

[Ia-05-1779-0516]
25) Von der Sprache der Apostel. 36.

 

[Ia-05-1779-0517]
26) Die Natur erzeugt kein Ungeheuer. 36.

 

[Ia-05-1779-0518]
27) Gründe für's Ende der Höllenstrafen. 36.

 

[Ia-05-1779-0519]
28) Von den Glaubenslehren. 38.

 

[Ia-05-1779-0520]
29) Wahre Definition des Christenthums. 39.

 

[Ia-05-1779-0521]
30) Von den deutlichen und dunkeln Begriffen bei der Vorstellung der Schönheit. 39.

 

[Ia-05-1779-0522]
31) In dem Augenblikke des Genusses verdunkeln sich alle einzelne Begriffe. 43.

 

[Ia-05-1779-0523]
32) Schönheit sezt Einheit im Mannigfaltigen und Volkommenheit Übereinstimmung des Mannigfaltigen voraus. 44.

 

[Manuskriptseite 189.]

[Ia-05-1779-0524]
33) Alles in der Welt mus zusammenhängen. Seit. 47.

 

[Ia-05-1779-0525]
34) Die Quelle des Vergnügens ist so wol im Körper als in der Seele anzutreffen. 48.

 

[Ia-05-1779-0526]
35) Was verwöhnter Geschmak ist? 52.

 

[Ia-05-1779-0527]
36) Unterschied zwischen Einhelligkeit und Einerlei. 52.

 

[Ia-05-1779-0528]
37) Was ist der Schmerz? 53.

 

[Ia-05-1779-0529]
38) Von der Wirkung der Töne auf den menschlichen Körper. 53.

 

[Ia-05-1779-0530]
39) Gewisse Art, die Leidenschaften durch Farben auszudrükken. 54.

 

[Ia-05-1779-0531]
40) Von algebraischen Zeichen. 54.

 

[Ia-05-1779-0532]
41) Bei allen möglichen unglüklichen Umständen liebt man doch das Sein, vor dem Nichtsein. 55.

 

[Ia-05-1779-0533]
42) Einige Bemerkungen über die vermischten Empfindungen. 56.

 

[Ia-05-1779-0534]
43) Beantwortung der Frage "warum ist die undeutliche Erkentnis der Sinne so oft wirksamer als die deutliche Erkentnis der Vernunft. 60.

 

[Ia-05-1779-0535]
44) Wie Beispiele auf einen allgemeinen Grundsaz reduzirt werden können. 62.

 

[Ia-05-1779-0536]
45) Die Baukunst kan auch Leidenschaften erregen. 63.

 

[Ia-05-1779-0537]
46) Vom Erhabnen. 63.

 

[Ia-05-1779-0538]
47) Von der Wahrscheinlichkeit. 64.

 

[Ia-05-1779-0539]
48) Beweis, daß unsere Experimentalschlüsse richtig sind, aus der Wahrscheinlichkeitslehre. 68.

 

[Manuskriptseite 190.]

[Ia-05-1779-0540]
49) Die Wahrscheinlichkeit wächst erst durch eine unendliche Anzahl von Würfen zur Gewisheit an. Seit. 70.

 

[Ia-05-1779-0541]
50) Wie man den Weg, den Christus in seiner Reformation gegangen ist, angeben könne. 71.

 

[Ia-05-1779-0542]
51) Von Iesu und Iohannes. 72.

 

[Ia-05-1779-0543]
52) Koniektur über die Stelle Ioh. Luk. 12, 58. 59. 72.

 

[Ia-05-1779-0544]
53) Von der Hexe zu Endor. 73.

 

[Ia-05-1779-0545]
54) Von der Stelle Röm. 9, 5. welche man für die Gotheit Christi braucht. 73.

 

[Ia-05-1779-0546]
55) Von der rechten Art der Erzählung. 74.

 

[Ia-05-1779-0547]
56) Von Möglichkeit und Unmöglichkeit ? und von dem uns unbegreiflichen und dem an sich unbegreiflichen. 75.

 

[Ia-05-1779-0548]
57) Etwas Algemeines von der Wahrheit. 76.

 

[Ia-05-1779-0549]
58) Wie gering ist unsere Einsicht noch in der Natur! 76.

 

[Ia-05-1779-0550]
59) Nachtlied. 77.

 

[Ia-05-1779-0551]
60) Was ist eigentlich ein physisches Gesez? 79.

 

[Ia-05-1779-0552]
61) Der Unterschied zwischen froh sein und sich erquikken. 84.

 

[Ia-05-1779-0553]
62) Unterschied zwischen Has und Zorn. 85.

 

[Ia-05-1779-0554]
63) Vom Wort Vergnügen, wenn mans stat der Benennung Tugend braucht. 85.

 

[Manuskriptseite 191.]

[Ia-05-1779-0555]
64) Warum uns einige Eigenschaften der Körper als subiektiv, und einige als obiektiv erscheinen. Seit. 86.

 

[Ia-05-1779-0556]
65) Beweisende Anmerkungen, daß Moses in der Geschichte des Fals unter der Schlange den Teufel nicht verstehe. 89.

 

[Ia-05-1779-0557]
66) Widerlegung der Meinung: "Christus habe uns durch sein Leiden von den Strafen und dem Elende der Sünde erlöst"? 89.

 

[Ia-05-1779-0558]
67) Von der Stelle 1 Ioh. 5, 20. 94.

 

[Ia-05-1779-0559]
68) Von der Stelle Matth. 26, 24. die die Ewigkeit der Höllenstrafen beweisen sol. 94.

 

[Ia-05-1779-0560]
69) Von Matth. 25, 46. 95.

 

[Ia-05-1779-0561]
80) 80)] Zählfehler Jean Pauls, keine Korrektur, nur Klecks Von der Benennung Christi "Sohn Gottes". 95.

 

[Ia-05-1779-0562]
81) Von den Vergnügungen der Sinne. 96.

 

[Ia-05-1779-0563]
82) Warum handelt der Mensch nicht nur oft ohne Grund, sondern auch wider Gründe? 97.

 

[Ia-05-1779-0564]
83) Anmerkungen über den Einflus der Vernunft in die Sprache, und umgekehrt. 98.

 

[Ia-05-1779-0565]
84) Einige Bemerkungen von der menschlichen Seele. 101.

 

[Ia-05-1779-0566]
85) Von dem verschiednen Zustand, worin sich die Seele bei Ausübung ihrer Hauptvermögen befindet. 102.

 

[Manuskriptseite 192.]

[Ia-05-1779-0567]
86) Von der Vernunft. Seit. 104.

 

[Ia-05-1779-0568]
87) Ein Beweis von der Immaterialität der Seele. 107.

 

[Ia-05-1779-0569]
88) Der Glauben der Iuden an ein künftiges Leben war kein Religionsartikel. 108.

 

[Ia-05-1779-0570]
89) Warum alle Völker eine Seelenunsterblichkeit glauben. 109.

 

[Ia-05-1779-0571]
90) Von der natürlichen Wärme der Menschen und Thiere. 109.

 

[Ia-05-1779-0572]
91) Zweifel in Ansehung der Schriften Paullus. 110.

 

[Ia-05-1779-0573]
92) Von den Samenthiergen. 111.

 

[Ia-05-1779-0574]
93) Eiakulationen eines Verliebten. 113.

 

[Ia-05-1779-0575]
994) Iakobi's Klagen beim Grabe Rousseau's. 115.

 

[Ia-05-1779-0576]
5) Der Mensch ? als Kind betrachtet. 116.

 

[Ia-05-1779-0577]
96) Von 1 Ioh. 5, 20. 118.

 

[Ia-05-1779-0578]
97) Von andern Schriftstellen, die die Gottheit Christi beweisen sollen. 118.

 

[Ia-05-1779-0579]
98) Von der Stelle Ebr. 1, 3. 120.

 

[Ia-05-1779-0580]
99) Von der Stelle Koloss. 2, 9.

 

[Ia-05-1779-0581]
100) Vom Wort " ???????? " @@@ im N. T.

 

[Ia-05-1779-0582]
101) Vom Elias. 124.

 

[Ia-05-1779-0583]
102) Die Sprache des Menschen. 124.

 

[Ia-05-1779-0584]
103) Von der Inspiration der Apostel. 127.

 

[Ia-05-1779-0585]
104) Der Karakter der Morgenländer. 127.

 

[Ia-05-1779-0586]
105) Bemerkung von Sprach und Gedanke. 128.

 

[Manuskriptseite 193.]

[Ia-05-1779-0587]
106) Vom Worte "????? "@@@ in der h. Schrift. Seit. 131.

 

[Ia-05-1779-0588]
107) Von Ioh. 14, 28. 131.

 

[Ia-05-1779-0589]
108) Von der Volkommenheit eines ieden Volks. 131.

 

[Ia-05-1779-0590]
109) Ein Beweis wider die höchste Gotheit Iesu. 132.

 

[Ia-05-1779-0591]
110) Widerlegung des gewöhnlichen Begrifs von der Erbsünde. 132.

 

[Ia-05-1779-0592]
111) Gott wil nicht, daß Alle einerlei glauben. 133.

 

[Ia-05-1779-0593]
112) Vom Unser Vater. 134.

 

[Ia-05-1779-0594]
113) Der Gesang: "Gott". 135.

 

[Ia-05-1779-0595]
114) Die Menschenseele. 137.

 

[Ia-05-1779-0596]
115) Die bessere Welt! 139.

 

[Ia-05-1779-0597]
116) Genauere Anfangsgründe der griechischen Sprache. 139.

 

[Ia-05-1779-0598]
117) Krittische Anmerkung. 142.

 

[Ia-05-1779-0599]
118) Zweifel gegen die Authentizität des 4. Kap. Daniels. 142.

 

[Ia-05-1779-0600]
119) Eine Bemerkung von der Religion der alten Völker. 145.

 

[Ia-05-1779-0601]
120) Vom Metrum der Hebräer. 145.

 

[Ia-05-1779-0602]
121) Warum sich uns nicht alle Ideen gleich lebhaft vorstellen. 146.

 

[Ia-05-1779-0603]
122) Vom Labyrinth im Ohr. 147.

 

[Ia-05-1779-0604]
123) Von Erkentnissen des Iudenthums. 147.

 

[Ia-05-1779-0605]
124) Ein Fehler, den die Feinde des Christenthums begehen. 149.

 

[Ia-05-1779-0606]
125) Von der Gottheit Christi. 149.

 

[Ia-05-1779-0607]
126) Von Glauben und Unglauben. 159.

 

[Ia-05-1779-0608]
127) Über die Kindertaufe. 159.

 

[Ia-05-1779-0609]
128) Über die prophetische Namen. 160.

 

[Ia-05-1779-0610]
129) Zeichnung eines fühlbaren Menschenfreunds. 161.

 

[Manuskriptseite 194.]

[Ia-05-1779-0611]
130) Über die Apperzeption unsrer eignen Existenz Seit. 169.

 

[Ia-05-1779-0612]
131) Von der Einbildungskraft. 169.

 

[Ia-05-1779-0613]
132) Obersten Grundsäzze der menschlichen Erkentnis 171.

 

[Ia-05-1779-0614]
133) Vom Begriffe der Einheit. 173.

 

[Ia-05-1779-0615]
134) Von den beiden Kap. XV. und XVI. an die Römer. 174.

 

[Ia-05-1779-0616]
135) Von der Stelle Röm. 9, 5. 175.

 

[Ia-05-1779-0617]
136) Von der Apokalypsis. 177.

 

[Ia-05-1779-0618]
137) Die Unsterblichkeit der Seele. 179.

 

[Ia-05-1779-0619]
138) Ein blosses Wortspiel. 181.

 

[Ia-05-1779-0620]
139) An'n Mond! 182.

 

[Ia-05-1779-0621]
140) Muthmassungen. 182.

 

[Ia-05-1779-0622]
141) Der Indifferentist. 183.

 

[Ia-05-1779-0623]
142) An ein Iohanniswürmchen. 183.

 

[Ia-05-1779-0624]
143) Schlus. 184.

 

[Ia-05-1779-0625]
144) Über M. Silligs Behauptung, daß alle in der lezten Theurung Verhungerte, Sünder gewesen sind. 184.

 

[Ia-05-1779-0626]
145) Es ist alles Eitel! 184.

 

[Ia-05-1779-0627]
Ende des fünften Bandes.